Sie boten Zuflucht, besorgten illegal falsche Papiere oder verteilten Lebensmittel – viele Menschen leisteten Widerstand gegenüber dem NS-Regime und halfen so, verfolgte Juden vor dem Tod zu bewahren. Dabei brachten sie sich selbst in Gefahr und erhielten dafür zu Lebzeiten oft keine Anerkennung. Allein in Berlin engagierten sich mehr als 10.000 Menschen für verfolgte Juden. Warum halfen sie, während andere einfach wegsahen?

Deutschland, 1933 – Die Ausgrenzung der Juden beginnt unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Zu den einschneidenden Ereignissen zählen die Boykottierung jüdischer Geschäfte, die Nürnberger Rassengesetze sowie die Reichsprogromnacht. Das Leben in Deutschland wird für Juden zunehmend gefährlicher. Sie werden verfolgt und in Konzentrationslager verschleppt. Den einzigen Ausweg stellt die Flucht in den Untergrund dar. Auswanderungen waren verboten. Die Gefahr entdeckt zu werden war zu groß, und eine Flucht konnte alleine meist nicht bewältigt werden. Juden waren auf die Hilfe von Menschen angewiesen, die keine Angst hatten sich gegenüber dem NS-Regime zu widersetzen. Oftmals mussten sie dabei Fremden vertrauen. Die Helfer kamen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Auffallend ist, dass es sich oft um Frauen handelte, die alleinstehend waren oder deren Männer an der Front kämpften.

Selbstlosigkeit oder Eigennutz?

Die Motive der Judenretter könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die einen selbstlos handelten, hatten andere eigennützige Hintergedanken und forderten im Gegenzug Geld, Arbeitsleistung oder sexuelle Gefälligkeiten. Viele halfen, um Widerstand gegenüber dem NS-Regime zu leisten. Einige sahen es schlichtweg als Selbstverständlichkeit an oder wollten ihre Freunde nicht im Stich lassen. So verschieden die Motive der Helfer auch sind – eins haben sie alle gemeinsam: das Risiko erwischt zu werden.

Ein gesetzliches Verbot, das Hilfeleistungen gegenüber Juden untersagte, gab es nicht direkt. Dennoch war es sehr gefährlich. Die Helfer mussten mit Verfolgungen und anderen Strafen rechnen, falls man sie erwischte. Am riskantesten war es ein Nachtquartier als Versteck bereitzustellen. Nach Einführung des Judensterns erging ein Reichserlass, der drei Monate Schutzhaft androhte, falls man „öffentlich freundschaftliche Beziehungen“ zu Juden pflegte. Menschen, die Juden Unterschlupf gewährten oder mit Lebensmitteln aushalfen, mussten mit Festnahmen und Verhören der Gestapo rechnen oder wurden in Konzentrationslager eingeliefert.

Oskar Schindler und seine Liste

Einer der bekanntesten Judenretter ist Oskar Schindler. Bekanntheit erlangte seine Geschichte vor allem durch den von Steven Spielberg gedrehten Film „Schindlers Liste“. Gemeinsam mit seiner Frau, Emilie Schindler, rettete der Unternehmer während des zweiten Weltkriegs mehr als 1.200 Juden, die als Zwangsarbeiter in seiner Emailwarenfabrik beschäftigt waren. Oskar Schindler wuchs als Sohn von Johann und Franziska Schindler in Zwittau auf. In seiner Kindheit gehörten die jüdischen Nachbarskinder zu seinen Spielgefährten. Nach seiner Schulzeit machte Schindler eine Ausbildung zum Ingenieur in der Fabrik seines Vaters. Nachdem diese schließen musste, arbeitete er als deutscher Spion für die Abteilung Abwehr, den militärischen Nachrichtendienst der Reichswehr. 1939 tritt Schindler der NSDAP bei und wird kurze Zeit später von der Tschechoslowakei als Spion enttarnt, die ihn wegen Hochverrat zum Tode verurteilen. Die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch die Deutschen, die kurze Zeit später erfolgte, rettete ihm das Leben.

„Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ (Inschrift des Rings, den Oskar Schindler als Geschenk von den geretteten Juden erhielt)

Der Sinneswandel

Oskar Schindler zog im Oktober 1939 in das von Deutschen besetzte Krakau. Dort eröffnete er die „Deutsche Emailwarenfabrik“, wo er fast 400 jüdische Arbeiter aus dem Ghetto beschäftigte. Als er 1943 mitbekam, wie unmenschlich die SS Überlebende aus dem Krakauer Ghetto behandelte, entschloss er sich den Juden zu helfen. Er ließ seine Fabrik von der deutschen Militärverwaltung als kriegswichtig einstufen, da diese Geschirr für die Wehrmacht herstellte. Dadurch konnte er Juden aus dem KZ als billige Arbeitskräfte anfordern. Nachdem die sowjetische Armee nach Polen vorgerückt war, sollte das jüdische Lager in Krakau aufgelöst werden. Die Eheleute Schindler bekamen die Genehmigung seine Fabrik und das Arbeiterlager nach Tschechien zu verlegen. An dieser Stelle kommt die berühmte Liste ins Spiel. Die Personalien sämtlicher jüdischer Arbeiter wurden auf einer Liste festgehalten, um sie mit nach Tschechien nehmen zu können. Da er gute Beziehungen zu Freunden in Regierungsämtern pflegte, schaffte er es die jüdischen Arbeiter vor der Deportation zu bewahren.

Wirklich ein Held?

Oskar Schindler wurde als Held gefeiert. Wenn man seine Lebensgeschichte jedoch genauer beleuchtet, lässt sich über seine Heldenhaftigkeit streiten. Auf der einen Seite war er Mitglied der NSDAP und profitierte von der Politik der Nazis. Auf der anderen Seite setzte er sich für diejenigen ein, die von ihnen verfolgt wurden. Oftmals geschah dies mit Hilfe von Bestechungsgeldern, die er an SS-Offiziere zahlte. Was waren die Motive für seinen Sinneswandel? Genaueres lässt sich dazu heute nicht sagen. Angeblich soll ihn eine grausame Deportation, die er mit eigenen Augen sah, zum Umdenken bewegt haben. Vielleicht war es aber auch Egoismus und Geldgier, da die Verhaftungen von jüdischen Arbeitern die Produktionsabläufe seiner Firma störten. Im Gegensatz zu Oskar Schindler sind uns die meisten stillen Helden unbekannt. Sie waren heldenhaft, weil sie Zivilcourage bewiesen. Sie waren heldenhaft, weil sie sich selbst in Gefahr brachten.  Sie waren heldenhaft, weil sie halfen, während andere wegsahen.

 

Hältst du Oskar Schindler für einen Helden?
Hier erfährst du mehr über die stillen Helden des Nationalsozialismus.

1 Antwort
  1. Lara Eberl
    Lara Eberl sagte:

    Sehr schöner Beitrag und vor allem ein wichtiges Thema! Wäre wirklich interessant zu wissen, warum Schindler wirklich geholfen hat, um dann beurteilen zu können, ob er ein Held ist oder nicht.

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