In der Geschichte gab es viele Frauen, die sich für andere oder die Allgemeinheit eingesetzt haben. Die Heldinnen haben durch ihre kleinen und großen Taten viele junge und alte Frauen und auch Männer inspiriert. Wir haben in unseren bisherigen Artikeln schon einiges über heldenhaften Serienfiguren, Sportlerinnen oder Mütter gelesen. Wie gut kennst du dich bisher mit Heldinnen aus? Teste dein Wissen im Heldinnen-Quiz!
Wir haben nun schon viel von Helden gelesen, die Menschenleben verschönern oder sogar retten. Doch es gibt auch welche, denen es um weitaus mehr geht. Sie wollen unseren ganzen Globus retten – grüne Helden. Zum Beispiel Melati und Isabel Wijsen, zwei junge Mädchen aus Bali, die die Organisation „Bye Bye Plastic Bags“ (BBPB) ins Leben gerufen haben.
„Kinder sind nur 25 Prozent der Weltbevölkerung, aber sie sind 100 Prozent der Zukunft“
Das ist der Lieblingsspruch der Schwestern Melati und Isabel. Sie gründeten 2013 ihre Organisation BBPB auf Bali, als sie gerade einmal zehn und zwölf Jahre alt waren. Ausschlaggebend dafür war eine Unterrichtseinheit, die sie in ihrer Green School behandelten: einflussreiche Menschen, die die Welt verbessern. Schnell fassten die beiden den Entschluss, den Plastikmüll in ihrer Heimat zu bekämpfen und damit auch in die Geschichte einzugehen. Dabei war ihre erste Aktion eine Online-Petition, mit deren Hilfe sie die Regierung zum Handeln animieren wollten. 2014 traten sie für dieses Vorhaben sogar in einen Hungerstreik, den sie erst beendeten, nachdem Balis Gouverneur sie zu einem Treffen einlud. Dabei erreichten die Schwestern, dass die Regierung Plastiktüten in Bali bis Ende dieses Jahres abschaffen will.
Ein weiteres Projekt ist das Pilotdorf Pererenan, wo sie mit ihrem Team gespendete Tüten aus Stoff und Papier an die Geschäfte, aber auch an alle 800 Familien in diesem Ort verteilen, um das Plastik zu verbannen. Denn auch die Bevölkerung muss durch Dialoge aufgeklärt und sensibilisiert werden. Dass das bisher sehr erfolgreich war, zeigt die Aufräumaktion „Balis Biggest Beach Cleanup“, bei der mehr als 12.000 Beteiligte an einem einzigen Tag über 43 Tonnen Müll an Balis Stränden sammelten.
Inzwischen sprechen Melati und Isabel mit internationalen Politikern und auf internationalen Kongressen wie der UN-Meereskonferenz in New York. Ihr Team besteht aus über 40 Kindern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, ihre Insel vom Müll zu befreien und Aufmerksamkeit für ihre Projekte zu gewinnen. Sie wollen trotz ihres jungen Alters auch in politische Entscheidungen miteinbezogen werden. 2017 gewannen die Schwestern für ihr Engagement den Medienpreis Bambi in Berlin in der Kategorie „Erde“. Sie profitierten von dem immensen Internet-Hype, der dieser und ähnlichen Heldengeschichten heute zugutekommt. Unter anderem durch diese massive Internetpräsenz hatten sie sogar die Möglichkeit, einen TED Talk zu halten.
Gewaltige Umweltprobleme dank Plastik
Indonesien gilt weltweit als zweitgrößter Verursacher des Plastikmüll-Problems der Ozeane. (Den ersten Platz belegt China.) Laut WWF fallen auf Bali täglich 1.000 Kubikmeter Plastikmüll an, von denen nur 10 Prozent recycelt werden. Der Rest landet in der Natur oder wird in Straßengräben verbrannt, was wiederum krebserregende Gase freisetzt. Gerade in der Regenzeit wird der Müll an Land ins Meer gespült beziehungsweise andersrum vom Meer wieder ausgespuckt. Doch die Einwohner Balis sind sich oft der Konsequenzen dieses Problems nicht bewusst oder haben andere Sorgen wie die immer noch anhaltende Armut im Land.
Dieses Bewusstsein muss sich aber nicht nur dort noch entwickeln: Auf der ganzen Welt verenden Seevögel, Fische oder Schildkröten qualvoll durch Plastikteile. Häufig verwechseln sie sie mit Nahrung oder verfangen sich und sterben dann an Erstickungen und Verstopfungen. Wie groß dieses Problem wirklich ist, lässt sich an ein paar Fakten erkennen: Laut WWF bestehen drei Viertel des Mülls in unseren Ozeanen aus Plastik. Bis zur völligen Zersetzung vergehen 350 bis 400 Jahre. Zusätzlich enthält Plastik oft Schadstoffe wie Weichmacher oder Flammschutzmittel. Durch Fische können diese auch in die menschliche Nahrungskette gelangen, stellen also auch für uns eine Gefahr dar. Zudem belasten die gigantischen Müllansammlungen sowohl die Tourismusbranche als auch die Schifffahrt – insgesamt schätzt Greenpeace den jährlichen wirtschaftlichen Schaden weltweit auf 13 Milliarden Euro.
