Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Deutschland von der „weißen Pest“ befallen – Tuberkulose hatte sich ausgebreitet. Inzwischen ist die Lungenkrankheit hierzulande fast ausgerottet. Übriggeblieben sind nur Relikte aus diesen Tagen: Verfallene, ehemalige Lungenheilstätten, die Geisterjäger*innen magisch anziehen. Eine davon ist die Sophienheilstätte im thüringischen Bad Berka. Ina Mecke wollte herausfinden, ob es dort wirklich spukt und hat sich auf den Weg gemacht.

Die Vögel zwitschern zwischen Bad Berka und München. Die Rede ist nicht von der bayerischen Landeshauptstadt, sondern von dem 100-Seelen-Dorf in Thüringen. Ich befinde mich auf einem Waldweg, auf der Suche nach einem Spukort. Irgendwo hier soll es eine ehemalige Lungenklinik geben: Die Sophienheilstätte, die seit 1994 geschlossen ist und nun leer steht. Im Internet wimmelt es von Handyvideos und Fotos des verlassenen Ortes. Angeblich sollen hier Gespenster gesichtet worden sein. Ich sehe lediglich Bäume und folge zu Fuß den Anweisungen meines Navigationssystems auf dem Handy. Da ein verlassener Ort keine Adresse hat, orientiere ich mich an den Koordinaten.

Von der Lungenklinik zum Herz-Kreislauf-Zentrum

Vor meiner Expedition hatte ich mich über das leerstehende Krankenhaus informiert: Die Sophienheilstätte wurde 1898 als Klinik für Tuberkulose-Kranke errichtet und gehörte zu einem der ersten deutschen Krankenhäusern mit diesem Schwerpunkt. Entdeckt wurde die Krankheit 16 Jahre zuvor durch den Bakteriologen Robert Koch. In diesem Zeitraum war die sogenannte „weiße Pest“ eine regelrechte Epidemie in Deutschland. „In den 1880er-Jahren starben im deutschen Raum jährlich 110.000 bis 120.000 Menschen an der Tuberkulose“, erklärt der Historiker Manfred Vasold im Focus. Zwar entwickelte sich die Medizin in den darauf folgenden Jahrzehnten weiter, an eine Ausrottung der Krankheit war aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zu denken.

Durch den medizinischen Fortschritt und die in den 1950er-Jahren eingeführte Impfpflicht in der DDR wurde die Tuberkulose in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dort nahezu ausgerottet. Auch die Sophienheilstätte und ihr damaliger Leiter Adolf Tegtmeier hatten maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Mit dem Rückgang der Krankheit wurde aus der Lungenheilstätte nach und nach ein bedeutendes Herz-Kreislauf-Zentrum.

Nach dem Fall der Mauer, im Zuge der politischen Wende, wurde das Gesundheitswesen in der ehemaligen DDR neu strukturiert. Für Bad Berka bedeutete das umfangreiche Veränderungen, unter anderem den Neubau einer Zentralklinik. Die Sophienheilstätte blieb allerdings auf der Strecke: Am 31. Dezember 1993 schloss sie ihre Pforten.

Vom Verfall und Vandalismus gezeichnet

Ich befinde mich immer noch im Wald. Mein Navi deutet an, dass ich ganz in der Nähe der verlassenen Klinik sein muss. Ich komme an eine Weggabelung, die durch eine geöffnete Schranke markiert ist. Rechterhand erahne ich ein Gebäude hinter den Baumreihen. Ein paar Schritte, und ich traue meinen Augen nicht: Wie aus dem Nichts liegt da plötzlich ein verfallener Gebäudekomplex vor mir, eng umgeben von Laub- und Nadelbäumen.

Zunächst fallen mir abgebrochene Mauerreste und ein hoher Schornstein ins Auge. Das Ausmaß des Anwesens lässt sich jedoch bereits erahnen: Im Hintergrund kommen weitere Gebäude zum Vorschein. Ein verrostetes Bushäuschen mit eingeschlagenen Fensterscheiben deutet darauf hin, dass dieser Ort einst von Bedeutung gewesen sein muss.

