Poltergeister treiben ihr Unwesen

Das Phänomen Poltergeist ist weltweit bekannt – aber was steckt wirklich dahinter? Wissenschaft oder Spuk? Der Diplompsychologe Eberhard Bauer des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg untersucht solche Fälle mit wissenschaftlichen Methoden.  

„Alle Glühbirnen im ganzen Haus sind durchgebrannt. Das ist doch eigentlich unmöglich!“ erzählt mir eine Freundin, als ich ihr von meinem geplanten Blogeintrag über Poltergeister berichte. Vor der Beerdigung ihres Großonkels versammelten sich Freunde und Familie im Haus des Verstorbenen. Auf einmal erloschen im ganzen Haus die Lichter. Alle Glühbirnen waren durchgebrannt. Meine Freundin beschreibt mir die gruselige Atmosphäre nach diesem Ereignis: „Wir haben alle gedacht, dass der Geist meines Großonkels uns ein Zeichen geben wollte.“ Technisch hat sich das Ereignis nicht aufklären lassen.

Das eben erwähnte Phänomen wäre typisch für einen Poltergeist. Er kann elektrische Geräte ein- und ausschalten, Möbel verschieben oder seltsame Klopfgeräusche ertönen lassen. Die Anekdote meiner Freundin erzähle ich dem Diplompsychologen Eberhard Bauer vom Freiburger IGPP. Seit 1972 arbeitet Bauer dort und beschäftigt sich mit paranormalen Erscheinungen aller Art. Was würde er meiner Freundin raten? Bei diesem Fall sei es wichtig, nach der Bedeutung der Vorfälle zu fragen, erklärt er mir. In welchem Verhältnis stand der Großonkel zu dem Haus beziehungsweise zu den Angehörigen? Gibt es noch Sachverhalte in der Familie, die unerledigt geblieben oder verdrängt worden sind? „Mitunter gibt es dann ein Verständnis der Phänomene, wie von selbst“, argumentiert Bauer. Ob es sich dabei um ein Poltergeistphänomen handelt, sei eine Standpunktfrage. Es kann sich demnach um einen ortsgebundenen Spuk und somit um eine andere Geistererscheinung als der Poltergeist handeln. Das Haus spiegele dabei den „Leib der […] Familie“ wider und das Löschen des Lichts sei ein Zeichen für das erlöschende Lebenslicht des Onkels. Ein Poltergeist ist aber personengebunden. Der Spuk wird durch eine sogenannte „Fokusperson“ ausgelöst. Auch dies könnte hier, laut Eberhard Bauer, der Fall sein. Durch verdrängte und nicht verarbeitete Emotionen hatte möglicherweise eines der Familienmitglieder das Erlöschen der Lichter selbst herbeigeführt.

In der Wissenschaft wird dieses Phänomen als „spontane Psychokinese“ bezeichnet. Demnach können Personen durch überschüssige Emotionen oder Energie Gegenstände unbewusst in Bewegung setzen, ohne sie berühren zu müssen. Die Wissenschaft schließt die Existenz eines Poltergeistes aus. Stattdessen geht sie davon aus, dass die „Fokusperson“ den Spuk selbst auslöst.

Der „Rosenheim-Spukfall“

Ein besonders eindrückliches Poltergeistphänomen ereignete sich 1967 in Rosenheim. Hierbei wurde der Spuk angeblich durch eine solche „Fokusperson“ ausgelöst. Die Telefonleitung in einer Anwaltskanzlei spielte verrückt, Leuchtstoffröhren platzten und Knalleffekte erschreckten die Mitarbeiter*innen.

Zunächst gingen die Mitarbeiter*innen der Kanzlei davon aus, dass es sich um erklärbare Vorkommnisse handelte. Sie vermuteten, dass die Stromversorgung dafür verantwortlich sei. Nachdem auch die Stadtwerke nicht mehr weiter wussten, wurde der damalige Leiter des IGPP, Hans Bender, hinzugezogen. Er und sein Team fanden heraus, dass die Phänomene mit der Schreibkraft Annemarie Schaberl zusammenhingen. Die Spukphänomene ereigneten sich immer nur dann, wenn sie anwesend war. Die Expert*innen rieten dazu, Annemarie in den Urlaub zu schicken. Danach hörten die seltsamen Vorkommnisse auf.

Die Schreibkraft wechselte daraufhin die Kanzlei. Auch an ihrem neuen Arbeitsplatz kam es zu seltsamen Geschehnissen, jedoch war es lange nicht so schlimm wie in Rosenheim. Dort kam es nie wieder zu seltsamen Ereignissen. Annemarie Schaberl wurde eingehend psychologisch untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sie instabil und reizbar sei. Ihre Wut habe sich in diesen sonderbaren Phänomenen entladen und damit die oben erwähnte „spontane Psychokinese“ ausgelöst. Nach dieser Hypothese trieb kein Poltergeist sein Unwesen in der Kanzlei. Die psychisch angeschlagene Mitarbeiterin hatte die Ereignisse selbst ausgelöst.

„Der ‚Fall Rosenheim‘ gilt bis heute in den Annalen unseres Instituts als ein außerordentlich gut dokumentierter Fall von ’spontaner Psychokinese‘.“ 

Die Dokumentation des IGPP über diesen Fall beträgt rund 2.000 Seiten. Kritische Einwände gegen ein Spukphänomen und für einen technischen Defekt wurden darin, laut Bauer, widerlegt.

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle

Manipulation und Betrug sind oft die erste Vermutung bei einem Spukphänomen. Auch Eberhard Bauer hat schon inszenierte Spukphänomene erlebt.

„Das ist, wenn man die Dynamik dieser Vorgänge kennt, nicht sonderlich überraschend. ‚Spuk‘ hat ja immer einen Appellcharakter, ist eine Art seelischer ‚SOS-Ruf‘ mit vielleicht ungewöhnlichen Mitteln, Wichtig ist das Verständnis der zugrundliegenden Motivation, einschließlich einer möglichen Inszenierung.“

Jedoch sieht sich Bauer in der Funktion des psychologischen Beraters und nicht als Kriminalist. Er versucht zu helfen und nicht einen möglichen Betrug aufzuklären. Er hat keinen Zweifel daran, dass jeder, der ein solches Spukphänomen schon erlebt hat, davon zutiefst verstört ist und ihm „keinen Bären aufbinden“ will. Es gibt aber auch noch weitere Erklärungsansätze für ein Spukphänomen. Der zweite Ansatz arbeitet mit Befunden aus der Psychologie und der Psychoanalyse. Die dritte, spiritistische Deutung erklärt den Spuk mit Geistern von Verstorbenen, die für die Vorfälle verantwortlich sind. Aber welche der Erklärungsansätze ist die wahrscheinlichste? Man könne mit allen drei Ansätzen pragmatisch arbeiten, erklärt Bauer, je nachdem wie das Erkenntnisinteresse aussehe.