Grüne Helden
Natürlich gibt es sie nicht nur im Kampf gegen den Plastikmüll – die Liste der dringenden Einsatzgebiete unserer Erde ist lang. Der größte Lebensraum auf unserem Planeten, das Meer, leidet an allen Ecken. Aktivistische Organisationen wie Greenpeace setzen sich hier für Schutzgebiete ein, in denen weder gefischt noch Ressourcen abgebaut werden dürfen. Das soll dem Ökosystem Zeit zur Erholung geben. Sie wollen eine nachhaltige Fischereiwirtschaft statt Überfischung und kämpfen gegen die gigantischen Schleppnetze, die jedes Jahr unzählige Wale, Haie oder Delfine als Beifang in den Tod reißen.
Auch an Land sind Umwelthelden aktiv: Forscher, Rancher und Freiwillige erschaffen und bewirtschaften Nationalparks, in denen wilde Tiere sicher und frei leben können. Besonders in Südafrika gibt es häufig Konfrontationen mit Wilderern – die Rancher riskieren ihr Leben, um bedrohte Arten zu schützen. Sie rufen Waldschutzprogramme ins Leben, um vor allem tropische Wälder vor der unverhältnismäßigen Abholzung zu retten. Somit wird die Heimat von Tieren, aber auch verschiedenster Pflanzenarten gesichert und erhalten. Selbst wenn wir in unser eigenes Land schauen, gibt es viel Bedarf an heldenhaften Taten. Auch hier zu Lande treten organisierte Aktivisten oder Einzelpersonen für ihre Überzeugungen ein. Menschenketten werden gebildet und Reaktoren bestiegen, um friedlich gegen Braunkohletagebaue oder Atomkraftwerke zu protestieren. Und auch bei uns braucht es fleißige Helfen, die die Artenvielfalt bewahren und immer wieder auf gefährliche Umweltprobleme aufmerksam machen.
Es sind Worte, Aufklärung und Taten, mit denen die grünen Helden unseren Planeten wieder ein kleines bisschen besser machen wollen. Ob Melati oder Isabel, Haiforscher oder Öko-Aktivist – wer versucht, die Umwelt zu retten, rettet irgendwo auch die Menschheit.
Ihr wollt mehr über den Schutz unserer Erde erfahren oder euch auch selbst engagieren? Hier findet ihr Infos:
BBPB – http://www.byebyeplasticbags.org/
WWF – https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/plastik/unsere-ozeane-versinken-im-plastikmuell/
Greenpeace – https://www.greenpeace.de/
Beitragsbild: H.Hach, Pixabay
Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch. Hier argumentiert Ulli Hagenlocher, warum Donald J. Trump kein Held ist.
Warnung: Der Folgende Artikel enthält kein stumpfes Trump-Bashing. Er konzentriert sich weder auf das Deuten von Tierformen in Frisuren, noch auf Mr. Trumps Schummeleien beim Golf und führt auch nicht die Installation eines roten Knopfes im Büro des 45. Präsidenten der USA, bei dessen Betätigung ein Mitarbeiter sofort eine gekühlte Cola zu servieren hat, als Argument für schlechte Politik an. Stattdessen erfahrt ihr hier, warum Donald J. Trump insbesondere für die Leute kein Held (mehr) ist, die ihn vor der Wahl als einen solchen ansahen.
Eine Mauer von Mexiko gegen Mexiko?
Ein zentrales und in der Öffentlichkeit stark wahrgenommenes Wahlversprechen von Trump war der Bau einer 3.000 km langen Mauer an der Südgrenze zu Mexiko. Diese Mauer sollte laut Trump diejenigen Mexikaner daran hindern in die USA zu gelangen, denen er eine Reihe krimineller Aktivitäten unterstellte. Außerdem versprach Trump, dass die mexikanische Regierung allein den Bau der Mauer finanzieren werde. Diese lehnte seinen Vorschlag jedoch, wenig überraschend, voll umfänglich ab. Bis heute gibt es lediglich einige amerikanische Unternehmen, die Prototypen für den Bau einer solchen Mauer vorsichtig vorgestellt haben. Von der konkreten Realisierung kann jedoch keine Rede sein, ganz zu schweigen von einem tatsächlichen Baubeginn und der völlig ungeklärten Finanzierung. Trump-Wähler, für die der Bau dieser Mauer ein wichtiges Argument war, dürften also ziemlich enttäuscht sein. Hier also schon einmal die erste nicht vollbrachte Heldentat.
Global warming fake (oder doch nicht)?
Im Vergleich zu Europa ist es in den USA stärker verbreitet, den menschengemachten Klimawandel als nicht hinreichend wissenschaftlich belegt anzuzweifeln. Trump gehörte im Wahlkampf zu diesen Menschen und formulierte als Wahlversprechen aus dem Pariser Klima-Abkommen auszusteigen. Nun kann man hier zum einen kritisieren, dass dieses Wahlversprechen relativ weit in die Zukunft greift, denn ein Ausstieg der USA aus dem Pariser Klima-Abkommen ist frühestens 2020 möglich. Um diesen Ausstieg als Präsident durchzuführen müsste Trump der Präsidentschaftskandidat in der eigenen Partei bleiben und darüber hinaus in eine zweite Amtszeit gewählt werden, was immerhin fragwürdig ist. Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum der Ausstieg aus dem Klimaabkommen möglicherweise wieder zurückgenommen werden könnte. Tatsächlich veröffentlichte die Regierung von Trump kürzlich selbst über den Climate Change Special Report eine Studie, welche zu dem Schluss kam, dass der Klimawandel zumindest vom Menschen beeinflusst ist – eine Aussage, die Trump im Wahlkampf immer beharrlich bestritten hat. Trump-Wähler und zugleich Klimawandel-Kritiker müssen sich also mit einem sehr instabilen und bald vielleicht sogar ganz aufgehobenen Wahlversprechen zufrieden geben.
