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Wie malt man einen Alptraum? Dieser Frage begegneten schon verschiedene Künstler*innen. Ihre Werke sind geprägt von ihrer Zeit und verbildlichen ihre Visionen, Ängste und die dunkle Seite der Traumwelt. Was passiert also, wenn Albrecht Dürer schweißgebadet aufwacht und was hat ein Granatapfel mit Salvador Dalís Alptraum im Gemälde zu tun?

Träume sind individuell und fantasiereich. Die Bilder, welche in unseren Köpfen entstehen, lassen sich jedoch nur schwer anderen erzählen. Wie würden diese auf einer Leinwand aussehen? Künstler*innen der verschiedensten Epochen beschäftigen sich schon sehr lange mit den Eigenarten unserer Träume. Die Freiheit der bildenden Künste, jeden noch so verrückten oder realitätsfernen Traum verbildlichen zu können, bietet den Kunstschaffenden viele Möglichkeiten anderen ihre Träume zu zeigen. Hierbei werden jedoch nicht ausschließlich die guten, schönen Träume künstlerisch umgesetzt, sondern auch die düsteren, gruseligen Alpträume.

Albrecht Dürer, Johann Heinrich Füssli, Francisco de Goya und Salvador Dalí sind Künstler, welche sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Alptraum beschäftigt haben. Ihre Alptraum-Werke zeigen die vielen Interpretationsmöglichkeiten der Alptraumwelt. Die Gemeinsamkeit ihrer Gemälde liegt in der Darstellung der jeweiligen persönlichen Auffassung eines Alptraums. Die Werke und das Gedankengut dieser vier Künstler sind zudem auch durch die Epochen geprägt, in welchen sie entstanden sind. So wandeln die vier Alpträume von der Renaissance bis zum Surrealismus.

© Katharina Mauderer

Albrecht Dürers „Traumgesicht“

Albrecht Dürers Alptraum als Aquarell Gemälde

„Traumgesicht“ – Albrecht Dürer, 1525 © Wikimedia Commons

8. Juni 1525 – Der Maler Albrecht Dürer (1471-1528) wacht schweißgebadet auf. Ein schrecklicher Alptraum, ein regelrechter Angsttraum quälte ihn durch die Nacht. Noch spürbar mitgenommen von seinen nächtlichen Schreckensvisionen, versucht er die Ereignisse seines inneren Auges aus der Traumwelt zu holen. Er greift schließlich zu seinen Aquarellfarben und beginnt zu malen – sein Alptraum im Gemälde „Traumgesicht“ entsteht.

Auf dem Werk zu sehen ist eine ockerfarbene Landschaft mit weit entfernten Bäumen und einer Stadtsilhouette, welche sich mitten in einer fürchterlichen Naturkatastrophe befinden. Es stürzen blaue Wassermassen vom Himmel herab und zerstören alles Umliegende. Dürer beschreibt sein geträumtes Szenario unter seinem Aquarellwerk sehr detailliert und schildert auch seine Gefühle über diese Vision: „das ich also erschrack do ich erwacht das mir all mein leichnam zitrett und lang nit recht zu mir selbs kam“. Sein Traum hat wahrliche Weltuntergangsstimmung. Seinen Bericht beendet er allerdings im Vertrauen auf den Allmächtigen: „Got wende alle ding zu besten“ (Gott wende alle Dinge zum Besten).

In der Renaissance fürchtete man sich vor Kriegen, Hungersnöten, Naturkatastrophen – und sah jedes Mal den Weltuntergang nahen. Eine Sintflut, wie auf seinem Gemälde dargestellt, galt als göttliche Strafe für Bosheit. So liegt es nahe, dass auch Dürers Träume davon beeinflusst worden sind und er in seiner Vision die Rückgängigmachung von Gottes Schöpfung fürchtet.