Meine Freundin kann ich zunächst beruhigen. Vermutlich hat sich kein Poltergeist im Haus ihres Großonkels eingenistet. Was wirklich hinter dem plötzlichen Durchbrennen der Glühbirnen im ganzen Haus steckt, werden wir wohl trotzdem nie erfahren.

Quellen:

  • Bauer, E., Mayer, G. (2015): Spukphänomene. In Mayer, G., Schetsche, M., Schmied-Knittel, I., Vaitl, D. (Hrsg): An den Grenzen der Erkenntnis: Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. Stuttgart: Schattauer.
  • Von Lucadou, W. (1995). Psyche und Chaos: Theorien der Parapychologie. Leipzig: Insel Verlag.

Flackernde Glühbirnen, fliegende Gegenstände und Stimmen aus dem Jenseits: Was wie ein Horrorfilm klingt, gehört für Geisterjäger*innen zum Arbeitsalltag. Aber was oder wem sind sie eigentlich auf der Spur? Alexa Waschkau hat die deutsche Szene untersucht.

Alexa Waschkau ist Autorin, Podcasterin und Europäische Ethnologin. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich bereits mit der Arbeit deutscher Geisterjäger*innen – ohne selbst an Geister zu glauben. 2013 veröffentlichte sie gemeinsam mit dem Psychologen Sebastian Bartoschek das Buch „Ghosthunting – Auf Spurensuche im Jenseits“.

Haben Sie schon einmal einen Geist gesehen?

Ich bin mir nicht sicher (lacht). Nachdem wir unser Buch veröffentlicht haben, hatte ich die Möglichkeit ein Geisterjäger-Team bei einem Einsatz zu begleiten. Das war im Fort X, einer alten Befestigungsanlage in Köln. Für kurze Zeit haben wir uns dort in einem geschlossenen, stockfinsteren Raum aufgehalten, um Tonaufnahmen zu machen. Dort habe ich ein Geräusch gehört, bei dem ich nicht einordnen konnte, woher es kam. Aber nur weil ich das nicht weiß, heißt es natürlich nicht, dass es ein Geist war.

Alexa Waschkau

Alexa Waschkau glaubt selbst nicht an Geister (Foto: privat)

Hatten Sie Angst?

Dort angekommen sind wir bei Sonnenschein, die Vögel haben gezwitschert und alles war noch in Ordnung. Als wir aber im Dunkeln durch die Anlage gelaufen sind, hat man ganz anders auf  die Umgebung reagiert. Da merkt man plötzlich, wie anfällig man selber für solche Vorstellungen ist – auch bedingt durch die Gruppendynamik.

Viele Menschen meiden Spukorte, Geisterjäger*innen suchen sie absichtlich auf. Was treibt sie dabei an?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Manche suchen nach Erklärungen, anderen geht es wohl eher um den Sportsgeist. Sie wollen als Erste den ultimativen Beweis dafür liefern, dass es Geister gibt. Dann gibt es aber auch Gruppen, die Betroffenen wirklich helfen wollen. Für mich persönlich ist das die beste Motivation, um Geisterjäger zu werden.

Angenommen, bei mir zu Hause spukt es. Ich rufe bei einem Geisterjäger*innen-Team an und bitte um Hilfe. Wie geht es weiter?

Es gibt ein Vorgespräch, bei dem der Betroffene seine Beobachtungen schildert. Manche der Teams versuchen dabei auch herauszuhören, ob der Hilfesuchende möglicherweise psychische Probleme hat und diese der Grund für den Spuk sind. In dem Fall vermitteln sie den Betroffenen an einen Psychologen weiter. Findet sich während des Telefonats kein rationaler Grund für den Spuk, machen die Geisterjäger einen Hausbesuch und führen vor Ort Untersuchungen durch. Ein sehr interessantes Phänomen in diesem Zusammenhang ist der Placebo-Effekt einer Geisterjagd. Betroffenen hilft es schon, dass jemand zu ihnen nach Hause kommt, mit ihnen über ihre Erfahrungen spricht und technische Messungen durchführt. Sie fühlen sich ernst genommen. Selbst wenn die Geisterjäger nichts Übernatürliches feststellen, geht es den Menschen danach oft besser. Das finde ich wahnsinnig spannend.

Zur Ausrüstung fiktiver Geisterjäger*innen gehören Spiegel, Polaroidkameras oder Räucherstäbchen. Was hat ein richtiger Geisterjäger bei einem Hausbesuch dabei?

Jedenfalls keine Räucherstäbchen (lacht). Geisterjäger haben oft eine sehr technische Ausrüstung. Sie arbeiten unter anderem mit Spiegelreflexkameras, Diktiergeräten, Thermometern oder Bewegungsmeldern mit Videofunktion. Damit messen sie verschiedene Werte oder machen Aufnahmen, die sie später auswerten. Alles, was vom Normalen abweicht, könnte auf einen Geist hindeuten.

Was für Abweichungen können das sein?

Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wenn sich an einer Stelle die Temperatur beispielsweise stark von der im übrigen Haus unterscheidet, ist das eine Kältesäule. Nach Meinung der Geisterjäger entsteht sie, wenn sich ein Geist materialisiert – also in Erscheinung tritt. Weil er dabei seiner Umgebung Energie entzieht, wird es kälter. Oder die Geisterjäger stellen elektromagnetische Felder fest, obwohl keine elektronischen Leitungen in der Nähe sind. Viele Gruppen nehmen auch Bild- und Tonmaterial auf, das sie später zu Hause auswerten. Für mich ist dabei immer die Frage, was wirklich zu sehen oder zu hören ist und was nicht.

Lassen sich viele der gesammelten Indizien nicht auch rational erklären?