Obamacare is (not) dead
In einem anderen Beispiel riefen interne Streitigkeiten einen plötzlichen Sinneswandel bei Trump hervor. So bezog dieser im Wahlkampf eindeutig Position gegen Obamacare, ein von seinem Vorgänger, Präsident Barack Obama, eingeführtes Gesundheitsprogramm, das in etwa mit dem deutschen Gesundheitssystem verglichen werden kann. In der Endphase seines Wahlkampfes ließ sich Trump sogar zu der Aussage „Obamacare is dead“ hinreißen. Wenig später dann die Verkündung des exakten Gegenteils. Obamacare sei alles andere als tot, hieß es nun von Trump, der seine volle Unterstützung des Programms damit deutlich unterstrich. Dem vorausgegangen war eine überparteiliche Einigung von Republikanern und Demokraten, bei der die Republikaner von einer Abschaffung Abstand nahmen und die Demokraten einer Überarbeitung des Gesetzes zustimmten. Leser, die sich mit der deutschen Geschichte auskennen, dürften sich hier vielleicht an das Zitat des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer erinnert fühlen: “Es kann mich doch niemand daran hindern jeden Tag klüger zu werden.“
Vom Sumpf verschluckt
Abgesehen davon mussten seine Wähler noch eine weitere Enttäuschung hinnehmen, die für manche vielleicht die bitterste Enttäuschung war. Ein zentrales und nahezu charakteristisches Vorhaben von Trump war es den „Sumpf von Washington“ trocken zu legen, sprich mit elitären Gefälligkeitsbeziehungen zu brechen und Vorzüge auf Staatskosten nicht länger zu gewähren. Die Realität stellte sich, welch Überraschung, wieder einmal vollkommen anders dar. Trump hat sich mit dem Sumpf offenbar lieber angefreundet als ihn auszutrocknen. Zahlreiche Posten im Weißen Haus wurden mit früheren Lobbyisten besetzt, so der Economist, und Trumps Minister wie zum Beispiel Steve Mnuchin oder Ryan Zinke reisen genauso gerne in Privatjets auf Staatskosten wie die Minister der Vorgängerregierungen auch.
Fazit
Abschließend bleibt festzustellen, dass an Trump auch aus Sicht derjenigen, die seine Positionen teilen und seine Vorhaben unterstützen, bisher wenig wirklich Heldenhaftes erkennbar ist. Ganz abgesehen von seinen Kritikern, die seine ganze Agenda ohnehin für grundlegend falsch halten, ist er vielleicht insbesondere für diejenigen eine Enttäuschung, die ihn aufgrund einer tief ersehnten Veränderung in der amerikanischen Politik gewählt haben, deren Richtung fast zweitrangig war.
Das ist doch alles Blödsinn, denkst du? Lies hier die Gegenmeinung von Jan Doria und gib hier deine Stimme ab.
Quelle Beitragsbild: Google Screenshot
Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch. Jan versucht zu verstehen, warum Donald J. Trump in den Augen seiner Anhänger als Held gelten kann.
Sie boten Zuflucht, besorgten illegal falsche Papiere oder verteilten Lebensmittel – viele Menschen leisteten Widerstand gegenüber dem NS-Regime und halfen so, verfolgte Juden vor dem Tod zu bewahren. Dabei brachten sie sich selbst in Gefahr und erhielten dafür zu Lebzeiten oft keine Anerkennung. Allein in Berlin engagierten sich mehr als 10.000 Menschen für verfolgte Juden. Warum halfen sie, während andere einfach wegsahen?
Ischgl. Mit 45 Skiliften und 238 Pistenkilometern gehört es zu einem der beliebtesten Skigebiete Tirols. Jährlich verbringen hier tausende Menschen ihren Winterurlaub. Aber was passiert eigentlich, wenn sich ein Skifahrer verletzt? Wir haben für euch mit dem Pistenchef von Ischgl, Serafin Siegele, über den Alltag der Bergretter gesprochen.
Heiß strahlt die Januar Sonne auf die eisigen Pisten Österreichs. Fans des Wintersports aus ganz Europa stürmen die Skigebiete, fahren begeistert mit den Liften auf die Berge und mit noch größerer Begeisterung die Berge auf Skiern wieder hinab. Mit jeder neuen Abfahrt werden sie selbstbewusster, schneller und waghalsiger. Auch ein junger Mann will mit seinem Können prahlen, gibt Gas und gerät ins Schleudern. Er weiß nicht, wie er bremsen soll, seine Skier verkanten sich, er stürzt und kommt von der Piste ab. Tief rutscht er eine Böschung hinunter, sein schmerzerfüllter Schrei hallt von den Bergwänden wider. Andere Skifahrer kommen schlitternd an der Kante zum Stehen und blicken panisch auf den Verletzten hinab, laut hört man sie aufkeuchen. Denn die Beine des jungen Mannes stehen in einem seltsamen Winkel von seinem Körper ab.
