Warum träumen wir eigentlich? Und was beeinflusst unsere Träume? Komplexe Fragen wie diese werden aus verschiedenen Sichtweisen wie etwa der Psychologie, Philosophie oder Biologie unterschiedlich beantwortet. Auch Jan Born, Schlaf- und Gedächtnisforscher, beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Themengebiet. Ob Träumen wirklich einen Sinn macht, dazu hat der 63-Jährige aus neurowissenschaftlicher Sicht eine recht nüchterne Einschätzung.

Laut Psycholog*innen oder Philosoph*innen verarbeiten wir in Träumen unseren Alltag. Je nach Trauminhalt zeigen also unterschiedliche Traumsymbole eine Verbindung zur Realität. Auch Jan Born studierte einst Psychologie und kennt diese Perspektive. Heute beschäftigt sich der Tübinger Professor jedoch mit der neurowissenschaftlichen Sicht aufs Träumen. Als Schlaf- und Gedächtnisforscher untersucht er, wie eigentlich unser Schlaf, unsere Träume und unser Gedächtnis zusammenhängen. Aber auch die Neurowissenschaften haben ihre Grenzen das Phänomen ‚Träumen‘ zu erklären, so Born.

Herr Born, wie erfassen Sie als Schlafforscher Träume? 

Für den Gedächtnis- und Schlafforscher Jan Born sind Träume eine Begleiterscheinung im Schlaf. © Jan Born.

Träume in der Forschung werden immer über Traumberichte, also Berichte über Träume erhoben. Wir können nicht direkt erkennen, ob jemand im Schlaf träumt oder nicht träumt. Der Ansatz in den Naturwissenschaften ist, dass man die Probanden schlafen lässt, sie während der Nacht weckt und  fragt, ob oder was ihnen in den Momenten durch den Kopf gegangen ist, bevor sie geweckt wurden. Dann geben sie einen Bericht über ihre Träume ab. Das Wichtige ist, dass der Traum, wenn er als Traumbericht erforscht wird, immer ein ‚erinnerter Traum‘ ist. Wie andere Erinnerungen trügen können, kann auch der erinnerte Traum trügen. Er muss nicht unbedingt das widerspiegeln, was tatsächlich in der Schlafphase vor der Weckung subjektiv erlebt wurde. Man muss auch als Naturwissenschaftler skeptisch bleiben, ob das, was da erzählt wird, als Traumbericht überhaupt etwas davon abbildet, was während des Schlafens stattfindet. Es ist ein erinnerter Traum und mit Erinnerung hat man auch das Gefühl, das ist etwas, das in der Zeit zurückliegt. Was macht also dann dieses subjektive Gefühl einer Erinnerung aus? Hier gibt es nach wie vor große Zweifel bei der Auswertung der Traumberichte.

Wie wertet man dann diese subjektiven Traumberichte aus?

Ich arbeite tatsächlich momentan gemeinsam mit Computerlinguisten an einem Projekt, bei dem es um die Objektivierbarkeit von Traumberichten geht. Inwiefern also Traumberichte objektiv bewertet werden können, weil es ja eigentlich subjektive Berichte sind. Ergebnisse haben wir noch keine, wir sind noch in der Forschung.

Träume hängen auch immer von den unterschiedlichen Schlafphasen ab. Können Sie als Schlafforscher diese Phasen kurz erläutern?

Im Grunde genommen gibt es zwei Kern-Schlafphasen. Zum einen den Tiefschlaf, auch Delta-Schlaf genannt oder im Englischen ‚Slow-Waves-Sleep‘, weil er so langsame Wellen hat im EEG (Elektroenzephalografie, Anm. d. Red.). Dann gibt es zum anderen den ‚Rapid-Eye-Movement‘-, abgekürzt REM-Schlaf, auch Paradoxer Schlaf genannt und von Laien auch häufig gleichgesetzt mit dem Traumschlaf.

„Der REM-Schlaf produziert eher die bizarren Träume.“

Unterscheiden sich die Träume je nach Schlafphase?

Man bekommt Traumberichte sowohl bei Weckungen aus dem REM-Schlaf als auch aus dem Non-REM- oder Delta-Schlaf. Nur unterscheiden sich die Traumberichte in Zahl und Inhalt. In Zahl daher, dass bei Weckungen aus dem Tiefschlaf die meisten Versuchspersonen sagen werden: „Ich habe nichts geträumt“. Im REM-Schlaf, da kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass sie sagen, sie haben gerade etwas geträumt. Dann ist der Inhalt unterschiedlich. Weckungen aus dem Non-REM-Schlaf sind eher an kognitive, gedankenartige Träume gebunden, während der REM-Schlaf eher die bizarren Träume produziert.

Was passiert aus Ihrer Forschungssicht im Gehirn, während wir träumen?

Vieles spricht dafür, dass der Traumbericht, also das, was Menschen von ihren Träumen erzählen, im Moment des Aufwachens in kürzester Zeit generiert wird und das dann der Rest, also die Story, die daraus entsteht, ein konfabulierender Akt des erwachenden, sich erinnernden Gehirns ist.

Sie meinen also, die Menschen erfinden den Rest der Geschichte?

Mit dieser Theorie stehe ich eher am Rand der Traumforschung, außer bei den Neurowissenschaftlern, die sich damit beschäftigen. Die Leute ohne Vorwissen würden geradewegs Träume mit REM-Schlaf im Wesentlichen assoziieren, aber das geht meiner Meinung nach zu weit und stimmt aus meiner neurowissenschaftlichen Sichtweise nicht ganz.

Nun zur Verbindung Ihres Spezialgebiets, dem Schlafen und dem Träumen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen unserer Schlafqualität und unseren Träumen?

Im Grunde genommen ist da schon ein Zusammenhang. Es gibt Arbeiten, die zeigen, dass Leute vermehrt von Träumen in Phasen gegen Ende der Nacht berichten, wenn sie während der REM-Schlafphasen häufiger wach werden, also schlechter schlafen. Dieses kurze Aufwachen versetzt das Gehirn in einen Zustand, in dem Traumerlebnisse so gespeichert werden, dass es sich am nächsten Morgen noch daran erinnert. Deshalb würde ich einen schlechteren Schlaf mit häufigerem Aufwachen und daher mit erhöhtem Erinnern verbinden. Aber umgekehrt würde man sagen, dass Alpträume, aus denen man aufwacht, verbunden sind mit einer Verschlechterung der Schlafqualität, weil die Leute Probleme haben wieder einzuschlafen. Auch wenn jemand schlechter schläft bei etwa Absetzphänomenen von Schlafmitteln, kann das mit schlechten Träumen zusammenhängen.

„Träumen ist einfach ein sinnloses Nebenprodukt der Gehirnaktivität.“

Abschließend eine sehr komplexe Frage: Warum träumen wir eigentlich?

Da gibt’s keine Antwort. Ich sehe das als Epiphänomen. Träumen ist einfach ein sinnloses Nebenprodukt der Gehirnaktivität. Das liegt daran, dass man im Wachzustand ständig Bewusstsein generiert und wenn man aufwacht, dann ist die Aktivität des Gehirns ziemlich chaotisch. Aber es gibt Instanzen im Gehirn, die einen dazu zwingen, Episoden zu konstruieren und alles in Raum und Zeit zu bringen. Das Gehirn versucht dann diese residuale Aktivität, die da irgendwo rumschwirrt in den Netzwerken in so eine Art raum- und zeitepisodische Sequenz hineinzukriegen und das ist der Traumbericht.

„Wir würden auch gut durch die Welt kommen, wenn wir nicht träumen würden.“

Warum ist Träumen ein „sinnloses Nebenprodukt“?