Meiner Meinung nach schon und es gibt auch viele Forscher, die genau das versuchen. Relativ bekannt ist beispielsweise der Psychologe Richard Wiseman. Er hat sich mit Spukorten in Großbritannien beschäftigt – unter anderem mit dem Tower of London. Während einer seiner Untersuchungen erfasste er mithilfe einer Wärmebildkamera starke Temperaturschwankungen. Sie traten immer zur selben Zeit auf, als könnte man die Uhr danach stellen. Statt eines Geists ging dort aber nur die Putzfrau um. Weil die Abluft des Staubsaugers durch die Ritzen des Mauerwerks drang, wurde es draußen wärmer. Solche rationalen Erklärungen gefallen nicht allen Briten, für viele sind die Schauergeschichten untrennbar mit ihrer Heimat verbunden.

Also haben Geister in Großbritannien einen anderen Stellenwert als in Deutschland?

Sie gehören dort fast schon zum guten Ton. Wenn man in Großbritannien ein Hotel oder Landhaus besitzt, in dem es nicht spukt, ist das schade. Weil es keine Schauergeschichten gibt, die man seinen Gästen erzählen könnte. Die Briten gehen also auf völlig andere Art und Weise mit dem Thema Geister um. Paranormale Theorien und Untersuchungen haben dort eine lange Tradition. Während Geisterjäger bei uns oft belächelt werden, finden viele Briten deren Arbeit nicht nur interessant, sondern sehr wichtig.

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft. Warum ist der Geisterglaube in Europa dennoch so verbreitet?

Weil der Tod für Menschen immer wichtig sein wird. Jeder von uns geht anders mit dem Verlust eines Menschen oder der eigenen Endlichkeit um. Dabei nutzen manche Menschen Geister als Strategie, um Erfahrungen oder Gefühle zu bewältigen. Sie glauben dann beispielsweise, dass sich ein verstorbener Angehöriger bei ihnen durch Zeichen bemerkbar machen will. Das heißt, es geht beim Geisterglauben eigentlich mehr um die Lebenden und weniger um die Toten.

Vielen Dank Frau Waschkau für das Gespräch!

Wie werde ich Geisterjäger*in? Hier findet ihr die Antwort.

Ob es Geister gibt oder nicht, ist eine Sache. Wie man mit ihnen umgeht, falls man von ihrer Existenz überzeugt ist, eine andere. Sogenannte „Geisterjäger-Schulen“ bilden die Brücke zwischen Vorstellungskraft und Praxis. Im Folgenden stellen wir ein Selbstexperiment zur Geisterjagd in den USA sowie Geisterjägergruppen aus der Schweiz und Österreich vor.

Geisterschulen gibt es nicht nur in den USA. Das Geisterjagen hat sich dort jedoch zu einer professionellen Nebenbeschäftigung etabliert, unter anderem mit der „New Jersey Ghost-Hunters-Society“ (NJGHS). Auch in Deutschlands Nachbarländern scheint das Geschäft Fuß zu fassen. Der Verein „GhostHunters Schweiz“ führt Geisterbereinigungen auf Anfrage hin durch. Zusätzlich wird dort mit anderen Praktiker*innen, wie Heiler*innen oder Medien zusammengearbeitet. Die „Vienna Ghosthunters“ bezeichnen sich als ältester und größter Verein, welcher sich in Europa mit paranormalen Aktivitäten auseinandersetzt. Auch sie helfen Betroffenen in Wien, beschäftigen sich aber auch wissenschaftlich mit paranormalen Phänomenen oder betreiben Ahnenforschung.

Die Ausbildung: Zeit und Kosten

Die Folge „Geisterjäger-Selbstexperiment“ der Wissenssendung „Galileo“ auf ProSieben stellt eine amerikanische Ghost-Hunter-Ausbildung vor. Reporter Martin Dunkelmann trifft Laura aus Pennsylvania, Chefin der „New Jersey Ghost-Hunters-Society“, eine der größten Geisterjägergruppen der USA. Innerhalb von drei Tagen bildet sie Geisterjäger*innen aus und verlangt umgerechnet 120 Euro pro Person.

Die Ausbildung bei den „GhostHunters Schweiz“ besteht wie bei der NJGHS aus Theorie und Praxis. Anders als das zweiköpfige Team in Pennsylvania, bestehen Ausbildungsgruppen der „GhostHunters Schweiz“ teilweise aus zwölf Personen. Auch bei der Tagesanzahl herrschen Unterschiede. Bei den Schweizern steht eine zweitägige Intensivausbildung auf dem Programm. Die Schüler*innen erlernen Verhaltensregeln und erhalten Einblicke in Radiästhesie oder rechtliche Grundlagen. Mit Kosten von 377 Schweizer Franken für Nichtmitglieder ist die Geisterjägerausbildung für zwei Tage teurer als bei der NJGHS. Jedoch scheint es sich hier um einen anspruchsvollen Crashkurs zu handeln. So heißt es auf der Webseite der Schweizer Geisterjäger*innen:

„Die Ausbildung ist sehr intensiv, und von den Teilnehmern wird viel verlangt. Die Nächte zwischen den Ausbildungstagen sind sehr kurz, da nachts eine Untersuchung durchgeführt wird.“ („GhostHunters Schweiz“)

Bei den „Vienna Ghosthunters“ ist die Ausbildung ausschließlich theoretisch. Auch die Tagesanzahl unterscheidet sich von den anderen beiden. Eine Intensivausbildung für Vereinsfremde dauert vier bis sieben Tage. Innerhalb des viertägigen Kurses lernen die Teilnehmer*innen Details zum Thema Klientenbetreuung oder -psychologie. Bei der siebentägigen Intensivausbildung wird zusätzlich im Bereich „Paranormale Investigationen außerhalb der Klientenbetreuung“ geschult. Preise für Nicht-Vereinsmitglieder sind der Homepage nicht zu entnehmen.

Vorbereitung: Geräte für die Geisterjagd

Die Ausbildung bei Galileo-Reporter Martin beginnt mit einem Theorieteil in Geisterkunde. Hier erfährt er, dass sowohl gute, als auch böse Geister existieren und er lernt das essentielle Equipment zum Geisteraufspüren kennen.

  • Thermometer: Man stellt fest, ob ein Geist anwesend ist oder nicht, wenn sich die Temperatur drastisch verändert.
  • Aufnahmegerät: Es bietet dem Geist die Chance, sich selbst zu äußern. Bei späterem Abhören, werden Geisterlaute erkennbar.
  • Kamera und Fotoapparat: Geister können durchaus auch auf Bildern sichtbar sein.