Die Bergretter von Ischgl
Unfälle auf den Pisten sind keine Seltenheit. Der lang ersehnte Skiurlaub kann schnell und unerwartet im Krankenhaus enden. Selbst erfahrene Skifahrer kommen auf Eisplatten oft ins Rutschen oder werden beim Tiefschneefahren abseits der Pisten von Lawinen überrascht. Unverzichtbar sind deswegen Menschen, die in den Skigebieten für Sicherheit sorgen und Erste Hilfe leisten. So hat auch das Skigebiet von Ischgl eine Bergwacht, bestehend aus dem Pistenchef Serafin Siegele und seinem 18-köpfigen Team. Seit 28 Jahren arbeitet Siegele nun schon für die Bergwacht und könnte sich keinen schöneren Job vorstellen, als jeden Tag mit den Skiern in der Natur unterwegs zu sein und Menschen helfen zu können.

Serafin Siegele (links) und drei seiner Mitarbeiter. Foto: Pistenrettung Ischgl
Während die Urlauber am Morgen ihren ersten Kaffee brühen, fahren Serafin und seine Mitarbeiter bereits mit der Gondel hoch in die nebelverhangenen Berge. Täglich sind 12 der 18 Mitarbeiter im Einsatz. Jeder von ihnen bekommt eine Piste zugeteilt, die er kontrollieren muss. Es werden die Sicherheitsmarkierungen geprüft, Gefahrenstellen abgesichert und eisige Pisten gesperrt. Tagsüber sind Siegele und sein Team außerdem im Bereitschaftsdienst. Wenn sie auf ihrem Stützpunkt die Meldung erhalten, dass sich ein Skifahrer verletzt hat, brechen sie sofort auf. Vor Ort sichern sie zuerst die Unfallstelle ab, leisten die Erstversorgung des Verletzten und transportieren ihn hinterher entweder zur Talstation oder ins Krankenhaus ab. Auch ein Rettungshubschrauber ist in Ischgl stationiert, der die Schwerverletzten nach Zams oder Feldkirch bringt. In besonders schlimmen Fällen fliegt der Hubschrauber auch bis zum Krankenhaus in Innsbruck. Bänderverletzungen am Knie oder an der Schulter kommen laut Siegele jedoch am häufigsten vor. „Diese Einsätze sind für uns Routine und wir wissen genau, wie vorgegangen werden muss. Lawineneinsätze hingegen sind sehr gefährlich, auch für uns erfahrene Retter. Manchmal kommt man zu dem verunfallten Wintersportler und muss feststellen, dass man ihn nicht mehr retten kann, weil die Verletzungen tödlich waren.“
Ruhe bewahren

Die Bergretter im Einsatz. Foto: Pistenrettung Ischgl
Der zu Beginn geschilderte Unfall ereignete sich bereits 1982, dennoch kann Serafin Siegele ihn bis heute nicht vergessen. Der junge Mann, der von der Piste abkam, brach sich beide Beine und beide Hände. Die Beine waren um 180 Grad nach hinten gebogen und der Verletzte schrie lauthals vor Schmerzen. Serafin und sein Kollege gaben ihm einen Handschuh zum draufbeißen, während sie seine Beine nach vorne zogen und wieder gerade ausrichteten. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn dann ins Krankenhaus von Innsbruck. Noch heute schaudert Siegele, wenn er an den Anblick des Verletzten denkt.
Doch egal wie furchtbar der Unfall ist – die Bergretter selbst müssen Ruhe bewahren. Sie müssen sicher arbeiten, immer mitdenken und dürfen auf keinen Fall in Panik geraten. Es ist alles andere als einfach, die aufkommenden Emotionen zu unterdrücken, um rational handeln zu können. Aber in diesem Moment tragen sie nicht nur die Verantwortung für sich selbst, sondern auch für den Verletzten. Nach solch schwierigen Einsätzen trifft Serafin Siegele sich abends in einer ruhigen Runde mit seinen Mitarbeitern. Sie tauschen sich über den Einsatz aus, diskutieren, was hätte anders gemacht werden können, und klären, was beim nächsten Mal besser laufen muss. „Darüber zu reden ist enorm wichtig, um mit der psychischen Belastung umgehen zu können“, sagt Siegele. „Vor allem dann, wenn es Schwerverletzte oder Tote gab.“
Ein heldenhaftes Team
Doch auch an anderen Abenden trifft sich der Pistenchef mit seinem Team auf einer gemütlichen Hütte. Sie essen gemeinsam und plaudern über den Job und das Leben. Seine langjährigen Mitarbeiter, die gleichzeitig auch wahre Freunde für ihn sind, weiß Siegele sehr zu schätzen. Er ist zwar ihr Vorgesetzter, aber er sieht sich auf Augenhöhe mit ihnen.
Obwohl die Bergretter täglich sehr vielen Menschen helfen und nicht selten Leben retten, sagt Siegele ganz eindeutig: „Wir sind keine Helden, das wollen wir auch gar nicht sein. So wie Pizzaboten Essen ausliefern oder Ärzte Krankheiten heilen, versorgen wir verletzte Skifahrer auf den Pisten. Wir machen einfach nur unseren Job. Es ist unsere Aufgabe, Menschen zu helfen.“

Ein heldenhaftes Team. Foto: Pistenrettung Ischgl
Dennoch hat Siegele bei seiner Arbeit etwas sehr Wichtiges über das Leben und seine Mitmenschen gelernt. Verunglückte – egal ob jung oder alt, arm oder reich – sind immer dankbar, wenn man ihnen hilft. Wenn jemand verletzt auf der Piste liegt, macht es keinen Unterschied mehr, woher er kommt oder wie teuer der Ski-Anzug ist. In der Not sind alle Menschen gleich, und die Bergretter sind für alle Menschen in Ischgl da. Eindeutig ein heldenhaftes Team, finden wir.
