Man stelle sich vor, man wäre nur ein Gehirn, angeschlossen an einen Computer, der die Wahrnehmungen und Sinneseindrücke steuert. Alles wäre lediglich eine Simulation. Spätestens seit der Erfindung von Virtual Reality ist dieses Szenario zumindest im weitesten Sinne greifbar geworden. Das Gedankenexperiment selbst ist jedoch schon mehrere Jahrhunderte alt. Als erster Denker der abendländischen Philosophie formulierte René Descartes ein Unterscheidungskriterium zwischen Traum und Realität.

„Haben Sie nie in den Komödien diese Worte des Erstaunens gehört: Wache ich, oder träume ich?“ Diese Worte schreibt René Descartes Mitte des 17. Jahrhunderts in seiner für Christina von Schweden angefertigten Schrift Recherche de la vérité (Erforschung der Wahrheit). Die Frage, die Descartes hier aufwirft, war jedoch nicht nur Stoff für Literatur und Theater der frühen Neuzeit, sondern bildete auch einen zentralen Angelpunkt für Descartes’ Metaphysik und Philosophie. Bereits im antiken Griechenland mutmaßte der Philosoph Platon, dass das, was wir Leben nennen, ein Traum sein könnte, während das, was wir Traum nennen, das Leben ist. Ein erster Versuch, diese Jahrhunderte alte Frage zu beantworten, fand 1619 in Form von drei Träumen seinen Anfang.

Descartes am Tisch mit Christina von Schweden. Mitte des 17. Jahrhunderts wechselten der Philosoph und die Königin Briefe, in denen Descartes unter anderem auch die Traumfrage aufwarf. © Wikimedia Commons

Von bösen Geistern, Gewissensbissen und dem Lebensweg

Im Alter von 23 Jahren tritt René Descartes dem Heer Bayerns bei. In der Nacht vom 10. zum 11. November 1619 hat der Mathematiker und Philosoph drei Träume, die sein späteres Schaffen entscheidend mitgestalten sollen. In einem Winterquartier in der Nähe von Ulm träumt er nacheinander von einem bösen Geist, der ihn davon abzuhalten versucht, die nahe Kirche zu erreichen, von Gewissensbissen und einem Donnerschlag, der den Geist der Wahrheit in ihn treiben soll, und schließlich von einem Lexikon. Die ersten beiden Träume erschrecken Descartes so sehr, dass er Traum und Wirklichkeit kurzzeitig nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Im dritten Traum kann er jedoch noch im Zuge des Aufwachens feststellen, dass es sich um einen Traum handelt. „Quod vitae sectabor iter?“ (Welchen Lebensweg werde ich wählen?) Diesen Satz erblickt er im Lexikon innerhalb seines dritten und letzten Traums der Nacht. Der junge Philosoph deutet dies als Offenbarun – die Träume motivieren ihn, die Suche nach der Wahrheit zeitlebens zu verfolgen.

Ich träume, also bin ich

Achtzehn Jahre nach seiner schicksalshaften Nacht bezieht er sich in seinem Werk Discours de la Méthode (Abhandlung über die Methode) auf jene drei Träume. So haben diese ihn gelehrt, dass die Philosophie mit dem Zweifel anzufangen habe. Zweifelhaft ist nach Descartes alles, wofür es keinen expliziten Beweis gibt. Weder unsere Sinneseindrücke noch mathematische Beweise sind sicher vor diesem Zweifel. Seine eigenen Erfahrungen mit Träumen lehrten Descartes, dass auch die eigene Körperwahrnehmung eine Illusion sein kann. In seinem Werk Meditationes de prima philosophia (Meditationen über die Erste Philosophie) findet der böse Geist aus seinem ersten Traum der Novembernacht 1619 Einzug in Descartes’ Philosophie. Die gedankliche Figur des Genius Malignus repräsentiert einen Täuschergott, der uns die Realität vorgaukelt. Descartes führt dabei das Beispiel eines Stabs an, der im Wasser steht. Durch die Lichtbrechung im Wasser wirkt es so, als wäre der Stab gebrochen, auch wenn er das in Wahrheit nicht ist. Die Außenwelt könne uns also täuschen. Angesichts dieser Täuschungsmöglichkeiten und Zweifel ist für Descartes nur eines sicher: „Cogito ergo sum“ – Ich denke, also bin ich. Das eigene Bewusstsein bleibt bestehen, die eigene kognitive Existenz ist somit gesichert.

„Zu träumen ist in sich etwas Wirkliches.“ (Matthias Vollet)

Der Philosoph Matthias Vollet ist an der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte als Geschäftsführer und akademischer Leiter tätig. © Matthias Vollet

Matthias Vollet, Philosoph und Geschäftsführer der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte, sieht innerhalb der Meditationes eine kleine Öffnung, durch die der Traum doch mehr ist als reine ‚Nicht-Wirklichkeit‘: „Auch wenn ich träume, so bin doch ich es, der träumt. Das heißt, dieses Argument des Cogito gilt auch für Träume. Zu träumen ist in sich etwas Wirkliches“. Während also sowohl der Inhalt eines Traums als auch derjenige der geglaubten Realität reine Täuschung sein kann, ist die Einbildungskraft in beiden Fällen real. Das Ich existiert – auch im Traum.

Vollkommenheit und Kohärenz als Beweis

Auf der Suche nach einem Beweisgang für die Außenwelt zieht Descartes seinen Gottesbeweis heran. Kurz gefasst könne jegliche reale Idee nur von einer ebenso realen äußeren Ursache herrühren. Da nur Gott vollkommen sei, könne auch nur dieser als Ursache für die Vorstellung ebendieser Vollkommenheit dienen. „Und zu dieser Perfektion gehört, dass dieses perfekte Wesen auch existiert“, erklärt Matthias Vollet. „Das ist eine Form des Gottesbeweises, die aus dem Mittelalter stammt. Descartes hatte ja sehr viele Dinge aus dem Mittelalter noch in sich“. Die Perfektion Gottes gewährleistet wiederum auch, dass er uns nicht täuscht, da dies ein unvollkommener Akt wäre. Das Leben könne demnach kein Traum sein.

Was unterscheidet also den Wach- vom Traumzustand? Das Wachleben, so argumentiert Descartes, ist kohärent, einzelne Gedankengänge hängen zusammen. Matthias Vollet definiert diese Kohärenz anhand von zwei ‚Kohärenzachsen‘: „In den zwei Erlebnisachsen, Raum und Zeit, muss es einen durchgehenden Zusammenhang geben, der nicht mehr assoziativ ist, sondern das eine unmittelbar an das andere andocken lässt“. Der Traum zeichnet sich wiederum durch Brüche im Zusammenhang der Erfahrungen aus. Zum Ende seiner Meditationes kommt Descartes das Traumargument beinahe lächerlich vor: Der Unterschied zwischen Wach- und Traumleben sei offensichtlich, Träume sind nicht real.

Das Gehirn im Tank

Die Frage nach der Wirklichkeit ist für die Philosophie damit längst nicht abschließend geklärt. Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts äußern mehrere Philosophen mit dem Gedankenexperiment Gehirn im Tank Zweifel an der erlebten Wirklichkeit und knüpfen so direkt an Descartes’ Gedanken an. Die Täuschung geht hier jedoch nicht von einem bösen Geist aus, sondern von einem Supercomputer, mit dem unser Gehirn vernetzt ist. Dieser würde unsere Synapsen gezielt stimulieren, so dass der Anschein einer ganzen Welt entsteht – ganz wie es etwa in den Filmen der Matrix-Trilogie umgesetzt wurde.

„Wir haben ein materielles Substrat. Wir haben etwas, also ein Gehirn, das auch noch in etwas ist, nämlichen einem Tank.“ (Matthias Vollet)

Für Matthias Vollet ist hier die philosophische Perspektive entscheidend: Aus einer materialistischen Perspektive „handelt es sich ja doch tatsächlich um ein Gehirn im Tank. Das heißt, wir haben ein materielles Substrat. Wir haben etwas, also ein Gehirn, das auch noch in etwas ist, nämlichen einem Tank. Und dann wird davon ausgegangen, dass sich in diesem Gehirn Bewusstseinsprozesse abspielen“. Eine dualistische Perspektive, wie sie Descartes vertritt, würde in diesem Gehirn einen Geist verorten, der die Außenwelt vorgespielt bekommt. „Insofern hätte das schon etwas Kartesisches. Und doppeltkartesisch dadurch, dass es dann tatsächlich für dieses Gehirn einen Genius Malignus gäbe, von dem das Gehirn vielleicht nichts weiß“, sagt Matthias Vollet.

Mit den heutigen Möglichkeiten von Virtual Reality scheint die Vorstellung, dass das Leben nur eine Simulation ist, vielleicht nicht so abwegig, wie die eines bösen Täuschergottes. Das Prinzip bleibt dennoch gleich. Die Möglichkeit, dass wir zwischen Simulation und Realität, zwischen Traum und Wirklichkeit nicht unterscheiden können, kann vermutlich nie völlig ausgeschlossen werden. Eine Gewissheit bleibt jedoch: Unsere Gedanken und Gefühle sind echt, und das auch im Traum.

© Titelbild: Pixabay

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

„Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht soweit. Wir sehen erst den Abendgruß, ehe jedes Kind ins Bettchen muss, du hast gewiss noch Zeit.“ Dieses Lied tönte erstmals am 22. November 1959 aus dem Fernsehen – und zwar demjenigen der DDR. Das Sandmännchen ist der Gewinner eines politischen Wettrennens. Wir fragen in unserem Beitrag, wie die Sendung entstand und was sie über die deutsch-deutsche Geschichte erzählt.