Ich nehme mir Zeit und laufe das Gelände ab. Vorbei an offenen Toren, Garagen, mehreren Nebenhäusern und dem überwältigenden Haupthaus. Der Vandalismus hat seine deutlichen Spuren hinterlassen. Bereits zweimal hat es hier in den vergangenen Jahren gebrannt: Im Frühjahr 2015 brannte eine der beiden Liegehallen völlig ab, nur ein Jahr später ein Flachbau auf dem Gelände. In beiden Fällen geht die Polizei von Brandstiftung aus. Außerdem sind unzählige Fensterscheiben eingeschlagen und die Wände mit Graffiti übersät.

Spielwiese für die Phantasie

Die Anlage ist zu Recht ein beliebtes Ziel von Geisterjäger*innen, lässt die Geschichte des Hauses doch darauf schließen, dass hier einige Menschen zu Tode gekommen sind. Das allein eröffnet Raum für Spukgeschichten. Schon das Haupthaus wirkt furchteinflößend: Ein langgezogenes, vierstöckiges Holzfachwerk mit eingeworfenen Fenstern aus einer längst vergangenen und vergessenen Zeit. Mehrere zugewucherte, gebogene Treppen führen direkt hinein. Die Türen, die nicht mit Spanplatten zugenagelt wurden, stehen offen. Auch der Keller ist zugänglich: Durch ein offenes Kellerfenster sehe ich blaue Kacheln und Farbe, die in Fetzen von der Decke hängt. Die Kälte, die aus diesem Fenster strömt, lässt mich erschauern. Selbst bei Sonnenschein ist dieser verlassene Ort wie gemalt als Kulisse für Horrorfilme, als Spielwiese für die Phantasie, in der allein das Rauschen des Windes durch kaputte Fenster und knarzende Türen Gänsehaut verursachen.

Als ich vor dem Haupthaus stehe, schrecke ich kurz zusammen: Ich höre Stimmen, sie kommen aus dem Haus. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass sie nicht von Gespenstern, sondern von Jugendlichen kommen, die vermutlich auf der Jagd nach Geistern sind. Doch der Schreck bleibt. Ich kann mir gut vorstellen, wie schnell hier Kleinigkeiten zu Einbildungen werden.

Ich verzichte darauf, das verlassene Gebäude zu betreten. Schließlich machen mehrere Hinweisschilder darauf aufmerksam, dass es sich in Privatbesitz befindet. Laut Thüringischer Landeszeitung war eine Seniorenresidenz in dem denkmalgeschützten Haus geplant. Doch wer hier war, kann sich nur schwer vorstellen, dass dieser Ort wieder in die Zivilisation zurückfindet. Und so bleibt die Sophienklinik vorerst ein gruseliger Spukort für Geisterjäger*innen und abenteuerlustige Jugendliche. Ich mache mich auf den Rückweg. Ein Gespenst ist mir nicht begegnet.

Tübingen, die schöne Kleinstadt im Herzen Baden-Württembergs, begeistert viele Besucher*innen und Bewohner*innen mit ihrer historischen Altstadt, dem hochgelegenen Schloss und zahlreichen Universitätsgebäuden. Doch auch im idyllisch und friedlich scheinenden Städtchen verbergen sich geisterhafte Geschichten, die dank des Stadtführers Oliver Rödiger nicht in Vergessenheit geraten.

In der Bursagasse, am Alten Waschhaus, treffen meine Kommiliton*innen und ich Oliver Rödiger alias Oli Kahn, den wohl bekanntesten Stadtführer und Stocherkahnfahrer Tübingens. Er ist der Einzige, der neben den normalen Stadtführungen auch Nachtwächter- und Geisterführungen anbietet. Nicht nur deshalb fällt er in Tübingen besonders auf: „Der Oli Kahn, das ist der, der mit dem Hawaiihemd rumläuft, oder der Verrückte, der in der Nacht als Nachtwächter verkleidet rumrennt. So wird man dann natürlich irgendwann zur Marke,“ sagt er stolz.

