Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Deutschland von der „weißen Pest“ befallen – Tuberkulose hatte sich ausgebreitet. Inzwischen ist die Lungenkrankheit hierzulande fast ausgerottet. Übriggeblieben sind nur Relikte aus diesen Tagen: Verfallene, ehemalige Lungenheilstätten, die Geisterjäger*innen magisch anziehen. Eine davon ist die Sophienheilstätte im thüringischen Bad Berka. Ina Mecke wollte herausfinden, ob es dort wirklich spukt und hat sich auf den Weg gemacht.

Die Vögel zwitschern zwischen Bad Berka und München. Die Rede ist nicht von der bayerischen Landeshauptstadt, sondern von dem 100-Seelen-Dorf in Thüringen. Ich befinde mich auf einem Waldweg, auf der Suche nach einem Spukort. Irgendwo hier soll es eine ehemalige Lungenklinik geben: Die Sophienheilstätte, die seit 1994 geschlossen ist und nun leer steht. Im Internet wimmelt es von Handyvideos und Fotos des verlassenen Ortes. Angeblich sollen hier Gespenster gesichtet worden sein. Ich sehe lediglich Bäume und folge zu Fuß den Anweisungen meines Navigationssystems auf dem Handy. Da ein verlassener Ort keine Adresse hat, orientiere ich mich an den Koordinaten.

Von der Lungenklinik zum Herz-Kreislauf-Zentrum

Vor meiner Expedition hatte ich mich über das leerstehende Krankenhaus informiert: Die Sophienheilstätte wurde 1898 als Klinik für Tuberkulose-Kranke errichtet und gehörte zu einem der ersten deutschen Krankenhäusern mit diesem Schwerpunkt. Entdeckt wurde die Krankheit 16 Jahre zuvor durch den Bakteriologen Robert Koch. In diesem Zeitraum war die sogenannte „weiße Pest“ eine regelrechte Epidemie in Deutschland. „In den 1880er-Jahren starben im deutschen Raum jährlich 110.000 bis 120.000 Menschen an der Tuberkulose“, erklärt der Historiker Manfred Vasold im Focus. Zwar entwickelte sich die Medizin in den darauf folgenden Jahrzehnten weiter, an eine Ausrottung der Krankheit war aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zu denken.

Durch den medizinischen Fortschritt und die in den 1950er-Jahren eingeführte Impfpflicht in der DDR wurde die Tuberkulose in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dort nahezu ausgerottet. Auch die Sophienheilstätte und ihr damaliger Leiter Adolf Tegtmeier hatten maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Mit dem Rückgang der Krankheit wurde aus der Lungenheilstätte nach und nach ein bedeutendes Herz-Kreislauf-Zentrum.

Nach dem Fall der Mauer, im Zuge der politischen Wende, wurde das Gesundheitswesen in der ehemaligen DDR neu strukturiert. Für Bad Berka bedeutete das umfangreiche Veränderungen, unter anderem den Neubau einer Zentralklinik. Die Sophienheilstätte blieb allerdings auf der Strecke: Am 31. Dezember 1993 schloss sie ihre Pforten.

Vom Verfall und Vandalismus gezeichnet

Ich befinde mich immer noch im Wald. Mein Navi deutet an, dass ich ganz in der Nähe der verlassenen Klinik sein muss. Ich komme an eine Weggabelung, die durch eine geöffnete Schranke markiert ist. Rechterhand erahne ich ein Gebäude hinter den Baumreihen. Ein paar Schritte, und ich traue meinen Augen nicht: Wie aus dem Nichts liegt da plötzlich ein verfallener Gebäudekomplex vor mir, eng umgeben von Laub- und Nadelbäumen.

Zunächst fallen mir abgebrochene Mauerreste und ein hoher Schornstein ins Auge. Das Ausmaß des Anwesens lässt sich jedoch bereits erahnen: Im Hintergrund kommen weitere Gebäude zum Vorschein. Ein verrostetes Bushäuschen mit eingeschlagenen Fensterscheiben deutet darauf hin, dass dieser Ort einst von Bedeutung gewesen sein muss.

Ich nehme mir Zeit und laufe das Gelände ab. Vorbei an offenen Toren, Garagen, mehreren Nebenhäusern und dem überwältigenden Haupthaus. Der Vandalismus hat seine deutlichen Spuren hinterlassen. Bereits zweimal hat es hier in den vergangenen Jahren gebrannt: Im Frühjahr 2015 brannte eine der beiden Liegehallen völlig ab, nur ein Jahr später ein Flachbau auf dem Gelände. In beiden Fällen geht die Polizei von Brandstiftung aus. Außerdem sind unzählige Fensterscheiben eingeschlagen und die Wände mit Graffiti übersät.

Spielwiese für die Phantasie

Die Anlage ist zu Recht ein beliebtes Ziel von Geisterjäger*innen, lässt die Geschichte des Hauses doch darauf schließen, dass hier einige Menschen zu Tode gekommen sind. Das allein eröffnet Raum für Spukgeschichten. Schon das Haupthaus wirkt furchteinflößend: Ein langgezogenes, vierstöckiges Holzfachwerk mit eingeworfenen Fenstern aus einer längst vergangenen und vergessenen Zeit. Mehrere zugewucherte, gebogene Treppen führen direkt hinein. Die Türen, die nicht mit Spanplatten zugenagelt wurden, stehen offen. Auch der Keller ist zugänglich: Durch ein offenes Kellerfenster sehe ich blaue Kacheln und Farbe, die in Fetzen von der Decke hängt. Die Kälte, die aus diesem Fenster strömt, lässt mich erschauern. Selbst bei Sonnenschein ist dieser verlassene Ort wie gemalt als Kulisse für Horrorfilme, als Spielwiese für die Phantasie, in der allein das Rauschen des Windes durch kaputte Fenster und knarzende Türen Gänsehaut verursachen.

Als ich vor dem Haupthaus stehe, schrecke ich kurz zusammen: Ich höre Stimmen, sie kommen aus dem Haus. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass sie nicht von Gespenstern, sondern von Jugendlichen kommen, die vermutlich auf der Jagd nach Geistern sind. Doch der Schreck bleibt. Ich kann mir gut vorstellen, wie schnell hier Kleinigkeiten zu Einbildungen werden.

