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Wo sind sie, diese Helden? Gibt es sie überhaupt? Diese fiktive Kurzgeschichte, die nur allzu real ist, versucht, eine Antwort zu geben.

Dunkel bricht die Nacht über Los Angeles herein. Die Sterne sind durch den wolkenverhangenen Novemberhimmel kaum zu sehen und ein eisiger Wind peitscht durch die leeren Straßen. Nur ein zartes Mädchen, gerade mal 16 Jahre alt, kauert an einer Straßenecke und schlingt die dünne Decke enger um ihre schmalen Schultern. Eltern, die in einer schönen warmen Wohnung sitzen und sich fragen, wo ihr geliebtes Mädchen bleibt, hat sie keine mehr. Nur manchmal noch blitzen Erinnerungen vor ihrem inneren Auge auf. Wie sie nachts aufwacht, weil das ganze Haus in Flammen steht. Ihr kleiner Bruder, der ängstlich schreit, und dann für immer verstummt. Die Feuerwehrkräfte, die zu spät kommen, um ihren Eltern zu helfen. Nur sie hat überlebt, aber es fühlt sich nicht wie ein Wunder an. Nein, ganz und gar nicht. Viel mehr wie eine Bestrafung. Wäre sie auch gestorben, dann wäre sie jetzt vielleicht mit ihrer Familie vereint. Alles wäre besser gewesen als auf dieser gottverdammten Straße zu landen, immer Hunger zu haben und jede Nacht zu frieren. Wo sind sie, diese Helden?

In nächster Nähe ist eine ältere Dame auf dem Heimweg vom Theater. Die 70-Jährige wohnt in einem schönen Haus, das jedoch viel zu groß für sie alleine ist. Seit ihr Ehemann verstorben ist, klafft ein schwarzes Loch in ihrem Herzen. Manchmal droht es, sie zu verschlingen. Um das Loch zu füllen, geht sie viel unter Menschen. Das Theater liebt sie ganz besonders, denn dort schillert und pulsiert das Leben. Die bunten Kostüme und Fantasiewelten lassen sie ihr eigenes trostloses Dasein zumindest zeitweise vergessen. Sie läuft dieselbe Strecke wie immer, langsam, denn ihr Rollator bleibt schnell auf dem unebenen Asphalt stecken. Es ist ein Abend wie jeder andere, und dennoch scheint heute etwas anders zu sein. Vielleicht, weil die Nacht so dunkel und kalt ist, denkt sie sich, und versucht, das ungute Gefühl beiseite zu schieben. Sie ist erleichtert, als sie endlich in die schmale Gasse einbiegt, die zu ihrem Haus führt. Mit den Gedanken ist sie bereits bei einer dampfenden Tasse Grüntee, als sich plötzlich vier Gestalten aus dem dunklen Schatten der Hauswand lösen. Sie schreit gellend auf, als ihr die Handtasche entrissen wird. Eine Hand wird auf ihren Mund gedrückt und erstickt den Schrei, eine andere Hand reißt zuerst an ihrer Perlenkette und dann an dem goldenen Armband, dem letzten Geschenk ihres verstorbenen Ehemannes. So plötzlich wie die Gestalten aufgetaucht sind, verschwinden sie auch wieder in der Dunkelheit der Nacht. Die Frau bleibt zitternd zurück, einsamer als jemals zuvor. Das Herz mit dem klaffenden Loch bleibt stehen. Wo sind sie, diese Helden?