Der geniale Geist des Hölderlin und der Spuk im „Aquarius Haus“

Mit seinem bunten Hawaiihemd nimmt er uns an einem milden Sommerabend in Empfang. Was eher den Eindruck erweckt, gleich einen Ausflug an einen Strand zu machen und Cocktails zu trinken, ist in Wirklichkeit der Beginn einer Geisterführung. Wir sind gespannt, wo es in Tübingen spukt, und folgen dem riesigen Mann mit seiner lauten Stimme und dem schwäbischen Dialekt zum Denkmal für Lotte Zimmer. Sie soll den weltbekannten Dichter Friedrich Hölderlin in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode im Jahr 1843 gepflegt haben. Das Denkmal sieht aus wie ein längliches Gefäß mit einer Antenne, die gen Himmel gerichtet ist. Sie zapfe die kosmische Energie an und stelle so auch eine Verbindung zu Hölderlin her. Oliver Rödiger, der seit 1988 in Tübingen lebt und von Anfang an die magische Atmosphäre der Stadt spürt, sagt überzeugt: „Wenn ich in der Nähe von diesem Denkmal bin, dann durchläuft mich ein Schauer, weil ich merke, dass dieser geniale Geist des Hölderlin immer noch da ist.“

Geisterführer Oliver Rödiger und im Hintergrund das mit Efeu überwachsene „Aquarius Haus“. Foto: Stephanie Constantin.  

In der Gasse namens Klosterberg, nicht weit vom Denkmal entfernt, bekommen wir die nächste Geistergeschichte erzählt. Gleich auf der rechten Seite befindet sich ein mit Efeu bewachsenes Haus, das von der letzten Eigentümerin „Aquarius Haus“ getauft wurde. Hier soll ein Professor gewohnt und einen Geist in seinem Haus vermutet haben, weil seine Lebensmittel immer wieder auf unerklärliche Weise verschwanden. Nach einigen Jahren fand man die Leiche eines ehemaligen Studenten in seinem Schrank. Dieser wurde von dem Professor aus dem Studium geschmissen, da er es nicht ernst genug genommen hatte. Der Student versteckte sich daraufhin in dessen Schrank und kam nur in der Nacht oder wenn der Professor nicht zu Hause war heraus, um sich etwas zu Essen zu holen. Er hatte eine solche Angst vor der Reaktion seiner Familie, dass er lieber den Rest seines Lebens im Schrank des Professors verbrachte.

Ob der Geist des Studenten noch immer dort herumspukt? „In dem Haus gibt es immer noch seltsame Töne. Die ursprüngliche Eigentümerin hat mir das so berichtet“, erzählt Rödiger. Er selbst glaubt an Dinge, die nicht erklärt werden können, und daran, dass es mehr gibt, als viele Menschen tatsächlich wahrnehmen: „Ich habe schon eine Nahtoterfahrung gemacht, als ich klinisch tot war. Meine Seele war außerhalb des Körpers, und dadurch konnte ich mich auf dem OP-Tisch liegen sehen. Ich habe also eine außerkörperliche Erfahrung gemacht und glaube daran, dass es eine Seele gibt“, sagt er mit ernstem Blick. 