Ich verzichte darauf, das verlassene Gebäude zu betreten. Schließlich machen mehrere Hinweisschilder darauf aufmerksam, dass es sich in Privatbesitz befindet. Laut Thüringischer Landeszeitung war eine Seniorenresidenz in dem denkmalgeschützten Haus geplant. Doch wer hier war, kann sich nur schwer vorstellen, dass dieser Ort wieder in die Zivilisation zurückfindet. Und so bleibt die Sophienklinik vorerst ein gruseliger Spukort für Geisterjäger*innen und abenteuerlustige Jugendliche. Ich mache mich auf den Rückweg. Ein Gespenst ist mir nicht begegnet.

Sie werden als Gespenster der Kriege, unsichtbare Soldat*innen oder Geister von Militärkonflikten beschrieben. Dort, wo Regierungen und internationale Konzerne nicht direkt intervenieren möchten, um ihr politisches Interesse zu schützen, werden private Soldat*innen geschickt. Die Söldner*innen bilden heute die größte Armee der Welt, von deren Aktivitäten kaum jemand weiß. Wer sind diese Gespenster der Kriege und was genau ist ihre Aufgabe? 

Gegenwärtige Söldner*innen

Lohnarbeit im Kontext Krieg wird seit jeher betrieben. Seitdem es Kriege gibt, taucht sie in der Geschichte in verschiedenen Formen auf. Heute funktionieren Söldnerunternehmen wie Blackwater nicht anders als andere wirtschaftliche Agenturen. Auf der Welt arbeiten mehr als 100 private Militärunternehmen, die zum Beispiel die sogenannte „Shadow Operations“ für verschiedene Regierungen realisieren. Der angebotene Dienstbereich ist sehr breit. Die Firma Trojan aus den USA bietet zum Beispiel die Überwachung von Containerschiffen in jeder Form an, auch in den berühmten Wassersektoren, die von Pirat*innen besetzt sind. Sehr häufig werden auch Schulungen angeboten, bei denen Professionalist*innen wie Blackwater-Soldat*innen mit Volkssoldat*innen zusammenarbeiten. Eines der berühmtesten Produkte ist der Intelligence Sector, der Aufklärungsoperationen anbietet. Da das sehr oft in den Bereichen Online und Elektronik stattfindet, sind die Daten geschützt. Inoffiziell weiß man, dass die Firmen in diesem Sektor über 20 Milliarden Dollar pro Jahr verdienen, indem sie z.B. Spionageaufgaben ausführen. Letztendlich bieten die privaten Militärunternehmen Lohn-Soldat*innen an, die in der Regel Kriege für große Regierungen führen – wie das auch im Irak der Fall war.

”Söldner sind Männer, die in den Krieg ziehen und für diejenigen kämpfen, die sie bezahlen“.

Invisible Soldiers [Unsichtbare Soldat*innen]

Nicht ohne Grund nennt man die Soldat*innen, die für Unternehmen wie Blackwater arbeiten, „Invisible Soldiers“. Ann Hagedom beschreibt das Thema sehr ausführlich in ihrem Buch „The Invisible Soldiers: How America Outsourced our Security“. Die Soldat*innen verdienen durchschnittlich 6.000 USD pro Monat und bekommen Sonderzahlungen für Operationen, bei denen alle Reise- und Übernachtungskosten von dem Unternehmen übernommen werden. Eine private Armee verursacht viel höhere Kosten als die Streitkräfte des Landes. Dennoch treffen Regierungen immer wieder die Entscheidung, die Aufgaben einer Outsourcingfirma zu übergeben.

„Insgesamt 138 Milliarden Dollar haben externe Dienstleister wie Blackwater im Irakkrieg damit verdient, das US-Militär in Sachen Sicherheit, Logistik und Wiederaufbau zu unterstützen.“

Bis heute bleibt der Status von privaten Militärunternehmen ein kontroverses Thema und ist nicht gesetzlich klar. Vor allem deshalb sind sie für uns „Gespenster des Krieges“. Da es private Unternehmen sind, kann z.B. ein Land wie die USA gesetzlich nicht zur Verantwortung für deren Aktionen gezogen werden. Unternehmen werden auch aus Sicht des Völkerrechts als private Dienstleister*innen angesehen und behandelt. Ihre Soldate*innen arbeiten bei ihren Operationen für eine Regierung nicht als nationale Soldat*innen, sondern als private Auftragnehmer*innen. Deshalb weiß man inoffiziell, dass diese auch für Regierungen und Korporationen Operationen durchführen, die an der Grenze der Legalität liegen.

Neben den juristischen und operationellen Unklarheiten gibt es noch die Perspektive der Soldat*innen. Sie bleiben „Geister des Krieges“ nicht nur wegen ihres unsichtbaren gesetzlichen Status. Vielleich ist ihr gesellschaftlicher Status hierbei wichtiger. Wenn ein Land „seine“ Soldat*innen zum Krieg schickt, löst das oft eine sehr laute soziale und mediale Diskussion aus. Regierungen entscheiden sich dafür, mehr Geld auszugeben und eine private Firma zu bezahlen, da es sie langfristig weniger kostet. Sie bekommen erfahrene Professionelle, die keine Schulung mehr brauchen und gesellschaftlich nicht als Soldat*innen betrachtet werden. Die Gesellschaft kennt sie nicht, meistens weiß niemand, dass sie für die Regierung kämpfen, und das betroffene Land weint nicht, wenn ihnen etwas passiert.

Söldner*innen haben in der Gesellschaft meist schlechtes Ansehen, da sie sich dafür entscheiden, aus finanziellen Gründen Kriege zu führen. Im Vergleich mit regulären Soldat*innen kommen einige Risikofaktoren zu ihrem Job dazu, denn sie dürfen nicht den Status von Kombattant*innen und Kriegsgefangenen haben. Wenn sie also von der anderen Seite verhaftet werden, sind sie auf sich gestellt. Sie werden nicht als „Menschen aus Fleisch und Blut“ betrachtet. Oft werden sie gar nicht berücksichtigt. Sie bleiben unsichtbare Figuren für Zivilisten, da sich die große Masse nicht mit ihnen identifiziert.

