Sie ist eine der berühmtesten Prinzessinnen unserer Zeit: Rapunzel. Viele Generationen kennen die Geschichte des Mädchens mit dem langen Zopf, das seine gesamte Jugend eingesperrt in einem Turm verbringen musste. Nach den Gebrüdern Grimm und einigen Filmemachern hat sich Disney 2010 an die Biografie der Blondine gewagt, eine Serie gibt es seit Kurzem auch. Ich habe mich mit der Protagonistin von „Rapunzel – Neu verföhnt“ getroffen. Ein (nicht ganz reales) Gespräch über Haare und Disneys Frauenbild.
Rapunzel, du warst vor allem für deine meterlangen blonden Haare bekannt. Seit sie dir abgeschnitten wurden, trägst du die Haare kurz und braun. Wie geht es dir mit dieser radikalen Typveränderung?
Natürlich war ich im ersten Moment geschockt. Den krassen Schnitt habe ich aber wortwörtlich gebraucht. Gothel hatte mir immer eingeredet, die Welt außerhalb des Turmes wäre gefährlich; alle würden die Kraft meiner Haare wollen. Dass sie mich selbst bloß ausnutzt, habe ich erst spät gemerkt. Die Haare habe ich zwar verloren, aber dafür meine Freiheit gewonnen. Das war es mir definitiv wert.
(Gothel entführte Rapunzel als Baby und hielt sie in einem Turm gefangen, um die verjüngende Kraft von Rapunzels Haar allein für sich zu nutzen. Anm. d. Autorin)
Du siehst die kurzen Haare also als Sinnbild für deine Unabhängigkeit?
Ja, und nicht nur als Sinnbild. Ich fühle mich jetzt mehr als Person wahrgenommen.
Es gibt ein Sprichwort der Friseurzunft, das lautet: „Lange Haare betonen die Haare, kurze Haare betonen den Kopf.“
Ich denke, das trifft es ganz gut. Egal, wo ich früher hingegangen bin, haben die Menschen erst mal auf meine Haare geschaut. Ist ja logisch, 20 Meter sind schwer zu übersehen. Jetzt spielt es eine größere Rolle, was ich sage und wie ich mich verhalte.
Du bist die erste kurzhaarige Prinzessin im Disney-Universum. Wie findest du das?
Gut! Ich denke, einigen anderen würden kurze Haare auch sehr gut stehen. Schönheit und Weiblichkeit sind aber auch heute eng verknüpft mit langen Haaren. Und bei Disney spielen Äußerlichkeiten leider immer noch eine wichtige Rolle.
Mulan hat sich doch die Haare sogar freiwillig abgeschnitten.
Stimmt, aber da ist sie die Einzige. Außerdem hat sie sich als Mann verkleidet – mit ihren Haaren hat sie also ihre Weiblichkeit ein Stück weit aufgegeben.
Denkst du, Disney hat ein überholtes Frauenbild?
Immer noch, ja. An uns Prinzessinnen sieht man es besonders deutlich: wir dürfen kein Gramm zunehmen und müssen immer perfekt gestylt sein, zumindest in unseren Filmen. Das sind unrealistische Körperbilder, die so entstehen. Außerdem kommen wir seltener zu Wort als die Männer – und das, obwohl wir die Protagonistinnen unserer Geschichten sind. Aber es tut sich langsam was.
Inwiefern?
In den letzten Jahren sind einige starke Frauen aufgetaucht. Elsa zum Beispiel bewundere ich total, weil sie ohne irgendeinen Prinzen auskommt. Und Merida genauso, sie ist einfach unabhängig und geht ihren Weg.
Du selbst bist ja auch nicht mehr das wehrlose Mädchen, das von einem Prinzen verführt wird, wie frühe Geschichten über dich behaupten. Ist diese Entwicklung bei Disney der Zeit geschuldet?
Interessanterweise kann man das sogar an den Frisuren der Prinzessinnen sehen. Schneewittchen, Cinderella und Aurora haben alle ziemlich brave Frisuren mit Haarreifen oder Kopftuch. Sie verkörpern eben das Frauenbild der 30er bis 50er Jahre: liebe, hübsche und fleißige Hausfrauen. In der Zeit der sogenannten Disney-Renaissance in den 90ern hat sich das zum Glück geändert. Die Prinzessinnen dürfen endlich Charakter zeigen und lassen sich nicht alles gefallen.