Wenige Minuten zuvor kann man in der Parallelstraße beobachten, wie zwei Gangmitglieder aufeinander treffen. Der eine trägt ein rotes Bandana, der andere ein blaues. Dicht voreinander bleiben sie stehen und starren sich hasserfüllt an. Jeder Muskel ihres Körpers ist angespannt, bereit, das Messer zu zücken, falls der andere einen Angriff startet. Aus der Nebenstraße ertönt der Schrei einer alten Frau. Nur kurz zucken die Augen des einen Jungen in die Richtung der Geräuschquelle. Doch es ist lang genug, um den Angriff seines Gegenübers nicht kommen zu sehen. Hart trifft ihn eine Faust auf der Nase, die mit einem lauten Knacken bricht. Blind schlägt er zurück, bekommt seinen Angreifer zu fassen, beide gehen zu Boden. Zu wem welche Körperteile gehören, ist in dem folgenden Kampf kaum auszumachen. Dafür aber das schillernde Blut, das den sonst so trostlos grauen Asphalt rasch leuchtend rot färbt. So schnell wie der Kampf begonnen hat, ist er auch wieder vorüber. Einer der Jungen erhebt sich ächzend und taumelt die Straße hinab. Der andere liegt am Boden, regungslos. Er starrt in das helle Licht der Straßenlaterne und hofft, dass es keine Wiedergeburt oder ein Leben nach dem Tod gibt. Er wünscht sich, dass endlich alles vorbei ist und er einfach nur noch tot sein kann. Wo sind sie, diese Helden?

Nicht weit von all den schrecklichen Ereignissen strömen lachend Leute in das Kino von Los Angeles. Der neue Avengers-Film ist gerade angelaufen und jeder möchte unbedingt wissen, ob die Superhelden im Kampf gegen das Böse siegen. Sie alle wären gerne so stark wie Hulk, könnten gerne fliegen wie Iron Man und würden gerne ihrem Land dienen wie Captain America. Doch den Blick auf ihr Handy gerichtet laufen sie vorbei an dem Mädchen, das bleich und mit tauben blauen Lippen an der Straßenecke sitzt. Ihr schallendes Gelächter übertönt den Hilferuf der alten Frau aus der Seitengasse. Und von der Schlägerei machen die einen ein Video für ihre Snapchat-Story, die anderen sehen schnell weg, um bloß nicht selbst in Gefahr zu geraten.

Also gibt es sie nicht, diese Helden?

Vielleicht sollten wir öfter mit offenen Augen durch das Leben gehen und helfen, wenn jemand einen Helden braucht. Wir können keine fliegenden Superhelden sein. Aber wir können unsere menschlichen Superkräfte – Hilfsbereitschaft, Toleranz und Zivilcourage – öfter mal zum Vorschein bringen. Zeigen, dass Gutes in uns steckt. Zeigen, dass wir das Herz am rechten Fleck haben.

Denn genau da sind sie, diese Helden.

In 7 Milliarden Herzen verborgen. In jedem von uns. Auch du, lieber Leser und liebe Leserin, hast ein Heldenherz – es liegt an dir, ob du es zum Vorschein bringen willst.

 

Titelbild: Unsplash

 

Nina Mayer (Name geändert), 27, ist Psychotherapeutin. Nach ihrem Psychologie-Master in Tübingen ist sie nach Stuttgart gezogen, um dort im Rahmen ihrer Psychotherapeutenausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu arbeiten. Täglich kommen Patienten in ihre Therapie, um an sich und ihrer persönlichen Situation zu arbeiten. Dass das keine einfache Aufgabe ist, steht außer Frage. Dass die Patienten auf ihre Hilfe angewiesen sind, ebenfalls. Aber kann man Psychotherapeuten tatsächlich als Helden bezeichnen?

1. Warum haben Sie sich für Ihren Beruf entschieden?

Das ist eine gute Frage. Zugegebenermaßen hatte ich schon immer eine große Faszination für das Verhalten des Menschen. Ich habe gerne Situationen beobachtet und mich dafür begeistert, wie viele verschiedene Reaktionsweisen es auf ein und dieselbe Situation geben kann. Außerdem interessiere ich mich dafür, warum Menschen so handeln, wie sie handeln, so denken, wie sie denken, und so fühlen, wie sie fühlen. Es begeistert mich immer wieder, wie die Psyche arbeiten und sich selbst schützen kann. All diese Aspekte waren Vorinteressen, die schon immer ein Teil von mir waren und die natürlich Psychologie als Studienfach nahelegen. Warum ich letztlich den Beruf ausgewählt habe, hängt damit zusammen, dass ich von außen — unabhängig davon — häufig positives Feedback für meinen Umgang mit problematischen Situationen erhalten habe. Dieses hat mir letztlich die Motivation gegeben, Menschen zu unterstützen. Das war für mich die Idee eines erfüllenden Jobs.