Die Gespenster-Soldaten bleiben eine bequeme Lösung für Regierungen und große Konzerne, die auf Skandale verzichten möchten und ihre Interessen leise umsetzen möchten. Blackwater und andere private Unternehmen tauchen ab und zu wegen mit Skandalen in den Medien auf, sie werden aber ziemlich schnell wieder vergessen. Das größte Problem bleibt bis jetzt, dass die Anzahl der Aufträge eigentlich nicht bekannt ist und Zivilisten keine Ahnung haben, für wie viele und für welche Operationen Söldner*innen angestellt werden. Sie gehören zum grauen Bereich des Krieges, die für die Massen unbekannte Politik bleiben. Wir wissen nicht wirklich, wo diese Gespenster sind oder was sie machen.

 

Flackernde Glühbirnen, fliegende Gegenstände und Stimmen aus dem Jenseits: Was wie ein Horrorfilm klingt, gehört für Geisterjäger*innen zum Arbeitsalltag. Aber was oder wem sind sie eigentlich auf der Spur? Alexa Waschkau hat die deutsche Szene untersucht.

Alexa Waschkau ist Autorin, Podcasterin und Europäische Ethnologin. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich bereits mit der Arbeit deutscher Geisterjäger*innen – ohne selbst an Geister zu glauben. 2013 veröffentlichte sie gemeinsam mit dem Psychologen Sebastian Bartoschek das Buch „Ghosthunting – Auf Spurensuche im Jenseits“.

Haben Sie schon einmal einen Geist gesehen?

Ich bin mir nicht sicher (lacht). Nachdem wir unser Buch veröffentlicht haben, hatte ich die Möglichkeit ein Geisterjäger-Team bei einem Einsatz zu begleiten. Das war im Fort X, einer alten Befestigungsanlage in Köln. Für kurze Zeit haben wir uns dort in einem geschlossenen, stockfinsteren Raum aufgehalten, um Tonaufnahmen zu machen. Dort habe ich ein Geräusch gehört, bei dem ich nicht einordnen konnte, woher es kam. Aber nur weil ich das nicht weiß, heißt es natürlich nicht, dass es ein Geist war.

Alexa Waschkau

Alexa Waschkau glaubt selbst nicht an Geister (Foto: privat)

Hatten Sie Angst?

Dort angekommen sind wir bei Sonnenschein, die Vögel haben gezwitschert und alles war noch in Ordnung. Als wir aber im Dunkeln durch die Anlage gelaufen sind, hat man ganz anders auf  die Umgebung reagiert. Da merkt man plötzlich, wie anfällig man selber für solche Vorstellungen ist – auch bedingt durch die Gruppendynamik.

Viele Menschen meiden Spukorte, Geisterjäger*innen suchen sie absichtlich auf. Was treibt sie dabei an?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Manche suchen nach Erklärungen, anderen geht es wohl eher um den Sportsgeist. Sie wollen als Erste den ultimativen Beweis dafür liefern, dass es Geister gibt. Dann gibt es aber auch Gruppen, die Betroffenen wirklich helfen wollen. Für mich persönlich ist das die beste Motivation, um Geisterjäger zu werden.

Angenommen, bei mir zu Hause spukt es. Ich rufe bei einem Geisterjäger*innen-Team an und bitte um Hilfe. Wie geht es weiter?

Es gibt ein Vorgespräch, bei dem der Betroffene seine Beobachtungen schildert. Manche der Teams versuchen dabei auch herauszuhören, ob der Hilfesuchende möglicherweise psychische Probleme hat und diese der Grund für den Spuk sind. In dem Fall vermitteln sie den Betroffenen an einen Psychologen weiter. Findet sich während des Telefonats kein rationaler Grund für den Spuk, machen die Geisterjäger einen Hausbesuch und führen vor Ort Untersuchungen durch. Ein sehr interessantes Phänomen in diesem Zusammenhang ist der Placebo-Effekt einer Geisterjagd. Betroffenen hilft es schon, dass jemand zu ihnen nach Hause kommt, mit ihnen über ihre Erfahrungen spricht und technische Messungen durchführt. Sie fühlen sich ernst genommen. Selbst wenn die Geisterjäger nichts Übernatürliches feststellen, geht es den Menschen danach oft besser. Das finde ich wahnsinnig spannend.

Zur Ausrüstung fiktiver Geisterjäger*innen gehören Spiegel, Polaroidkameras oder Räucherstäbchen. Was hat ein richtiger Geisterjäger bei einem Hausbesuch dabei?

Jedenfalls keine Räucherstäbchen (lacht). Geisterjäger haben oft eine sehr technische Ausrüstung. Sie arbeiten unter anderem mit Spiegelreflexkameras, Diktiergeräten, Thermometern oder Bewegungsmeldern mit Videofunktion. Damit messen sie verschiedene Werte oder machen Aufnahmen, die sie später auswerten. Alles, was vom Normalen abweicht, könnte auf einen Geist hindeuten.

Was für Abweichungen können das sein?

Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wenn sich an einer Stelle die Temperatur beispielsweise stark von der im übrigen Haus unterscheidet, ist das eine Kältesäule. Nach Meinung der Geisterjäger entsteht sie, wenn sich ein Geist materialisiert – also in Erscheinung tritt. Weil er dabei seiner Umgebung Energie entzieht, wird es kälter. Oder die Geisterjäger stellen elektromagnetische Felder fest, obwohl keine elektronischen Leitungen in der Nähe sind. Viele Gruppen nehmen auch Bild- und Tonmaterial auf, das sie später zu Hause auswerten. Für mich ist dabei immer die Frage, was wirklich zu sehen oder zu hören ist und was nicht.

Lassen sich viele der gesammelten Indizien nicht auch rational erklären?

Meiner Meinung nach schon und es gibt auch viele Forscher, die genau das versuchen. Relativ bekannt ist beispielsweise der Psychologe Richard Wiseman. Er hat sich mit Spukorten in Großbritannien beschäftigt – unter anderem mit dem Tower of London. Während einer seiner Untersuchungen erfasste er mithilfe einer Wärmebildkamera starke Temperaturschwankungen. Sie traten immer zur selben Zeit auf, als könnte man die Uhr danach stellen. Statt eines Geists ging dort aber nur die Putzfrau um. Weil die Abluft des Staubsaugers durch die Ritzen des Mauerwerks drang, wurde es draußen wärmer. Solche rationalen Erklärungen gefallen nicht allen Briten, für viele sind die Schauergeschichten untrennbar mit ihrer Heimat verbunden.