Naja, es geht hier mehr um die Funktion des Träumens. Aus biologischer Sicht gibt es keine Funktion des Träumens. Wir würden auch gut durch die Welt kommen, wenn wir nicht träumen würden. Aber das ist genau die Frage, die die Neurowissenschaft beschäftigt, nämlich die Frage des Bewusstseins. Als Neurowissenschaftler muss man da konsequent sein, denn das Bewusstsein als solches hat keine Funktion. Es hat für einen Philosophen eine Funktion in dem Sinne, wenn er über den freien Willen und die freie Entscheidung nachdenkt, dann braucht er Bewusstsein, in dem der freie Wille lokalisiert ist. Das braucht der Neurowissenschaftler nicht. Für den entsteht Bewusstsein und auch Traumbewusstsein immer als Folge einer neuronalen Aktivität. Aber man kann jetzt nicht sagen, dass der neurowissenschaftliche Ansatz empirischer ist, der hat seine Grenzen. Deshalb kann man die Frage, warum wir ein Bewusstseinsphänomen brauchen, neurowissenschaftlich nicht beantworten.

Vielen Dank, Herr Born, für das Gespräch!

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Die Zeit anhalten, ein Einhorn treffen oder auf einem Papierflieger zum Mond düsen – in Träumen ist alles möglich. Daher widmet sich dieser Blog dem Thema ‚Träume‘ auf ganz verschiedene Weise. Neben Beiträgen zur Etymologie des Wortes oder der parapsychologischen Bedeutung findet ihr Bildstrecken zum Beispiel von ‚traumhaften‘ Album-Covern und vieles mehr. Was es sonst noch über unsere nächtlichen Fantasien zu wissen gibt, lest ihr in diesem kleinen Rundumschlag.

Manchmal klingt meine Mitbewohnerin wie Martin Luther King. Vor allem morgens. „I had a dream“, verkündet sie stolz, während sie in ihrem karierten Schlafanzug in der Küche sitzt. Inzwischen gibt es in unserer WG ein Ritual dazu: Während normale Studierende morgens leicht verschlafen in dankbarer Ruhe ihren Kaffee schlürfen, halten wir schon eine Besprechung ab: die Traum-Runde. Jeder erzählt, woran er sich erinnert. Meine Mitbewohnerin ist wohl Traumweltmeisterin in der Kategorie ‚Verrückteste Träume‘. Mit Begeisterung und einer Detailverliebtheit, die ihresgleichen sucht, erzählt sie uns von ihren nächtlichen Ausflügen. Schilderungen von Zuckerwatte vespernden Dinosauriern, die die Weltherrschaft übernehmen, widerlegen die These, dass Träume irgendeinen Sinn ergeben müssen. Im Gegenteil – aus dem Altgermanischen stammend bedeutet das Wort sogar ‚falsches Bild‘.

Männertraum und Traummänner

Männer und Frauen träumen anders

Männer und Frauen träumen anders. Foto: Tabea Siegle

Diese falschen Bilder, die nachts durch die Köpfe von Männern und Frauen geistern, sind nicht nur ganz individuell, sondern auch geschlechtsabhängig. Der Mannheimer Traumforscher Michael Schredl fand heraus, dass Frauen zumeist von zwischenmenschlichen Kontakten, von verstorbenen Angehörigen oder von Kosmetik und Kleidung träumen. Der Klassiker: Im Traum die Klamotten vergessen und nackt durch die Gegend spazieren; am nächsten Morgen erstmal panisch den Schlafanzug abtasten und sich bei jedem Ausflug versichern, dass man Stoff an seinem Körper trägt. Männerträume dagegen seien oft ein Aufgebot männlicher Stereotypen. Die vorherrschenden Inhalte beschäftigen sich laut Schredls Untersuchungen mit Gewalt, Sexualität und Waffen. Quasi ein Blockbuster-Traum. Das würde erklären, woher zum Beispiel ein Steven Spielberg seine Filmideen hat… Männer träumen dabei übrigens nicht nur häufiger von gewaltvollen Inhalten; in 80 Prozent der Angstträume von Kindern und Jugendlichen sind die als bedrohlich empfundenen Personen auch männlich. Stellt sich die Frage: Ist ein im Traum vorkommender Mann dann ein Traummann?

Traumhafte Entdeckungen

Kommen wir also vom Männertraum zu Traummännern. Die Augen von Bradley Cooper, Mund und Nase von Robert Pattinson, den durchtrainierten Körper von Chris Hemsworth – so oder so ähnlich könnte ein Traummann aussehen. Schildere ich diese leicht unrealistische Version meines Traummannes meinem Umfeld, ist die mitleidige Antwort oft etwas wie: „Und wovon träumst du nachts?!“ Diese Frage beantwortet sich dann von selbst, denn die Wissenschaft ist auf meiner Seite. Es ergibt durchaus Sinn, wenn Frauen sich ihren Traummann nach bekannten Vorbildern zusammenstückeln – so träumt Frau laut der Traumforschung meistens von Gesichtern, die sie bereits gesehen hat. Ein Traum ist zwar immer ein Produkt des Gehirns, das mitunter sehr kreativ sein kann, die Fantasien beruhen jedoch zumeist auf den Eindrücken des Tages und des Bekannten. Die Wahrscheinlichkeit, meinem Traumprodukt in der Realität des Tages zu begegnen, ist gar nicht so gering. Viele Entdeckungen gehen auf nächtliche Eingebungen zurück. So etwa die Struktur des Periodensystems (man stelle sich diesen absurden Traum vor), die Nähmaschine oder auch der Beatles-Song „Yesterday“.

Der Albtraum und die Toilette

Platz 1 der häufigsten Albträume: In die Tiefe stürzen. Foto: Tabea Siegle

Das Neuronengewitter, das nachts in unserem Kopf herumzuckt, fabriziert leider nicht nur zahnpastawerbungs-lächelnde Traummänner oder ausgefuchste Erfindungen. Eine unliebsame Art Traum, die jeder von uns kennt, ist der Albtraum. Manche träumen von Urlaub am Meer, andere haben einen Alp-Traum. Spaß beiseite; natürlich haben Angstträume nichts mit dem bekannten Gebirge zu tun und überhaupt empfiehlt die Rechtschreibreform seit 1998 die Variante mit b. Albträume gibt es schon, seit der Mensch denken kann. Von panischen Fluchtversuchen, einem endlosen Fall, dem Tod eines geliebten Menschen, Schlangen oder einer Toilette. Richtig gelesen – Klo-Träume kommen anscheinend recht häufig vor. Dabei kann die Toilette als Metapher stehen und symbolisiert die Notwendigkeit einer seelischen Entschlackung oder eines psychischen Reinigungsprozesses.

Was Freud vom Treppensteigen hält

Traumdeutung ist überhaupt ein kontroverses Thema. Der Vater der Traumdeutung, Sigmund Freud, assoziierte die meisten im Traum vorkommenden Objekte und Inhalte mit verdrängten sexuellen Wünschen. Beispielsweise erklärt Freud Träume, in denen der Träumende fliegt, als sexuelles Verlangen des Rausches. Das Treppensteigen – ein klassisches Sexualsymbol, wer kennt es nicht – setzt der Psychoanalytiker mit dem rhythmischen Akt des Geschlechtsverkehrs gleich. Und an alle weiblichen Träumerinnen: Falls ihr einmal von Spinnen träumt, signalisiert das einen Mutterkonflikt. Spannend – an diese Interpretation hätte ich nicht einmal im Traum gedacht!