Die Geschichte von einem kleinen Mann, der Kindern das Einschlafen erleichtert, ist keine Erfindung des deutschen Fernsehens. Schon davor gab es in der europäischen Literatur Sagengestalten, die Sand verstreuen, um Kinder zum Schlafen zu bringen.

Sandmann Darstellung E.T.A. Hoffmann

Eher unheimlich: der Sandmann von E.T.A. Hoffmann. © Wikimedia Commons

Doch das nicht nur auf liebevolle Art und Weise. Der Sandmann des romantischen Schriftstellers E.T.A. Hoffmann beispielsweise wirft Sand in die Augen der Kinder, sodass sie blutig aus dem Gesicht fallen. Einen Gegensatz dazu bildet im 19. Jahrhundert der Sandmann des dänischen Märchendichters Hans Christian Andersen mit dem Namen Ole Lukøje. Ins Deutsche übersetzt heißt er „Ole Augenschließer“. In diesem Märchen besucht Ole Lukøje am Abend die Kinder, erzählt Geschichten und verschließt ihnen die Augen mit „süßer Milch“. Die Kinder, die den Tag über brav waren, bekommen von seinen Geschichten schöne, farbige Träume. Die Kinder, die nicht so brav waren, bekommen weniger gute Träume. 

dänische Sandmann Darstellung

Ole Lukøje von Hans Christian Andersen verteilt am Abend „süße Milch“. © Wikimedia Commons

Als das Märchen auch ins Deutsche übersetzt wurde, wurde aus der „süßen Milch“ der Schlafsand. Vielleicht nicht zuletzt, weil „die süße Milch“ eine Anspielung auf den giftigen Opiatsaft des Schlafmohns war.

Die Geschichte nach dem Krieg

In der Nachkriegszeit fassten auch die Medien das Ritual auf, den Kindern vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorzulesen. So wurde im Berliner Rundfunk ab 1946 Das Abendlied gesendet. Es war eine Produktion der Hörfunk-Redakteurin und Kinderbuchautorin Ilse Obrig. Die Figur des Sandmanns gab es jedoch noch nicht. Sie kam erst am 19. Mai 1956 in die Radiosendung. Im Deutschen Fernsehfunk (DFF) wurde dann am 8. Oktober 1958 der Abendgruß daraus. Das Fernsehen gewann in dieser Zeit an Popularität, und Ilse Obrig, die inzwischen zum westdeutschen „Sender Freies Berlin“ (SFB) gewechselt hatte, plante zusammen mit der Puppengestalterin Johanna Schüppel ein kleines Männchen, das dem Radio-Sandmann ein Fernsehgesicht geben sollte.

So sieht das Sandmännchen des Westdeutschen Fernsehens aus. © Wikimedia Commons

Die finanziellen Mittel für dieses Projekt waren beschränkt, sodass Obrig und Schüppel eine einfache Handpuppe gestalteten. Auch wenn die erste Sendung schon Monate zuvor fertig produziert war, wollte man mit der Veröffentlichung noch bis in die Vorweihnachtszeit, zum 1. Dezember 1959, warten.

Ein Wettlauf mit dem Westen

Als der ostdeutsche DFF Wind von der Idee bekam, brach für die DDR ein Wettlauf mit dem Klassenfeind an. Dass das Westfernsehen nun die West- Zuschauer*innen des allseits beliebten Abendgrußes abwerben könnte, wollte man beim DDR-Fernsehzentrum in Berlin-Adlershof unbedingt verhindern. Also wurde der Puppengestalter Gerhard Behrendt beauftragt, ein eigenes Sandmännchen zu erschaffen, und bekam mit Harald Sekowski einen Ausstatter für die Trickfilmbühne und für vielfältige Sandmännchen-Fahrzeuge an die Seite. Trabant, Boot und sogar Weltraumfahrzeug bastelte Harald Sekowski für das Sandmännchen.

Der Puppengestalter Gerhard Behrendt (links) im Trickfilmstudio. © rbb

Dazu schrieb der Komponist Wolfgang Richter in nur einer Nacht das eingangs erwähnte Titellied. Zunächst hatte das 24 Zentimeter kurze Männchen übrigens noch keinen Bart. Um sich vom westdeutschen Gegenstück abzugrenzen, nannte man die Trickfilmpuppe – wie auch die Sendung – nun Unser Sandmännchen.

Der Traum wird wahr

Könnte an Walter Ulbricht erinnern: das erste Sandmännchen mit Bart. © rbb

Für die DDR ging ein Traum in Erfüllung, denn das Sandmännchen ging tatsächlich eine Woche früher auf Sendung als sein westdeutsches Gegenstück. Seinen Bart erhielt das Sandmännchen erst im Sommer 1960 – ein kleines Detail, das an den damaligen SED-Chef Walter Ulbricht erinnern könnte. Seit 1959 lief nun im Deutschen Fernsehfunk um kurz vor sieben Uhr, beinahe jeden Abend, Unser Sandmännchen. In den Geschichten besuchte es Kinder auf der ganzen Welt – häufig in sozialistischen Ländern – und zeigte ihnen auf einem kleinen Fernsehgerät Geschichten zum Einschlafen. Neben Märchen und Alltagsgeschichten fanden sich jedoch auch staatstreue Besuche im Pionierferienlager, bei der Volksarmee und bei den Grenztruppen.

 

Das Sandmännchen im Pionierlager der DDR. © Gisela Krzyiwinski, rbb

Das Sandmännchen wurde mehr als eine einfache Trickfilmpuppe für die Bürger*innen der DDR. So nahm Sigmund Jähn 1978 das Sandmännchen mit, als er als erster Deutscher in den Kosmos flog. Sein sowjetischer Kollege brachte „Mascha“ mit ins All, eine Puppe, die eine ähnliche Rolle im Russischen Fernsehen einnahm wie das Sandmännchen im ostdeutschen Fernsehen. Dort verheirateten die Astronauten die beiden Puppen. Die Zuschauer*innen der DDR konnten von den Reisen des Sandmännchens indes nur träumen. Im Gegensatz zu ihnen kam das Sandmännchen auch nach Kuba, in den Irak, Vietnam, nach Ägypten und Japan.

An dem Heißluftballon störten sich Parteifunktionäre, nachdem zuvor zwei Familien in einem solchen in den Westen geflohen waren. © rbb

Immer mit einem seiner zahlreichen und spektakulären Fortbewegungsmittel wie U-Boot, Flugzeug, Schiff oder Zweirad. Als es jedoch in der Sendung vom 18. September 1979 mit einem Heißluftballon anreiste, störten sich Parteifunktionäre entschieden an der Kindersendung. Das hatte wohl den Grund, dass kurz zuvor zwei Familien aus Thüringen über die innerdeutsche Grenze nach Bayern geflohen waren. Mit einem selbstgebauten Heißluftballon.

Das Sandmännchen bleibt

Der Mauerfall bedeutete für das Sandmännchen erst einmal „Gute Nacht“. Denn der ostdeutsche DFF wurde 1991 aufgelöst. Die Produktion der Sandmännchen-Sendungen wurde damit ebenfalls eingestellt. Das löste heftigen Protest bei den Zuschauer*innen aus. Der Fernsehchef bekam zahlreiche Beschwerdebriefe, sodass die Sendung auch nach der Auflösung des Fernsehsenders schließlich weiter produziert wurde. So überlebte Unser Sandmännchen als eine der ganz wenigen Fernsehproduktionen der DDR. Denn auch nach der Auflösung des Deutschen Fernsehfunks wurde das Ost-Sandmännchen weiter im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und im Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) produziert und ausgestrahlt. Der ORB, heute Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb), wurde innerhalb der ARD mit der weiteren Produktion des Sandmännchens beauftragt. Sein westdeutscher Bruder war schon vor der Wende aufgrund zu niedriger Einschaltquoten nach und nach aufgegeben worden.

Das Sandmännchen im Elbsandsteingebirge. © Gisela Krzyiwinski, rbb

Auch heute kann man das Sandmännchen noch jeden Tag um 18.54 im rbb, MDR und im Kinderkanal KiKa sehen. Seit mehr als 60 Jahren verstreut es nun Traumsand und ist damit die älteste deutsche Kinderfernsehsendung, die bis heute produziert wird.

 

 

 

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Träume Kopf bunte Wolke

Ob eine Reise durch die Erinnerungen oder eine göttliche Erscheinung – manche Menschen, die dem Tod knapp entronnen sind, berichten von sonderbaren Erfahrungen und stellen die Wissenschaft vor ein Rätsel. Könnte es sich um eine Art Traumzustand handeln? Was eine Nahtoderfahrung ist, in welchen Formen sie sich zeigen kann und welche wissenschaftliche Erklärungsansätze es gibt, erklärt der folgende Beitrag.

Was kommt nach dem Tod? Kommt überhaupt etwas nach dem Tod? Eine genaue Antwort auf diese Fragen können nur jene geben, die bereits gestorben sind. Das Verlassen des eigenen Körpers oder das Treffen von verstorbenen Verwandten sind nur einige von vielen Erlebnissen, von denen Patient*innen berichten, die dem Tod knapp entronnen sind.