Also haben Geister in Großbritannien einen anderen Stellenwert als in Deutschland?

Sie gehören dort fast schon zum guten Ton. Wenn man in Großbritannien ein Hotel oder Landhaus besitzt, in dem es nicht spukt, ist das schade. Weil es keine Schauergeschichten gibt, die man seinen Gästen erzählen könnte. Die Briten gehen also auf völlig andere Art und Weise mit dem Thema Geister um. Paranormale Theorien und Untersuchungen haben dort eine lange Tradition. Während Geisterjäger bei uns oft belächelt werden, finden viele Briten deren Arbeit nicht nur interessant, sondern sehr wichtig.

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft. Warum ist der Geisterglaube in Europa dennoch so verbreitet?

Weil der Tod für Menschen immer wichtig sein wird. Jeder von uns geht anders mit dem Verlust eines Menschen oder der eigenen Endlichkeit um. Dabei nutzen manche Menschen Geister als Strategie, um Erfahrungen oder Gefühle zu bewältigen. Sie glauben dann beispielsweise, dass sich ein verstorbener Angehöriger bei ihnen durch Zeichen bemerkbar machen will. Das heißt, es geht beim Geisterglauben eigentlich mehr um die Lebenden und weniger um die Toten.

Vielen Dank Frau Waschkau für das Gespräch!

Wie werde ich Geisterjäger*in? Hier findet ihr die Antwort.

Es ist der Morgen des 1. Juli 1976. Klingenberg, ein Dorf in der Nähe von Würzburg. Eine 24-jährige Studentin wird in ihrem Bett tot aufgefunden. Ihr Körper ist geschändet. Abgebrochene Zähne und das vernarbte Gesicht sind Zeugen eines Leidenswegs. Sie stirbt an Unterernährung und Erschöpfung. Vorher wurden an ihr 67 Exorzismen durchgeführt. Was ist damals passiert?

Die Krankheit

Anneliese Michel war eine junge Frau und Pädagogik-Studentin, die in einem streng religiösen Elternhaus aufgewachsen ist. Doch Anneliese wurde krank und verhielt sich seltsam. Kurz vor ihrem 16. Geburtstag saß sie mit ihrer Mutter am Tisch und rief plötzlich: „Ich habe schwarze Hände! Erlöser, vergib mir! Ich sehe teuflische Gesichter an den Wänden. Sie haben jeweils sieben Kronen und sieben Hörner. Sie springen hier auf dem Boden rum. Könnt ihr sie nicht sehen!?“

Ihre Eltern suchten verschiedene Ärzte auf. Anneliese litt an schweren Krampfanfällen – teilweise mit Bewusstlosigkeit. Die Diagnose der Ärzte war Epilepsie. Sie behandelten die Krankheit mit abgestimmten Tabletten. Doch die Tabletten brachten keine Besserung. Jahrelang versuchten verschiedene Ärzte das seltsame Verhalten zu erklären und Anneliese zu helfen. Doch ohne Erfolg. Ihr Verhalten wurde immer seltsamer. Beispielweise sah sie während ihres Rosenkranz-Gebetes Teufelsfratzen und hörte Stimmen. Anneliese glaubte, dass sie von einem Teufel besessen war. Ihre Eltern wussten nicht mehr weiter und wandten sich daraufhin an einen Exorzisten.

Der Exorzismus

Anfangs wurde der Antrag abgelehnt. Doch dann verschlechterte sich ihr Zustand. Sie schlug und biss ihre Eltern, aß Insekten und trank ihren eigenen Urin. Sie verstand fremde Sprachen (Aramäisch und Griechisch) und nahm die Stimmen von mehreren männlichen Personen an. Aufgrund dieser Beobachtungen erstellte ein sogenannter Exorzismus-Experte namens Pater Adolf Rodewyk ein Gutachten, welches dazu führte, dass der damalige Bischof Josef Stangl den Exorzismus an Anneliese genehmigte.

Peter Arnold Renz und Pfarrer Ernst Alt führten über Monate insgesamt 67 Exorzismen bei Anneliese durch. Ihre Eltern waren immer dabei. Sie und auch die Exorzisten glaubten fest daran, dass Anneliese vom Satan besessen war. 42 dieser Sitzungen wurden auf Band aufgenommen. Diese sollten beweisen, dass die Studentin wirklich besessen war. Die Audio-Aufnahmen werden in vielen Beiträgen und Interviews erwähnt, doch es ist nicht zu klären, ob es sich bei den frei zugänglichen Audio-Aufnahmen tatsächlich um die Original-Aufnahmen handelt.

Der Exorzismus half nicht, und ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Sie biss sich die Schneidezähne an der Wand aus und schlug sich wieder und wieder auf die Augen. Die Dämonen meldeten sich mit verschiedenen Namen durch ihren Mund. Die Sitzungen raubten ihr alle Kraft. Sie verletzte und foltere sich oft selbst. Die Dämonen befahlen Anneliese, nichts mehr zu essen, nichts zu trinken und 500 bis 600 Kniebeugen am Tag zu machen. Sie wog mit 23 Jahren und einer Körpergröße von 1,67 Metern lediglich noch 31 Kilo. Anneliese starb am 1. Juli 1976, aufgrund des Untergewichtes und der Erschöpfung.

Die Schuldfrage

Vor dem Landgericht in Aschaffenburg wurden Annelieses Michels Eltern und die beiden Priester angeklagt, ihren Tod verursacht zu haben. Die Gerichtsgutachter kamen zu dem Entschluss, dass zu der Epilepsie eine schwere Schizophrenie kam. Aber sie bescheinigten auch „psychische Defekte“ in Bezug auf die Besessenheit und den Exorzismus. Ein katholischer Religionspsychologe erklärte: „Ein unklug angewandter Exorzismus kann eine psychisch gestörte Person in eine Rolle hineinzwängen, die den landläufigen Zügen des Teufels und der Besessenheit gerecht wird.“

Die Frage, warum die Eltern trotz des dramatischen Untergewichts ihrer Tochter nicht den Arzt gerufen haben, kam auf. Der Vater erklärte, dass die Priester ihnen versicherten, die Dämonen hätten noch nie einen Besessenen umgebracht. Sie seien verzweifelt gewesen, da sie bereits bei verschiedenen Ärzten gewesen seien und niemand hätte helfen können. Die Priester beteuerten ebenfalls ihre Unschuld. Sie seien nur für das Seelenheil zuständig gewesen. Annelieses Eltern hätten eingreifen müssen.