Ebenfalls bei Lawinenunglücken im Einsatz: Rettungshunde
Am 14. Oktober 2014 erscheint „The Evil Within“ auf dem Markt – ein japanisches Survival-Horror-Spiel der anderen Art. Aufgrund seiner einzigartigen Atmosphäre und Handlung setzt sich das Computerspiel von anderen Spielen seines Genres ab. Es erhielt überwiegend positive Bewertungen wegen seiner fesselnden Geschichte, welche an die Filme „The Matrix“ und „Inception“ erinnert. Weiterlesen
Clara sieht Gespenster und lässt Tische mit Gedankenkraft schweben. Sie träumt davon, was in der Zukunft geschehen wird. Und ihre Vorhersagen treffen immer ein. Clara ist eine Romanfigur des Magischen Realismus und verkörpert den uralten Geisterglauben Südamerikas.
Clara ist eine Figur in Isabel Allendes Debütroman „Das Geisterhaus“ (im Original La casa de los espíritus) von 1982, der das Leben einer Familie in Chile um die Wende ins 20. Jahrhundert bis in die 70er Jahre beschreibt. Und dabei geht es eigentlich gar nicht um Geister. Es geht um die geschichtliche Aufarbeitung eines Landes, um Generationen und Revolutionen, um Umbrüche und Veränderungen und um persönliche Schicksale. Aber die Geister sind eben auch immer da. Sie werden von ihrem Medium Clara, das sie als einzige hören und sehen kann, als völlig normal betrachtet. Genau wie von den Familien del Valle und Trueba, denen Clara angehört. Die Autorin Allende lässt die Geister sprechen, ohne sie wirklich zum Thema ihrer Erzählung zu machen.
Clara ist Teil einer literarischen Darstellung von realen Geschehnissen aus der chilenischen Geschichte. Allende selbst beschreibt „Das Geisterhaus“ zu Teilen als biographisches Werk. Dass es eine wie Clara gab, ist jedoch unmöglich. Trotzdem ist sie ein zentraler Charakter, nur eben anders als die anderen. Sie kann Ereignisse vorhersehen und Gegenstände schweben lassen. Warum? Weil sie es eben kann. Ihre Fähigkeiten werden weder dem Leser erklärt noch werden Sie von den anderen Figuren innerhalb der Narration hinterfragt. Die Geister sind einfach da, und keiner wundert sich über ihre Existenz.
Claras Geister
Im gesamten Roman werden die Erscheinungen der Geister und die übernatürlichen Träume wertfrei dargestellt. Sie sind nicht negativ oder positiv behaftet, wirken weder gefahrbringend noch beschützend. Durch sie weiß Clara schon früh, was in der Zukunft passieren wird, ohne es jedoch beeinflussen zu können. Sie sagt den Tod ihrer Schwester und anderer Familienmitglieder voraus und sieht schon während ihren Schwangerschaften, wie ihre Kinder aussehen werden. Sie kennt den Ort des Verbleibs des Kopfes ihrer verstorbenen Mutter, der seit deren tödlichen Autounfall vermisst wird. Vom schweren Erdbeben, das Chile im Jahr 1939 ereilen soll und im „Geisterhaus“ thematisiert wird, träumt sie bereits im Vorfeld und sieht das Unglück auf sich zukommen.
„Claras Geisterkräfte störten niemanden und richteten keinen Schaden an, sie äußerten sich fast ausschließlich bei unwichtigen Anlässen und immer im Kreis der Familie.“ Das Geisterhaus
Vom Tod ihrer Schwägerin weiß Clara als erste, denn die Verstorbene selbst taucht als Geist auf, um sich bei Clara zu verabschieden. Nach ihrem Tod wird Clara schließlich selbst zum Geist, der ihren hinterlassenen Ehemann besucht und ihm hilft, mit der Aufarbeitung seiner Vergangenheit fertig zu werden. Ein guter Geist.
Der Familienchronik haftet insgesamt ein mystischer Charakter an. Auch nach Generationen scheinen einzelne Familienmitglieder auf wundersame Weise mit bestimmten Vorfahren in ihrem Handeln oder ihren Gewohnheiten verkettet, ohne diese selbst gekannt zu haben. Am Ende der Geschichte bleibt das Gefühl, dass alles kam, wie es kommen musste. Oder wie es für die Nachkommen der hellseherischen Clara und ihrem Mann vorherbestimmt war.
„Er wusste nicht, dass sie ihr Schicksal vorausgesehen hatte und dies der Grund war, warum sie ihn in Gedanken herbeigerufen hatte und bereit war, ihn zu heiraten, ohne ihn zu lieben.“ Das Geisterhaus
Magie in Südamerika

Allende kommt aus Chile und lebt in Kalifornien. (Bild: Wikimedia Commons, von Heike Huslage-Koch, Lesekreis, CC BY-SA 4.0 Deed)
In Südamerika haben Geister eine ganz andere Bedeutung als in Europa. Sie haben nicht die Aufgabe Angst und Schrecken zu verbreiten, sondern sind ein unsichtbarer Teil der Wirklichkeit. In Mexiko wird jährlich der Día de los Muertos zu Ehren der Toten und Geister gefeiert und in Peru glaubt man daran, dass verstorbene Verwandte und Bekannte als Geister zurückkehren können. In Lateinamerika wird die Existenz von Geistern nicht angezweifelt. Sie gehört zum Leben dazu. So auch zum Leben von Isabel Allende. Die unter europäischen Buchkritiker*innen für ihre Folgewerke oft belächelte Autorin kommuniziert angeblich selbst mit Geistern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in allen ihren Büchern mindestens ein Hauch von Mystik und Magie zu spüren ist.