Der „Nachtmahr“ und die schwarze Romantik

Alptraum verbindlich von Füssli als Ölgemälde

„Der Nachtmahr“ – Johann Heinrich Füssli, 1790/1791 (spätere Version) © Wikimedia Commons

Johann Heinrich Füssli (1741-1825) war ein bedeutender Maler der Schwarzen Romantik, der einen Hang zu Träumen und mystischen, gruseligen Darstellungen hatte. Oft beeinflusst durch die Französische Revolution erschufen Künstler*innen dieser Epoche zunehmend düstere Werke. Füsslis Ölgemälde „Der Nachtmahr“ gilt als eines der ersten Werke, welches entgegen den Historienbildern nicht den Menschen fokussiert, sondern eine bestimmte Situation. Das Werk entstand rein aus seiner Fantasie und greift das alte Motiv des „Nachtmahrs“, oder auch „Nachtalbs“ auf. Dieses gruselige Fabelwesen soll schlechte Träume verursachen. Es setzt sich auf die Brust von Schlafenden und löst ein Druckgefühl aus. Der Alb soll zudem immer auf einem Pferd reiten, welches Füssli schemenhaft durch den Vorhang blicken lässt.

Er versinnbildlicht in seinem Werk die Schwelle von der Wirklichkeit zum Alptraum. Gleichzeitig zeigt er die Umstände, welche nach seiner Auffassung zum Alptraum der schlafenden Frau führen. Die Verwendung des Chiaroscuro-Effekts, also starken Hell-Dunkel-Kontrasten, unterstreicht die gespenstische Stimmung des Werkes. Füssli schuf mehrere Versionen des „Nachtmahrs“. Der erste Alptraum im Gemälde entstand 1781 im Querformat. Die Werke wurden später vor allem von den Künstler*innen des Surrealismus wieder aufgegriffen.

Auf dem Weg zum Realismus mit Francisco de Goya

Alptraum und Vernunft als Thema von Goyas Radierung

„El sueño de la razón produce monstruos“ – Francisco De Goya, 1797-1799 © Wikimedia Commons

Schläft oder träumt die Vernunft bei einem Alptraum? Diese Frage stellt sich bei Francisco de Goyas (1746-1828) Werk „El sueño de la razón produce monstruos“. Es ist Teil einer Serie aus 80 Radierungen, in denen er sich mit den derzeitigen Missständen in Spanien auseinandersetzt. Goya ist zeitlich in die Romantik einzuordnen, er gilt jedoch als Wegbereiter der Moderne und des Realismus. In dieser Epoche sollte die Realität möglichst genau herausgearbeitet werden und der Mensch als Einzelne*r stand im Mittelpunkt.

Die Französische Revolution hatte Goya die Augen geöffnet und er strebte nach Aufklärung und Vernunft. Folglich entsteht seiner Auffassung nach das Ungeheuerliche nicht aus Aberglauben, sondern aus einer befangenen Vernunft. Der „sueño“ von Goyas Alptraum-Werk kann hier verschieden übersetzt werden – als Traum oder als Schlaf. So ergibt sich die Übersetzung „Der Traum/Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.“ Der Alptraum im Gemälde, das Ungeheure, stellt Goya in seinem Werk durch Eulen dar. Sie gelten als Nachttiere und verkörpern, als Wappentier der Göttin Athene, die Vernunft. Eine der Eulen scheint den im Vordergrund schlafenden Künstler, womöglich Goya selbst, vor den im Hintergrund fliegenden, schwarzen Feldermäusen schützen zu wollen. Diese sind laut Dürer die Boten des Bedrohlichen. Das Gemälde lässt keine eindeutige Interpretation zu, somit entsteht Goyas Alptraum entweder aus einer schlafenden Vernunft oder die träumende Vernunft bringt selbst den Alptraum hervor.

Über der Wirklichkeit – Alpträume im Surrealismus

Gemälde des Surrealismus von Dalí zeigt die Ursache des Alptraums

„Sueño causado por el vuelo de una abeja alrededor de una granada un segundo antes de despertar“ – Salvador Dalí, 1944 © Wikimedia Commons

Dass Salvador Dalí (1904-1989) ein Maler des Surrealismus ist, wird mit Blick auf seine Gemälde schnell ersichtlich. Vor allem skurrile Zusammenhänge und sonderbare Darstellungen, fernab von der Realität prägen seine Werke ganz getreu den Ansichten dieser Kunstströmung. Die revolutionäre Form des Surrealismus hatte das Ziel, als Epoche der Moderne das Alltägliche und Reale zu übertreffen. Gezeichnet vom Ersten Weltkrieg, suchten Künstler*innen nach einer Gegenbewegung zu den bisherigen Darstellungen. Träume, Übernatürliches und realitätsferne Zusammenhänge wurden zum Gegenstand der surrealistischen Kunst.