Der Staatsanwalt forderte für Priester eine Geldstrafe – für die Eltern forderte er kein Strafmaß, da sie mit dem Verlust ihrer Tochter genug bestraft seien. Entgegen diesem Antrag verurteilte der Richter die Pfarrer und die Eltern wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassung“ zu einer je sechsmonatigen Haftstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am Ende der Gerichtsverhandlung zeigte der Vater keine Einsicht und sagte, dass er nicht glaube, dass sie etwas falsch gemacht hätten. Ihre Tochter habe sich geopfert.

Hätte die junge Frau gerettet werden können?

Der Historikerin Petra Nay-Helmut standen alle Unterlagen zum Fall Anneliese offen. Ihr Fazit: Sie hätte gerettet werden können. In einem Interview mit dem Hörfunkprogramm „Deutschlandfunk Kultur“ sagte Nay-Helmut: „Sie war einfach eine junge Frau, sie war psychisch krank, und hätte man rechtzeitig eingegriffen, medizinisch, hätte man sie auch retten können.“

Das Gegenteil erklärte Pfarrer Christian Sieberer in einem Kommentar zum „Fall Klingenberg“. Er sei nicht davon überzeugt, dass Anneliese ohne den Exorzismus und mit medizinischen Mitteln noch am Leben wäre. Pfarrer Sieberer begründete die Aussage unter anderem damit, dass alle damaligen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten schon über Jahre hinaus eingesetzt worden waren. Die weiteren Behandlungen hätten aus medikamentöser Ruhigstellung, Zwangsernährung und Elektroschocks bestanden. Er wüsste nicht, wie viele Patienten in Anstalten bei solchen Behandlungen gestorben sind, aber es würden wohl einige sein.

Die Kirche lernte aus dem Fall der Anneliese Michel. Wie bereits im Beitrag „Exorzismus im 21. Jahrhundert“ zu lesen ist. Doch laut der christlichen Lehre können Dämonen vom Menschen Besitz ergreifen. Die alleineige Rettung soll in der Teufelsaustreibung bestehen. In der Presseerklärung zum „Fall Klingenberg“ erklärte Kardinal Josef Höffner: „Die katholische Theologie hält an der Existenz des Teufels und dämonischer Mächte fest.“

 

Beitragbild: emersonmello, Pixabay

Die buddhistische Haarrasur

Nach indischer Überlieferung tragen buddhistische Nonnen und Mönche ein gelbes und rötliches Mönchs­gewand und leben als Geistsucher von fleisch­loser Nahrung. Eines ihrer wichtigsten Er­ken­nungs­merk­male ist jedoch der kahl geschorene Schädel. Doch woher stammt die Tradition der Haarrasur? Welche Bedeutungen können Haare in der buddhistischen Weltanschauung einnehmen?

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Geht es um die australische Identität, verweisen viele auf Football, Mateship oder Vegemite. Aber auch ein Blick auf die Haarmode des fünften Kontinents verrät Erstaunliches: Seit einigen Jahren feiert der Vokuhila dort ein Comeback, das mittlerweile das ganze Land erfasst hat. Weiterlesen

Hypertrichose ist eine der seltensten Erbkrankheiten weltweit. Bei Betroffenen sind entweder der gesamte Körper oder einzelne lokale Stellen von dichtem Haar bedeckt. Seit dem Mittelalter sind nur rund 50 Fälle bekannt. Darunter Pedro Gonzalez: Er zählte zu den wenigen „Haarmenschen“ dieser Welt. Doch mindestens genauso selten ist das Wissen, dass seine Geschichte eng mit dem Disney-Film „Die Schöne und das Biest“ verknüpft ist. Was steckt also wirklich hinter dem populären Klassiker?

Der Disney-Film „Die Schöne und das Biest“ aus dem Jahr 1991 ist allseits bekannt. Zuletzt wurde der Stoff im vergangenen Jahr mit Emma Watson und Dan Stevens neu verfilmt. Die Geschichte selbst ist zeitlos: Eine schöne junge Frau verliebt sich in ein furchteinflößend aussehendes Ungeheuer. Zunächst lehnt sie dieses ab und fürchtet sich. Doch nach und nach erkennt sie ein gutes Herz hinter der optisch abstoßenden Fassade. Beide Charaktere entwickeln tiefe Zuneigung füreinander. Und so lebt das Paar glücklich bis ans Ende seiner Tage.

Eine Geschichte zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht auch nicht! Denn fast niemand weiß, dass diese Historie auf ein altes französisches Volksmärchen zurückgeht. Dieses Märchen ist allerdings keineswegs an den Haaren herbeigezogen: Es basiert auf der Lebensgeschichte einer wahren Person. Einer außergewöhnlich behaarten Person. Sein Name war Pedro Gonzalez. Folgt mir nun auf seinen Spuren in die Vergangenheit…

Ein Ausflug in das Jahr 1547

Im Jahr 1547 wurde Heinrich II. König von Frankreich. Unter den vielen Geschenken zur Feier des Tages war ein ungewöhnliches dabei: Man überreichte ihm ein behaartes Wesen. Es handelte sich um einen etwa zehnjährigen Jungen spanischer Herkunft namens Pedro Gonzalez. Das Gesicht des Jungen war von einem rund zehn Zentimeter langen dunkelblonden Pelz bedeckt. Die königliche Hofgesellschaft war sich angesichts des ungewöhnlichen Anblicks unsicher: Ist das Wesen denn menschlich? Der König entschied, den „kleinen Wilden“ auf dem Hof wohnen und erziehen zu lassen. Der behaarte Knabe lernte verschiedene Sprachen und wuchs zu einem gebildeten Mann heran.