Allende ist eine Vertreterin des Magischen Realismus, der in der südamerikanischen Literatur vor allem von Miguel Ángel Asturias geprägt wurde. Im „realismo mágico“ werden Wirklichkeit und Magie verkettet und eine neue Ebene entsteht, in der beides ganz selbstverständlich nebeneinander existieren darf. Wie Claras Geister und die Geschichte Chiles in „Das Geisterhaus“. Grundlegend für die Popularität dieser Kunstrichtung in Südamerika ist sicherlich der weit verbreitete lateinamerikanische Geisterglaube.
„People often ask me how much truth there is in my books and how much I have invented. I could swear that every word is true. If it has not happened, it certainly will. I can no longer trace a line between reality and fantasy. Before I was called a liar. Now that I make a living with these lies, I am called a writer. Maybe we should simply stick to poetic truth.“ Isabel Allende
In Madagaskar ist der Ahnenglaube weit verbreitet und zieht sich durch alle Lebensbereiche der Menschen. Welche Bedeutung Ahnengeister für die Menschen haben, wie eine Totenfeier abläuft und warum es sogar gut ist, Schulden für die Ahnenfeste zu machen, erklärt die Tübinger Ethnologin PD Dr. Sabine Klocke-Daffa, die seit den 90er Jahren zum Südlichen Afrika und seit 2014 zu Madagaskar forscht.
In Madagaskar gibt es achtzehn ethnische Gruppen. Ist der Glaube an Ahnengeister innerhalb dieser Gruppen weit verbreitet?
Ja, er ist insofern weit verbreitet, als dass die meisten Madagassen indonesischen Ursprungs sind, wobei die genaue Herkunft nicht bekannt ist. Wahrscheinlich sind die Menschen aus dem heutigen Malaysia in mehreren Wellen eingewandert. Wobei die Einwanderungszeitpunkte umstritten und historisch nicht ganz geklärt sind. Es gibt aber auch Einflüsse aus verschiedenen Teilen Afrikas und aus dem arabischen Raum, sodass das eine einzigartige Mischung der Bevölkerung ist. Diese indonesische Herkunft zeigt sich in der Sprache und insbesondere in der sozialen Organisation sowie in kosmologischen Vorstellungen in der Erinnerung der Ahnen. Denn in Indonesien ist der Glaube an Ahnen ebenfalls verbreitet.
Haben die Ahnen einen großen Einfluss auf das Leben der Madagassen?
Die Ahnen beziehungsweise die Toten sind immer auch Teil des Lebens der Lebenden. Das heißt für die Madagassen, dass sie tatsächlich ihre Lebensweise und ihre Verhaltensweise so organisieren, dass die Toten darin immer irgendwie vorkommen, bei all ihren Plänen. Auch für die Zukunft haben sie eine Bedeutung.
Wie kann man sich das vorstellen?
Man erinnert sich nicht nur an die Ahnen, sondern man macht Feste für sie, um Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sie kommen also zu bestimmten Zeiten im Jahr sozusagen zu Besuch. Man muss jedoch ihre Regeln befolgen, zum Beispiel, wie man sich wem gegenüber zu verhalten hat, wann man Feste feiert, wie sie ausgerichtet sind und welche Rolle die Toten dabei spielen. Denn die Madagassen teilen die Vorstellung: ‘Ich habe nur Glück, wenn ich mich nach den Regeln der Ahnen verhalte.‘ Somit sind die Ahnen aktiv im Leben der heutigen Lebenden tätig, was bedeutet, dass es natürlich große Auswirkungen auf das Verhalten und auf den Alltag der Menschen gibt. Wenn man die Madagassen fragt, worauf diese Regeln beruhen, sagen sie: ‚Die sind von den Ahnen geschaffen.‘
Und wenn man sich nicht an die Regeln hält?
Wenn man dagegen verstößt, was natürlich viele Leute machen, dann wurde ein Verbot, ein sogenanntes fady, überschritten. Das wird auch bestraft. Die Ahnen sind nicht nur wohlwollend und bringen Glück, sondern sie können auch strafen. Das heißt, die Menschen erklären sich vieles, was sie sich sonst nicht erklären können oder was an negativen Dingen im Leben passiert, mit dem direkten Eingreifen der Ahnen.
Was wäre ein konkretes Beispiel für das Überschreiten eines fadys?
Man darf beispielsweise kein Land verkaufen, weil es das Land der Ahnen, der Vorfahren ist. Das bringt Unglück. Es gibt aber immer wieder Menschen, die es trotzdem an Fremde verkaufen oder verpachten, weil es finanziell zu verlockend erscheint. Das hat dann negative soziale Konsequenzen und führt dazu, dass sie schlecht angesehen werden.
Was für Rituale gibt es, bei denen die Ahnen eine große Rolle spielen?
Sicherlich spielen sie in allen Lebenszyklusritualen eine Rolle, wie bei der Geburt oder bei Hochzeiten, aber insbesondere bei Totenfeiern. Es gibt einige Feste, die hauptsächlich für die Toten durchgeführt werden. Ganz berühmt ist die famadihana, eine Totenfeier bei der die Gräber – das sind so eine Art Mausoleen – geöffnet und die Toten herausgeholt werden.
Wie läuft so eine famadihana ab?