Dream on

Wovon wohl Student*innen träumen? Foto: Tabea Siegle

Träume können uns also sehr viel mitteilen. Schade nur, dass mein Gehirn nicht in der Lage zu sein scheint, sich die Trauminhalte zu merken. Es liegt vermutlich daran, dass mein ganzes Körpersystem in der Aufwachphase erstmal hochfahren muss –eventuell werden noch ein paar Updates installiert – und dann keine Kapazität besteht, die Träume nachhaltig zu speichern. Zu unserer allmorgendlichen Traum-Runde kann ich nur wenig beitragen. Vielleicht besser so. Ein weiterer Pluspunkt: Forscher*innen um Michael Schredl untersuchten im speziellen Studierendenträume. Sie fanden heraus, dass sich unser Gehirn viel lieber mit sozialen Aktivitäten als mit langweiligem Vorlesungsstoff beschäftigt – puh! Und träume ich von der Arbeit, schreibe ich sowieso direkt acht Überstunden auf. In diesem Sinne, wie es so schön heißt: Träumt weiter!

 

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„Das schaffst Du nie“ – „Bist Du dafür nicht zu alt?“ – „Aber Du musst doch von etwas Richtigem leben“. Wer solche Sprüche schon einmal gehört hat, hat es möglicherweise gewagt, seinen großen Traum mit seinen Mitmenschen zu teilen. Doch die Zuversicht schwindet schnell, sobald die eigenen Träume nur müde belächelt werden. Menschen, die unsere Träume kleinreden, können wir überall begegnen. Ob es die eigenen Eltern oder Großeltern sind, Freund*innen, Kolleg*innen oder sogar Vorbilder. Doch was können wir tun, um selbstwirksam an unseren Träumen festzuhalten?

Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Künstlerder beruflich Konzeptzeichnungen für Videospiele entwarf. Ich hatte Interesse an dem Beruf und den Künstler gebeten, mir von seinem Alltag zu erzählen und davon, wie er in diesen Beruf gerutscht ist. Das Gespräch war eine Katastrophe, denn der Künstler streute überall Ermahnungen ein, die mir deutlich sagten: Wenn du nicht jede Sekunde Deines Lebens mit Zeichnen verbringst, wird aus Dir nie eine Konzeptzeichnerin. Nach dem Gespräch war ich entmutigt und frustriert. Sauer auf mich, dass ich diesen Künstler überhaupt erst angesprochen hatte. Hätte ich doch den Traum, mein Hobby zum Beruf zu machen, nie ausgesprochen, und meinen Weg ganz allein gefunden. Nun, was soll ich sagen? Sechs Jahre nach dem Gespräch mit dem Konzeptzeichner habe ich es geschafft, mich selbstständig zu machen und arbeite erstmalig als 2D-Grafikerin an einem kommerziellen Videospiele-Projekt mit. Das Projekt ist nicht bahnbrechend und ich kann meinen Lebensunterhalt nicht damit verdienen. Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Ich dachte lange Zeit, ich würde glücklich werden, wenn ich den einen Traum habe und ihn verfolge. Im Leben nichts anderes tue und mich nur auf diese eine Sache konzentriere. Denn genau das ist es, was erfolgreiche Menschen ausmacht. Oder nicht?  

Viele Wege führen an den Zeichentisch 

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Der Weg zum Traum (@Pixabay)

Sicher gibt es Menschen, die genau diesen Weg gehen und mit der einen Leidenschaft erfolgreich und glücklich werden. Doch es ist nicht immer notwendig ‚All-In‘ zu gehen. Es gibt so viele Wege und Möglichkeiten seine Träume zu verwirklichen und trotzdem realistisch zu bleiben. Aus mir wird nie eine große Konzeptzeichnerin, die mit ihren Grafiken ihren Lebensunterhalt verdienen kann. Das habe ich akzeptiert. Dafür arbeite ich zu wenig und nicht hart genug an meinen Fähigkeiten. Die Konkurrenz ist stark und die Bezahlung mies, selbst bei großen Projekten. Zudem musste ich feststellen, dass es gar kein so großer Spaß ist, sein Hobby mehrere Stunden täglich auszuübenum sich damit sein Einkommen zu sichern. Anstatt also mein ganzes Leben auf diesen Traum zu konzentrieren, habe ich mehrere meiner Interessen verfolgt – und siehe da, einen Teil meiner Zeit darf ich nun meinem Traum widmen.

Es ist also gar nicht immer notwendig, den besten Start, die perfekte Ausbildung, die reichsten Eltern oder das größte Talent zu haben, um seine Träume zu verwirklichen. Neben einem Interesse an der eigenen Erfüllung der Träume spielt das Konzept der sogenannten ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘ eine große Rolle. Dieses Konzept wurde in den 1970er Jahren von Albert Bandura, einem kanadischen Psychologen, entwickelt. Selbstwirksamkeit bezeichnet eine Haltung gegenüber den eigenen Fähigkeiten und den damit verbundenen Möglichkeiten, seine Ziele zu erreichen. Wer sich also ein Ziel setzt und der festen Überzeugung ist, dieses zu erreichen, besitzt eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung.

Selbstwirksamkeit lässt sich trainieren

Wie viel oder wenig ein jeder davon besitzt, wird durch bisherige Erfahrungen bestimmt. Erleben wir häufig Fehlschläge, sinkt unser Glaube an uns und unsere Fähigkeiten. Im Umkehrschluss können wir unsere Selbstwirksamkeit aber auch trainieren, indem wir uns kleine Ziele setzen, die wir einfach erreichen. Die ersten Ziele sollten demnach auf unsere bisherigen Fähigkeiten aufbauen, um einfach erreichbar zu sein. Gleichzeitig sollten wir jedoch darauf achten, die Ziele nicht zu einfach zu definieren. Denn wenn wir etwas schaffen, das uns ohnehin sehr leichtfällt, empfinden wir keinen Erfolg beim Erreichen des Ziels oder beim Lösen der Aufgabe. Haben wir ein gutes Maß gefunden, das zu uns passt und das Ziel erreicht, ist es wichtig unseren eigenen Erfolg anzuerkennen. Denn durch den Stolz und das Erfolgsgefühl motivieren wir uns selbst dazu, weitere Ziele zu erreichen. Ist letztendlich ein Fundament aufgebaut, können wir anfangen unsere Ziele zu vergrößern und sogar an unseren Träumen zu arbeiten, die wir vorher noch für unerreichbar hielten. 

No Regrets 

Der Versuch ist das höchste Ziel (@Pixabay)

Ein Traum, als Teil unserer Vorstellung vom Leben, leitet uns in eine Richtung, die wir verfolgen können, wenn wir uns dafür entscheiden. Er ist kein Fixpunkt unserer Geschichte. Möchtest du gerne ein bekannter Popstar in Amerika werden? Oder eine weltberühmte Schriftstellerin? Es gibt etliche Gründe, weshalb das Erreichen dieser Ziele eher unrealistisch ist. Aber vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, um glücklich zu werden. Vielleicht reicht es dir, erst einmal auf einer kleinen Bühne in deiner Stadt aufzutreten oder für eine lokale Zeitung zu schreiben. Das klingt schon viel realistischer, oder nicht? Und mit der steigenden Erfahrung und dem Wissen, das dieser Weg mit sich bringt, kannst du ihn weiter gehen oder ihn wieder verlassen und dich weiter umsehen. Vielleicht bringt dich der Versuch, deinen Traum zu erfüllen, auf ungeahnte Wege. In jedem Fall wirst du dir am Ende sagen: Du hast es versucht. 

Denn wenn wir 90 sind und es nicht einmal versucht haben, werden wir es bereuen. 

 

Möchtest du noch mehr über das Thema lesen? Schau doch einmal hier vorbei: Wo ein Wille ist, ist der Wunschtraum nicht fern

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Ätherische Melodien und Vocals, sanfte psychedelische Effekte, traumgleiche Klangwelten. Dream Pop vereint zahlreiche Qualitäten, die eigentlich ein ‚klassisches‘ Underground-Genre ausmachen. Dennoch schaffte es die träumerische Musikrichtung Anfang der 2010er-Jahre unverhofft in die Charts. Es war die experimentierfreudige Songwriterin Lana del Rey aus Los Angeles, die dem Genre mit Alben wie Ultraviolence und Honeymoon zu neuem Glanz verhalf. Doch wo kommt der Dream Pop eigentlich her? 

