„Karottenkopf“, „Ginger“ oder „Pumuckl“ – Wer rotes Haar hat, darf sich im Laufe seines Lebens so manchen Spruch anhören. Rothaarige haben oft mit Mobbing und Vorurteilen zu kämpfen, es gibt heutzutage aber auch Gegenbewegungen. Doch woher kommen diese stereotypen Vorstellungen gegenüber dieser besonderen Haarfarbe? Über widersprüchliche Klischees und eine stolze Minderheit.
In den sozialen Netzwerken, auf Seiten wie 9gag.com und spätestens in der Google-Bildersuche findet man sie schnell: unzählige Meme mit Sprüchen über Redheads. Diese Sprüche auf den teilweise sehr unvorteilhaften Bildern reichen dabei von eher positiv, über sexistisch oder unanständig bis hin zu einfach nur blöd. Vermutlich hat sich auch so der „Witz“ verbreitet, Rothaarige hätten keine Seele. Doch die vielen Vorurteile, Sprüche und Klischees sind keine Erfindung des Internetzeitalters. Sie sind in unserer westlichen Kultur tief verwurzelt und haben ihre Ursprünge vor allem im Mittelalter.
Vorurteile: tief verwurzelt und widersprüchlich …
Rotblondes und rotes Haar ist in der Malerei des Mittelalters und der Renaissance häufig zu finden. Oftmals wurde es symbolisch eingesetzt. Dabei gab es sowohl positive als auch negative Vorstellungen, die man mit der seltenen Haarfarbe verband. In biblischen Geschichten wurde „das Böse“ teilweise mit roten Haaren dargestellt. Der Verräter Judas wurde beispielsweise oft mit rotem Haar gemalt. Zugleich aber wurden häufig heilige Figuren und Engel mit rotblondem Haar dargestellt. So haben zum Beispiel auch die Figuren in Botticellis „Die Geburt der Venus“ kupferrotes Haar.
Zwar war rotblondes Haar in der Antike und in der Renaissance besonders in Italien beliebt, jedoch setzte sich der eher negative Ruf der Rothaarigen durch. Schon im Mittelalter hielt man rotes Haar für ein typisches Merkmal der Juden, obwohl die Haarfarbe dort nicht häufiger vorkam als unter Christen. Die antisemitische Idee, „die Juden“ hätten Schuld an der Kreuzigung Jesu, wurde so auch auf „die Rothaarigen“ übertragen.
Außerdem gab es immer wieder Assoziationen mit Flammen und Feuer. Aberglaube brachte so rothaarige Menschen mit dem Höllenfeuer und dem Teufel in Verbindung. In dieser Zeit entstanden wohl auch Sprichwörter wie „Rote Haare, Sommersprossen, sind des Teufels Tischgenossen“. Auch mit Hexerei verband man rotes Haar. Bis heute hält sich hartnäckig der Mythos, vor allem rothaarige Frauen seien als Hexen verfolgt worden, obwohl es dafür keine eindeutigen Belege gibt.
… doch sie bestehen bis heute
Noch heute halten sich viele Vorurteile, vor allem gegenüber rothaarigen Frauen. Diese klingen zwar positiver, sind aber dennoch Vorurteile. Rothaarige Frauen gelten als leidenschaftlich, temperamentvoll, selbstbewusst, wild, frech und sexuell besonders aktiv. Rothaarige Männer hingegen gelten als unattraktiv und die Haarfarbe gilt besonders in den USA als ein Zeichen für Armut.
Diese Klischees werden von Medien und der Werbung aufrecht erhalten. Und auch in Literatur und Film finden sich einige rothaarige Charaktere, die diese Stereotypen zumindest teilweise erfüllen. Man denke nur an die selbstbewusste Anne von Green Gables, an die freche Pippi Langstrumpf oder auch die arme Familie Weasley in Harry Potter.
Diskriminierung und Mobbing
Nur 2% der Weltbevölkerung haben rote Haare. Sie sind mit ihrer oftmals empfindlichen, blassen, meist sommersprossigen Haut und der auffälligen Haarfarbe eine Minderheit. Die meisten Menschen mit diesen auffälligen Merkmalen leben in Schottland. Die rote Haarfarbe ist das Resultat einer Genmutation und wird nur vererbt, wenn beide Elternteile sie in sich tragen. Rothaarig müssen die Eltern aber selbst nicht sein.