Aber was sind Nahtoderfahrungen? Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Meist versteht man darunter Erfahrungen, die Menschen erleben, während sie bereits kurzzeitig als klinisch tot gelten, aber anschließend reanimiert werden können. In der Zeitspanne bis zur Reanimation machen manche von ihnen denkwürdige Erfahrungen. Einige können sich anschließend an nichts erinnern, als hätten sie traumlos geschlafen. Andere berichten, wie sie in diesem Zustand ihren eigenen Körper verlassen und von außen oder oben beobachten konnten, wie die Ärzt*innen oder Sanitäter*innen Notoperationen oder reanimierende Maßnahmen an ihnen vollzogen. Diesen Zustand nennt man ‚außerkörperliche Erfahrung‘. Was die Betroffenen in diesem Zustand erleben ist individuell, kann aber beispielsweise eine Reise durch wichtige Erinnerungen oder zu einem Licht am Ende eines Tunnels umfassen.

Vergleicht man Nahtoderfahrungen mit Träumen, fallen einige Parallelen auf: Die Betroffenen sind während ihrer Nahtoderfahrung, ähnlich wie im Schlaf, bewusstlos und erleben individuelle, teils übernatürliche Erfahrungen. Sind Nahtoderfahrungen also eine Art Traumzustand? Genau lässt sich diese Frage nicht beantworten, auf wissenschaftliche Vermutungen kommen wir noch zu sprechen.

Was erleben Nahtoderfahrende? Ein Erfahrungsbericht

Wie intensiv eine Nahtoderfahrung sein kann, schildert die Traumatherapeutin Christine Brekenfeld im Interview mit dem YouTube-Format Hyperbole anhand ihrer eigenen Erfahrungen. Sie durchlebt fast alle bekannteren Szenarien. Während einer Notoperation machte sie eine außerkörperliche Erfahrung. Ihre Ängste und Schmerzen waren weg und sie konnte sich selbst und ihre Operation von außen beobachten. Dabei hatte sie das Gefühl, dass die Zeit stillstehe. Gleichzeitig spielte sich eine Art Lebensrückblick vor ihr ab. Jedoch sah sie nicht alle wichtigen Erinnerungen, sondern im Speziellen negative Erinnerungen, in denen sie andere verletzt hatte. Erinnerungen, die sie bereut. Anschließend kam sie tatsächlich in etwas Ähnliches wie das berühmte Licht am Ende des Tunnels, doch nahm sie diesen Tunnel eher als eine Art Strudel wahr. Ein Sog zog sie sanft durch den Strudel, langsam auf eine Enge zu. In dieser Enge sah sie eine Art weiches Licht. Sie spürte, dass sie dahin wollte. Sie berichtete: Als ich dann in Kontakt gekommen bin mit diesem Lichten, war es ein unglaublich schönes Gefühl. So als würde ich mit etwas in Kontakt kommen, was voller Liebe ist.

Die Bemühungen der Ärzt*innen waren erfolgreich und Christine Brekenfeld konnte reanimiert werden. Sie ist sie dankbar für ihre Nahtoderfahrung, welche für sie der schönste Moment ist, den sie je erlebt hat. Für sie war es zwar nicht eine Begegnung mit Gott, aber mit etwas Göttlichem. Betroffene ändern oft ihr Leben oder ihre Einstellungen nach einer Nahtoderfahrung. Viele werden religiös. Die Verbindung mit dem Göttlichen oder Spirituellen liegt bei einer solchen scheinbar übernatürlichen Erfahrung natürlich nahe, aber es gibt durchaus auch wissenschaftliche Ansätze, das Phänomen zu erklären.

Die Forschung am Tod und das Problem belastbarer Daten

Das Phänomen der Nahtoderfahrung wird wissenschaftlich noch nicht sehr lange erforscht. Das liegt unter anderem daran, dass reanimierende Maßnahmen selbst noch nicht allzu alt sind: Erst 1957 wurden wiederbelebende Maßnahmen vom Arzt Peter Safar in seinem Buch Das ABC der Wiederbelebung beschrieben. Dementsprechend kam es erst in den 1970er Jahren zu eigentlicher Forschung zu Nahtoderfahrungen. Trotzdem lässt sich immer noch nicht mit Sicherheit sagen, wie Nahtoderfahrungen entstehen.

Das Problem: Das neuronale Netz im Gehirn versagt beim Hirntod. Es sollte also unmöglich sein, mit dem Gehirn nach dem Tod noch etwas wahrzunehmen. Die Nahtoderfahrung geschieht aber anscheinend gerade dann, wenn man bereits klinisch tot ist. Abgesehen davon ist es sehr schwer, an Studienteilnehmer*innen für Befragungen zu kommen. Von tausenden Patient*innen, an denen Reanimierungsversuche vorgenommen werden mussten, überlebten in einer Studie nur 330. Von den Überlebenden konnten nur 100 ausführlicher befragt werden, weil der gesundheitliche Zustand es bei den anderen nicht zuließ. Von diesen wiederum erinnerten sich weniger als zehn Personen an ihre Nahtoderfahrung. An dem Beispiel wird deutlich, wie schwer es ist, belastbare Datenmengen für eine Studie zu sammeln.

Nahtoderfahrungen: Ein finaler Akt des Gehirns?

Die Erforschung von Nahtoderfahrungen hat also ihre Schwierigkeiten, dennoch gibt es mögliche Erklärungsansätze. Neuere Messungen der Gehirnaktivitäten von Sterbenden zeigen, dass das Gehirn kurze Zeit nach dem Herzstillstand ein letztes Mal einen starken Anstieg an Aktivität aufweist. Dieser Anstieg der Gehirnaktivität wird von Neurolog*innen ‚Wave of Death‘, also Welle des Todes genannt. Auch nach dieser Welle sendet das Gehirn noch für eine Weile Signale aus. Diese Welle des Todes lässt sich vereinfacht gesagt dadurch erklären, dass die aufgrund von Sauerstoffmangel sterbenden Gehirnzellen eine Art letzte Energiereserve freisetzen, bevor sie in sich zusammenfallen. Es ist also möglich, dass diese letzte Gehirnaktivität mit der Wahrnehmung von Nahtoderfahrungen zusammenhängt. Darüber hinaus ließen sich ähnliche Zustände, wie die für Nahtoderfahrungen typische außerkörperliche Erfahrungen, bei Epilepsieerkrankten durch die Stimulation bestimmter Areale im Gehirn auslösen. Auch das spricht dafür, dass unser Gehirn der Auslöser des Zustands ist. Daher vermuten viele Forscher*innen, dass es sich bei Nahtoderfahrungen um komplexe Halluzinationen handelt. Sollte dies zutreffen, wären Nahtoderfahrungen tatsächlich eng mit Träumen verwandt, da auch Träume aus psychologischer Sicht eine Unterform der Halluzinationen darstellen.

Forscher*innen sind sich zumindest einig, dass Nahtoderfahrungen keine religiösen Ursprünge haben. Im Gegenteil, Nahtoderfahrungen können nicht nur unabhängig von Religion und Kultur gemacht werden, sie werden sogar von dieser beeinflusst: Während manche christliche Patient*innen beispielsweise in ihren Nahtoderfahrungen Jesus treffen, machen Patient*innen aus anderen religiösen und kulturellen Kontexten ganz andere Erfahrungen. 

Es gibt also Erklärungsansätze, die auf einen biologischen Ursprung des Phänomens hinweisen, aber letzten Endes weiß man nicht, was genau bei einer Nahtoderfahrung passiert. Eines ist jedoch sicher: Für Betroffene sind sie oft eine positive Erfahrung, viele verlieren durch sie die Angst vor dem Tod.

Trotz aller Unklarheiten in der Forschung gelangen wir also zur Erkenntnis, dass man selbst in den schlimmsten Situationen noch etwas Schönes wahrnehmen kann, und dass man beim Tod vielleicht, nur vielleicht von seinem Gehirn in einen letzten, wunderschönen Traum geschickt wird, welcher alle Schmerzen vergessen lässt. Eine schöne Aussicht, oder?

Titelbild: © Timon Studler auf Unsplash

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Ihr glaubt, die Traumwelten blinder und sehbehinderter Menschen sind trist und formlos? Weit gefehlt. Auch geburtsblinde oder erst im Laufe des Lebens erblindete Menschen verarbeiten ihre täglichen Emotionen und Erlebnisse im Schlaf. Ob mit oder ohne Sehsinn – Träume von blinden und sehbehinderten Menschen sind facettenreicher, als man denkt.

Blindes Träumen stellt Außenstehende meist vor große Rätsel. Sehende können sich nur schwer vorstellen, dass der Sehsinn durch Sinne wie das Riechen, Schmecken, Hören und Fühlen im Traum ersetzt wird und auch auf diese Weise Handlungen entstehen können. Auch für Betroffene, die erst im Laufe ihres Lebens erblindet sind und sehendes Träumen davor kennengelernt haben, ist dies eine gewaltige Umstellung. Sie begeben sich auf neue Wege und damit in eine etwas andere Traumwelt. Drei blinde Frauen haben uns von ihren Erlebnissen erzählt und erklärt, was sie in ihren Träumen wahrnehmen.