2. Was macht für Sie einen Helden aus?

Wenn ich das Wort höre, denke ich ganz oft an Märchen zurück. An den heldenhaften Prinzen, der die Prinzessin vor dem Drachen rettet, oder an den Helden, der die schlafende Prinzessin mit einem Kuss wieder ins Leben zurückholt. Dann denke ich aber auch an Spiderman oder andere moderne Superhelden. Spiderman, der einerseits seine große Liebe rettet, die gerade vom Hochhaus stürzt, und gleichzeitig den Waggon in der Schwebe hält, damit die Kinder nicht in den Tod fallen. Abgeleitet aus diesen Vorstellungen würde ich sagen, dass man als Held mutig sein muss, dass man sich für andere einsetzt und aus purer Hilfestellung, purer Liebe oder purem Respekt für den Menschen handelt.

3. Sehen Sie sich selbst in Ihrem Beruf manchmal als Heldin?

Um ehrlich zu sein: nein. Für mich ist das Wort des Helden ein sehr altmodischer Begriff. Sicherlich ist man auch als Psychotherapeut manchmal stolz auf seine eigene Leistung oder erhält auch mal das Lob von einem Patienten, dass man ihm aus der Klemme geholfen hat, aber so ganz im Bewusstsein ist der Begriff des Helden bei mir nicht. Insofern trifft der Begriff auf mich wahrscheinlich nicht zu.

4. Gibt es besondere Herausforderungen im Beruf eines Psychotherapeuten?

Ja, ich denke schon. Manchmal sind es sogar unzählige Situationen auf ganz verschiedene Weise. Manchmal hat man ein System, das der Art, wie man selbst einer Person Hilfe leisten würde, entgegenarbeitet, wie zum Beispiel die Krankenkasse, das gesamte Gesundheitssystem oder die Wartezeiten. Das sind Sachen, die einem die Arbeit nicht gerade leichter machen. Außerdem ist es eine große Herausforderung, wenn man Patienten hat, die eigentlich viel Potenzial haben und mit denen man gut arbeiten könnte, es aber Umstände gibt, die das nicht möglich machen. Das kann die Schule sein, die einen Schulwechsel nicht möglich macht, der für den Patienten hilfreich wäre. Dann kann es aber auch das soziale Umfeld sein, das die neu erlernten Strategien des Patienten nicht akzeptiert und diesen abweist. Das alles sind für mich sehr schwierige Situationen, die es immer wieder aufs Neue gilt, akzeptieren zu lernen.

5. Gibt es eine andere Berufsgruppe, die Sie als Helden bezeichnen würden?

Die Sache ist die: Meine Definition des Held-Seins enthält die Tatsache, dass man Mut und Courage erbringt, und dies aus einer inneren Motivation heraus, wirklich nur der Hilfe wegen. Ein Beruf beinhaltet immer den Aspekt, dass man dafür ausgebildet und bezahlt wird. Insofern ist es sehr schwierig, eine Berufsgruppe als Helden zu bezeichnen. Dennoch kann jede Berufsgruppe das Potenzial haben, Helden zu sein. Schließlich geht es um den Punkt, dass man mehr über den Beruf hinweg tut, Mut beweist und sich für jemanden einsetzt, und das nicht nur, weil man dafür bezahlt wird. Welche Berufsgruppen das sein können? Natürlich fallen einem da erst mal die sozialen Berufe ein, die Erzieherin, die den Kindern hilft, oder der Feuerwehrmann, der sein eigenes Leben in Gefahr bringt, um ein anderes aus den Flammen zu retten. Aber dann gibt es da auch den IT-ler, der schon lange über die Zeit seines Tages arbeitet, um noch die digitale Welt zu retten, oder den Manager, der versucht, das ganze Wirtschaftssystem zusammenzuhalten. Auf diese Weise könnte man durch die Reihe gehen und würde feststellen, dass überall etwas Heldenhaftes sein kann, aber nicht unbedingt ein Beruf ausschließlich Helden hervorbringt.