Stimmt, die Frisuren sind auch viel unterschiedlicher – genau wie die Prinzessinnen. Arielle, Jasmin und Belle sind zum Beispiel sehr verschiedene Charaktere.
Die Haare werden auch wichtiger, um die Persönlichkeit auszudrücken. Ich denke da an Pocahontas, deren offene Haare für ihre Unabhängigkeit stehen oder eben Mulan, die sich ja die Haare abschneidet.
Die Haare sind nicht nur Zeichen für Schönheit und Weiblichkeit, sondern helfen auch bei der Charakterisierung einer Prinzessin?
Das ist beim Film natürlich noch wichtiger als im echten Leben. Im Film hat ja alles eine Bedeutung, und die äußere Erscheinung ist ein Bild für das Innere der Figur. Ich denke, das beste Beispiel dafür ist Merida. Sie ist wohl die Rebellischste von uns allen – und hat auch die aufregendsten Haare. Rote Haare haben irgendwie immer schon eine besondere Bedeutung und spätestens seit Pippi Langstrumpf denkt man sofort an ein freches und unabhängiges Mädchen. Dazu die Locken, die sich unter keine Haube zwängen lassen.
Ein Sinnbild für ihre Rebellion ist das wohl. Welche Frisuren wünschst du dir also für zukünftige Prinzessinnen?
Ganz klar: je wilder, kürzer, bunter, unterschiedlicher – desto besser!
Mehr von Rapunzel gibt es in Disneys „Rapunzel – Neu verföhnt“ zu sehen:
Zum Weiterlesen:
- „Prinzessinnen haben in Disney-Filmen wenig zu melden“ bei ze.tt
- „Disney Filme: Über Schönheitsideale, Rollenbilder und deren Einfluss auf Kinder“ bei hdaustria.de
- „Disney-Prinzessinnen: Frauenbilder für jede Generation“ bei elbenwald.de
- „Wenn das Abrasieren der Haare zum Protest wird“ bei zwischenbetrachtung.de
- „Wie es ankommt, wenn eine Frau sich die Haare abrasiert“ bei zwischenbetrachtung.de
Beitragsbild: „Tangled“ by Catherine Chen via flickr
Sehr schöner Beitrag. Ich bin ein sehr großer Disney Fan. Ich finde „Die Eisprinzessin“ ist ein Fortschritt für Disney, zumindest was die Abhängigkeit von Männern angeht.
Klasse, wie es dir gelungen ist, in ein fiktives Gespräch so viele Wahrheiten einzubinden! Denn das Frauenbild wandelt sich und mit ihm die Frisuren der Disney Charaktere – ich bin gespannt, was uns in Zukunft noch erwarten wird!
Ein echt cooles Interview! Daumen hoch 🙂 Es liest sich sehr flüssig. Ich mag Disneys „Rapunzel – Neu verföhnt“ auch sehr! Als ich diesen Film damals zum ersten Mal gesehen habe, war ich tatsächlich leicht schockiert, als Rapunzel plötzlich ihre langen Haare abgeschnitten werden und sie zur Brünette wird 😀 Das hat man irgendwie nicht so erwartet. Ich habe mir da noch nie weiter Gedanken darüber gemacht, welche Bedeutung dahinter stecken könnte. Du hast mich auf ganz neue Aspekte aufmerksam gemacht!
Dein Beitrag ist wirklich toll und super nachvollziehbar (auch wenn es nur ein fiktives Interview ist)! Ich hatte die starke Veränderung im Film auch nicht erwartet und habe auch einige Minuten gebraucht, um mich an das neue Haar von Rapunzel zu gewöhnen. Schließlich ist das Märchen doch sehr an Rapunzels langer Mähne gebunden. Die Bedeutung dahinter ist aber sehr wichtig und ich finde es toll, dass Disney hier eine neue Richtung einschlägt.