Kreuzritter im Nebel und das Schlossgespenst

In der selben Gasse befindet sich das Evangelische Stift. Vor dem verschlossenen Tor versammeln wir uns im Halbkreis und lauschen der nächsten Geschichte. Es wurde 1536 von Herzog Ulrich von Württemberg gegründet. Auch heute noch erhalten Studierende der Theologie Stipendien in Form einer Wohnmöglichkeit. Von hier aus sind früher die Ritter zu den heiligen Kreuzzügen aufgebrochen. Diese sind auch heute noch spürbar, meint unser Stadtführer: „Wenn es richtig düster ist und Nebelschwaden aufziehen, sieht es manchmal so aus, als ob die Kreuzritter auf ihren Pferden entlangreiten, und das ist dann wirklich etwas, das durch die Gassen schleicht.“ Mittlerweile ist es schon fast dunkel und der Himmel wird von dichten Wolken bedeckt. Ich bin froh, dass nicht auch noch Nebel aufkommt…

Vor dem Evangelischen Stift. Foto: Stephanie Constantin

Gemeinsam begeben wir uns zum Johannisbrotbaum, der sich oberhalb des Evangelischen Stifts befindet. Dann ziehen wir durch die schmalste Gasse Tübingens bis zum Schloss Hohentübingen, in dem das Schlossgespenst bereits die Franzosen verjagt haben soll, die versuchten, das Schloss zu besetzen. Auch eine Jugendherberge konnte sich dort nicht lange halten, „weil unser Schlossgespenst da wohnt und die Kinder keinen ruhigen Schlaf gefunden haben“, klärt Rödiger auf.

„Hier kotzte Goethe“

„Hier kotzte Goethe“- Tafel in der Münzgasse. Foto: Stephanie Constantin

Schließlich folgen wir ihm auf den Marktplatz. Hier erfahren wir mehr über das Rathaus, das Brotfenster und den Neptunbrunnen. Unsere letzte Station der etwa zweistündigen Geisterführung befindet sich an einem Studentenwohnheim in der Münzgasse, an dem eine Tafel mit der Aufschrift „Hier kotzte Goethe“ angebracht ist. Dieser hat im September 1797 seinen Verleger Johann Friedrich Cotta für ein paar Tage besucht, und „Goethe hat tatsächlich in das Eck da hinten gekotzt, weil er zu viel von dem Tübinger Wein getrunken hat,“ sagt Rödiger lachend. Was das nun mit Geistern zu tun hat, frage ich mich und bekomme schon bald eine Antwort von unserem Stadtführer: „Die Leute, die da wohnen, haben öfter mal festgestellt, dass sich wieder hat einer übergeben müssen. Das passiert dort ungewöhnlich häufig. Der Geist von Goethe ist halt auch noch irgendwo in Tübingen.“

Kaum ist die Führung zu Ende, fängt es an zu regnen. Oliver Rödiger ist davon überzeugt, dass wir dank seiner besonderen Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen, einem starken Regenschauer entkommen sind. „Ich mache das Wetter hier in Tübingen. Ich habe indianische Vorfahren, weil mein Ururururgroßvater nach Amerika ausgewandert ist und die Tochter eines Medizinmannes geheiratet hat. Aber ich tanze nicht für Regen, sondern singe für Sonne“, sagt er bestimmt. Auch für seine Gäste auf dem Stocherkahn singt Rödiger des Öfteren. Ein vielseitiger Mann also. Es wundert nicht, dass er vor vier Jahren begann, Geisterführungen in Tübingen anzubieten. Diese gestaltet er humorvoll und mit viel Freude. Auf die Idee kam er durch Gespräche mit Einwohner*innen Tübingens. „Da erfährst du Geschichten, auf die du sonst nicht kommst“, meint er. Und auch durch gründliche Recherche in alten Zeitschriften, Büchern und Zeitungen, die unter anderem im Stadtarchiv zu finden sind, kommt er zu seinen Geistergeschichten. Es ist ihm jedoch wichtig, dass die Menschen bei der Geisterführung auch etwas über Tübingen erfahren, und das gelingt ihm durchaus. Sogar ich als eingesessene Tübingerin konnte neben den Geistergeschichten auch etwas „Greifbares“ über die Stadt erfahren.