Träumen mit allmählich voranschreitender Erblindung

Wichtig ist zunächst die Unterscheidung, ob die jeweilige Person von Geburt an blind ist oder ob sie erst nach und nach durch eine Krankheit ihr Augenlicht verloren hat. Im Laufe des Lebens erblindete Menschen berichten von Eindrücken, die sich vor ihrem inneren Auge abspielen und die sie nun nicht mehr zuordnen können. Die Beschreibungen dieser Eindrücke sind vor allem deshalb so schwierig, weil die Erinnerung an Farben, Formen oder an die Wahrnehmung von hell und dunkel allmählich verblasst. Das sehende Träumen bleibt diesen Personen meist noch eine ganze Weile erhalten und ist daher zeitversetzt mit der eigentlichen Erblindung im Wachzustand. Da die optischen Signale für die Sehnerven abnehmen und der Gebrauch von anderen Sinnen stärker wird, bildet sich das Sehen im Traum mit der Zeit zurück, bis es schließlich vollständig verschwindet.

Träume bei geburtsblinden Menschen

Menschen, die von Geburt an blind sind, verfügen meist über keine bis wenig Visualität in ihren Träumen. Das, was hier an Eindrücken verarbeitet wird, erfolgt oft über die Sinne, die blinde Menschen im Alltag am intensivsten beanspruchen. Dennoch ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass geburtsblinde Menschen in Bildern träumen. Möglich sind vor allem bei minimalen Sehrestwerten Repräsentationen von sehr intensiv erlebten Begegnungen oder Wahrnehmungen von Orten, für die ein sehr gutes Gefühl der räumlichen Anordnung nachempfunden werden konnte. Hierbei ist es möglich, dass geburtsblinde Menschen über die anderen Sinneskanäle die nötigen Informationen und Merkmale herausfiltern, sodass das Gehirn beginnt einen optischen Eindruck zu erzeugen.

Nachgestellte Sicht im Traum von Luisa Grube. © Viktoria Boll

Eine Para-Alpin-Skifahrerin über ihre Träume

Schaut man sich den Instagram-Feed von Para-Alpin-Skifahrerin Luisa Grube an, fällt es schwer zu glauben, dass sie von Geburt an nur über eine Sehkraft von gerade mal zwei Prozent verfügt. Sie gilt gesetzlich als blind, lässt sich davon aber keinesfalls einschränken. Ganz im Gegenteil: Als blinde Person eine Skipiste herunter düsen, ist ganz schön beeindruckend. Das, was sie sieht, nimmt sie über einen Tunnelblick wahr, erklärt sie im Interview. Am Ende des Tunnels sieht sie nur noch verschwommen, als würden sich die Objekte hinter einem Milchglas befinden. Luisa träumt so, wie sie auch ihre Realität wahrnimmt, dadurch fühlt und hört sie auch in ihren Träumen. „Ich kenne meine Umwelt nicht anders und kann deshalb auch nicht anders träumen“, so Grube.

Sehend träumen, trotz Blindheit

Bloggerin Julia nimmt ihre Instagram-Follower*innen mit auf die Reise in die Blindheit. Im Jahre 2017 wurde ihr eine unheilbare Netzhauterkrankung diagnostiziert. Heute gilt sie mit 26 Jahren gesetzlich als blind. Allerdings kann auch sie den verbleibenden Sehrest nutzen. Sie ist daher nicht geburtsblind und träumt auch heute noch meistens sehend. Obwohl sie im Laufe ihres Lebens erblindet ist, kann sie in ihren Träumen weiterhin alle Formen scharf wahrnehmen. Ab und an träumt Julia auch blind. In diesen Träumen hört sie dann sehr viel. Sinne wie das Riechen und Schmecken sind in ihren Träumen bisher noch nicht aufgetreten.

Ohne Blindenstock durch die Traumwelt

Jennifer Sonntag, Autorin, Journalistin und Kuratorin, setzt sich in und außerhalb der sozialen Medien für ein barrierefreies Leben ein. Mit dabei ihr Blindenführhund Paul. Auch sie erblindete aufgrund einer Netzhauterkrankung. Auf ihrem Blog „Blind verstehen“ nimmt sie ihre Leser*innen mit in ihre Traumwelt. „Mein Unterbewusstsein versetzt mich innerhalb meiner Traumwelten in den Zustand vor meiner Blindheit zurück“, so Sonntag. Somit bleibt ihr das Sehen zumindest im Traum ansatzweise erhalten.

Farben und Formen treten in den Hintergrund. Gedanken und Gespräche dominieren allmählich die Träume blinder und sehbehinderter Menschen. © Viktoria Boll

Wiederkehrende Traummotive

Jennifer Sonntag erzählt in ihrem Blogbeitrag, dass sie sich in ihren Träumen manchmal als „kleines Mädchen“ sieht, das „in der Schule“ sitzt. In einem anderen wiederkehrenden Traumbild sieht sie sich in „Modeboutiquen“. Sie kann die „Kleidungsstücke“ als Objekte wahrnehmen, die farbliche Zuordnung hingegen ist nicht mehr möglich. „Da das Sehzentrum des Gehirns nicht mehr regelmäßig für die Verwertung von Seheindrücken gebraucht wird, verblassen auch die visuellen Erinnerungen“, so Sonntag. Daher berichten Menschen, die erst sehr spät erblindet sind, dass sie in ihren Träumen beispielsweise nur noch schwarz-weiß sehen. Schwinden die visuellen Eindrücke in den Träumen, so treten neben den Sinneseindrücken Gespräche oder intensive Gedankengänge vermehrt in den Vordergrund.

„Der brennende Baum“

Traummotiv „Der brennende Baum“ von Jennifer Sonntag. © Jennifer Sonntag

Ein Traummotiv, das Jennifer Sonntag vor allem in der Zeit begleitete, in der sie Farben und Konturen zu verlieren begann, ist „Der brennende Baum“. Gemeinsam mit einem sehenden Partner visualisierte sie dieses wiederkehrende und wichtige Traummotiv. 
„Es hat etwas Zerstörerisches, da ich einen wichtigen Sinn verlor, aber inzwischen wächst da neues Grün, ein neuer Baum, vor meinem inneren Auge. Letztlich ist die Blindheit gar nicht zerstörerisch, nur die Angst davor war es. Also birgt das Bild auch den Neuanfang“.

Die Schilderungen der Träume dieser drei Frauen decken sicherlich nicht die gesamte Traumwelt von blinden und sehbehinderten Menschen ab. Dennoch zeigt dieser Einblick, wie spannend und vielfältig das blinde Träumen sein kann und welche neue Sinnessphären sich für Betroffene eröffnen, die sehenden Menschen meist verwehrt bleiben.

Titelbild: © Unsplash

Sprechende Gegenstände und Tiere, nicht-existente physikalische Gesetzegrößer oder kleiner machende Tränke: Die Traumlandschaft in Walt Disneys Alice im Wunderland erfüllt alles, was man sich vielleicht als Kind beim Tagträumen vorgestellt hat. Das schillernd farbenfrohe Wunderland ist einladend und voller eigenartiger Kreaturen, welche die kleinen Zuschauer*innen durch den Film leiten und sie, ganz wie Alice, neugierig machen. Sieht man den Film als erwachsene Person nochmal, kann man sich jedoch durchaus fragen: So traumhaft, wie es scheint – ist Alice im Wunderland wirklich so wundervoll? 

Der Walt-Disney-Film Alice im Wunderland erschien 1951 und basiert auf Lewis Carrolls gleichnamigem Buch. Darin liest ein Mädchen seiner jüngeren Schwester Alice vor, diese langweilt sich jedoch. Trotz mehrerer Ermahnungen, dass sie doch zuhören solle, träumt Alice vor sich hin, bis sie ein weißes, sprechendes Kaninchen entdeckt. Dieses rennt eilig an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. „Oh seht, oh seht, ich komme viel zu spät!“ Mit diesen Worten weckt das Kaninchen Alices Neugier, und kurzerhand folgt sie ihm in das Wunderland.  

Dort entdeckt sie unzählige kuriose Dinge: eine schwebende Grinsekatze, tanzende Teekannen sowie Flamingos, die als Crocket-Schläger dienen. Den Höhepunkt erreicht der Film, als die Herzkönigin durch die Streiche der Grinsekatze immer wütender wird und annimmt, dass es Alices Tun war. Sie ordnet Alices Enthauptung an, diese kann aber glücklicherweise entkommen. Doch aus dem Traum aufwachen kann sie nicht. Sie sieht sich selbst durch das Schlüsselloch der Tür, durch die sie ins Wunderland gelangt ist, schlafend liegen. Alice weiß nicht, wie sie wieder zurück in die reale Welt gelangen kann – sie entkommt dem Traum erst, als ihre Schwester sie aufweckt. 

Doch kein schöner Traum?

Als Kind dachte ich immer, dass Alice im Wunderland eine schöne Geschichte war. Sie war so herrlich schräg und sonderbar und hatte irgendwie ihren Charme. Der Film verbildlichte das Wunderland, ergänzte meine eigene Interpretation der Traumwelt, die ich mir zu der Geschichte vorgestellt hatte. Mich interessierte, ob ich den Kinderfilm nicht doch auch beängstigend finden würde. 

Obwohl ich im Kindesalter Alices Traum als aufregend empfand, habe ich nun für mich persönlich festgestellt: Anfangs scheint der Film noch wie ein Fiebertraum. Wie einer dieser Träume, die keinen Sinn machen. Solche, die so merkwürdig sind, dass man sich noch lange an sie erinnert. Doch nach und nach tauchen mehr Elemente eines Alptraumes auf, klug in die harmlose und farbenfrohe Traumlandschaft des Filmes eingebettet. Ein solches Beispiel ist die Teeparty des verrückten Hutmachers. Dort gibt es tanzende und bunte Teekannen, und die Gastgeber begrüßen Alice mit einem Lied, das sie anschließend mit einem Feuerwerk abschließen.  