6. Was denken Sie: Wann wird der Begriff des Helden falsch gebraucht?

Das Schwierige am Begriff des Helden ist, dass er sehr positiv konnotiert ist. Ich denke, wenn jemand als Held bezeichnet wird, dann bedeutet das oft, dass man nur die guten Seiten sieht. Der Begriff vernachlässigt oft die dunkleren, negativen oder problematischen Seiten, die jeder Mensch besitzt. Das sollte man bedenken, wenn man jemanden als Helden bezeichnet, vor allem, wenn es um Menschen des wirklichen Lebens geht. Es gibt nicht nur den positiven, strahlenden Helden, sondern immer auch den, der ins Wanken gerät und vielleicht gerade deshalb ein Held ist, weil er solche Situationen überwindet.

7. Wer ist Ihr persönlicher Held und warum?

Sicher bin ich jetzt etwas voreingenommen durch die vorigen Fragen, aber zuerst fallen mir all die Personen ein, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, die sich für sich selbst eingesetzt haben. Die Personen, die erkannt haben, dass sie momentan unzufrieden sind, und die ihr Leben anpacken, obwohl es eine Höllenarbeit ist. Die Personen, die es wieder zu einem Leben gestalten, das sie gerne führen und an dem sie Spaß haben und in dem es ihnen gut geht. Das ist für mich etwas sehr Heldenhaftes. In einer Situation, in der sich diese Menschen nicht so gut selbst leiten können, greifen sie sehr altruistisch und mutig ein und helfen jemandem: sich selbst!

Was eine Krankenpflegerin zum Thema Helden denkt, erfährst du hier: 3 Fragen an …

Am 29. Juni diesen Jahres machte Paula Godwin aus Arizona einen morgendlichen Spaziergang mit ihren beiden Hunden Todd und Cooper. Als plötzlich vor ihnen eine Klapperschlange auftauchte, sprang der nur  sechs Monate alte Welpe Todd zwischen das gefährliche Reptil und sein Frauchen – und wurde mitten ins Gesicht gebissen. Nach zwölf Stunden in der Tierklinik war er auf dem Weg der Besserung und die Bilder des kleinen Hundes mit dem geschwollenen Gesicht machten ihn zum Internet-Helden.

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Wer ist eigentlich kein Held? Und wieso bewundern wir immer die anderen bei ihren mutigen Taten, sind aber selbst nur Zuschauer? Held sein. Ein Gedicht das darüber nachdenkt, wieso wir nicht selbst einmal Helden sind. Und eine Erinnerung daran, dass wir so viele unbemerkte Helden ganz in unserer Nähe haben. Weiterlesen

Wir waren für euch mit Kamera und Mikrofon auf Tübingens Straßen unterwegs und haben mit den verschiedensten Menschen über Helden geredet. Wer sind die Helden der Tübinger und was macht einen Helden aus? Was haben Rosa Luxemburg und Laboraffen mit Heldentum zu tun? Und für wie heldenhaft halten sich die Tübinger? Das alles erfahrt ihr in unserem Video.

 

Ein Video von Nadja Rupp und Marie Oberle.