Die „GhostHunters Schweiz“ setzen ähnliche und noch weitere Geräte für die Geistererkennung ein:

Ghost Meter Pro zum Aufspüren von Geistern (Foto: Instagram, Account: mad_phelix)

  • Ghost Meter Pro: Ein Gerät, welches „junge“ von „alten“ Geistern unterscheidet. Es besitzt einen Kommunikationsmodus, um mit dem Geist zu sprechen.
  • Ghostlaser: Dieser Laserpointer erzeugt ein Streufeld. Während man eine Wand damit ausleuchtet, zeichnet eine zusätzliche Kamera Bewegungen innerhalb des Feldes auf.

Weitere technische Geräte zum Aufspüren von Geistern bei den „Vienna Ghosthunters“ sind zum Beispiel:

  • Boroskop Kamera: Kabelschächte oder enge Spalten können hiermit gefilmt werden.
  • Night Vision Multibrillen: Ermöglichen verstärkte Sicht bei Nacht und können Geister fotografieren und filmen.

Orte der Ausbildung

Friedhof für die Geisterjagd bei Nebel

Friedhof bei Nebel (Foto: kalhh, Pixabay.com)

Bei dem „Galileo Selbstexperiment“ findet ein Teil der praktischen Ausbildung in einer abgelegenen leerstehenden Villa statt, der „White Hills Mansion“. Ausgestattet mit technischen Geräten, macht sich die Gruppe auf die Suche nach Geistern und dokumentiert mögliche Hinweise. Auch die „GhostHunters Schweiz“ besuchen im Praxisteil der Ausbildung Gruselorte, an denen paranormale Erscheinungen häufig auftreten. Hierzu zählen unter anderem auch, wie bei der NJGHS, Friedhöfe. Burgen und Gruften sind ebenfalls beliebt. Hier findet das sogenannte „aktive Geisterjagen“ statt – eine Kombination aus Einsetzen der eigenen Sinne und technischen Geräten. Die Orte, an denen Schüler*innen der „Vienna Ghosthunters“ erlerntes Wissen in die Praxis umsetzen, bleiben ihnen selbst überlassen, da sie bei der Geisterjägerausbildung ausschließlich die Theorie erlernen.

Zertifizierte Geisterjagd

Am letzten Tag der Ghost-Hunter-Ausbildung geht es für Reporter Martin an die Arbeit bei Kunden. Er besucht eine Familie mit spukendem Dachboden. Das Fazit von Ausbilderin Laura fällt jedoch nüchtern aus: Es handle sich um einen freundlichen Geist – mehr erfahren wir nicht. Am Ende besteht Martin die Ausbildung und darf auf eigene Faust von nun an professionell Geister jagen.

Bei den „GhostHunters Schweiz“ erlangen alle Schüler*innen für erfolgreich durchgeführte Ausbildung ein Zertifikat und zusätzlich eine Bestätigung für die Aktivmitgliedschaft. Auch die Erlaubnis für Hausbesuche haben sie am Ende in der Tasche. Alle ausgebildeten Geisterjäger*innen erhalten im Netz ein Control Panel und dürfen Telefonabfragen durchführen. Von nun an können im Namen der „GhostHunter Schweiz“ Geisteruntersuchungen vorgenommen werden.

Die Schüler*innen der „Vienna Ghosthunters“ können nach Abschließen ihrer theoretischen Geisterjägerausbildung selbst zur Praxis übergehen. Jede*r erhält einen Homepagebutton, ein Zertifikat sowie einen Nutzungsvertrag und kann selbst dem neuen Nebenjob nachgehen.

Ob für ein paar Tage Geisterbeschwören dreistellige Beträge gerechtfertigt sind, bleibt fraglich. Vorstellungskraft und Interesse am Thema Geister müssen wohl immer mit vorhanden sein; dann steht dem Gruselerlebnis nichts mehr im Weg.

 

Charlie Charlie bist du hier?

Die Kommunikation mit dem Jenseits fasziniert die Menschheit seit jeher. Geisterbeschwörung ist auch heute noch ein beliebtes Thema – ob auf YouTube oder Pyjama-Partys. Doch welche Arten von Geisterbeschwörung gibt es eigentlich und wie funktionieren sie richtig? Eine Do-it-yourself Anleitung zu drei der beliebtesten Varianten mit Gruselgarantie.

Gläserrücken leicht gemacht

Das Gläserrücken gehört zu den bekanntesten Methoden, einen Geist zu rufen. Oft verwenden Laien diese Technik, da sie relativ einfach auszuführen ist. Für diese Art der Geisterbeschwörung benötigt man nur ein DIN-A3-Blatt und ein umgedrehtes Glas. Das Blatt ist mit den Buchstaben A-Z und den Zahlen 0-9 beschriftet. Außerdem gibt es die Antwortfelder „Ja“ und „Nein“.  Ein Glas befindet sich umgedreht in der Mitte des Blattes.

Alle Teilnehmer*innen der Geisterbeschwörung entscheiden sich für einen Spruch, mit dessen Hilfe sie den Geist rufen wollen, und legen die Fingerkuppe ihres rechten Zeigefingers auf das Glas. Im Chor wird der Spruch aufgesagt.

Der Geist sollte sich idealerweise zurückmelden. Die Beschwörer*innen fragen anschließend nach, ob es sich um einen guten Geist handelt. Rückt das Glas auf das Antwortfeld „Nein“, bittet man ihn höflich, wieder zu gehen. Wenn der Geist die Aussage bejaht, beginnt man mit der Fragerunde. Ganz wichtig dabei ist, den Geist immer höflich zu behandeln. Ihn zu verspotten oder zu ärgern, könnte böse Folgen für die Teilnehmer*innen der Beschwörung haben.

„Bloody Mary“ beschwören

Eine weitere recht bekannte Technik, um einen Geist zu beschwören, nennt sich „Bloody Mary“. Diese Art der Beschwörung geht auf die Legende von Mary Worth zurück, die angeblich während des 17. Jahrhunderts in Massachusetts in den USA gelebt haben soll. Ihr Gesicht sei entstellt gewesen. Aus diesem Grund hänselten sie die Kinder aus der Nachbarschaft. Es gibt aber auch noch zahlreiche andere Legenden um den Geist. Eine besagt, sie wäre Maria I. Tudor, die im 16. Jahrhundert Königin von England und Irland war. Sie ließ zahlreiche Protestant*innen hinrichten und hatte daher den Spitznamen „Bloody Mary“. Bereits seit dem 19. Jahrhundert und noch bis heute gilt es als Mutprobe, diesen Geist heraufzubeschwören.