Pedro Gonzalez

Pedro wuchs zu einem gebildeten Mann am französischen Königshofe heran. (Quelle: gemeinfrei, Wikimedia Commons)

Bald fand die höfische Gesellschaft Gefallen an dem Experiment. Voller Tatendrang versuchte sie herauszufinden, ob das pelzige Wesen zu einem Menschen „umerzogen“ werden konnte. So wurde zu gegebener Zeit beschlossen, Pedro zu verheiraten. Die Auserwählte war die schöne Pariserin Catherine. Auf dem Königshofe fragte man sich bald, wie wohl gemeinsame Kinder aussehen würden.

Catherine war von ihrem für sie auserkorenen pelzigen Ehegatten zunächst wenig begeistert. Doch schon bald bemerkte sie, was hinter der haarigen Fassade steckte und verliebte sich Hals über Kopf in ihn. Das glückliche Paar bekam sieben Kinder. Einige davon erbten Pedros Gendefekt. Diese außergewöhnliche Familiengeschichte blieb nicht lange unbekannt: Anekdoten über die Familie Gonzalez verbreiteten sich in vielen Kulturen und wurden in ganz Europa erzählt. Pedros Spur verlor sich irgendwann, doch Historiker vermuten, dass dieser seine letzten Tage auf einem Hof in Italien verbrachte.

 

Wie Pedros Geschichte Einlass in die heutige Zeit fand

Der italienische Historiker Roberto Zapperi fand schnell großes Interesse an diesen einzigartigen Begebenheiten. Er rekonstruierte die Geschichte Pedros und seiner Nachfahren und hielt die Geschehnisse für die Nachwelt fest. Außerdem überlieferten zahlreiche Porträts und Malereien die historischen Ereignisse und bestätigen die Echtheit der Gonzalez.

Pedros und Catherines Liebesgeschichte bot viel Stoff für die Filmproduktion: Unter anderem für den Disney-Zeichentrickklassiker aus dem Jahr 1991 „Die Schöne und das Biest“ – ein moderner, zeitloser Film basierend auf einer jahrhundertealten Historie. Die vielfachen Neuverfilmungen und Adaptionen des Klassikers bestätigen dessen Beliebheit. Doch „Die Schöne und das Biest“ blieb nicht der einzige Film, der seine Wurzeln im 16. Jahrhundert hat: Auch Hollywood-Blockbuster, wie „King Kong“ oder „Shrek“ thematisieren diese besonderen Liebesbeziehungen zwischen furchteinflößenden Ungeheuern und schönen jungen Frauen, die es vermögen hinter deren Fassade zu blicken.

DIe Schöne und das Biest

Man sieht nur mit dem Herzen gut: Liebesbeziehungen zwischen furchteinflößenden Ungeheuern und schönen jungen Frauen sind oft Thema vieler Filme. (Quelle: Prawny, Pixabay.com)

Heute kann Pedro Gonzalez‘ Abbild, bekannt als der „Haarmensch“, in der Kunst- und Wunderkammer im Schloss Ambras in Innsbruck betrachtet werden.

Ein seltener Gendeffekt: Hypertrichosis

Pedro Gonzalez und seine Nachkommen waren die ersten von Hypertrichosis betroffenen Menschen, deren Lebensgeschichte genauer überliefert ist. Bis heute sind die Erkenntnisse über das Erbleiden allerdings eher dürftig. Experten schätzen die Häufigkeit des Gendefekts auf eins zu einer Milliarde. Eine mögliche Ursache für die Krankheit könnte ein urzeitliches Gen sein, das von felltragenden Vorfahren des Menschen stammt. Diese alte Erbanlage kann Wissenschaftlern zufolge noch immer im menschlichen Genom schlummern. Die Erbanlage ist jedoch normalerweise abgeschaltet. Durch eine Mutation kann diese aber reaktiviert werden.

Es sind unterschiedliche Hypertrichosearten bekannt. Experten vermuten, dass das pelzige Aussehen bei Pedro Gonzalez und seinen Nachkommen in einer besonders extremen Form von Hypertrichose verankert ist. Dabei ist der Haartypus Vellushaar betroffen. Dieses kann bis zu einer Länge von 30 Zentimetern wachsen. Üblicherweise ist das Vellushaar am menschlichen Körper jedoch nur als leichter Flaum erkennbar. Bei Pedro und seiner Familie geriet dieser Pelz jedoch förmlich außer Rand und Band und sorgte so für das außergewöhnliche Aussehen der Spanier.

Bis heute begeistert diese Geschichte zahlreiche Menschen. Dies ist kaum verwunderlich, ist die Botschaft, die sie vermittelt doch zeitlos: Die äußere Fassade kann täuschen, es zählen die inneren Werte. Vielleicht erinnern wir uns ja beim nächsten Mal, wenn wir „Die Schöne und das Biest“ schauen, an Pedro und seine Geschichte….

 

Weitere Informationen für Interessierte

Der österreichische Historiker Gerald Axelrod forschte nach den Hintergründen des Märchens „Die Schöne und das Biest“ und veröffentlichte einen Bildband:

  • Axelrod, G. (2014). Die Schöne und das Biest: Das Geheimnis um die Entstehung des Märchens. Würzburg: Stürtz.

Roberto Zapperi rekonstruierte Pedros Geschichte:

  • Zapperi, R., & Walter, I. (2004). Der wilde Mann von Teneriffa: die wundersame Geschichte des Pedro Gonzalez und seiner Kinder. München: Beck.

Warum der Mensch heute kein Fell mehr hat, könnt Ihr im Beitrag von SarahLanz lesen:

 

Quellen

Haare können für Selbstbestimmung und Freiheit ebenso wie für Unterdrückung, Frömmigkeit oder Sexismus stehen. In erster Linie sollten sie aber vor allem eines sein: Privatsache. Ein Blick auf medienvermittelten Sexismus, festgefahrene Machtstrukturen und einen Funken Hoffnung am behaarten Horizont feministischer Einflüsse.

Rollenbilder, -zwänge und sexistische Weltanschauungen sind auch 2018 weiterhin fest verankert in den Denkmustern vieler Menschen. Eine Befragung englischer Manager durch das Magazin Edition F im Juni lieferte vor allem eines: Sexismus gegenüber Frauen. Aussagen wie „Ich glaube, Frauen passen einfach nicht so richtig ins Führungsteam” oder „Meine Kollegen wollen keine Frau in den Aufsichtsrat berufen” fanden sich unter den Antworten. Sie zeigen, dass vor allem Machtstrukturen immer noch stark von männlichen Perspektiven geprägt sind. Diese schaffen durch einfaches Schubladendenken eine Welt aus mächtigen Männern und schönen Frauen.