Die Shoegaze-Band Slowdive aus Reading zählt zu den Pionieren des Dream Pop. © Flickr

Dream Pop entwickelte sich ursprünglich im Großbritannien der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre aus dem Alternative Rock. Nicht selten inspiriert von den träumerischen und psychedelischen Sounds und Bands der 1960er/70er-Jahre wie beispielsweise den Beach Boys („All I Wanna Do“, 1970) und The Velvet Underground. Die schottische Band Cocteau Twins mit ihrem Album Head Over Heels (1983) und die britische Band Slowdive waren Wegbereiter für eine erste Popularisierung des Genres.

Über die kommenden Jahre und Jahrzehnte wagten sich zahlreiche weitere Künstler*innen zumindest vorübergehend an den verträumten Sound heran oder verschrieben sich diesem voll und ganz. Darunter Gruppen wie Beach House, M83, Au Revoir oder The Cure. Komponist Angelo Badalamenti und Sängerin Julee Cruise zeigten mit den Filmmusiken für Blue Velvet und Twin Peaks darüber hinaus, dass das Genre über hervorragende Soundtrack-Qualitäten verfügt.

Wie Träume klingen

Der Sound des Dream Pop ist markant und vielschichtig. Die vornehmlich weiblichen Vocals werden für gewöhnlich exzessiv mit Echo- und Reverb-Effekten unterlegt. Diese helfen dabei, die Stimme voller und natürlicher klingen und länger nachhallen zu lassen. Synths und gelayerte Gitarren generieren eine sanfte, weiche und oftmals elegische Stimmung. Auch mystische Melodien und Rhythmen tragen zum verträumten und ätherischen Feeling der Songs bei. Die Akkordfortschreitung bleibt dabei trotz der unkonventionellen Art der Bearbeitung stets im klassischen Pop verwurzelt. Die Beats sind allerdings deutlich weniger betont produziert, als es normalerweise in diesem Genre der Fall wäre. Die zahlreichen Effekte haben ein klares Ziel. Im Dream Pop soll ein Aspekt alle anderen überstrahlen: die Atmosphäre.

Dream Pop-Bands haben überwiegend kleine Besetzungen und bestehen zumeist aus Gitarrist*innen, Bassist*innen, Drummer*innen und Sänger*innen. Die Vocals nehmen dabei einen besonders dominanten Part ein, wobei Melodie und Klang wichtiger sind als die eigentlichen Texte. Die Stimme kann somit als das vorherrschende ‚Instrument‘ verstanden werden. Daher eignet sich das Genre auch hervorragend für Solo-Künstler*innen. Bands und Künstler*innen kombinieren die klanglichen Elemente des Dream Pop oft mit verwandten Genres wie dem Indie-Rock, dem Synth-Pop oder dem Noise Pop, um letztlich einen charakteristischen Sound für sich zu entwickeln.

Die ‚Dream Queen‘

So auch Lana del Rey. Keine Dream Pop-Künstlerin war in den vergangenen Jahren wichtiger und einflussreicher. Das Billboard-Magazin bezeichnet sie als Impulsgeberin für den Sound einer neuen Generation des Pop – weg von der aufdringlichen elektronischen Tanzmusik der frühen 2010er hin zu einem melancholischeren und vom Hip-Hop geprägten Stil. Bruce Springsteen nannte sie mal eine der besten Songwriter*innen der Vereinigten Staaten. Für Stars wie Taylor Swift, Halsey und Billie Eilish stellt sie eine bedeutende Inspirationsquelle dar und ist damit auch weit über die Grenzen des Dream Pop hinaus eine der einflussreichsten Künstler*innen der Gegenwart.

Lana del Rey hat den Dream Pop in den 2010er-Jahren wieder popularisiert. © Flickr

Insbesondere in den frühen Jahren ihrer Karriere nutzte del Rey die atmosphärischen Elemente des Dream Pop als Basis für ihren Stil. Prononciert sind diese beispielsweise bei Songs wie „Video Games“, „Ultraviolence“ oder „Brooklyn Baby“ zu hören. Dabei integrierte sie etwa mit Baroque Pop eine Mischung aus klassischer Musik und Pop, setzt mit Indie subtile Akzente und gab ihrem Sound dadurch eine persönliche Handschrift. Was sie wohl jedoch am meisten von ‚klassischen‘ Dream Pop-Acts unterscheidet, ist der starke Fokus auf die Lyrics. Hier finden sich viele Spuren von Nostalgie, wenn sie über Americana der 1950er und 1960er-Jahre singt.

Die Themen sind zu dieser Zeit zumeist düster, trist oder bittersüß. Oft geht es um Alkohol, Drogen, Geld, Ruhm, toxische Beziehungen und ihre Affinität zu reichen weißen Männern. Aber auch darum, trotz all dieser Probleme im Leben die Kontrolle zu behalten. Der eher finstere Blick auf das Leben sollte sich in den kommenden Jahren mit wechselnden Genres doch noch – zumindest gelegentlich – zum Positiven orientieren, was Tracks wie „Love“, „Lust for Life“ und insbesondere „Get Free“ exemplarisch darstellen.

Nach Ausbrüchen in neue Gefilde wie Soft Rock, Folk und Psychedelia bleibt abzuwarten, ob die ‚Dream Queen‘ auf ihrem bald erscheinenden Album Blue Banisters weiterhin ihre Experimentierfreudigkeit auslebt oder, nach einigen Jahren Abstinenz, doch wieder zu ihren Wurzeln zurückkehrt, wie es die drei vorab veröffentlichten Singles bereits ein wenig vermuten lassen. In diesem Fall nimmt sie uns vielleicht wieder einmal mit auf eine verträumte Fahrt durch ein längst vergangenes (oder vielleicht ohnehin fiktives) Amerika.

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Wer kennt’s nicht: Alltagsstress, Unausgeglichenheit und eine nicht enden wollende To-Do-Liste? Da will man eigentlich nur noch in den Urlaub. Die gute Nachricht: Für eine Auszeit – am besten in einer Hängematte liegend und Cocktail schlürfend am Strand – muss man nicht einmal einen Flug buchen, geschweige denn das eigene Zimmer verlassen. Für eine Traumreise braucht man eigentlich nur ein Bett – und jede Menge Fantasie.

Ein paar kräftige Schwimmzüge noch, dann habe ich das Ufer erreicht. Langsam wate ich aus dem Wasser, meine Füße tauchen ein in den warmen Sand. Während ich den Strand entlang spaziere, lasse ich den Blick über das Glitzern des Meeres und die vor mir liegende Insel schweifen. Dort drüben, eine Hängematte. Zwischen zwei Palmen schaukelt sie sanft im Wind. Ich lege mich hinein, und nehme jetzt kaum noch die weibliche Stimme wahr, die mir ins Ohr flüstert: „Spüre mit jedem Schwingen den warmen Wind in deinem Gesicht und auf deinem Körper… du fühlst dich vollkommen glücklich und entspannt.“ Die Sonnenstrahlen und Schatten der Palmwedel tanzen im Duett vor meinen geschlossenen Augenlidern. Vögel zwitschern. Irgendwo hupt ein Auto. Ein Auto? Aufgeschreckt durch das Geräusch öffne ich die Augen.