Wenn man an Schottland denkt, kommen einem unweigerlich Whisky, der Dudelsackspieler im karierten Schottenrock oder das Ungeheuer von Loch Ness in den Sinn. Der Norden Großbritanniens hat jedoch weitaus mehr zu bieten als Whisky & Co. Alte Steinkreise und -formationen, mittelalterliche Burgen und Schlösser sowie historisch bedeutende Kriegsplätze: Gerade wenn es um schottische Spuk- und Geistergeschichten geht, kommen Fans des Übernatürlichen auf ihre Kosten.

Edinburgh ist bekannt für seine engen und dunklen Gassen sowie steilen Treppengänge. Kein Wunder, dass sich viele Schriftsteller*innen von dem „Gruselcharme“ haben anstecken lassen, so u.a. der Autor Robert Louis Stevenson („Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“) oder auch „Harry Potter“-Schöpferin Joanne K. Rowling. Welche Geistergeschichten kursieren denn aber nun in Schottlands Hauptstadt?

Die Geister in Edinburghs Untergrund

Da wären zum einen der sogenannte kopflose Trommler, der durch die Räume des Edinburgh Castles schleicht und dessen Trommelgeräuschen man heute noch lauschen kann. Ebenso gibt es eine Frau namens Janet Douglas, auch bekannt als Lady of Glamis, die 1537 wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und nun regelmäßig in der Burg umherirrt.

Royal Mile

Die Royal Mile ist die Verbindungsstraße zwischen dem Edinburgh Castle und dem Holyrood Palace. Foto: Natalie John.

Eine weitere spannende Geschichte ist die des verschollenen Dudelsackspielers. Vor einigen Jahrhunderten entdeckte man Tunnel unter der Royal Mile, von denen man annahm, dass sie Edinburgh Castle mit dem Holyrood Palace verbinden. Um der Sache auf den Grund zu gehen, schickte man einen Dudelsackspieler in die Gänge hinunter. Dabei sollte er auf seinem Instrument spielen, um mitverfolgen zu können, wo sich der Pfeifer gerade aufhält. Auf halbem Weg zwischen der Burg und dem Palast verschwand das Dudelsackspiel jedoch plötzlich. Sofort ließ man eine Rettungsmannschaft nach dem Musiker schicken, doch er ist seither nicht mehr gesehen worden. Noch heute, heißt es allerdings, kann man sein Lied auf der Royal Mile klingen hören.

 

Edinburgh Castle

Hoch über der Stadt Edinburgh thront das majestätische Schloss auf einem inzwischen erloschenen Vulkanfelsen. Größtenteils gebaut im 16. Jahrhundert und seitdem immer wieder Schauplatz von Plünderungen, Zerstörungen und Wiederaufbauten ist die Burg bekannt für ihre blutige und düstere Geschichte. Die wohl bekannteste Festung Schottlands ist somit nicht nur eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Edinburghs, sondern auch einer der gruseligsten Orte Schottlands mit der wohl höchsten Geisterdichte im ganzen Umkreis!

Edinburgh Castle

Im Edinburgh Castle wurden paranormale Aktivitäten festgestellt. Foto: Natalie John.

Immer wieder versuchen Wissenschaftler*innen nachzuweisen, was viele schon lange vermuten: die Existenz von Geistern innerhalb der Burgmauern. So auch der britische Psychologe Richard Wiseman, der 2001 ein Experiment mit 240 Freiwilligen durchführte. Wie BBC News berichtete, erkundete Wiseman in einer zehntägigen Studie mit seinen Testpersonen die dunklen Kammern und Kerker des Schlosses und beobachtete deren Verhalten. So gaben die Besucher*innen anschließend zu Protokoll, dass sie unterschiedliche Anzeichen von paranormalen Aktivitäten spürten. Einige fühlten eine Berührung im Gesicht oder ein Ziehen an der Kleidung. Andere wiederum bemerkten eine plötzliche Kälte oder ein brennendes Empfinden auf der Haut. Außerdem waren manche überzeugt, Schatten und Umrisse von Menschen zu sehen, obwohl sich definitiv keine im Raum befanden. Wiseman selbst zeigte sich nach dem Experiment allerdings immer noch skeptisch. Ob sich die Geheimnisse von Edinburgh Castle jemals wirklich lüften lassen, bleibt also fraglich.