Nachdem erste Reden gehalten und Rinder geschlachtet werden, öffnet man das Grab, um die Knochen der Toten zu säubern und sie in neue Seidentücher einzuwickeln. Sie werden dann in die Menge herausgetragen und herumgereicht, es wird musiziert, getanzt und gesungen und alle sehen: Diese Person ist jetzt da. Die engen Familienmitglieder nehmen den Toten auf den Schoß und erzählen ihm, was passiert ist, seitdem er nicht mehr lebt und stellen ihm die neuen Familienmitglieder, die Kinder, vor. Die Seelen sind zwar ganz weit weg, aber sie können wiederkommen, solange noch etwas vom Menschen übrig ist. Nach der Zeremonie wird der Tote wieder in die Grabstätte gebracht und die Bastmatten, in denen er eingewickelt war, werden anschließend von den Frauen mit nach Hause genommen. Diese Matte ist symbolisch zu verstehen. Es ist für die Frauen so, als ob sie die Aura oder ein bisschen vom Geist des Toten mitnehmen. Davon versprechen sie sich Fruchtbarkeit und Glück.
Was für Erklärungen gibt es noch für die Ausrichtung einer famadihana, außer, dass eine Verbindung zu den Ahnen hergestellt wird und den Menschen Glück bringen soll?
Um die soziale Gemeinschaft zu reproduzieren, weil alle von Nah und Fern kommen müssen, um die Familie wieder zusammenzubringen. Das ist eine Verpflichtung der eigenen Familie und den Ahnen gegenüber. Das hat auch finanzielle Konsequenzen, alle müssen beitragen und in diesem Fall stehen die Ahnen sozusagen dahinter.
Dieser Verpflichtung Geld für die famadihana zu erwirtschaften, geht vor allem die ethnische Gruppe der Zafimaniry nach.
Das stimmt. Aber nicht nur für die famadihana. Man kann auch andere Feste für die Ahnen feiern. Insbesondere, wenn etwas passiert ist, macht man ein Fest für sie. Beispielsweise, wenn ein Haus abgebrannt ist oder jemand einen Unfall hatte. Dann laden die Menschen die Ahnen ein, holen sich Rat bei ihnen und hoffen auf mehr Glück. Für so ein Fest braucht man allerdings viel Geld. Die Zafimaniry sind berühmt für ihre Holzschnitzereien. Aber außer in der Holzverarbeitung, gibt es für sie kaum Arbeitsplätze. Das heißt, sie müssen irgendwo anders arbeiten oder Schulden aufnehmen, um das finanzieren zu können. Schulden sind aber nicht grundsätzlich etwas Negatives. Nicht, wenn sie für solche Anlässe verwendet werden.
Bei wem verschulden sich die Zafimaniry?
In den Dörfern sind die meisten gegenseitig verschuldet, bei den Nachbarn, den Freunden, dem Arbeitgeber. Das stärkt unheimlich den sozialen Zusammenhalt. Schulden sind die Basis der sozialen Organisation. Wenn Sie es ganz eindampfen würden: Schulden bringen Glück. Sie investieren nicht in ökonomisches, sondern in sozio-kosmologisches und in soziales Kapital, in soziale Beziehungen zu den Lebenden und den Toten. Sie glauben daran, dass sie viel davon haben, dass sie den Segen der Ahnen, Glück, Wohlstand, Sicherheit, Kontinuität der Familien und Kinder bekommen. Mit einem Business können sie pleitegehen, aber soziales Kapital ist unbezahlbar.
Vielen Dank für dieses Gespräch Frau Klocke-Daffa.
Für Leser, die sich über den Beitrag hinaus mit dem Ahnenkult auf Madagaskar beschäftigen möchten, empfehle ich folgende Literatur:
Bittner, Alfred, 1992: Madagaskar. Mensch und Natur im Konflikt. Basel [u.a.]: Birkhäuser.
Bloch, Maurice. 1971: Placing the dead: tombs, ancestral villages, and kinship organization in Madagascar, Seminar studies in anthropology. London: Seminar.
Graeber, David. 1995: Dancing with Corpses Reconsidered: An Interpretation of „famadihana“ (In Arivonimamo, Madagascar). American Ethnologist 22 (2):258-278.
Sharp, Lesley A. 1996: The Possessed and the Dispossessed. Spirits, Identity and Power in a Madagascar Migrant Town. Berkeley: University of California Press.
Das Haar kommt überall vor: in der Kunst, der Poesie, im Alltag und auch in der Archäologie. Mumien sind das beste Beispiel dafür, dass Haare sich auch nach Jahrtausenden immer noch halten können. Daher habe ich mich mit dem „Tollund-Mann“, einer Moorleiche aus Dänemark getroffen und mit ihm ein wenig über das Haar in der Archäologie gesprochen. Was gibt es für Methoden, was kann man herausfinden und was ist eigentlich das Problem dabei?
Könnten Sie sich vielleicht kurz vorstellen?

Kopf des Tollund-Mannes (datiert auf 375-210 v. Chr.): von Sven Rosborn – Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link
Man kennt mich unter dem Namen „Tollund-Mann“. Ich bin in der vorrömischen Eisenzeit gestorben und wurde nach meinem Tod im Hochmoor bei Bjaeldskovdal vergraben. Das liegt in der Nähe von Tollund, daher kommt auch mein Name. Die Torfstecher, die mich im Mai 1950 fanden, dachten zunächst, ich sei erst kürzlich verstorben. Da wussten sie natürlich noch nicht, dass ich schon ein paar Jahrhunderte hinter mir hatte.
Ihre Haare sind ja trotz Ihres beachtlichen Alters noch gut erhalten geblieben! Können Sie mir Ihr Geheimnis verraten?