Zum Leben erweckte Objekte

Die zum Monster gewordene Uhr

Die zum Monster gewordene Uhr. © Walt Disney

Der letzte Gast ist das weiße Kaninchen, dem der Hutmacher die Uhr abnimmt und behauptet, sie sei kaputt. Mit verschiedenen Lebensmitteln versucht er, zum Verdruss des Kaninchens, die Uhr zu reparieren. Damit macht er es jedoch nur schlimmer, und die Uhr wird schließlich zu einem Monster, das versucht die Gäste zu fressen. Als Kind ist die Szene lustig, der Hutmacher scheint gar nicht zu verstehen, dass er die Uhr zerstört. Er meint es schließlich gut, und das Monster kann auch gestoppt werden. Doch genau dieser Aspekt ist nun angsteinflößend für mich: Es ist die Furcht vor Objekten, die auf einmal zum Leben erwachen und versuchen, einen in irgendeiner Weise zu überwältigen. 

Das Walross und die Austern

Das Walross und die Austern. © Walt Disney

Aber was macht denn den Film noch so alptraumhaft? Eine weitere Szene ist die des Walrosses und des Zimmermannes, in der beide einen Strand entlanglaufen und schließlich auf Austern stoßen, die sehr vermenschlicht worden sind. Das Walross lockt die Kreaturen wie der Rattenfänger von Hameln aus ihren Schalen in ein vom Zimmermann gebautes Restaurant. Obwohl es nie explizit gezeigt wird, erhalten die Zuschauer*innen viele Hinweise darauf, dass das Walross die Austern auffrisst – darunter das Speisemenü, in dem nur Austerngerichte aufgelistet werden, sowie die leeren, sich türmenden Muschelschalen auf dem Tisch.  

Damals hatte ich diese Szene wohl nie richtig verstanden oder verarbeitet, doch im Nachhinein erschien sie mir sehr grausam. Es liegt wohl an der Vermenschlichung der Austern und der Tatsache, dass das Walross die Austern bei lebendigem Leib verschlingt, dass ich diese Szene als besonders alptraumhaft empfinde. 

Zwischen Traum und Alptraum

Zu Anfang des Films realisiert man zunächst nicht, dass es sich um einen Traum handelt. Der nahtlose Übergang von Alices Verfolgungsjagd nach dem weißen Kaninchen und ihrem Eintritt in das Wunderland als Flucht in die Außenwelt scheinen Teil der Realität zu sein. Jedenfalls bis die Zuschauer*innen die reale Alice unter dem Baum schlafen sehen und Traum-Alice es nicht schafft, die Tür zu ihr zu öffnen. Die Szene gleicht fast der lähmenden Schlafparalyse – Alice ist gefangen in dem Alptraum und kann nicht aufwachen, bis ihre Schwester sie weckt. Anders als bei einem Tagtraum, bei dem man noch bei Bewusstsein ist, wird am Ende des Films explizit darauf hingewiesen, dass sie die ganze Zeit geschlafen hatte und somit geträumt hat. Das Filmende offenbart, dass das Wunderland offensichtlich nur ein Produkt von Alices Traum war.  

Grinsekatze aus Alice im Wunderland

Grinsekatze aus dem Wunderland. © pixabay

Die Kreaturen, denen Alice begegnet, sind merkwürdig und scheinen keinen Sinn zu ergeben – auch die Grinsekatze, die in Rätseln spricht und keine eindeutigen Antworten gibt, verkündet, dass alle Dinge und Personen im Wunderland verrückt sind. Doch zunächst scheint keine der Kreaturen, obwohl nicht sehr glaubwürdig, eindeutig bösartig zu sein. Alices Traum wird immer merkwürdiger und erreicht den Höhepunkt, als sie die Herzkönigin kennenlernt. Diese ist sehr launisch und unbesonnen, lässt viele der Kreaturen köpfen, wenn diese nicht nach ihrer Nase tanzen. Alices Enthauptung wird angeordnet, nachdem die Grinsekatze der Königin einen Streich spielt und Alice dafür verantwortlich gemacht wird.  

Die Flucht vor dem Alptraum

Anders als in meiner Kindheit erweckte die Sequenz ihrer Flucht Panik in mir. Vor allem dann, wenn Alice die Tür nicht öffnen kann. Obwohl es nicht mein eigener Traum ist, kommt es mir so vor, als würde ich in Alices Schuhen stecken. Die Meute, die durch den Gang zur Tür immer näherkommt und dann anschließend den gesamten Bildschirm einnimmt, in Kombination mit der unheilvollen Musik und Alices dringenden Bitten an sich selbst, wieder aufzuwachen: Durch all das bin ich in den letzten Minuten sehr angespannt, nicht wissend, ob Alice doch noch exekutiert wird, wenn die Herzkönigin sie wieder in die Finger bekommt. Wie in einem Alptraum, in dem es um Leben oder Tod geht, hofft man, dass man es lebendig herausschafft.  

Nachdem ich den Film ein zweites Mal angeschaut und mir Gedanken darüber gemacht hatte, wunderte ich mich: Kann man dies alles wirklich als einen einfachen, merkwürdigen Traum auffassen? Für mich persönlich gleicht Alice im Wunderland, obwohl es auch Elemente eines schönen Traumes beinhaltet, eher einem skurrilen Alptraum. Als Kind fasst man die Dinge nicht so auf, wie man es als erwachsene Person tut – Dinge, die nur angedeutet werden, versteht man nun besser. Alices Traum ist einer, in dem wundersame Dinge passieren, denen man nicht so leicht entkommen kann, immer mit dem Gedanken, dass man auch mit hineingezogen werden könnte. Und das ist es, was ihn für mich zu einem Alptraum macht. 

 

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Träume Kopf bunte Wolke

Träume begleiten uns unser ganzes Leben und verankern sich manchmal auch in der Realität. Wir interpretieren sie, lassen uns von ihnen inspirieren und sie manchmal Wirklichkeit werden. Auch die amerikanische Künstlerin Sarah Miller und der deutsche Künstler Jonas Unland leben ihre Träume in unterschiedlichen Facetten aus. Für diesen Beitrag haben sie ihre nächtlichen Traum-Inspirationen gezeichnet und geben Auskunft über ihre Vorstellungen für die Zukunft ihrer Kreativität. 

Jonas Unland ist Designer von Mensch-Computer-Interaktionen und ein sehr lebhafter TräumerEr zeichnet und malt seit seiner Kindheit und arbeitet stetig an der Entwicklung seines eigenen Stils: „Mein aktueller Kunststil kommt daher, dass ich mir meine Bilder auf T-Shirts drucken wollte. Daher bin ich auch auf digitale Kunst umgestiegen.“ Für ihn ist das Zeichnen in erster Linie ein Hobby, auch wenn er bereits angefangen hat, seine Illustrationen auf kleinem Wege zu vermarkten, indem er seine Grafiken über die Webseite Red Bubble als T-Shirt oder Sticker Designs anbietet.  

©UnlandArt

Das Werkstück „Dreams (Or: Random Bullshit Go)“ von Jonas Unland, welches komplett digital in Illustrator entstanden ist. 

Unland erzählt, dass sich seine Träume häufig so anfühlen, als würde sein Kopf ihn nächtlich mit zufälligen Dingen bewerfen, die er im Laufe seines Lebens erfahren hatFür mich fallen Träume ein bisschen in Richtung Entertainment. Vielleicht vergleichbar mit der Sneak Preview im Kino, bei der man einen zufälligen Film gezeigt bekommt. Mit etwas Glück ist der Film spannend oder lustig, mit etwas Pech eher verwirrend und irgendwie unangenehm. Meistens allerdings ist er es nicht einmal wert sich danach noch daran zu erinnern.

Für Jonas Unland haben Träume eine unterhaltende Funktion: „Einen tieferen Sinn oder irgendwelche Bedeutungen interpretiere ich allerdings nie in Träume hinein.“ Die Zeichnung, die er extra für diesen Beitrag angefertigt hat, soll genau jenes Phänomen ausdrücken. Es ist ein Selbstportrait und illustriert, wie „wirr, sinnlos und zufällig“ ihm seine Träume häufig erscheinen. Zu sehen sind unter anderem Ranken, die sich vom Zentrum bis an den Bildrand ziehen. In ihnen hängen allerlei Elemente, wie zum Beispiel eine Schlange, Berge oder Arme, die Themen darstellen, von denen Jonas Unland jüngst oder regelmäßig träumt. 

Auf die Frage, wohin es mit seinen kreativen Fähigkeiten in Zukunft gehen wird und ob es dahingehend einen Traum zu erfüllen gibt, antwortet Jonas Unland: „Zufrieden mit meinen künstlerischen Fähigkeiten war (und bin) ich nie wirklich gewesen. Dabei habe ich auch kein direktes Vorbild oder Ziel, das ich erreichen will. Daher finde ich es nicht sonderlich schlimm, nur mittelmäßige Arbeiten abzuliefern. So lange es mir Spaß macht zu malen, werde ich es weiter machen. Und wenn andere meine Bilder wirklich gut finden oder mich fragen ihnen etwas zu malen, freue ich mich sehr. Allein dafür lohnt es sich für mich weiterzumachen.“

Weitere Werke von Jonas Unland findest du auf UnlandArt.