Doch woher kommt diese Annahme? Medien spielen sowohl in der Werbung als auch in der Berichterstattung eine entscheidende Rolle.

Zentrum der weiblichen Schönheit sind immer wieder die Haare. Beziehungsweise keine Haare. Auf dem Kopf möglichst wallend und dicht, ansonsten aber bitte alles wegmachen. So lautet die Botschaft in TV, Zeitungen und sozialen Medien. Mit einem öffentlichen Diskurs haben solche Themen eigentlich wenig zu tun, sondern sind jederMANNS Privatsache. Im Gegensatz dazu scheint es aber irgendwie salonfähig zu sein, über die weiblichen Körperhaare öffentlich zu bestimmen.

Wahre Schönheit beginnt bei den Haaren?

„What does beauty feel like? And where does it begin? It begins with your skin,“ verrät eine Gillette-Werbung ihren Zuschauerinnen. Ein weiterer Gillette-Werbespot wirbt „für makellose Schönheit“ mit dem neuen Venus Swirl. Währenddessen sind Models zu sehen, die ihre bereits komplett enthaarten Beine für die Kamera noch einmal rasieren. Ciao Realität – hallo Sexismus.

Durch solche Aussagen fördert die Werbung eine Perspektive, die weibliches Körperhaar als Makel definiert und Schönheit mit enthaarter Haut gleichsetzt. Damit werden nicht nur Schönheitsideale geprägt. Indem schon vor der Rasur keine Haare an Achseln oder Beinen zu sehen sind, wird das Bild einer immer enthaarten Frau geschaffen. Was in einer Werbung für Männer-Rasierer undenkbar wäre – hier zeigt Gillette sehr wohl reale Achselhaare – ist in Bezug auf Frauen längst zur Sehgewohnheit  geworden. Den Anblick von behaarten Körperstellen will die Werbung uns wohl lieber nicht zumuten. Weibliche Körperhaare sind für gesellschaftlich inakzeptabel erklärt worden.

Sexismus im Newsfeed

Die Medien propagieren eben dieses ästhetische Frauenbild von glatter Haut immer wieder in der Öffentlichkeit: Nicht nur durch Werbesprüche, sondern auch durch eine unreflektierte Berichterstattung, welche die Einstellung zu Körperhaaren undifferenziert aus den Werbespots übernimmt. So erscheinen Artikel mit Titeln wie „Eklige Beinhaare! Topmodel Natalia traut sich was“. Dort werden Beinhaare bei Frauen als absolutes No-Go und Beauty-Fauxpas abgetan. Selbst der „Focus“ scheint es für angemessen zu halten, bei diesem Thema mitzumischen. „Eine glatte Sache – die Beinhaare müssen ab“ titelte er in einem Beitrag über verschiedene Haarentfernungsmethoden für Frauen und betont dabei: „Wildwuchs am Bein geht gar nicht“. Angesiedelt ist dieser Artikel übrigens im Bereich Kultur. Dies zeigt, wie sehr die Ablehnung weiblicher Körperhaare gesellschaftlich verankert ist und wie selbstverständlich das immer wieder postuliert wird.

„Die Konfrontation mit Bildern von Models in den Medien ist wie Gehirnwäsche“

In der Folge etablieren sich alternative Perspektiven auf Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit nur schwer. Winfried Menninghaus, Direktor der Abteilung Sprache und Literatur des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik, spricht den Medien eine entscheidende Mitschuld an den herrschenden Schönheitsidealen zu: „Wiederholtes Ansehen steigert in der Regel ästhetisches Gefallen. Dieser ,mere exposure-Effekt‘ ist eine Grunderkenntnis der Ästhetik. Die pausenlose Konfrontation mit Bildern von Models in allen möglichen Medien ist deshalb wie Gehirnwäsche.“

Opfer dieser Gehirnwäsche sind dabei nicht nur ahnungslose Männer, sondern viele Frauen unterwerfen sich selbst und ihre Nächsten diesem Schönheitszwang. So stellt Heidi Klum 2017 eine Kandidatin ihrer Topmodel-Castingshow bloß, indem sie sie als „Maja mit den Achselhaaren“ bezeichnet. Komisch, denn ist nicht eigentlich jede Frau „eine mit Achselhaaren“? Heidi jedenfalls hält mit ihrer Aussage das Bild der immer enthaarten Frau aufrecht.

Mit Achselhaaren an die Macht?

Sind Rebellionen mit ungezähmter Körperbehaarung also die einzige Antwort auf medienvermittelten Sexismus? Immer mehr Frauen versuchen sich der Fremdbestimmung ihrer Körper zu entziehen, indem sie das Gegenteil zur Schau stellen: stoppelige Beine und behaarte Achseln. Sie wollen sich damit bewusst der medial geschafften Norm entziehen.

Dabei geht es weniger um die Haare selbst, als darum mit dieser Norm zu brechen, indem konventionelle Merkmale von Weiblichkeit, wie enthaarte Beine, abgelegt werden. Obwohl Frauen durch ein solches Auftreten oft provozieren, sollte Provokation nicht im Zentrum stehen. Sexismus lenkt die Aufmerksamkeit gezielt nur auf das Aussehen einer Frau. Ziel des Widersetzens ist es deswegen, die Aufmerksamkeit weg vom Aussehen und hin zur Frau unter den Haaren zu lenken. Auf ihren Charakter, ihr Können, ihren Einsatz. Dadurch soll ein neues Frauenbild in die Öffentlichkeit treten und eine Alternative zu bisherigen Enthaarungszwängen bieten.

Solche feministischen Einflüsse dringen zwar nur langsam in klischeebelastete Werbespots und flache Berichterstattungen ein, doch erste Erfolge können verzeichnet werden. Im September 2017 hat der Sporthersteller Adidas einen Werbespot für Sneaker veröffentlicht, in dem die unrasierten Beine des schwedischen Models Byström zu sehen sind, während diese über Weiblichkeit spricht.

Dass solche Werbespots 2018 zwar leider noch nicht selbstverständlich sind, zeigen die unzähligen Gegenbeispiele und Shitstorms, die als Reaktion auf die junge Schwedin niederregneten. Doch feministische Bewegungen gewinnen an Einfluss und setzen sich sexistischen Werbungen und Berichterstattungen mit zunehmendem Erfolg entgegen.