So scheint es auf den zweiten Blick auch nicht mehr verwunderlich, dass Dalís Alptraum-Werk nicht den dunklen und düsteren Gemälden seiner Vorreiter gleicht. Mit dem langen Titel, zu deutsch: „Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen“ verbildlicht er die Entstehung eines Alptraums, bedingt durch eine banale Situation. Zu sehen ist eine schlafende Frau, auf welche sich zwei zornige Tiger stürzen. Diese entspringen aus einem Fischmaul. Der Fisch wiederum scheint aus einem Granatapfel zu entstehen. Im Hintergrund stakst ein Elefant auf stelzenartigen Beinen über das Wasser. Mit diesem verwirrenden Bedrohungsszenario verweist Dalí unverkennbar auf die Eigenarten unserer Träume, verschiedene Handlungen in groteske Zusammenhänge zu bringen. Also gipfelt der bloße Flug einer Biene um einen Granatapfel in einem Alptraum im Gemälde mit gefährlicher Bedrohung durch die Tiger.

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

„Das schaffst Du nie“ – „Bist Du dafür nicht zu alt?“ – „Aber Du musst doch von etwas Richtigem leben“. Wer solche Sprüche schon einmal gehört hat, hat es möglicherweise gewagt, seinen großen Traum mit seinen Mitmenschen zu teilen. Doch die Zuversicht schwindet schnell, sobald die eigenen Träume nur müde belächelt werden. Menschen, die unsere Träume kleinreden, können wir überall begegnen. Ob es die eigenen Eltern oder Großeltern sind, Freund*innen, Kolleg*innen oder sogar Vorbilder. Doch was können wir tun, um selbstwirksam an unseren Träumen festzuhalten?

Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Künstlerder beruflich Konzeptzeichnungen für Videospiele entwarf. Ich hatte Interesse an dem Beruf und den Künstler gebeten, mir von seinem Alltag zu erzählen und davon, wie er in diesen Beruf gerutscht ist. Das Gespräch war eine Katastrophe, denn der Künstler streute überall Ermahnungen ein, die mir deutlich sagten: Wenn du nicht jede Sekunde Deines Lebens mit Zeichnen verbringst, wird aus Dir nie eine Konzeptzeichnerin. Nach dem Gespräch war ich entmutigt und frustriert. Sauer auf mich, dass ich diesen Künstler überhaupt erst angesprochen hatte. Hätte ich doch den Traum, mein Hobby zum Beruf zu machen, nie ausgesprochen, und meinen Weg ganz allein gefunden. Nun, was soll ich sagen? Sechs Jahre nach dem Gespräch mit dem Konzeptzeichner habe ich es geschafft, mich selbstständig zu machen und arbeite erstmalig als 2D-Grafikerin an einem kommerziellen Videospiele-Projekt mit. Das Projekt ist nicht bahnbrechend und ich kann meinen Lebensunterhalt nicht damit verdienen. Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Ich dachte lange Zeit, ich würde glücklich werden, wenn ich den einen Traum habe und ihn verfolge. Im Leben nichts anderes tue und mich nur auf diese eine Sache konzentriere. Denn genau das ist es, was erfolgreiche Menschen ausmacht. Oder nicht?  

Viele Wege führen an den Zeichentisch 

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Der Weg zum Traum (@Pixabay)

Sicher gibt es Menschen, die genau diesen Weg gehen und mit der einen Leidenschaft erfolgreich und glücklich werden. Doch es ist nicht immer notwendig ‚All-In‘ zu gehen. Es gibt so viele Wege und Möglichkeiten seine Träume zu verwirklichen und trotzdem realistisch zu bleiben. Aus mir wird nie eine große Konzeptzeichnerin, die mit ihren Grafiken ihren Lebensunterhalt verdienen kann. Das habe ich akzeptiert. Dafür arbeite ich zu wenig und nicht hart genug an meinen Fähigkeiten. Die Konkurrenz ist stark und die Bezahlung mies, selbst bei großen Projekten. Zudem musste ich feststellen, dass es gar kein so großer Spaß ist, sein Hobby mehrere Stunden täglich auszuübenum sich damit sein Einkommen zu sichern. Anstatt also mein ganzes Leben auf diesen Traum zu konzentrieren, habe ich mehrere meiner Interessen verfolgt – und siehe da, einen Teil meiner Zeit darf ich nun meinem Traum widmen.