Traumgebilde unseres Verstandes

Sarah Miller ist eine amerikanische Illustratorin, die sich in ihren Werken besonders mit psychologischen Aspekten beschäftigt, wie sie unter anderem auch im Traum vorkommen. Damit möchte sie zur Auseinandersetzung mit mentaler Gesundheit und Selbstverwirklichung anregen. Auch sie zeichnet und malt, seit sie denken kann.“Being an artist has always been second nature to me, likely because it was an outlet for me to express what I was unable to say in word.“ Viele Jahre lebte sie ihre Kreativität nur als Hobby aus, bis sie sich dazu entschloss, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sie erzählt, dass es viel Mut und Ausdauer brauchte, diesen großen Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Doch letztendlich hat sie einen Beruf gefunden, der sie erfüllt.

Zeitguise ©Sarah Miller

Die Malerei „Zeitguise“ von Sarah Miller. Gearbeitet hat sie mit verschiedenen digitalen Pinseln in Photoshop

Auch ihre Illustration für diesen Beitrag entsprang der Traumwelt. „The subject of this painting was inspired by a real dream, where I was painting an enigmatic figure surrounded by abstract shapes and colors – a fantasy character born within a dream.“ Starke Kontraste und monochromatische Farben spielten dabei eine große Rolle. Bei der Übertragung in die reale Welt hielt sie sich so nah wie möglich an die Traumvorlage. Auch den Bezug zur Traumwelt hat sie in der Illustration verarbeitet. Sarah Miller beschreibt, dass es sich um einen Charakter handelt, der die unendlichen Traumgebilde unseres Verstandes repräsentiert, in denen Zeit nicht existiert und wir frei von Zwängen sind – frei, unsere eigenen Kreationen zu erwecken.

„This character is a force that represents mystery and power, almost like a guardian of time and creation. They exist in black and white, void of all color except yellow – a color of enlightenment and wisdom, and commonly associated with deities.“ Die Symbolik und Farbigkeit spielt demnach eine besondere Rolle. So steht zum Beispiel der Schlangenstein für Kreativität, Wiedergeburt, Zeit und Unendlichkeit, während die Federn Freiheit und Spiritualität wiederspiegeln. „I titled this piece Zeitguise to allude to a form or presentation of ‚time,‘ and the mysteries it hides.“

Sarah Millers größter Traum ist es, eines Tages ihre Ideen in einem Buch oder einem Videospiel zu publizieren. In den letzten Jahren gestaltete sie viele Entwürfe zu Welten, Charakteren oder Videospieldesigns, die sie fleißig ausbaut. „My goals are to grow my brand, share my work, and continue my art career until I can make this dream happen and finish my first story.“

Weitere Werke von Sarah Miller findest du auf SarahMillerCreations.

 

Wenn ihr noch mehr zum Thema Traum in der Kunstwelt lesen möchtet, schaut doch einfach mal hier vorbei: Von Dürer bis Dalí – der Alptraum im Gemälde

Interessiert ihr euch dafür, wie ihr zu eurem Traumberuf findet? Dann ist dieser Beitrag vielleich auch etwas für euch: Schritt für Schritt zum Traumberuf

 

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Träume Kopf bunte Wolke

Lavalampen, Schlaghosen und Plateauschuhe: Der Zeitgeist der schrillen Siebziger ist geprägt von dynamischen Umbrüchen und einer grenzenloser Experimentierfreude. Besonders die Hit-Songs des vergangenen Jahrzehnts transportieren das vorherrschende Lebensgefühl. Zeit für eine musikalische Reise zu sieben erfolgreichen Traum-Hits – von naiven Utopien, spirituellen Eingebungen, gemeinsamen und einsamen Träume bis hin zur Freiheit des Träumens. Weiterlesen

Der Schlager ist die heile Welt der Musik. Friede, Freude, Omas guter Apfelkuchen. Es werden Träume besungen, voneinander geträumt, Träume gelebt. Die Schlagerbranche scheint sympathisch, nahbar, ein sicheres Pflaster zu sein. Eine Umgebung, in der man seine Träume leben kann. Doch hinter der Musik des Genres verbirgt sich eine Welt, die alles andere als traumhaft ist. Michael Lehmann über Vetternwirtschaft, Karrieren gegen Sex, Drogenmissbrauch und tragische Todesfälle.

Alptraum Nummer Eins: Vetternwirtschaft

2018 beendete der Sänger NIC („Einen Stern“), bürgerlich Mirco Grunert, seine Karriere und rechnete in einem BILD-Interview mit dem Buchungsprozedere der Branche ab: „In den Schlagershows von Silbereisen treten immer nur dieselben Künstler auf. Eine Helene Fischer, eine Andrea Berg. Es sind immer dieselben Freunde, die da von Silbereisen durchgereicht werden.“ Neue Künstler*innen bekämen kaum eine Chance, meint Grunert: „Es geht nur um Vitamin B. Bei Shows wie ‚Fernsehgarten‘ oder ‚Carmen Nebel‘ ist es genauso.“ Grunerts Vorwürfe werden von Schlagerlegende Nino de Angelo („Jenseits von Eden“) alias Domenico Gorgoglione bestätigt: „Die Branche ist verlogen und gleichgültig. In den großen Shows bei Carmen Nebel und Florian Silbereisen werden immer die gleichen Leute eingeladen. Die sind alle glatt wie ein Kinderpopo. Der Nachwuchs kriegt keine Chance.“

Moderator Florian Silbereisen wird von mehreren Seiten Vetternwirtschaft vorgeworfen. © Flickr

Mit dem Vorwurf der Vetternwirtschaft in einem noch klassischeren Sinne ist auch Matthias Reim („Verdammt, ich lieb’ Dich“) konfrontiert, denn sowohl seinen Sohn Julian (25) als auch seine Tochter Marie (21) platzierte der 63-Jährige in den letzten Jahren immer wieder prominent in verschiedenen TV-Shows. Bei Marie handelt es sich sogar um das gemeinsame Kind mit Schlagersängerin Michelle. Marie Reim gewann im Jahr 2020 die Sendung Schlagerchance, was viele Fans erzürnte, auch weil ihr Halbbruder Julian dieselbe Sendung ein Jahr zuvor gewonnen hatte. Jürgen Drews’ Tochter Joelina und Costa Cordalis’ Sohn Lucas profitierten in der Vergangenheit ebenfalls deutlich von der Bekanntheit ihrer Eltern.

Es zeigt sich also, dass es für den Traum einer Schlagerkarriere nicht schaden kann, berühmte Eltern oder gut vernetzte Freunde zu haben. Doch was, wenn dies nicht der Fall ist?

Alptraum Nummer Zwei: Karrieren gegen Sex

Als Grunert vor drei Jahren seine Karriere beendete, berichtete er von unseriösen Angeboten: „Es gibt Redakteure, die finden dich als Mann gut und wollen mit dir Essen gehen, um dich dann im Programm unterzubringen“, erzählte er der BILD. Als er anschließend seine Heterosexualität offenbarte, seien die Angebote zurückgezogen worden.

„Atemlos“-Komponistin Kerstin Bräuer alias Kristina Bach spricht sogar von einem „Besetzungscouch-Phänomen“ in der von Männern dominierten Branche, ähnlich wie dies in Hollywood so häufig der Fall ist: „Wenn du dich nicht ins Bett kriegen lässt, hast du auch schon verloren“, sagt die 51-Jährige und deutet an, dass es durchaus weibliche Schlagerstars geben würde, die auf diese unmoralischen Angebote eingehen, um ihre Karriere voranzutreiben: „Es gibt genügend Sängerinnen, die angewiesen sind, dass ihnen jemand einen geilen Song schreibt und dafür würden sie, sagen wir mal vorsichtig, einiges ermöglichen.“

Dass der Weg vom Newcomer zum etablierten Schlagerstar oft steinig und geprägt von Machtmissbrauch sein kann, wird anhand dieser Berichte sehr deutlich. Aber selbst wenn man es einmal geschafft haben sollte – die größte Schwierigkeit scheint das Überleben als Star zu sein. Und diese Aussage ist leider recht wörtlich zu nehmen.

Alptraum Nummer Drei: Drogenmissbrauch

Matthias Reim kämpfte sich aus dem Alkohol- und Schuldensumpf. © flickr

Einen großen Aspekt im Schlagerbusiness nimmt das Wahren des traumhaften Scheins ein. Um bei der Hauptzielgruppe des Genres gut anzukommen, werden Künstler*innen darauf getrimmt, ein glattes, skandalfreies Image zu haben. Der Konsum von Rauschmitteln aller Art ist bei den Größen der Branche aber nicht selten. Viele Stars haben enorme Abstürze hinter sich. Einige konnten sich wieder fangen: Domenico Gorgoglione beispielsweise berichtet in seinem Buch Gesegnet und verflucht: Dein Gegner bist immer du selbst über Kokainmissbrauch und Sexorgien. Matthias Reim, der in den 1990ern mit „Verdammt, ich lieb’ Dich“ einen Megahit landete, fing hemmungslos zu trinken an, stürzte in der Folge komplett ab, hatte 13 Millionen Euro Schulden. In seinem 2003 erschienenen Song „Träumer“ schildert Reim ungeschönt seine damalige Lebenslage:

„Hab meine Gitarre ins Pfandhaus gebracht / Der Typ, der kennt mich schon und hat hämisch gelacht / Und meinen alten Cadillac haben sie einfach still gelegt / Scheiß Realität / Doch dieser neue Song, der grad in meinem Kopf rotiert / Der wird bestimmt ein Hit, verkauft Millionen garantiert / Und in ein paar Wochen sind wir aus dem Gröbsten raus / Verlass dich drauf“

Reims Plan ging auf, er kämpfte sich aus den Schulden und zurück ins Geschäft. Auch seine Ex-Frau Tanja Hewer, bekannt als Michelle, landete fast auf der Straße. Gorgoglione, Reim und Hewer sind heute wieder dick im Geschäft. Jedoch sind die drei eher die Ausnahme…

Alptraum Nummer Vier: Tragische Todesfälle

Besonders männliche Interpreten der Branche, welche nur einen großen Hit hatten und nicht mehr an dessen Erfolg anknüpfen konnten, verfielen häufig dem Alkohol, welcher sie letztlich ins Grab brachte:

„Der Junge mit der Mundharmonika“, Bernd Clüver, war eines der ersten klassischen One-Hit-Wonder in der Musikgeschichte Deutschlands, verkaufte mehr als 10 Millionen Tonträger. Im Jahr 2011 starb er mit 63 Jahren nach einem Treppensturz. Gerüchten zufolge soll Clüver stark betrunken gewesen sein, als er die Treppe zu seinem Haus hinunterfiel. Ehemalige Schlagerkollegen sagten, der mangelnde Erfolg in den letzten Jahren und das Ende seiner letzten Ehe hätten ihn öfters zur Flasche greifen lassen.