Na toll. So fühlt sich also Entspannung an. Es ist Sonntagnachmittag und ich liege auf dem Rücken ausgestreckt auf meinem Bett. In der Nase habe ich jetzt nicht mehr den salzigen Geruch von Meerwasser, sondern die Gemüselasagne meiner Mitbewohnerin, die nebenan im Backofen schmort. Und auch die Stimme, die mir gerade noch ins Ohr gehaucht hat, ist verstummt. Stattdessen: Autohupen auf der Hauptstraße vor meinem WG-Zimmer in Tübingen. Beim nächsten Mal schließe ich von vornherein das Fenster, denke ich mir. Also nochmal von vorn: Aufstehen – Fenster zu. Wieder hinlegen – Augen zu. Dann startet die über YouTube abgespielte Traumreise aufs Neue. „Mach es dir bequem und lass die Hektik des Alltags hinter dir“, tönt es gleich darauf aus meinem Laptop. Tja, wenn das so einfach wäre, entgegne ich im Stillen den Anweisungen der Erzählerin.

„Bilder aus der Natur wirken sehr gut“

Eine Traumreise, auch Fantasiereise genannt, ist ein imaginatives Entspannungsverfahren, das mitunter in der Psychotherapie angewandt wird. Bei Traumreisen liegt man in einer angenehmen Körperposition und lauscht mit geschlossenen Augen einer Geschichte, die von Sprecher*innen erzählt wird. Dabei entwickeln die ‚Reisenden‘ in ihrer Vorstellung bestimmte Fantasien. Die als positiv empfundenen Sinneseindrücke und Bilder sollen Entspannung bewirken. „Wenn der Erzähler die richtigen Vorstellungsbilder zeichnet, können Menschen zur Ruhe kommen. Insbesondere Bilder aus der Natur wirken sehr gut“, sagt der Psychologe Volker Friebel im Gespräch mit Zwischenbetrachtung. Der 65-Jährige hat eine besondere Beziehung zu Traumreisen. Er führt sie seit Jahrzehnten durch, sowohl mit Schüler*innen als auch mit Erwachsenen: „In der Entspannungspädagogik spielen Traumreisen heutzutage eine wichtige Rolle. Sie bieten eine gute Möglichkeit für kurze Entspannung, um beispielsweise während der Arbeit mal eben runterzukommen.“

Aber was passiert eigentlich genau in unserem Gehirn, wenn wir uns einer Traumreise unterziehen? „Entspannung ist die Übergangsphase zwischen Wachzustand und Schlaf“, führt Friebel aus. „Und es herrscht ein verbreiteter Konsens darüber, dass dieser Übergang bei einer Traumreise verlängert wird.“ Damit eine Traumreise ihre entspannende Wirkung erziele, müssten allerdings ein paar Bedingungen erfüllt sein: „Für eine Traumreise eignen sich ruhige Orte, an denen mögliche Störgeräusche ausgeschlossen werden, am besten. Was nicht heißt, dass Traumreisen nicht auch unter ungünstigen Bedingungen funktionieren können“, so Friebel. Auf Seiten der Erzähler*innen sei es zudem wichtig, langsam und mit Pausen zu sprechen, damit die Vorstellungskraft der ‚Reisenden‘ angeregt werden kann.

Kichernde Kinder, ernsthafte Erwachsene

Soweit die Theorie. Und was sagt die Praxis? In meiner eigenen Traumreise habe ich es mittlerweile wieder geschafft, an den Strand der Insel mit der Hängematte zu paddeln. Das Autohupen und die Gemüselasagne sind schnell wieder vergessen, als ich durch den feinkörnigen Sand stakse. In der Ferne entdecke ich ein gestrandetes Fischerboot, während die flüsternde Stimme der Erzählerin an meine Ohren dringt: „Spüre wie der Sand mit jedem Schritt eine wohlige Wärme an deine Füße abgibt.“ Und wie ich die Wärme spüre. Ob’s auch an den mehr als 25 Grad Außentemperatur liegt, die an diesem Nachmittag in Tübingen herrschen? Kaum vorstellbar.

„Traumreisen funktionieren bei fast jedem“, so die These von Volker Friebel. „Es gibt eigentlich nur wenige Menschen, die sagen, dass sie sich nichts bildhaft vorstellen können.“ Bei Kindern seien sie generell wirkungsvoller als bei Erwachsenen – letztere fänden allerdings einen leichteren Zugang zu Traumreisen: „Erwachsene lassen sich in der Regel gleich auf die ungewohnte Situation ein. Kinder sind etwas unsicherer, wenn sie nebeneinander mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen. Die fangen dann auch schon mal an zu kichern.“ Nichtsdestotrotz würden vor allem unruhige Kinder sehr gut auf Traumreisen anspringen, so Friebel.

„Stress ist eigentlich eine schöne Sache“

Wann genau Traumreisen entstanden sind, ist unklar. Die Psychologie kennt die positive Wirkung von Vorstellungsbildern bereits seit vielen Jahrzehnten. Heute muss man natürlich nicht mehr bis zur nächsten Therapie-Sitzung oder Einheit für autogenes Training warten, um sich auf eine Traumreise zu begeben: Bei YouTube oder Spotify sind sie mit nur wenigen Klicks zu finden. Die meisten dauern zwischen 20 und 40 Minuten.

Auf meiner eigenen Traumreise bin ich nun dabei, im Schatten des Fischerbootes die Milch einer frisch ergaunerten Kokosnuss zu schlürfen, als ich erneut aus der Strand-Idylle gerissen werde. Klopf klopf. Meine Mitbewohnerin steckt ihren Kopf durch die Tür und fragt, ob ich bei ihrer Lasagne mitessen möchte. Ich vertröste sie auf später und versuche wieder auf „meine“ Insel zu gelangen. Doch dieses Mal ist es deutlich schwerer. Ich strenge mich an, allerdings vergeblich. Enttäuscht registriere ich wenige Augenblicke darauf die Stimme der Erzählerin: „Nun ist es an der Zeit zu gehen“ – eine Einschätzung, die ich überhaupt nicht teile. Diese ganzen Unterbrechungen durchs Autohupen und meine Mitbewohnerin stressen einen eher, dabei sollte eine Traumreise doch entspannend sein. Unter diesen Umständen ist das allerdings ein ziemlicher Wunschtraum. Das Ziel meiner Traumreise: verfehlt. Oder doch nicht?

„Entspannung ist schön und gut, aber wir Menschen brauchen auch die Aktivität“, sagt Volker Friebel. „Stress ist eigentlich eine schöne Sache, denn das Leben sollte nicht aus reiner Entspannung bestehen. Wenn der Stress kommt, ist es nur wichtig, dass ich weiß, wie ich mich entspannen kann.“ Möglicherweise hat mein kleiner Insel-Trip ja doch etwas gebracht. Immerhin trete ich mit Friebels Worten im Hinterkopf nun etwas beruhigter den Gang Richtung Küche und Lasagne an.

 

Titelbild: © Unsplash

 

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In sogenannten ‚Wahrträumen‘ träumen Menschen von Dingen oder Ereignissen, die zu einem anderen Zeitpunkt nahezu identisch eintreten. Walter von Lucadou, Leiter der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg, beschäftigt sich schon lange mit dem Phänomen. Wahrträumen sei weder eine Gabe noch reiner Zufall. Betroffene sollte man daher nicht für verrückt erklären, sondern ernst nehmen.