Geisterbeschwörung der Bloody Mary

Für die Beschwörung der „Bloody Mary“ benötigt man lediglich einen Spiegel und Kerzenlicht. (Foto: whitedaemon, Pixabay.com)

Um die „Bloody Mary“ zu rufen, gibt es ein ganz einfaches Ritual. Dabei muss der/die Beschwörer*in sich vor einen Spiegel stellen. Der Raum, in welchem sich der Spiegel befindet, muss vollkommen abgedunkelt sein. Nur einige Kerzen sollten für Licht sorgen. Es gibt sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Die bekannteste besagt, dass man in den Spiegel schauen und dreimal den Namen „Bloody Mary“ wiederholen muss. Es gibt aber auch andere Anleitungen. Zum Beispiel, dass man in einem Art Singsang dreizehn Mal den Namen „Bloody Mary“ wiederholen soll. Hier ist es den Beschwörer*innen freigestellt, welche Variante er/sie wählt. Er/sie kann auch mehrere Varianten ausprobieren, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Was passiert nach der Beschwörung der „Bloody Mary“? Hier gehen die Meinungen stark auseinander. Es heißt, statt seinem eigenen Gesicht sehe man das einer jungen Frau, der Blut über das Gesicht läuft. Das ist noch die harmloseste Variante. Andere berichten von einer Hand, die aus dem Spiegel kommt und den/die Beschwörer*in würgt. Es gibt auch Schilderungen von Kratzern am ganzen Körper. Diese Variante der Geisterbeschwörung ist etwas für Mutige. Da der/die Beschwörer*in sich alleine in einem abgedunkelten Raum aufhält, ist der Gruselfaktor garantiert.

„Charlie, Charlie, bist du hier?“

Die dritte Methode zur Geisterbeschwörung hat einen Netztrend ausgelöst. Dabei riefen Social-Media-Nutzer*innen den Geist Charlie, um ihm Fragen zu stellen und filmten sich dabei. Anschließend veröffentlichten sie die Videos auf ihren Social-Media-Kanälen. Dies nennt sich dann die „Charlie Charlie-Challenge“. Ursprünglich kommt das Spiel aus dem Spanischen und heißt „Juego de la Lapicera“ (Bleistiftspiel). In diesem Spiel geht es zunächst nicht um Geisterbeschwörung. Mädchen im Teenageralter nutzen es, um herauszufinden welche Jungen in sie verliebt sind. Erst seit dem Film „The Gallows“ wird das Spiel auch als Geisterbeschwörungstechnik verwendet. In diesem geht es um einen Geist namens Charlie, der eine Gruppe Schüler*innen terrorisiert. Eine Marketing-Aktion für diesen Film ging viral, und so entstand die Anleitung für die „Charlie Charlie-Challenge“.

Charlie kommt nicht

Beim Selbstversuch hat Charlie sich nicht blicken lassen. (Foto: Anne-Sophie Fauser)

Genau wie bei „Bloody Mary“ kann der/die Beschwörer*in nur einen bestimmten Geist rufen, nämlich Charlie. Er kam angeblich vor 20 Jahren bei einem tragischen Autounfall ums Leben. Im Gegensatz zur „Bloody Mary“ soll es sich um einen guten Geist handeln. Um diesen zu beschwören, ist nicht viel Aufwand gefordert. Es braucht lediglich ein Blatt Papier und zwei Bleistifte. Das Blatt wird doppelt mit „Ja“ und „Nein“ beschriftet. Man legt dann zwei Bleistifte überkreuzt auf das Blatt. Daraufhin stellt der/die Beschwörer*in die Frage: „Charlie, Charlie, bist du hier?“. Der Bleistift sollte sich dann von selbst bewegen und auf das Antwortfeld „Ja“ deuten. Jetzt ist der Geist von Charlie anwesend und kann Fragen beantworten. Meist führen Gruppen diese Technik der Geisterbeschwörung durch und sie ist eher ein lustiger Zeitvertreib. Gruselstimmung kann zwar aufkommen, jedoch vermutlich weit weniger als bei der Beschwörung der bösen „Bloody Mary“.

Im nachfolgenden YouTube-Video hat der Betreiber des Kanals „GeisterGlauber“ die „Charlie Charlie-Challenge“ ausprobiert. Er stellt Charlie Fragen und bekommt tatsächlich Antworten durch den Bleistift, der auf „Ja“ oder „Nein“ deutet. Auf YouTube gibt es sehr viele solcher Selbstversuch-Videos, die sich alle auf die „Charlie Charlie-Challenge“ beziehen.

Ob diese Praktiken tatsächlich einen Geist rufen können oder auf wissenschaftlich erklärbaren Phänomenen beruhen, ist fraglich. Es muss jeder für sich entscheiden, wieviel er dem Glauben schenken möchte. Für ein wenig Gruselstimmung und einen Adrenalinkick ist aber auf jeden Fall gesorgt.

Mit Beschwörungsformeln und Gebeten Dämonen aus Besessenen verjagen: Es klingt wie ein längst vergessener religiöser Ritus. Dabei ist der Exorzismus weltweit verbreitet. Auch in Deutschland treiben Priester noch immer den Teufel aus.

Die junge Frau redet mit sich selbst, schlägt um sich und ist bald nicht mehr zu bändigen. Ihre Familie ist sich sicher: Die Südkoreanerin ist vom Teufel besessen. Fünf Verwandte, Mitglieder einer christlich-fundamentalistischen Sekte, fesseln sie schließlich ans Bett, stopfen ihr ein Handtuch in den Mund und prügeln über Stunden auf ihren Brustkorb ein. Sie sind überzeugt davon, ihr mit einem Exorzismus den Dämon austreiben zu können. Dieser Fall hat sich nicht etwa im düsteren Mittelalter ereignet, sondern in Zimmer 433 eines Frankfurter Luxushotels. Am Ende dieses Tages im Dezember 2015 ist die Südkoreanerin tot, erstickt. Die Polizei findet ihre Leiche im Bett: mit einem Kleiderbügel im Rachen, von Hämatomen übersät. Ihre fünf Verwandten, darunter ihr 15 Jahre alter Sohn, werden festgenommen.

Auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert glauben weltweit Menschen daran, von Dämonen besessen zu sein, und hoffen auf Erlösung durch eine Teufelsaustreibung, vor allem in Mittel- und Lateinamerika. Dort seien der Dämonenglaube und Exorzismen feste Bestandteile des Glaubens, sagt der Historiker und Autor Bernd Harder von der „Gesellschaft für die wissenschaftliche Untersuchung der Parawissenschaften“ im Gespräch mit diesem Blog. Harder beschäftigt sich seit Jahren mit der Teufelsaustreibung in der heutigen Zeit.

Exorzismus ist weltweit verbreitet

Exorzisten versuchen in Ritualen und durch Gebete, mit dem Dämon Verbindung aufzunehmen und ihn dazu zu bewegen, die „Besessenen“ zu verlassen. Gerade in fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften wie den evangelikalen Freikirchen, das zeigt das Beispiel des eskalierten Exorzismus in Frankfurt, spielt Gewalt bei den Ritualen oft eine Rolle. Zu manchen Riten gehöre es, dass auf die Betroffenen eingeschlagen werde, erklärt Bernd Harder. Manchmal zeigen die Geplagten aber auch starke körperliche Reaktionen auf den Exorzismus, sodass sie der Teufelsaustreiber festhalten und fixieren muss. Das könne fatale Folgen haben, sagt der Exorzismus-Experte. Das Ritual bestätige das Opfer in seiner Rolle als „Besessene“ oder „Besessener“: „Der Betroffene wird immer weiter aufgestachelt, das Verhalten zu zeigen, was die Exorzisten und Gläubige erwarten.“ Dadurch erreiche man das Gegenteil von dem, was angestrebt werde, glaubt Harder: „Die psychischen Symptome verstärken sich, dem Betroffenen geht es immer schlechter.“

Nicht nur in christlich-fundamentalistischen Sekten, sondern auch im Katholizismus gehört die Teufelsaustreibung zum religiösen Alltag. Dort ist der Exorzismus seit dem Mittelalter bekannt, als sich der Volksglaube an Dämonen, Geister und Teufel ausbreitete. 1614 führte die Katholische Kirche den Exorzismus offiziell ein. Im „Rituale Romanum“, einem liturgischen Kirchenbuch, schrieb der Vatikan vor, wie ein Exorzismus durchzuführen sei. Der Priester betet: „Ich befehle dir im Namen unseres Herrn Jesus Christus, verlasse den Körper, den (sic!) du dich bemächtigt hast.“ Die Betroffenen werden dem Ritual nach mit Weihwasser besprengt, es werden verschiedene Psalmen vorgelesen, das Glaubensbekenntnis gebetet, das Kreuz gezeigt und die Hand aufgelegt. Danach seien die Gläubigen vom Bösen befreit, glaubte man. Historiker Harder sagt:

„Im Mittelalter hatte das Böse ein klares Gesicht: Satan oder Teufel.“

Eine einfache Variante, mit dem abstrakten Bösen in der Welt umzugehen: Die Menschen zentrierten es in einem Dämon, den man nur austreiben müsse, um das Unheil abzuwenden. Durch Bibelverse wie „Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus“ sahen sich Exorzist*innen legitimiert, geradezu dazu aufgerufen, Teufelsaustreibungen vorzunehmen. Und das bis heute.

Die Katholische Kirche hält an Exorzismus fest

2014 erkannte der Vatikan die in etwa 30 Ländern vertretene internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) offiziell als private rechtsfähige Gesellschaft an. Zur Organisation gehören rund 250 Teufelsaustreiber*innen, die jährlich etwa 30.000 Mal zum Einsatz kommen. Der AIE-Vorsitzende Francesco Bamonte begrüßte die Entscheidung der Kirche – und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass nun mehr Priester der „oft ausgeblendeten oder unterschätzten dramatischen Situation“ besessener Menschen Beachtung schenkten. Der Exorzismus sei eine Form der Nächstenliebe. Harder vermutet einen weiteren Grund dafür, dass die Kirche noch immer an dieser aus der Zeit gefallenen Praxis festhält. Der Exorzismus soll als indirekter Gottesbeweis fungieren: Wenn es den Teufel gebe, dann müsse es folglich auch Gott geben, so der Historiker. „Der Exorzismus ist quasi die letzte Bastion des Übernatürlichen.“

Auch wenn sich die Katholische Kirche in Deutschland darüber ausschweigt, treiben Priester auch hierzulande immer wieder Gläubigen den Teufel aus. Der Bayerische Rundfunk hat bereits 2008 aufgedeckt, dass im Auftrag der Katholischen Kirche fast täglich Exorzismen durchgeführt werden. Der Sprecher des Erzbistums Paderborn, Ägidius Engel, bestätigte schließlich der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Kirche „seelisch höchst notleidende(n) Menschen“ mit einer „Liturgie der Befreiung“ helfe. Es sei dann „die Pflicht des Bischof“, Exorzist*innen zu beauftragen. Weitere Stellungnahmen dazu sind von den deutschen Bistümern kaum zu erhalten. In anderen Ländern ist es deutlich einfacher,  kirchliche Exorzist*innen zu finden. Vielerorts wird aus dieser Praxis keinen Hehl gemacht. In Großbritannien etwa ist in jeder Diözese ein Priester als Exorzist angestellt. In Österreich nennen sich Priester, die mit dem Exorzismus beauftragt sind, euphemistisch „Beauftragte im Befreiungsdienst“.

Hunderte bitten jährlich um einen Exorzismus

Offiziell haben von den 27 deutschen Bistümern nur noch sieben Exorzisten in ihren Reihen. Die Nachfrage aber ist hierzulande groß: Jährlich erhalte die Katholische Kirche hunderte Anfragen von Menschen, die überzeugt davon sind, von Dämonen besessen zu sein und auf Erlösung durch Exorzist*innen hoffen. Das bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage. Woran liegt das? Bernd Harder hat eine Vermutung:

„Für Betroffene ist ihre Besessenheit eine einfache Antwort auf komplexe Probleme.“

Mit tieferen Ursachen, etwa Angststörungen, psychischen Erkrankungen oder Süchten, müssten sie sich dann nicht mehr auseinandersetzen. Oftmals seien solche Menschen in psychiatrischer Behandlung besser aufgehoben als in den Händen der Teufelsaustreiber*innen. „Gesucht wird aber häufig eine Instant-Heilung durch einen Exorzisten, ohne anstrengende Therapie“, erklärt Historiker Harder.