Es ist also gar nicht immer notwendig, den besten Start, die perfekte Ausbildung, die reichsten Eltern oder das größte Talent zu haben, um seine Träume zu verwirklichen. Neben einem Interesse an der eigenen Erfüllung der Träume spielt das Konzept der sogenannten ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘ eine große Rolle. Dieses Konzept wurde in den 1970er Jahren von Albert Bandura, einem kanadischen Psychologen, entwickelt. Selbstwirksamkeit bezeichnet eine Haltung gegenüber den eigenen Fähigkeiten und den damit verbundenen Möglichkeiten, seine Ziele zu erreichen. Wer sich also ein Ziel setzt und der festen Überzeugung ist, dieses zu erreichen, besitzt eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung.

Selbstwirksamkeit lässt sich trainieren

Wie viel oder wenig ein jeder davon besitzt, wird durch bisherige Erfahrungen bestimmt. Erleben wir häufig Fehlschläge, sinkt unser Glaube an uns und unsere Fähigkeiten. Im Umkehrschluss können wir unsere Selbstwirksamkeit aber auch trainieren, indem wir uns kleine Ziele setzen, die wir einfach erreichen. Die ersten Ziele sollten demnach auf unsere bisherigen Fähigkeiten aufbauen, um einfach erreichbar zu sein. Gleichzeitig sollten wir jedoch darauf achten, die Ziele nicht zu einfach zu definieren. Denn wenn wir etwas schaffen, das uns ohnehin sehr leichtfällt, empfinden wir keinen Erfolg beim Erreichen des Ziels oder beim Lösen der Aufgabe. Haben wir ein gutes Maß gefunden, das zu uns passt und das Ziel erreicht, ist es wichtig unseren eigenen Erfolg anzuerkennen. Denn durch den Stolz und das Erfolgsgefühl motivieren wir uns selbst dazu, weitere Ziele zu erreichen. Ist letztendlich ein Fundament aufgebaut, können wir anfangen unsere Ziele zu vergrößern und sogar an unseren Träumen zu arbeiten, die wir vorher noch für unerreichbar hielten. 

No Regrets 

Der Versuch ist das höchste Ziel (@Pixabay)

Ein Traum, als Teil unserer Vorstellung vom Leben, leitet uns in eine Richtung, die wir verfolgen können, wenn wir uns dafür entscheiden. Er ist kein Fixpunkt unserer Geschichte. Möchtest du gerne ein bekannter Popstar in Amerika werden? Oder eine weltberühmte Schriftstellerin? Es gibt etliche Gründe, weshalb das Erreichen dieser Ziele eher unrealistisch ist. Aber vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, um glücklich zu werden. Vielleicht reicht es dir, erst einmal auf einer kleinen Bühne in deiner Stadt aufzutreten oder für eine lokale Zeitung zu schreiben. Das klingt schon viel realistischer, oder nicht? Und mit der steigenden Erfahrung und dem Wissen, das dieser Weg mit sich bringt, kannst du ihn weiter gehen oder ihn wieder verlassen und dich weiter umsehen. Vielleicht bringt dich der Versuch, deinen Traum zu erfüllen, auf ungeahnte Wege. In jedem Fall wirst du dir am Ende sagen: Du hast es versucht. 

Denn wenn wir 90 sind und es nicht einmal versucht haben, werden wir es bereuen. 

 

Möchtest du noch mehr über das Thema lesen? Schau doch einmal hier vorbei: Wo ein Wille ist, ist der Wunschtraum nicht fern

 

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Im Alltag kennen die Experimente mit den eigenen Haaren nur selten Grenzen. Aus lockig muss glatt werden, aus blond brünett. Und irgendwie kriegt es die Friseurin/der Friseur unseres Vertrauens hin, den Vorstellungen einigermaßen gerecht zu werden. In der Fiktion, insbesondere im Animationsfilm ist die Umsetzung von menschlichem Haar aber eine der größten Herausforderungen.

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Kleine Vierzehnjährige Tänzerin von Edgar Degas

Die „Kleine Vierzehnjährige Tänzerin” von Edgar Degas gehört zu den teuersten Skulpturen der Welt. Wenige kennen jedoch die Besonderheit ihrer Darstellungsweise und die Bedeutung dieser Idee in der modernen Kunstgeschichte. Was hat Edgar Degas mit der Skulptur getan? Eine Geschichte, die verdeutlicht, welche Rolle Haare im materiellen Fortschritt der Plastik spielen. Weiterlesen