Der einsame Highlander von Culloden

Kein anderer Ort vermag wohl das Trauma der Schotten deutlicher aufzuzeigen als Culloden, ein historisch bedeutender Landfleck in der Nähe von Inverness. Das heutige Wiesenfeld bestand im 18. Jahrhundert noch aus einer trostlosen Moorlandschaft. 1746 fand dort die blutige Schlacht zwischen der Armee von Charles Edward Stuart mit seinen Clanmitgliedern und den Engländern statt.

Culloden

Heute erinnern nur noch Denkmäler an die Schlacht von 1746. Foto: Luna Selle.

Keine 40 Minuten dauerte die Schlacht, in der die englischen Regierungstruppen die schottischen Highlander brutal niedermetzelten. Das Ereignis markiert einen Wendepunkt in der schottischen Geschichte, leitete es doch das Ende der schottischen Clans und ihrer Kultur ein. Ein idealer Schauplatz, der nach Geistererscheinungen und unnatürlichen Ereignissen nur so schreit. Wen wundert es also, dass Besucher*innen auch heute noch überzeugt sind, Kampf- und Kriegsgeschrei, Geschützfeuer sowie marschierende Füße und Trommelschläge wahrzunehmen? Außerdem gibt es Zeug*innen, die behaupten, sie hätten einen einsamen, erschöpften Highlander gesehen, der durch die Gegend schleiche und dabei immer wieder das Wort „besiegt“ vor sich hinmurmele.

Der älteste und gruseligste Pub Schottlands

Ohne Zweifel eignen sich alte Burgen und Schlösser sowie Schauplätze von blutigen Schlachten besonders gut für Spukgeschichten. In Schottland machen Geister jedoch auch vor „normalen“ Orten keinen Halt. So gilt im ältesten und wohl gruseligsten Pub alle Vorsicht, wenn es um unerwünschte und gespensterhafte Gäste geht. Im „Drovers Inn“, einem im Jahre 1705 eröffneten Gasthaus unweit des Loch Lomond, sollen Geister regelmäßig ein und ausgehen. Auf der Website des Gasthauses heißt es da zum Beispiel, dass ein junger Viehtreiber namens Angus vor 300 Jahren kaltblütig vor dem Inn ermordet und aufgehängt wurde. Nun soll er des Nachts durch den Pub wandern und nach seinen Mördern Ausschau halten, um Rache zu verüben. Außerdem gibt es da eine junge Bauernfamilie, die im 18. Jahrhundert auf dem Weg in die Unterkunft in einen Schneesturm geriet und in der Kälte erfror. Heute soll sie immer noch durch die Zimmer schleichen. Doch nicht nur solche Geistergeschichten machen den Pub zu etwas Besonderem, auch kuriose Berichte der Gäste selbst geben Rätsel auf. So berichtete eine Besucherin, dass sie eines Morgens Bilder auf ihrer Kamera fand, die sie schlafend zeigten. Weder Gäste noch Bedienstete konnten in das Zimmer gelangen, da es von innen abgeschlossen war. Ein weiterer unerklärlicher Vorfall ereignete sich bei einer Familie, die eine Geburtstagsfeier in dem Inn feierte. Auf den aufgenommenen Bildern der Party entdeckte die Mutter einige Tage später ein kleines Mädchen in einem rosa Kleid, das sie zuvor noch nie gesehen hatte. Weder gehörte es zu der Partygesellschaft noch waren an dem Abend überhaupt irgendwelche Kinder anwesend. Selbst die Angestellten des „Drover Inn“ waren ratlos. Im Übrigen beherbergt der Pub nicht nur Geister, auch Promis wie der schottische Schauspieler Gerard Butler sollen des Öfteren hier gesichtet worden sein.