Für Walter von Lucadou lassen sich Wahrträume naturwissenschaftlich erklären. © Tamara Beck

Parapsychologie ist ein Nebenfach der Psychologie, in dem übernatürliche Phänomene wissenschaftlich ernst genommen werden, die ansonsten gerne als ‚Spinnerei‘ oder ‚Geistergläubigkeit‘ abgetan werden. Bereits vor 50 Jahren spezialisierte sich der studierte Physiker und Psychologe Walter von Lucadou auf die Parapsychologie. Er findet es wichtig, dass auch eine so umstrittene Traumart wie das Wahrträumen wissenschaftlich ernst genommen wird. Repräsentativen Umfragen zufolge haben 60 Prozent der Bevölkerung schon einmal paranormale Erfahrungen gemacht, so von Lucadou. Bei den Wahrträumen sei es zentral, sich mit den Inhalten der Träume intensiver zu befassen und Betroffene beim Umgang mit ihnen zu unterstützen. Die erste Hürde bestehe darin, „zu erreichen, dass die Leute überhaupt akzeptieren, dass es sowas gibt“. Wie das gehen kann, erklärt er im Interview.

Erlebt jeder Mensch im Laufe seines Lebens Wahrträume oder ist die Wahrscheinlichkeit aufgrund bestimmter Umstände höher? Gibt es Zahlen hierzu, Herr von Lucadou?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Leuten, die eine künstlerische Begabung haben oder einen guten Draht zu anderen, also leicht emphatische Verbindungen eingehen können, die haben häufiger solche Erfahrungen. Das Problem besteht darin, dass Menschen, die das einmalig erleben, es häufig wegrationalisieren und sagen: ‚Das war ein Zufall‘. Daher hat man keine genaue Zahl. Diese 60 Prozent sind die Menschen, denen das auffällt. Daher weiß man nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist.

Sie sagten, dass in Ihrer Beratungsstelle an die 3.000 Menschen im Jahr anrufen und um Rat fragen, unter anderem mit Wahrträumen. Wie gehen Sie damit um?

Was man lernen muss, ist erst einmal zuhören. Die meisten Menschen reagieren, wenn sie sowas erzählt kriegen, so: ‚Ach, das haben Sie sich doch nur eingebildet.‘ Diese Sachen haben sich die Leute aber meistens schon selbst überlegt. Sie rufen ja an, wenn diese Überlegungen nicht mehr passen. Die Leute erwarten auch gar nicht, dass wir eine fertige Antwort haben, sonst würden sie nicht anrufen. Sie erwarten, dass man ihnen mal zuhört. Dafür muss man alles, was einem berichtet wird, so betrachten, als ob man es zum ersten Mal hört – und das muss man trainieren.

Sie sprechen sich ja für die Existenz von Wahrträumen aus. Welche Beispiele haben Sie in dieser Meinung bestärkt?

Das war noch relativ am Anfang. Ein junger Mann rief mich an und fragte, ob er in die Beratungsstelle kommen könnte. Er sei seit vier Wochen in der Psychiatrie, habe aber das Gefühl da nicht reinzugehören. Er habe eines Nachts einen schrecklichen Alptraum gehabt, wie sein Vater bei einem Autounfall ums Leben kam. Der Vater wusste nichts davon. Am gleichen Abend erreichte die Familie die tragische Nachricht, dass der Vater tatsächlich bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und dieser stimmte ziemlich genau mit dem Traum des jungen Mannes überein, der natürlich total erschüttert war. Als ich bei dem Arzt des jungen Mannes anrief, sagte der mir, sie gehen von Tötungsfantasien in Bezug auf den Vater aus. Jedoch hing der Sohn sehr an seinem Vater und ihm dann sowas zu unterstellen ist monströs. Der Arzt hatte noch nie gehört, dass es Wahrträume gibt und es ausschließlich psychoanalytisch interpretiert. Daran sieht man: Unabhängig davon, ob man sowas erklären kann oder nicht, die bloße Kenntnis, dass es sowas gibt, ist notwendig.

„Manche haben ein Bauchgefühl, andere einen Blitzeinfall.“

Haben Wahrträume einen gewissen Ablauf oder eine Struktur?

Es fällt einem auf, wenn es sich wiederholt. Die Erlebnisform dabei kann ganz unterschiedlich sein. Manche haben ein Bauchgefühl, also sowas wie eine Ahnung. Andere haben einen Blitzeinfall, sehen also plötzlich ein Bild. Das ist individuell. Ich würde sagen es ist eine Disposition. In bestimmten Situationen erlebt man sowas und in anderen halt nicht. Es kommt aber nicht selten vor und die Leute wissen nicht, wie man damit umgeht. Die erste Hürde ist, zu erreichen, dass die Leute überhaupt akzeptieren, dass es sowas gibt. Und das wird häufig eben nicht akzeptiert.

Beziehen sich Wahrträume ausschließlich auf zukünftige Ereignisse?

Nein, es geht in beide Richtungen. Jedoch ist nicht der räumliche oder zeitliche Abstand das entscheidende Kriterium für solche Träume, sondern die Bedeutung, die etwas für einen hat. Wenn zum Beispiel der Großvater stirbt, hat das für jemanden eine große Bedeutung. Wenn jemand Fremdes in der gleichen Straße stirbt, dann werde ich das nicht träumen, weil es keine Bedeutung für mich hat. Die Art von Träumen orientiert sich also nicht nach räumlichen oder zeitlichen Distanzen, sondern nach Bedeutungsdistanzen.

„Wahrträume sagen nicht die Zukunft voraus, sondern bereiten uns auf ein emotionales Event vor, das wir ohne nicht so gut bestehen könnten.“

Wie erforschen Sie Wahrträume?

Eine unserer Methoden die ‚Bildergalerie‘. Dabei schreibt man zuerst seinen Traum auf und hängt ihn als Bild in eine Galerie. Dann überlegt man sich mögliche Interpretationen, was der Traum bedeuten könnte und was man dagegen unternehmen würde. Am Ende lässt man ein Bild frei, falls einem weitere Interpretationen einfallen. Heißt, ich habe mich auf verschiedene Szenarien vorbereitet und egal, was passiert, ich gehe viel gelassener und reflektierter ran. Das ist der Sinn solcher Träume. Sie sagen nicht die Zukunft voraus, sondern sollen uns auf ein emotionales Event vorbereiten, das wir ohne nicht so gut bestehen könnten. Es ist also eine Art Schutz vor Traumatisierung.

 Zu welchen wissenschaftlichen Ergebnissen sind Sie bisher gekommen?

Wir haben herausgefunden, dass Wahrträume Musterübereinstimmungen zwischen einem Traum und einem späteren Ereignis sind. In der Physik nennt man das Verschränkung. Dieser Begriff beschreibt, dass zwei Messungen, also der Traum und das Ereignis, Strukturen aufweisen, die zusammenpassen, ohne dass eine kausale Wechselwirkung zwischen beiden besteht. Das bedeutet aber, dass es keine sichere Voraussage ist.

Wir sind also dran, diese paranormalen Dinge zu verstehen, aber ich würde sagen, wir müssen nochmal 50 Jahre Forschung investieren, um sagen zu können, wie das im Detail funktioniert. Aber was man gefunden hat, sind Verschränkungszusammenhänge, und die sind real und nicht übernatürlich, sondern einfach Naturwissenschaft.

Was meinen Sie, warum viele Menschen trotz allem nicht an Wahrträume glauben?

Wir kriegen ein Bild von der Welt vermittelt, das wir einfach hinnehmen, nach dem Motto: ‚So ist es und das muss man akzeptieren‘. Aber ein Wissenschaftler dreht es rum und fragt: ‚Ist es so?‘ Und alle Wissenschaftler haben immer nur dann was vorangebracht, wenn sie sich das gefragt haben, und meistens kommt raus, dass es eben nicht so ist.

Herr von Lucadou, vielen Dank für das Gespräch!

Titelbild: ©pixabay

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Wir verwenden das Substantiv ‚Traum‘ heute in vielen Situationen: Wir erzählen von einem schlechten Traum in der Nacht oder von unserem Lebenstraum. Wir verwenden das Adjektiv ‚traumhaft‘, um auszudrücken, wie unbeschreiblich schön etwas ist. Aber dabei ist den meisten von uns nicht bewusst, woher das Wort ‚Traum‘ eigentlich kommt, welche Bedeutung es früher hatte und wie es sich entwickelt hat.