Drafi Deutscher war gerade einmal 19, als er seinen großen Hit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ landete. Mit dem frühen Ruhm kamen die üblichen Probleme: Drogen und Alkohol. Auch nach seinem Schlaganfall im Jahr 1998 mochte er nicht darauf verzichten. Deutscher starb 2006 an multiplem Organversagen.

Roy Black, bürgerlich Gerhard Höllerich, bekannt u.a. für „Ganz in Weiß“ und „Schön ist es auf der Welt zu sein“, wollte eigentlich gar kein Schlagerstar werden, sondern hauptberuflich Rock- und Popmusik machen. Doch daraus wurde nichts. Die Kunstfigur Roy Black mit dem glattgebügelten Schwiegermuttertraum-Image, verkaufte sich sehr viel besser. So wollten seine Fans ihn sehen. Und Höllerich konnte oder wollte nicht auf den Ruhm und das damit einhergehende Geld verzichten. An diesem Zwiespalt zerbrach er schließlich. 1991 wurde er tot in seiner Waldhütte gefunden. Eine Obduktion ergab, dass der damals 48-Jährige mehr als drei Promille Alkohol in seinem Körper hatte.

Ludwig Franz Hirtreiter sprang aus seinem Badezimmerfenster. © flickr

Protagonist des vielleicht spektakulärsten Todesfalls der Branche war Ludwig Franz Hirtreiter, Künstlername: Rex Gildo, der Interpret des Partyklassikers „Fiesta Mexicana“. Am Tag seines Todes im Jahr 1999 war er von einer Möbelkette in Bad Vilbel gebucht worden und sollte dort singen. 3 000 Menschen kamen. Vorausgegangen waren etliche misslungene Auftritte in den Jahren davor, die zu Gerüchten über Alkoholprobleme und Medikamentenabhängigkeit führten.

Auch sein letzter Auftritt missglückte. Mit der Begründung, der Sänger habe einen Virusinfekt, hatten die Veranstalter schon vorsorglich die geplante Autogrammstunde abgesagt. Seinen Gesangsauftritt brachte der Sänger mehr schlecht als recht über die Bühne. Als Hirtreiter dann mit seinem Geliebten Dave, den der Frauenschwarm bis zu seinem Tod als seinen Chauffeur ausgab, in München ankam, eskalierte die Lage. Hirtreiter schien verwirrt, sein Freund alarmierte den Notarzt. Als dieser an die Badezimmertür klopfte, sprang der Schlagersänger die acht Meter aus dem zweiten Stock. Ob er sich damit wirklich umbringen wollte, bleibt ungeklärt. Fakt ist: Auch Ludwig Franz Hirtreiter ging an dem ausbleibenden Erfolg nach seinem Megahit zugrunde. Wie für viele zuvor hatte sich auch für ihn der Traum vom Schlagerstar zu einem Alptraum gewandelt.

Titelbild: © Unsplash

 

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Der American Dream ist für viele US-Amerikaner*innen und Immigrant*innen auch heute noch relevant. Doch wie sehen die Chancen aus, ihn auch zu erreichen? Und trägt Amerikas Traumfabrik Hollywood durch Filme und Serien dazu bei, die scheinbaren Ideale der USA zu verstärken? Ein kleiner Rundumblick. Weiterlesen

Im März 1933 kommen Hitler und die Nationalsozialisten an die Macht. Wenig später beginnt Charlotte Beradt, die Träume ihrer Mitmenschen zu sammeln. Die deutsch-jüdische Journalistin spricht mit Verwandten, Nachbarn, mit einem Unternehmer, Schneiderinnen, Ärzten und mit dem Milchmann. Sechs Jahre lang dokumentiert sie, wie das totalitäre System zuerst die Träume und dann das Leben ausfüllt. 1939 muss sie fliehen, 1966 erscheint ihr Buch: Das Dritte Reich des Traums. Was leisten Träume als historische Quellen?  

„Der einzige Mensch, der in Deutschland noch ein Privatleben führt, ist jemand, der schläft.“ So beschreibt NS-Reichsorganisationsleiter Robert Ley schon 1934 die totale Konsolidierung politischer und kultureller Macht durch das nationalsozialistische Regime. Zwischen staatlichem Terror, politischer Gleichschaltung und allgegenwärtiger Propaganda schufen die Nationalsozialisten** schon früh und in vollem Bewusstsein das Fundament für die Verbrechen des kommenden Jahrzehnts. Mit denselben Worten beginnt Charlotte Beradts Buch Das Dritte Reich des Traums – ein ungewöhnliches, fesselndes Werk, das völlig unverdient in Vergessenheit geraten ist. Heute fristet es ein Nischendasein zwischen Antiquariaten, FAZ-Literaturkritiken und fragwürdigen musikalischen Neuinterpretationen. Dabei ist die Entstehungsgeschichte des Werks mindestens so spannend wie die geschilderten Träume selbst.

Geheime Träume im Dritten Reich

Charlotte Beradt, damals 26, lebt in Berlin, als die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Sie arbeitet als Journalistin, bis der Staat ihr noch im gleichen Jahr das Berufsverbot ausspricht. Im Zuge der Massenverhaftungen von Kommunist*innen und Sozialist*innen nach dem Reichstagsbrand wird sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Journalisten und Schriftsteller Heinz Pol, inhaftiert. Als sie wenig später freikommt, leidet Beradt unter Alpträumen und allgegenwärtigen Ängsten der Verfolgung. Sie beginnt, die Träume der Menschen in ihrem Umfeld zu sammeln: säkulare, jüdische Bürger*innen aus der Mittelklasse.  

Nach dem Reichtagsbrand wurde Charlotte Beradt vom NS-Regime verhaftet. Ihre Träume ließen sie fortan nicht mehr los. © Wikimedia Commons

„Nutznießer des Systems oder begeisterte Jasager waren mir schwer zugänglich und ihre inneren Reaktionen (…) ohnehin nicht aufschlussreich. Ich fragte Schneiderin, Nachbar, Tante, Milchmann, Freund, fast immer ohne Preisgabe des Zweckes, denn ich wollte möglichst ungefärbte Antworten“, schreibt Beradt über ihr Vorhaben. Und so sammelt sie in den folgenden sechs Jahren im Geheimen die Träume von über dreihundert Menschen. Um sich selbst und die Befragten zu schützen, versteckt sie die Texte im Deckel anderer Bücher. Manche sendet sie getarnt als Briefe ins Ausland, in wieder anderen chiffriert sie die Namen von bedeutenden Nazis: Aus Hitler wird Onkel Hans, aus Goebbels Gerhard, und die Partei nennt sie Familie. Fünfzig dieser Träume veröffentlicht sie 1966 aus dem Exil in New York als Buch: Das Dritte Reich des Traums. 

Heute schwer zu finden: Die deutsche Erstauflage, Nympenburger-Verlag, 1966.

Der Traum des Herrn S.

Erster Impuls für ihr Vorhaben ist der Traum eines befreundeten Fabrikbesitzers, des Herrn S. Drei Tage nach der Machtübernahme träumt er, wie Goebbels persönlich in seine Fabrik kommt. Er lässt die Arbeiter*innen in zwei Reihen, rechts und links, antreten. 

„Dazwischen muss ich stehen, und meinen Arm zum Hitlergruß heben. Es kostet mich eine halbe Stunde, den Arm, millimeterweise, hochzubekommen. Goebbels sieht meinen Anstrengungen wie einem Schauspiel zu, ohne Beifalls-, ohne Mißfallensäußerung. Aber als ich den Arm endlich oben habe, sagt er fünf Worte: ‚Ich wünsche Ihren Gruß nicht‘, dreht sich um und geht zur Tür. So stehe ich in meinem eigenen Betrieb, zwischen meinen eigenen Leuten, am Pranger, mit gehobenem Arm. Ich bin körperlich dazu nur imstande, indem ich meine Augen auf seinen Klumpfuß hefte, während er hinaushinkt. Bis ich aufwache, stehe ich so.“ 

Das Bild handlungsunfähiger Träumender, die zum passiven Objekt, zum Opfer der Willkür eines totalitären Staates werden, ist in den gesammelten Träumen omnipräsent. Beradt betont: Was Herrn S. zustieß, sei zwar traurig, aber eben keine Tragödie. Es sei vielmehr das typische und gewollte Geschehen im Zuge des Umwandlungsprozesses, den das System an ihm vornehme. „Er ist nicht einmal zum Nicht-Helden, er ist zur Nicht-Person geworden.“ In späteren Briefen erläutert sie, weshalb diese erste Erzählung sie so bewegte: „Der Traum des Fabrikbesitzers, der direkt aus der Werkstatt des totalen Regimes zu kommen schien, wo der Mechanismus seines Funktionierens erzeugt wird, festigte in mir einen Gedanken, den ich schon flüchtig gehabt hatte: daß Träume wie dieser nicht verlorengehen sollten. (…) Ich fing also an, von der Diktatur diktierte Träume zu sammeln“. 