Egal, ob in den Kerkern des Edinburgh Castles, auf dem Schlachtfeld von Culloden oder im ältesten Pub Schottlands: Geister scheint es in dem Land wohl zur Genüge zu geben. Wer also mal Lust verspürt, auf Gespensterjagd zu gehen oder einen Urlaub mit Gruselfaktor sucht, dem sei Schottland wärmstens empfohlen.

Die weiße Frau von Tonndorf ist eine sagenumwobene Thüringer Legende. Seit Jahrhunderten soll ihr Geist auf dem Tonndorfer Schloss spuken. Der Sage nach ist sie im Mittelalter auf fragwürdige Weise zu Tode gekommen. Die einen glauben an einen tragischen Unfall, die anderen an heimtückischen Mord. Ina Mecke wollte herausfinden, was wirklich hinter der Spukgeschichte steckt und hat sich auf Spurensuche begeben.

Mitten im Herzen Deutschlands liegt das thüringische Tonndorf, eine kleine Gemeinde im Weimarer Land. Nördlich des Dorfes ragt der Turm des Tonndorfer Schlosses aus den Wipfeln des Waldes. Seit vielen Jahrhunderten begleitet das Schloss die Sage von der Weißen Frau, einem Geist, der angeblich immer wieder gesichtet wird.

Die Geschichte des Gespenstes im Tonndorfer Schloss reicht zurück bis ins Mittelalter. Ursprünglich wurde die Festung vermutlich als Schutzburg errichtet. Ihr Bau fiel in die Zeit der ersten Kreuzzüge, denen sich auch zahlreiche Ritter aus Thüringen anschlossen. Der Aufruf des Papstes, Jerusalem für die Christenheit zurückzuerobern, folgte auch der damalige Schlossherr, der Graf von Orlamünde.

Vom Volksmund überliefert

Der Sage nach war es dem Regenten und seiner Gattin nicht vergönnt, Kinder zu bekommen. Der Graf zog in den heiligen Krieg, um bei Gott für einen Stammhalter zu beten. Nach einigen Jahren kehrte er mit reicher Kriegsbeute zurück. Kurz vor der Ankunft schickte er sein Gefolge voraus, sie sollten seine Heimkehr verkünden. Er selbst nahm gemeinsam mit einem Knappen einen Umweg über das von ihm gegründete Kloster Muncheszella. Dort übergab er die wertvollen Reliquien an der Prior.

Seine Gemahlin hatte inzwischen von der Rückkehr des Grafen erfahren und erwartete ihren Mann auf der Festung. Bekleidet mit einem langen, weißen Schleier schaute sie, voller Vorfreude über die Burgmauer und winkte ihm zu. Doch dann ereignete sich das Unglück: Kurz bevor der Graf mit seinem Knappen die Tore des Schlosses überschreiten konnte, wurden die Heimkehrer aus einem feindlichen Hinterhalt überfallen. Vor den Augen seiner Frau wurde der Graf erschlagen. Diese lehnte sich in ihre Aussichtslosigkeit weit über die Burgmauer und stürzte in die Tiefe. Tagelang suchte man nach ihrem Leichnam, um sie zu bestatten – doch ihr Körper blieb unauffindbar.

An dieser Stelle wird die Geschichte richtig gruselig: Der Volksmund überliefert, dass die Frau erst wieder gesichtet wurde, nachdem der Leichnam des Grafen in der Burgkapelle aufgebahrt wurde. Um Mitternacht erschien sie den Totenwächtern am Ende des Sarges. Drei Nächte lang tauchte die Weiße Frau aus dem Nichts in der Kapelle auf und verschwand wieder, ohne dass sie jemand kommen oder gehen sah. Seither soll ihr Geist jedes Jahr am Todestag des Grafen durch das Schloss schreiten und dann zur Unglücksstelle hinab schweben.