Der tragische Tod der Anneliese Michel

Das erhoffte sich wohl auch Anneliese Michel. Sie suchte Erlösung im Exorzismus – und fand den Tod. Der Fall der 23 Jahre alten Pädagogik-Studentin sorgte 1976 weltweit für Aufsehen. Die Frau aus dem unterfränkischen Klingenberg litt jahrelang unter epileptischen Anfällen, trotz der Medikamente, die sie dagegen einnahm. Obwohl sie klare Symptome einer Schizophrenie zeigte, kam sie nie in psychiatrische Behandlung, sondern zur Teufelsaustreibung. Zwei katholische Priester mühten sich über Monate ab, ihren vermeintlichen Dämon zu verjagen. Dass die junge Frau bald keine Nahrung mehr zu sich nahm, blendeten die Priester aus. Nach insgesamt 67 Exorzismen starb Anneliese Michel im Beisein ihrer Eltern, nur noch 31 Kilogramm schwer, an Unterernährung und einer Lungenentzündung.

Der Fall Michel inspirierte auch das Psychodrama „Requiem“ aus dem Jahr 2006. Und er löste einen Skandal aus, der die Katholische Kirche in Deutschland erschütterte. Möglicherweise ein Grund, warum die deutschen Bistümer das Thema heute tabuisieren, meint Bernd Harder. Die Kirche zog allerdings Lehren aus diesem Fall. Der Vatikan überarbeitete 1999 sein jahrhundertealtes Regelwerk. Seither darf der Exorzismus nur mit besonderer und ausdrücklicher Erlaubnis des jeweiligen Ortsbischofs angewendet werden. Und das auch nur, wenn Suchterkrankungen und psychische Störungen zuvor in einer medizinischen Untersuchung ausgeschlossen worden sind.

Vier der fünf Südkoreaner*innen kamen mit Bewährungsstrafen davon

Der heute durchgeführte Exorzismus der Katholischen Kirche habe also nichts mehr mit den Praktiken im Fall Michel oder brutalen Filmklischees wie etwa in „Der Exorzist“ zu tun, so Bernd Harder. Das Ritual bestehe vielmehr aus Gebeten und der Bitte um Befreiung vom Bösen, wie es etwa schon im „Vater Unser“ zum Ausdruck komme. Kirchensprecher Ägidius Engel versicherte der „Süddeutschen Zeitung“: Ein Exorzismus werde erst vollzogen, wenn Fachleute bescheinigten, dass „da eigentlich nur noch der liebe Gott helfen könne.“

Davon überzeugt, dass nur noch ein Exorzismus die Rettung sei, waren auch die fünf Südkoreaner*innen aus Frankfurt. Vier Verwandte der getöteten jungen Frau kamen mit Bewährungsstrafen davon, eine Cousine wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Das Gericht glaubte ihnen, dass sie das Opfer nicht töten wollten, sondern in dem festen Glauben handelten, der Frau zu helfen.

Lassen sich Geister wirklich beschwören oder täuschen uns die eigenen Sinne? Unsere Reporterin hat es beim Gläserrücken ausprobiert. Ein Selbsttest bis zur Schmerzgrenze mit hohen Erwartungen und Vanilleduft.

Ich schalte das Licht aus. Wir sitzen zu dritt im Halbdunkeln um den Tisch im Wohnzimmer unserer Wohngemeinschaft. Darauf liegt ein Kreis aus mit Buchstaben und Zahlen beschrifteter Blätter, in der Mitte stehen ein Glas und zwei weiße Kerzen. Die Kerzen sollen böse Geister fernhalten und verströmen einen aufdringlichen Vanilleduft. Wir legen alle unseren Zeigefinger auf das Glas, dann beginnen wir mit der Séance. „Großer Geist, wir rufen dich“, sagen wir im Chor – und ich muss mir ein Lachen verkneifen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Geist beim Gläserrücken zur rufen. Das hat meine Mitbewohnerin Teresa erzählt. Sie ist die Einzige von uns, die schon an solchen Sitzungen teilgenommen hat. Nachdem sich der Geist durch ein Zeichen bemerkbar gemacht hat, sollen wir ihm Fragen stellen. Alles ist erlaubt, nur die Zukunft ist Tabu. Durch das Glas soll sich der Geist uns mitteilen. Denn dieses soll sich nach einer Weile scheinbar von selbst bewegen und erst langsam, später teilweise rasant zu den Blättern rücken. Diese sind mit allen Buchstaben des Alphabets, den Zahlen von 0 bis 10 sowie ja und nein beschriftet. Der auf diese Weise entstandene Text wird als Mitteilung des gerufenen Geistes gedeutet und von einem Teilnehmer oder einer Teilnehmerin der Séance protokolliert.

„Bist du da?“

Auf dem Wohnzimmertisch sind alle Utensilien fürs Gläserrücken aufgebaut.

Gläserrücken in der Wohngemeinschaft (Foto: Hannah V.)

Uns antwortet der Geist vorerst nicht. Wir wiederholen in kurzen Abständen unseren Satz und fragen danach: „Bist du da?“ Aber das Glas bewegt sich nicht. „Vielleicht sollten wir einen anderen Spruch ausprobieren?“, frage ich nach einer Weile. Teresa zuckt mit den Schultern und geht googeln. Unsere Handys haben wir nämlich alle aus dem Zimmer verbannt. Die Signale könnten den Geist stören, habe ich nachgelesen. Deshalb kann ich die Séance auch nicht aufnehmen, was mich als Journalistin ein bisschen stört. Denn ein kurzes Video von uns um den Wohnzimmertisch mit geschlossenen Augen im Kerzenschein wäre bestimmt gar nicht schlecht.

Trotzdem gibt es online etliche Videos von Séancen, die alle angeblich keine Fälschungen sein sollen. Einmal fliegt das Glas plötzlich in die Luft und zerspringt an der Zimmerdecke, ein anderes Mal bewegt es sich, obwohl die beiden jungen Männer ihre Finger zurückgezogen haben. Bei einem Selbstversuch Darmstädter Journalismusstudenten erscheint ein 36-jähriger Geist aus Calw namens Hoep. Ganz ernst kann ich das alles nicht nehmen.