Zwischen Repräsentativität und Authentizität 

Teils kollektives Traumtagebuch, teils literarisches Werk, bewegt Beradts Buch sich in einem Spannungsfeld zwischen Repräsentativität und Authentizität. Einerseits fehlen die objektiven Standards und die methodische Nachvollziehbarkeit, die für jegliche Form der Verallgemeinerbarkeit notwendig wären. Das ist gewiss dem Entstehungskontext geschuldet: Alle Erzählungen beruhen auf schriftlichen und mündlichen Erinnerungen der rund dreihundert Befragten, alle Subjekte eines totalitären Regimes. Ob eine Verzerrung der Traumberichte stattfand, sei es in den ursprünglichen Schilderungen der Träumenden selbst oder durch die Autorin in zweiter Instanz, ist nicht mehr nachzuvollziehen. 

Andererseits sind die Träume in ihrer Klarheit auf beängstigende Weise authentisch, geradezu prophetisch. Selten reflektieren Beradts Subjekte bloß das Erlebte. Oft schildern sie stattdessen in Deutlichkeit das, was bevorsteht. Da ist etwa der jüdische Anwalt, der 1935 im Traum durch Lappland flieht, auf der Suche nach dem „letzten Land der Welt, wo Juden noch gelitten sind“. Der Zollbeamte, ein Deutscher, lässt ihn nicht durch. „Du bist Jude“, schreit er, und wirft seinen Pass zurück aufs Eis. Beradt bemerkt, dass sich „die Träume aus dem Jahr 1933 nicht sehr von denen aus späteren Jahren“ unterschieden: „Meine aufschlussreichsten stammen aber aus den ersten Jahren des noch leise tretenden Regimes in seinem Urzustand.“ Während das öffentliche Leben vielerorts noch unberührt ist, wird das totalitäre System in den Träumen der frühen Dreißiger bereits manifest. Isolation, Kontrolle in allen Bereichen des Lebens, Auslöschung des Individuums.

Im Kapitel „Das wandlose Leben“ berichtet ein Arzt von einem Traum, den er im Winter 1933 hat.

„Während ich mich nach der Sprechstunde, etwa gegen neun Uhr abends, mit einem Buch über Matthias Grünewald friedlich auf dem Sofa ausstrecken will, wird mein Zimmer, meine Wohnung plötzlich wandlos. Ich sehe mich entsetzt um, alle Wohnungen, soweit das Auge reicht, haben keine Wände mehr. Ich höre einen Lautsprecher brüllen: ‚Laut Erlaß zur Abschaffung von Wänden vom 17. des Monats.’“ 

Beeindruckt von seinem Traum, hält er ihn am kommenden Morgen schriftlich fest. In der Folgenacht träumt er, er werde beschuldigt, Träume aufzuschreiben. So kündigt sich ihm der kommende Totalitarismus im Schlaf an. Eine Nacht später träumt er: „Ich lebe auf dem Meeresgrund, um unsichtbar zu bleiben, nachdem die Wohnungen öffentlich geworden sind.“ 

Nähe und Abgrenzung zur Traumdeutung

Charlotte Beradts Portrait in der englischsprachigen Erstveröffentlichung, 1968. ©️ openlibrary.org

Wer in Beradts Werk Bezüge zur Traumdeutung und zur Psychoanalyse nach Jung sieht, liegt nicht falsch. Mehrmals beschreibt Beradt, wenn auch nie explizit, was man als das kollektive Unbewusste verstehen könnte: „Träume scheinen zwar die Wirkung äußeren politischen Geschehens im menschlichen Innern minuziös aufzuzeichnen wie ein Seismograph, doch sie stammen aus einer unwillentlichen psychischen Tätigkeit. Sie scheinen voller Aufschlüsse über die Affekte und Motive von Menschen während ihrer Einschaltung als Rädchen in den totalen Mechanismus“.  

Doch in der entscheidenden Sache trennt sich Beradt dann von der Tradition der großen Traumtheorien. Freud und Jung wollen die Wirklichkeit interpretativ erschließen. Sie wollen verstehen, was Träume für das Individuum bedeuten. Damit sind sie unausweichlich angewiesen auf einen „Versteher“ – einen, der wach ist, während andere träumen. Beradt beansprucht keine solche Sonderstellung für sich. Ihr Verständnisinteresse ist stets politisch motiviert, stets kollektiv und immer im Kontext des nationalsozialistischen Regimes. Den praktischen Nutzen ihrer Traumsammlung definiert sie gleich zu Beginn: „So könnten Traumbilder die Struktur einer Wirklichkeit deuten helfen, die sich gerade anschickte, zum Alptraum zu werden.“ 

Doch Beradt sieht nicht mehr und nicht weniger als ihre Befragten. Gerade weil die Theorie verstummt, haben die Träume hier Raum zum Sprechen. Beradt bewegt sich ohne Urteil, ohne Interpretation zwischen den Traumerzählungen. Sie wird Zeugin von Angst, von Ohnmacht und vom daraus resultierenden Schamgefühl. „Die meisten wollten ihre quälenden Träume vergessen, jedenfalls sprachen sie nicht gern darüber.“  

„Aber wir haben nichts mehr“

Das letzte Kapitel widmet Charlotte Beradt ihren jüdischen Mitbürger*innen und denen, die Widerstand leisten. Wenn auch nur im Traum. Da ist etwa der wiederkehrende Traum einer älteren jüdischen Frau.

„Mein Mann und ich waren in ein weit entferntes Land emigriert. Wir waren ganz allein, niemand half uns. ‚Warum heben wir kein Geld vom Sparbuch ab?‘ fragte ich meinen Mann. ‚Da ist nichts mehr drauf.‘ ‚Dann hol doch Geld bei der Bank.‘ ‚Wir haben nichts mehr.‘ ‚Dann hol was aus dem Safe.‘ ‚Da ist auch nichts mehr drin.‘ ‚Dann nimms aus Deinem Portemonnaie.‘ ‚Aber wir haben nichts mehr.‘ Die Alpträume ihres Mannes gingen noch weiter: Als ihm Hitler – wie im Märchen – die Erfüllung eines Wunschs gewährt, antwortet er ohne zu zögern: ‚Ein Paß für mich und meine Frau.‘ „

Es folgt der einzige Tyrannenmord im Buch.  

„Ich träume oft, ich fliege über Nürnberg, fische mit einem Lasso Hitler mitten aus dem Parteitage heraus und versenke ihn zwischen England und Deutschland im Meer. Manchmal fliege ich weiter nach England und erzähle der Regierung, zuweilen Churchill selbst, wo Hitler geblieben ist und daß ich es getan habe.“ 

Bildgewaltig, aber kein bloßes Beiwerk: Illustration für einen Magazinartikel, den Beradt 1939 aus dem Exil in New York schreibt.

Träume im Vordergrund

Die Träume in Das Dritte Reich des Traums sind kein illustrierendes Beiwerk zum Buch – sie sind das Buch. Und gerade weil Charlotte Beradt sie so prominent in den Vordergrund stellt, sprechen sie lauter als jede Interpretation. Beradt gelingt es, die Perfidität der nationalsozialistischen Diktatur ganz abseits von Zahlen und Ereignissen auf besondere Art bloßzustellen: Der autoritäre Staat, nachdem er bis in die letzten Fasern des sozialen und privaten Lebens vorgedrungen ist, erhebt den ultimativen Anspruch: die Gedanken und Träume seiner Subjekte zu bestimmen. „Der einzige Mensch, der in Deutschland noch ein Privatleben führt, ist jemand, der schläft.“ Und so mag es sein, dass am Ende auch Robert Ley, der 1945 Suizid beging, die eigens gebaute Tyrannei unterschätzte. Charlotte Beradt aber sollte Recht behalten. Und während die Verbrechen der Nationalsozialisten immer weiter von der Welt des Erlebten in die Welt des Erzählten rücken, ist ihr Werk aktueller denn je:

„Es festigte sich in mir der Gedanke, den ich schon flüchtig gehabt hatte: daß Träume wie dieser nicht verlorengehen sollten. Sie könnten zur Evidenz gehören, wenn dem Regime als Zeitphänomen einmal der Prozeß gemacht würde.“

 

** Da die zentralen Machtpositionen im Nationalsozialismus von Männern besetzt waren, wurde in diesem Beitrag an wenigen Stellen bewusst auf gendersensible Sprache verzichtet. Das heißt nicht, dass andere Geschlechter aus der Verantwortung genommen werden, sondern soll lediglich eine Diskussion über die Frage anregen, wie angesichts historischer Stoffe angemessen gegendert werden kann.

 

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