In Tonndorf und Umgebung wird die Legende von Generation zu Generation als Schauer- und Spukgeschichte überliefert. Mehrere Sagen berichten davon, dass die Weiße Frau im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gesehen wurde. Der historische Hintergrund ist aus heutiger Sicht allerdings kaum zu rekonstruieren, da schriftliche Belege aus der Zeit fehlen oder schwammig dokumentiert wurden.

Fehlende Fakten und fragwürdige Quellen

Aufgeschrieben wurde die Sage in dem 1924 erschienenen Buch “Alte Geschichten und neue Sagen aus Thüringen” von Hermann Rauchfuß. Diese Quelle betrachtet der Tonndorfer Dorfchronist Georg Ghiletiuc allerdings kritisch, da der Autor in dem Buch auf Literatur- oder Quellenhinweise verzichtet. Eine rein mündliche Überlieferung über Jahrhunderte hinweg ohne weitere Belege ist bereits an sich fragwürdig.

Was also an der Sage wahr ist und was Legende bleibt unklar. Ghiletiuc vermutet, dass der Anfang der Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht: “Den Grafen von Orlamünde hat es tatsächlich gegeben, er war auch verheiratet und ist kinderlos gestorben”, sagt der Tonndorfer. Wie er allerdings wirklich gestorben ist, das ist nirgendwo belegt.

Darüber hinaus findet Ghiletiuc in der Überlieferung der Sage Widersprüche, denn hier wird der Graf von Orlamünde gleichzeitig als Burgherr und als Gründer des Klosters Muncheszella, dem heutigen München bei Bad Berka, genannt. “Das Kloster wird erstmals 1115 erwähnt, das Schloss allerdings erst im 13. Jahrhundert”, so der Chronist.

Andererseits wurde bereits im achten Jahrhundert die heutige thüringische Landeshauptstadt Erfurt gegründet. Die Heer- und Handelswege in die Stadt wurden mit Hilfe von Schutzfestungen wie der Burg Tonndorf verteidigt. Gut möglich also, dass die Burg schon lange vor ihrer ersten urkundlichen Erwähnung errichtet wurde.

Romantisch-verklärte Spukgeschichte

Die Spukgeschichte um die Weiße Frau betrachtet Ghiletiuc als eine romantisch-verklärte Überlieferung. Historisch gesehen hält er es aber für möglich, dass der Burgherr tatsächlich bei seiner Heimkehr erschlagen wurde, und zwar aus dem Hinterhalt von seiner eigenen Truppe: “Nachdem der Graf seine Gefolgschaft vorgeschickt hat, könnte die den Raubüberfall geplant haben. Sie wussten ja nicht, dass er die Kriegsbeute vorher ins Kloster gebracht hat.”

Neben dieser Lesart hält der Chronist noch eine zweite Variante für historisch plausibel. Als die Ritter in den Zeiten der Kreuzzüge für lange Zeit von Zuhause weg waren, kam es häufig vor, dass die Burgfrauen sich anderweitig Trost suchten. “Möglicherweise ist die Frau in der Abwesenheit ihres Gemahls schwanger geworden und gar nicht freiwillig über die Mauer gestürzt, sondern von ihrem Liebhaber gestoßen worden”, sagt Ghiletiuc.

Welche Interpretation oder Variante nun die historisch korrekte ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Legende selbst schadet ihr nebulöser Hintergrund allerdings nicht. Im Gegenteil: Heute wird das Schloss von einer alternativen Gemeinschaft belebt und erhalten. Das Schlossgespenst hat von den Bewohnerinnen und Bewohnern einen besonderen Platz bekommen: Vor den Schlossmauern im Eingangsbereich steht eine große Skulptur der Weißen Frau – und die ist offensichtlich schwanger.

Skulptur der Weißen Frau vor dem Schloss Tonndorf (Foto: Ina Mecke).