Gläserrücken soll Zugang zu Verborgenem schaffen

Es gab und wird immer Phänomene geben, die Menschen nicht erklären können. Das sei aber laut dem Verein „Sekten-Info Nordrhein-Westfalen“ schwer zu akzeptieren. Wenn Menschen mit Logik oder Wissenschaft nicht weiterkämen, versuchten sie diese Phänomene anders zu deuten. Eine Möglichkeit dafür sind okkulte Praktiken – zu denen neben Kartenlegen, Pendeln oder Astrologie auch Gläserrücken zählt. Das lateinische Wort „okkult“ bedeutet „verborgen“. Okkulte Praktiken sollen demnach Zugang zu diesem Verborgenen schaffen und es begreifbar machen. Gläserrücken gehört zu den beliebtesten gemeinschaftlich betriebenen okkulten Praktiken. Denn es erfordert wenig Aufwand und alle benötigten Gegenstände sind leicht zu beschaffen oder selbst herzustellen. In der Regel werden Séancen nachts durchgeführt – vor allem auch zur Geisterstunde.

Vielleicht hätten wir doch auf Nummer sicher gehen und bis Mitternacht mit unserer Sitzung warten sollen. Seit mehr als zwanzig Minuten rufen wir abwechselnd nach dem großen Geist und fragen, ob jemand mit uns sprechen möchte. Bisher möchte das niemand. Obwohl mein ausgestreckter Arm langsam zu schmerzen anfängt, fühle ich mich sehr entspannt – fast wie im Yoga, wenn wir immer wieder dasselbe Mantra wiederholen. Dennoch frage ich mich, was wir falsch machen. Wir haben einen zweiten Spruch ausprobiert, haben inzwischen die Augen geschlossen und den Tisch gewechselt, weil darin Metall verbaut ist. Eigentlich machen wir alles richtig. Nur durch die Stimmen aus dem Nachbarzimmer könnte sich der Geist jetzt noch gestört fühlen. Meine andere Mitbewohnerin schaut eine Serie. Sie hatte uns von Anfang an für verrückt erklärt. „Ihr spinnt doch“, sagte sie, als ich ihr das erste Mal von unserer geplanten Séance erzählte. Das funktioniere nicht, sei alles wissenschaftlich bewiesen.

Eine wissenschaftliche Erklärung gibt es tatsächlich. Demnach entsteht die Bewegung des Glases durch den so genannten Carpenter-Effekt, den der englische Physiologe William Benjamin Carpenter erstmals 1852 beschrieb. Bei diesem wird durch Gedanken oder Vorstellungen eine Bewegung ausgelöst – wenn beispielsweise beim Autofahren der Beifahrer eine imaginäre Bremse tritt, weil ihm der Fahrer zu schnell fährt. Die Bewegung des Beifahrers resultiert aus dem Wunsch, das Auto zu bremsen. „Während des Gläserrückens baut sich eine ähnliche Erwartungshaltung auf: Funktioniert es oder funktioniert es nicht?“, so der Neurologe Tim von Oertzen im MDR. „Jeder will eigentlich, dass es funktioniert – weil man es ja gerne erfahren möchte.“ Die Wünsche, Hoffnungen oder Ängste der Teilnehmer können zu Muskelkontraktionen führen, die das Glas bewegen. „Es ist nicht so, dass jemand aktiv das Glas schiebt, aber unbewusst werden Bewegungen auf das Glas übertragen“, erklärt von Oertzen. Gläserrücken werde deshalb auch durch die bewusste oder unterbewusste Zielvorstellung der beteiligten Personen beeinflusst. Wenn die Teilnehmer*innen demnach eine positive Einstellung haben, erhalten sie eher ein positives Resultat; sind sie negativ eingestellt fällt dieses eher negativ aus.

„Wir hatten nach der Sitzung solche Angst“

Teresa hat als 13-Jährige bereits an einer erfolgreichen Séance mit Freundinnen teilgenommen. Damals hat sich tatsächlich ein Geist bemerkbar gemacht – zumindest vermutet sie das. Ganz sicher ist sie sich nicht. „Es kann immer jemand dabei sein, der sich einen Spaß daraus macht und das Glas absichtlich verrückt“, sagt sie. „Trotzdem hatten wir nach der Sitzung solche Angst, dass wir lieber bei meiner Freundin übernachtet haben, statt nach Hause zu fahren.“

Es gibt in Deutschland mehrere Beratungsstellen der Bundesländer, Kirchen oder Polizei, die über Okkultismus aufklären. Zwar scheinen hierzulande nicht viele Menschen regelmäßig an okkulten Praktiken teilzunehmen – offizielle Zahlen dazu gibt es keine, aber dennoch kommt es auch zu tragischen Vorfällen. So wie vor mehr als zwanzig Jahren in Forchheim. Dort hatte der vermeintliche Geist seines verstorbenen Freundes dem 15-jährigen Thomas und dessen 18-jährigen Freund Markus beim Gläserrücken erzählt, wie süß das Sterben sei. Woraufhin sich die beiden Jugendlichen mit Auspuffgasen das Leben nahmen. Der geplante Selbstmord zweier weiterer Mitglieder der Clique konnte nur durch Zufall verhindert werden.

Kein Spuk im Stuttgarter Altbau

So dramatisch geht unsere Sitzung zum Glück nicht zu Ende. „Wie war die Erfahrung für euch?“, fragt Teresa in die Runde, während ich das Licht einschalte. „Enttäuschend“, sagt mein Freund Alex. Nachdem uns fast vierzig Minuten kein Geist geantwortet hat, haben wir die Séance beendet. Und ich fühle mich darin bestätigt, dass es keine Geister gibt. Dabei war ich wirklich offen dafür, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. „Kurz hatte ich wirklich das Gefühl, das Glas hätte sich bewegt“, sagt Teresa. „Aber als ich die Augen aufgemacht habe, stand es noch an genau derselben Stelle wie vorher.“ Wir schweigen betreten. „Vielleicht lag es am Ort?“, frage ich. Wir wohnen zwar in einem Stuttgarter Altbau – aber das will ja nichts heißen. „Nächstes Mal sollten wir auf den Friedhof gehen“, sagt Teresa. Ich stelle mir vor, wie wir im Kreis um unsere beschrifteten Blätter sitzen und die Vanillekerzen flackernde Schatten an die Grabsteine werfen. Worauf habe ich mich da nur eingelassen?