Die ersten Überlieferungen des Wortes ‚Traum‘ stammen aus den frühen indoeuropäischen Sprachen, welche Vorstufen des Deutschen sind. Zu den indoeuropäischen Einzelsprachen gehören zum Beispiel Altindisch (ab 1200 v. Chr.) oder Altgriechisch (ab 800 v. Chr.). Wie der Sprachwissenschaftler Gunthard Müller in einem Handbuch-Artikel über Sprachgeschichte und Semantik erklärt, ist einer der ältesten überlieferten Begriffe für Schlaf im altgriechischen Wortpaar ὄναρ τε καὶ ὕπαρ (ónar te kaì hýpar) enthalten: Es bedeutet ‚Schlafen und Wachen‘, kann aber auch ‚Nacht und Tag‘ oder ‚Traum und Realität‘ bedeuten. Dabei lautet die Grundbedeutung von ὄναρ etwa ‚unten liegen‘; die von ὕπαρ ‚auf sein‘. Tatsächlich finden wir diese Bedeutungen auch in unserer heutigen Sprache noch. So sprechen wir davon, ‚auf zu sein‘, wenn wir wach sind. Genauso sagen wir: ‚Ich lege mich hin‘, wenn wir schlafen gehen. Im Indoeuropäischen wurden Begriffe nach dem Konkreten gebildet, das heißt Phänomene wurden so benannt, wie sie in der Realität sichtbar waren.

Kein eigenes Wort für Träume

Da man Träume nicht beobachten kann, gab es in den frühindoeuropäischen Sprachen vorerst keinen eigenen Begriff für Traum. Es gab nur Begriffe für Schlaf, die auch Traum meinen konnten: Denn ‚unten liegen‘ bzw. Schlafen konnte beobachtet werden. Daraus schließt Gunthard Müller, dass Träume in der frühindoeuropäischen Kultur nur im Zusammenhang mit Schlaf betrachtet wurden und ihnen keine eigene Bedeutung zukam, die von der des Schlafs losgelöst war. Im Indoeuropäischen waren Begriffe für ‚unten‘ eher mit etwas Schlechtem verbunden, sodass auch die verwandten Wörter für Schlaf und Traum negativ konnotiert waren: Schlaf galt als Schwäche und Traum als Zustand der Inaktivität. Ein Traum war etwas, das in Menschen passierte, wenn sie ‚unten liegen‘. Dass dem Traum im Indoeuropäischen keine wesentliche Bedeutung zukam, kann man auch daran sehen, dass das Traum-Motiv in der Literatur nur sehr selten behandelt wurde. Und wenn es vorkam, dann in einem negativen Kontext.

Der altindische Text ‚Rigveda‘ kennt nur den Begriff des Alptraums. © Wikimedia Commons

So führt beispielsweise ein früher indoeuropäischer Text, der altindische Rigveda (ca. 1700–1100 v. Chr.), das Wort ‚Traum‘ nur in Verbindung mit einer negativen Vorsilbe auf, sodass es etwa mit ’schlechter Traum‘ übersetzt werden kann. Es kommt im Kontext von Abendgebeten im Rigveda vor, in denen die Menschen ihre Gottheit(en) bitten, sie vor ’schlechten Träumen‘ – vor Alpträumen – zu bewahren.

Träume als trügende Bilder

Im Althochdeutschen lautete das Wort für Traum troum. Es leitet sich vom germanischen Begriff *drauma- ab, der wiederum auf das indoeuropäische *drauǥma- zurückgeht, was so viel wie ‚Trugbild‘ oder ’nicht wirkliches/reales Bild‘ bedeutet. Bei dem germanischen Wort *drauma- muss man unwillkürlich an unseren heutigen Begriff ‚Trauma‘ denken. Im E-Mail-Interview mit Zwischenbetrachtung beantwortet die Germanistin Elisabeth De Felip-Jaud von der Universität Innsbruck die Frage, ob eine Verbindung zwischen den beiden Begriffen besteht, so: „Sprachetymologisch gibt es keine Verbindung zum heutigen Wort ‚Trauma‘, welches aus dem Griechischen τραῦμα kommt und ‚Wunde‘ bedeutet. Das Wort ‚Trauma‘ wird in der Medizin (Schädel-Hirn-Trauma) und auch in der Psychologie (seelischer Schock) verwendet. Gemeinsam haben die beiden Phänomene wohl, dass ‚Gedächtnis‘ und ‚Erinnerung‘ eine zentrale Rolle spielen. Das Wort ‚Trauma‘ ist erst im 19. Jahrhundert ins Deutsche übernommen worden.“

Nach dem etymologischen Wörterbuch von Wolfgang Pfeifer leitet sich aus dem indoeuropäischen Begriff *drauǥma- nicht nur das germanische Wort *drauma- ab, aus dem unser heutiges Wort ‚Traum‘ wurde. Aus *drauǥma- ist außerdem das indoeuropäische Wort *dhreugh- (‚trügen‘ oder ‚listig schädigen‘) hervorgegangen. Dieses hat sich weiterentwickelt zum althochdeutschen Wort triogan, zum mittelhochdeutschen triegen und schlussendlich zum heutigen Begriff ‚trügen‘.

„Wer sich Träumen zukehrt, der ist wohl genarrt“

Das mittelhochdeutsche Wort troum bedeutet zum einen ‚Traum‘, zum anderen aber auch ‚Täuschung‘ und ‚Verstellung‘. Auf die Fragen, ob Träume zu dieser Zeit als Täuschung betrachtet wurden und welche Rolle Träume im Leben der Menschen spielten, antwortet Elisabeth De Felip-Jaud, dass diese Fragen für das Mittelalter schwer zu beantworten sind: „Wir wissen leider nicht Bescheid, welche Rolle Träume generell im Leben der Menschen damals spielten. Wir haben zwar Reflexe in der Literatur, wie z.B. im Artusroman Iwein, in Parzival oder bei Walther von der Vogelweide. Aber das ist bereits wieder gebildete Stilisierung durch einen Autor.“ So weist Gunthard Müller darauf hin, dass beispielsweise Hartmann von Aue im 12. Jahrhundert in seinem Iwein schreibt: „swer sich an tröume kêret, der ist wol genêret“, was bedeutet: „Wer sich Träumen zukehrt, der ist wohl genarrt“. Elisabeth De Felip-Jaud erklärt weiter: „Aber da man sich vermutlich im Mittelalter das Entstehen von Träumen noch nicht erklären konnte, sah man Träume wohl auch als Täuschungen, Wirrungen etc. an.“ Aber eben nicht nur: Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm glaubten die Menschen „in alter Zeit“ auch schon fest an die Erfüllung eines Traumes, wodurch der Traum eine wichtige Rolle für die Wirklichkeit einnahm.

Die Erfüllung geheimer Wünsche

Das mittelhochdeutsche Wort troum entwickelte sich weiter zu frühneuhochdeutsch troum/traum und dann zu unserem heutigen ‚Traum‘. In der Sprachwissenschaft, so erklärt Elisabeth De Felip-Jaud, spricht man hier von einer Diphthongöffnung, bei der unter dem Einfluss bairischer und schwäbischer Dialekte ‚ou‘ in ‚troum‘ zu ‚au‘ wird. So entstand das Wort ‚Traum‘.