Mit „Personality“ ans Ziel

Zum Schluss dürfen auch noch die Klum-Fans aufatmen. Seit 2017 gibt es sogar einen „Best Personality-Award“ bei Germany´s Next Topmodel. Damit nicht das Gefühl entsteht, es würde bei dieser Fleischschau nur ums Aussehen gehen. Auch wenn „Maja mit den Achselhaaren“ ihn nicht ergattern konnte, ist er doch zumindest ein kleiner Trost für alle FeministInnen, finden Sie etwa nicht?

Wir alle kennen und lieben sie – die Helden unserer Kindheit. Es sind fiktive Figuren, die uns bereits in jungen Jahren geprägt haben. Da gibt es mutierte Schildkröten, die gegen das Verbrechen kämpfen und sich von Pizza ernähren. Spielzeugcowboys, die sich als wahre Freunde erweisen. Kleine Wikinger, die tapfer kämpfen und immer eine kluge Idee parat haben. Oder junge Hexen, die mit ihrem fliegenden Besen die Lüfte erobern. Eine persönliche Rankingsliste meiner Kindheitshelden aus Animations- und Realfilm findet ihr hier: Weiterlesen

8. Januar 1953 in Tupelo, Mississippi – im tiefsten amerikanischen Süden kommt ein Kind namens Elvis Aaron Presley zur Welt, welches in den darauffolgenden zweiundvierzig Jahren zu einer der größten Musiklegenden werden sollte, die die Welt bislang gesehen hat. Noch 29 Jahre nach seinem Tod, im Jahr 2006, erscheint ein Album des Sony BMG Music Entertainment Musiklabels mit dem Titel „Rock ’n’ Roll Hero“, welches die besten Elvis-Hits zusammenstellt. Rock ’n’ Roll Hero und Frauenheld- wie schaffte es Elvis sich den Heldenstatus zu ersingen?

„When I was a child I always saw myself as a hero“

Als einziges Kind von Gladys und Vernon Presley wuchs Elvis in East Tupelo, Mississippi auf. Sein Zwillingsbruder, der hätte Jesse Garon heißen sollen, starb bei der Geburt. Mit zehn Jahren bekam Elvis seine erste Gitarre geschenkt (und das, obwohl sich dieser eigentlich ein Fahrrad gewünscht hatte), mit der er sich autodidaktisch das Spielen beibrachte. Kurz darauf nahm an einem Talentwettbewerb seiner Schule teil. Wer jetzt davon ausgeht, dass dies der große Durchbruch gewesen sein mag, täuscht sich. Elvis erhält den zweiten Platz und verlässt ein Jahr später seinen Geburtsort, da seine Familie nach Memphis zog und dort in einer Sozialwohnung lebte. Nach seinem Abschluss arbeitete der zukünftige Frauenheld als LKW-Fahrer. Das war im Jahr 1953– ein Jahr bevor sich sein Leben für immer ändern sollte.

Vom Fahrer zum Chauffierten: Der musikalische Durchbruch

„I don’t sound like nobody“

Sommer 1953, Union Avenue 706. Als der 19-jährige LKW-Fahrer namens Elvis Presley dem Musiklabel Sun Records einen Besuch abstattete, war dort nur die Assistentin Marion Keikser anwesend. Als diese ihn fragte, nach wem seine Stimme denn klingen würde, antwortete dieser mit „I don`t sound like nobody“. Elvis nahm für 3,98 Dollar seine ersten zwei Songs auf. „My Happiness“ und „That´s When Your Heartaches Begin“– ein Geburtstagsgeschenk für seine Mutter. Ein Jahr lang sollte der Durchbruch im ikonischen Sun Records, welchem heute noch zahlreiche Touristen einen Besuch abstatten, auf sich warten lassen. Das einzige was Presley an diesem ersten Tag hinterließ war eine Notiz, die sich Marion Keikser selber schrieb: „guter Balladensänger“.

Als Elvis ein Jahr später wieder zurück in die Union Avenue 709 kam, um einen weiteren Song aufzunehmen, war Plattenproduzent Sam Phillips dieses Mal zufälligerweise höchst persönlich vor Ort. Phillips gab die Nummer des jungen Künstlers an den Gitarristen Scotty Moore weiter, mit welchem Elvis den Titel „That`s All Right, Mama“ aufnahm. Nachdem diese Aufnahme in der Radioshow „Red Hot and Blue“ zu hören war, konnte sich der Radiosender vor Anrufen nicht mehr schützen. Die Platte verkaufte sich etwa 20.000 Mal und konnte Platz 4 der lokalen Charts belegen. In den folgenden Jahren sollte Elvis Presley nicht nur zum Lokalhelden, sondern zum internationalen Superstar werden. Als Sänger, Musiker und Schauspieler wurde er zu einem der wichtigsten Vertreter der Rock-und Popkultur des 20. Jahrhunderts.

Helden der Musikgeschichte

Helden sind Vorbilder, Idole, gefeierte Persönlichkeiten, Märtyrer oder Pizzalieferanten. Manche sind sich selbst ein Held und manche einem anderen. Und trotzdem erscheint 29 Jahre nach dem Tod Elvis Presleys ein Album seiner besten Werke, mit dem Titel „Rock ’n’ Roll Hero“– denn er hat etwas bewirkt. Er hat sich in das Kollektivgedächtnis des 20. und 21. Jahrhunderts gesungen. Mit wahrscheinlich über eine Milliarde verkaufter Tonträger gilt Elvis Presley, nach den Beatles, als der zweiterfolgreichste Künstler weltweit und als Nummer eins der Solokünstler. Als solch ein erfolgreicher Musiker ist Preyles zweifellos ein Held für viele seiner Fans. An seinem Lebenslauf lässt sich außerdem erkennen, dass kaum jemand als Held geboren wird. Innerhalb von einem Jahr wird der junge Elvis Presley bekannt und wird zu einem Held der Musikgeschichte.

Von Heldentaten über Heldenmythen– per Definition ist etwas Heldenhaftes etwas Außergewöhnliches. Und dieses Attribut kann dem Mann wohl niemand mehr abstreiten.