Vielen Dank, ich hab mein Haar zu Lebzeiten gern kurz getragen. Da hatten Läuse und andere kleine Tierchen weniger Chancen sich zu verbreiten. Meinen Bart habe ich eigentlich auch regelmäßig gestutzt. Nur am Tag vor meinem Tod kam ich nicht dazu, daher die Stoppeln. Das Moor hat ein saures Milieu, welches zusammen mit dem sauerstoffarmen Boden dafür sorgt, dass man sich auch nach vielen Jahren gut hält. Dazu gibt es auch noch Gerbsäuren im Moor, die wie beim Leder die Haut gerben. Auch Haare, innere Organe und Kleidung aus Fell oder Leder werden wunderbar konserviert! Die Stoffe im Moor sorgen allerdings auch dafür, dass sich die Haare entfärben und rötlich werden. Ich weiß ja nicht, ob es Ihnen schon aufgefallen ist, aber alle Moorleichen haben rote Haare.
Das ist also nicht Ihre richtige Haarfarbe?
Nein! Wobei ich zugeben muss, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie meine Haare früher ausgesehen haben. Sie müssen verstehen, dass das schon etwas her ist. (lacht) Leider führt der säurehaltige Boden auch dazu, dass sich Knochen, Muskeln und Fettgewebe nicht erhalten. Ich hoffe, Sie können es entschuldigen, wenn ich etwas platt daherkomme.
Was wissen Sie denn über die Methoden, welche die Archäologen für ihre Untersuchungen an Haaren nutzen?
Tja, natürlich bin ich kein Experte. Damals gab es so etwas ja noch nicht. Aber durch meine Zeit im Museum hab ich natürlich einiges aufgeschnappt. Nicht nur bei Untersuchungen an mir, sondern auch in Gesprächen über andere Mumien. Ich hab mich sozusagen weitergebildet. An Haaren kann man zum Beispiel Isotopenanalysen durchführen. Diese Untersuchungen werden meistens an Knochen und Zähnen durchgeführt. Bei Moorleichen wie mir, erhalten die sich aber oft nicht. Isotopen sind Atome vom gleichen Element mit unterschiedlicher Neutronenanzahl. Isotopen sind regional unterschiedlich, dadurch kann man sehen, wo jemand herkommt. Außerdem unterscheiden sich die Isotopen auch je nachdem, was man gegessen oder getrunken hat. Um zu sehen was ich gegessen habe, hat man bei mir aber meinen Mageninhalt analysiert, der war nämlich auch noch erhalten. Aber bei vielen Mumien ist das nicht der Fall, da bieten sich die Haare an.
Was kann man denn noch alles aus Haaren herausfinden?
Bei ein paar Mumien aus San Pedro de Atacama, in Nordchile hat man Nikotin im Haar nachgewiesen. Die haben wohl gerne mal geraucht oder Nikotin geschnüffelt. Haare kann man aber auch anders nutzen. In Australien zum Beispiel wollten Forscher wissen, wie sich der moderne Mensch verbreitet hat und ob es da Vermischungen gab oder nicht. Da haben sie die mtDNA aus einer Haarlocke eines Aborigines des 20. Jahrhunderts extrahiert und mit der DNA von heutigen Menschen und der DNA archaischer Menschen verglichen. Dabei kam heraus, dass die Ureinwohner Australiens vermutlich von einer der ersten Auswanderungswellen der frühen Menschen abstammten, also etwa 50.000 Jahre vor heute!
Gibt es bei solchen Haaranalysen denn auch manchmal Probleme?
Leider ja. Durch die Taphonomie beispielsweise, also alle Prozesse, die ab dem Todeszeitpunkt eines Lebewesens bis zum Auffinden auf es einwirken. Dabei kann es dazu kommen, dass es beschädigt oder chemisch verändert wird. Es kann zum Beispiel Stoffe aus dem Boden aufnehmen und so das Ergebnis verfälschen. Es kommt natürlich immer darauf an, wie sich das Haar erhalten hat. Bei der DNA ist das auch nicht so leicht. Haare sind ja sowieso schon tote Materie, da ist die DNA ohnehin nicht komplett und je länger das Haar gelagert wird, desto kleiner sind die DNA-Fragmente, die man bekommt.
Vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und hoffentlich kommen noch viele Besucher.
Gerne, mit der Zeit schnappt man so einiges auf. Sie können mich immer gerne im Silkeborg Museum besuchen kommen!
Wer wissen möchte, wofür Haare in der Wissenschaft noch verwendet werden können, kann sich hier den Beitrag von Angelina über Haare in der Forensik durchlesen. Wem nach Moorleichen jetzt eher der Sinn nach Spuckgeschichten steht, findet auch auf dem Gespensterblog interessante Beiträge!
Literaturhinweise:
A. H. Thompson/A. S. Wilson/J. R. Ehleringer, Hair as a geochemical recorder: ancient to modern. In: K. K. Turekian/H. D. Holland (Eds.), Treatise on Geochemistry. Elsevier Vol. 14, 2nd ed., 2012, 371-393.
J. Echeverría/H. M. Niemeyer, Nicotine in the hair of mummies from San Pedro de Atacama (Northern Chile). Journal of Archaeological Science 40, 2013, 3561-3568.
M. Rasmussen/X. Guo/Y. Wang u.a., An Aboriginal Australian Genome Reveals Separate Human Dispersals into Asia, Science 334(6052), 2011, 94-98.