Heute kann ein Traum eine Geschichte oder ein Erlebnis sein, das uns im Schlaf erscheint. Oder ein ’sehnlicher, unerfüllter Wunsch‘, ‚etwas traumhaft Schönes‘ oder eine ‚Sache, die wie die Erfüllung geheimer Wünsche erscheint‘. So wird das Wort ‚Traum‘ im Duden definiert. Wir verbinden mit dem Wort ‚Traum‘ also häufig etwas Positives und Schönes: So setzen wir ‚Traum-‚ nicht selten vor andere Substantive, um auszudrücken, wie perfekt und ideal etwas ist und unseren Wünschen vollkommen entspricht, wie zum Beispiel ‚Traummann‘, ‚Traumjob‘ oder ‚Traumauto‘. Aber auch negative Bedeutungen können mit dem Wort ‚Traum‘ einhergehen, wenn beispielsweise ‚Traum‘ im Sinne von ‚Illusion‘ verwendet wird, zum Beispiel ‚Das ist nur ein Traum‘. Das Wort ‚Illusion‘ kommt aus dem lateinischen und bedeutet ‚Täuschung‘ oder ‚irrige Vorstellung‘, wodurch auch in unserer heutigen Sprache noch die alt- und mittelhochdeutsche Bedeutung von Traum als Täuschung vorhanden ist.

 

Titelbild: © Lena Köhler

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

 

Hast du das schon einmal erlebt: Nach dem Aufwachen kannst du dich ganz genau an deinen Traum erinnern, aber nach kurzer Zeit schon ist alles weg. Das hat üblicherweise nichts mit Gesundheitsproblemen zu tun, sondern ist völlig normal. Doch woran liegt es, dass wir Träume so schnell vergessen?

Möglicherweise geht uns die Erinnerung an Träume so schnell verloren, weil der Hippocampus zu spät aufwacht. Laut einer Studie der Universität Newcastle über die Neuroaktivitäten im Schlaf gehen verschiedene Gehirnbereiche nicht zur gleichen Zeit in den Schlaf. Der letzte davon ist der Hippocampus, der vor allem dafür zuständig ist, Informationen langfristig zu speichern und umzusetzen. Davon ausgehend behauptet Thomas Andrillon, Neurowissenschaftler an der australischen Monash Universität, dass der Hippocampus ebenfalls der letzte Gehirnbereich ist, der aufwacht. Nach dem Aufwachen gibt es einen kurzen Zeitraum, in dem der Hippocampus noch nicht ganz wach und das Gehirn deswegen nicht in der Lage ist, Erinnerungen zu speichern. Das heißt, Träume, die beim Aufwachen im Kurzzeitgedächtnis vorhanden sind, werden vom Hippocampus nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert und sind daher schnell vergessen.

Dies erklärt zwar, warum Traumerinnerungen so flüchtig sind, aber es bedeutet nicht, dass der Hippocampus die ganze Nacht über untätig ist. Ganz im Gegenteil, dieser Gehirnbereich ist ziemlich aktiv im Schlaf und dient dazu, vorhandene Erinnerungen zu speichern und zu bearbeiten, anstatt auf eingehende neue Informationen zu reagieren. Nach dem Aufwachen braucht er mindestens zwei Minuten, um die Fähigkeit der Informationsaufnahme zu reaktivieren. Während dieser Zeit werden also die vorübergehenden Erinnerungen an Träume nicht vom Hippocampus aufgezeichnet und gehen daher verloren.

Der Hippocampus ist dafür zuständig, Erinnerungen und Emotionen zu konsolidieren. © Wikimedia

Außerdem könnte das Vergessen mit Schwankungen des Hormonspiegels im Gehirn zu tun haben. Laut einer Studie der Universität Cambridge hängt die Fähigkeit, Erinnerungen im Schlaf zu kodieren, mit den Niveaus von zwei Neurotransmittern zusammen: Acetylcholin und Noradrenalin. Das Niveau dieser beiden Neurotransmitter sinkt beim Einschlafen erheblich ab. In der Rapid-Eye-Movement-Phase (REM) – einer Schlafphase, die durch unregelmäßige, schnelle Bewegungen der Augen und niedrige Muskelspannung im ganzen Körper gekennzeichnet ist – steigt das Acetylcholin wieder auf das Niveau des Wachzustands an, während das Noradrenalin auf einem niedrigen Stand bleibt. Diese Veränderungen des Hormonspiegels können dafür verantwortlich sein, dass in der REM-Phase die lebhaftesten Träume entstehen und das Aufwachen in dieser Phase eine deutlichere Erinnerung von den Träumen bewirkt. Niedrige Noradrenalin-Werte schränken jedoch die Erinnerungsfähigkeit ein, so dass man seine Träume schnell wieder vergisst.

Gibt es einen Unterschied in der Fähigkeit, sich an Träume zu erinnern?

Während es völlig normal ist, Träume zu vergessen, gibt es einige Menschen, die sich besser daran erinnern können. Diejenigen, die während des Schlafs leicht aufwachen und länger wach sind, erinnern sich besser an ihre Träume. Laut einer Studie der Universität Cape Town über die Unterschiede in der Traumerinnerung wachen so genannte High Recaller (Menschen mit besserem Traumgedächtnis) häufiger in der Nacht auf als Low Recaller (Menschen mit schlechterem Traumgedächtnis). Das Erwachen mitten in der Nacht dauert bei High Recallern durchschnittlich zwei Minuten, während es bei Low Recallern nur eine Minute ist. Außerdem lässt sich bei High Recallern eine stärkere Steigerung der Gehirnaktivität nachweisen, etwa wenn sie durch Stimmen oder das Nennen ihres Namens geweckt wurden. Das heißt: Das Gehirn von denjenigen, die sich besser an Träume erinnern können, wacht schneller auf. 

Die Erinnerungsfähigkeit an Träume hängt stark mit der Schlafqualität zusammen, insbesondere mit der Dauer der REM-Phase. Bei fortbestehendem Schlafmangel verringert sich die Dauer der REM-Phase, wodurch es schwieriger wird, sich am nächsten Tag an den Traum zu erinnern. Medikamente, insbesondere Antidepressiva, haben auch einen starken Einfluss auf den REM-Schlaf, indem sie das Einsetzen des REM-Schlafs verzögern oder dessen Dauer verkürzen. Dazu kommt, dass viele Schlafstörungen, zum Beispiel Schlaflosigkeit, Schlafapnoe und Narkolepsie, sich negativ auf den REM-Schlaf auswirken können. Alkohol kann die REM-Phase ebenfalls unterdrücken.

Kann man seine Erinnerungsfähigkeit trainieren?

Laut Francesca Siclari, Schlafforscherin an der Universität Lausanne, gibt es eine klare Abgrenzung zwischen den Wach- und Schlafzuständen – und das ist kein Zufall. Menschen, die unter Schlafstörungen wie Narkolepsie leiden, können nur schwer zwischen Wach- und Schlafphasen unterscheiden, was sie häufig verwirrt oder peinlich berührt: „Es ist wahrscheinlich eine gute Sache, dass das Traumleben und das Wachleben völlig voneinander unterschieden sind. Wenn man sich an jedes Detail erinnern könnte wie im Wachleben, würde man die Erlebnisse mit dem verwechseln, was tatsächlich im realen Leben geschieht,“ sagte Siclari zu BBC Future.

Es gibt sogar regelrechte Tipps, wie man die Traumerinnerungen verbessern kann. Robert Stickgold, Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School, empfiehlt etwa, vor dem Schlafengehen viel Wasser zu trinken, damit man nachts aufwacht, um zur Toilette zu gehen. Die erhöhte Aufwachzeit in der Nacht hilft, die Erinnerung an Träume zu verbessern. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein Traumtagebuch zu führen. Mit einem Stift und einem Notizbuch auf dem Nachttisch können Träume nach dem Aufwachen direkt aufgezeichnet werden. Dabei sollte man sich beeilen, damit sie nicht nach ein oder zwei Minuten gleich wieder verschwinden.

 

Titelbild: © Unsplash 

 

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