Dass die Haarfarbe so selten ist, erklärt laut Ralf Junkerjürgen die Entstehung von stereotypen Vorstellungen und auch, dass sich diese bis heute halten. Rothaarige erscheinen uns „unnormal“ und so werden sie stigmatisiert. Eine 2002 an der Universität des Saarlandes durchgeführte Studie ergab sogar, dass rotes Haar, egal ob auf männlichen oder weiblichen Köpfen, die unbeliebteste Haarfarbe ist. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass blasse Haut nicht dem aktuellen westlichen Schönheitsideal entspricht, das doch nach Sonnenbräune verlangt.
Vielleicht gerade weil in Großbritannien die meisten rothaarigen Menschen leben, gibt es dort besonders viel Mobbing und Gewalt gegen diese. Im englischen Raum werden Rothaarige als Ginger (Ingwer) verspottet – es lässt sich nur spekulieren wieso. Sogar große Unternehmen fielen damit schon negativ auf. So musste 2010 die Kaufhauskette Tesco eine Weihnachtskarte aus dem Sortiment nehmen, auf der stand: „SANTA loves all kids. Even GINGER ones“.
Gegenbewegungen
Rothaarige Menschen kämpfen mit Klischees und oftmals auch mit Mobbing und Diskriminierung. Doch es gibt Gegenbewegungen: Seit 2005 finden in einigen Ländern offizielle „Rothaarigentage“ statt. Besonders bekannt ist der Roodharigendag im niederländischen Breda. Auch in England und Italien finden solche Treffen statt. 2017 wurde der erste deutsche Rothaarigentag veranstaltet. Die Rothaarigen feiern dort ihre Haarfarbe und bilden eine Gemeinschaft. Sind sie doch sonst eher allein mit ihrer Besonderheit.Neben solchen offiziellen Treffen gibt es auch immer wieder Fotoprojekte, die für ein positives Image der Rothaarigen kämpfen. Beispielsweise veröffentlichte der Londoner Modefotograf Thomas Knights, selbst rothaarig, 2014 den Bildband „Red Hot 100“, in dem er attraktive, rothaarige Männer zeigt.
Für die Zukunft…
Vielleicht fühlt sich ja unter den Lesern jemand ertappt, weil er vielleicht selbst einmal einem Rothaarigen gesagt hat, er hätte keine Seele…
Wenn das in Zukunft nicht mehr passiert und wir irgendwann einmal unseren Kindern erklären, dass rote Haare etwas Tolles, Einzigartiges und doch ganz Normales sind, dann ist das sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.
Nicht nur Menschen mit rotem Haar kämpfen mit Vorurteilen. Auch blondes Haar polarisiert.
Weitere Quellen:
Ralf Junkerjürgen: Von dummen Blondinen und jähzornigen Rothaarigen. Zur Geschichte und Entwicklung von Stereotypen um Haarfarben. In: Blick in die Wissenschaft, Heft 24, 20. Jg., Regensburg 2011.
Jesko zu Dohna: Warum uns rothaarige Menschen so sehr faszinieren. In: Der Tagesspiegel, 05.12.17.
Als Mit-Rothaariger erinnere ich mich immer wieder an diese eine South Park Folge, die damals als ich noch in der Schule war ganz neu rausgekommen ist:
https://www.youtube.com/watch?v=wLv_QEmeNtA
Das waren Zeiten…
Ohje das stell ich mir anstrengend vor… Kinder können verdammt grausam sein. Sowas ist natürlich eine perfekte Vorlage.
Sehr interessanter Beitrag! Erschreckend, wie sich Antijudaismus und Feindseligkeit gegen Rothaarige im Mittelalter verbunden haben: mit den „rothaarigen Verrätern“. Diese Verknüpfung war mir nicht bewusst.
Danke! Ja, dieser Aspekt war mir tatsächlich auch neu.
https://www.artfido.com/photographer-travels-around-the-world-to-capture-the-incredible-beauty-of-red-hair/
Schöne Reihe über die Klischees von Haarfarben Katharina:) Ich selbst habe zwei rothaarige Freunde in Schottland. Die nehmen das Thema mit einer gewissen Selbstironie. Sie haben natürlich auch den World Redhead Day ausgiebig gefeiert;)
Ich wusste schon, dass es einige Vorurteile über Rothaarige gibt, aber dass sie immer noch oft mit Mobbing und Diskriminierung zu kämpfen haben, war mir nicht so bewusst. Das ist traurig! Und dass sogar eine Studie ergab, dass rote Haare die unbeliebteste Haarfarbe ist, kann ich schwer nachvollziehen. Mich haben rote Haare schon immer fasziniert und ich finde sie einfach super – wahrscheinlich genau weil sie so einzigartig und selten sind 🙂