Zwei mal drei macht vier widdewiddewit und drei macht Neune! Ich mach’ mir die Welt widdewiddewie sie mir gefällt. Hey… du lieber Leser oder du liebe Leserin! Erinnerst du dich noch an das rothaarige, kecke Mädchen, das dich in deiner Kindheit immer zum Lachen gebracht hat? Das mit dem Affen, dem Pferd, den bunten Ringelsocken und den viel, viel zu großen Schuhen? Pippilotta Viktualia Rolgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. So heißt sie mit vollem Namen. Warum eben dieses laute, freche kleine Mädchen eine ganz große Heldin ist, darüber wird viel zu wenig gesprochen. Hier liest du, weshalb wir uns alle eine große Scheibe von ihr abschneiden sollten. Weiterlesen

Lego Batman Figur

Helden gibt es seit der griechischen Antike. Herkules, Odysseus oder Achilles, ihre Geschichten sind fast jedem bekannt. Sie besaßen alle bewundernswerte und begehrte Charaktereigenschaften, denen die Menschen versuchten nachzueifern. Stark, mutig und geschickt, von einem oder mehreren Göttern gesegnet, war es ihnen möglich, ihren Mitmenschen zu helfen. Wenn man an Helden heutzutage denkt, denkt man oft an die Helden des Marvel Universe, an Prominente oder an Nobelpreisträger. Haben diese überhaupt was mit den Helden der Antike gemeinsam? Und braucht man heute wirklich noch Helden?

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„Halte nicht Ausschau nach Helden, sei selber einer!“ Das haben sich die Initiatoren des Weissen Rings zu Herzen genommen und eine Organisation gegründet, die Opfer aller möglichen Verbrechen unterstützt. Wie eigentlich gewöhnliche Menschen Heldenhaftes tun, kann man an diesem Beispiel erkennen.

Alltagshelden müssen nicht immer als Einzelne handeln und ihre Taten müssen nicht immer spontan sein. Sie können sich auch in Gruppen zusammentun, sich gegenseitig unterstützen und geplant und gezielt auf ein Ziel hinarbeiten. Das ist es wohl, was Hilfsorganisationen tun und weshalb sie derart effektiv sind. Doch es gibt so viele von ihnen, in so verschiedenen Bereichen, an so vielen Orten, dass man manchmal den Überblick verliert. Hin und wieder denkt man sich vielleicht auch: „Machen die nicht alle irgendwie das Gleiche?“. Allerdings ist es in einer unglücklichen Situation wichtig zu wissen, wo man sie finden kann. Deswegen geht es heute um eine ganz besondere Organisation, die vielleicht noch nicht überall bekannt ist: der WEISSE RING e.V.

Der WEISSE RING hilft Kriminalitätsopfern und deren Angehörigen und ist in diesem Bereich die größte deutsche, gemeinnützige Opferschutzorganisation. Gleichzeitig ist er auch der einzige bundesweit tätige Opferhilfeverein. 1976 wurde er gegründet und besitzt inzwischen 420 Außenstellen in ganz Deutschland, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Verbrechensopfern, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder gesellschaftlichem Status.

Zum einen bietet er dabei eine immaterielle Unterstützung, die zum Beispiel aus Gesprächen jeder Art, Beratungssitzungen und einer alltäglichen Betreuung besteht. Zum anderen gibt es auch materielle Formen der Hilfe. Dazu gehöre Dinge wie das Bereitstellen von Anwälten oder Psychologen und teilweise finanzielle Unterstützung in Notsituationen. Außerdem zeigt der WEISSE RING, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene, Unterstützungsmöglichkeiten auf und setzt sich für die unterschiedlichen Schadenswiedergutmachungen ein. Dieses breite Hilfsangebot steht sowohl Opfern von Körperverletzung als auch Opfern von Diebstahl, Missbrauch, Vergewaltigung und Morddelikten zu. Es ist wichtig zu wissen, dass jeder sich dort melden darf.

Ein Betroffener berichtet…

„Zwei Monate nachdem meine Frau ermordet wurde, habe ich mich auf Anraten einer Bekannten an den WEISSEN RING gewandt, um dort nach Unterstützung zu suchen. Ich war und bin in einer schwierigen Situation, da ich nun alleine mit meiner sechsjährigen Tochter, unseren Tieren und meinem Job dastehe.“

Sebastian Kiesbauer (Name geändert), 35 Jahre alt, ist Koch in der Nähe von München. Nach seinem Schicksalsschlag bekam er vom WEISSEN RING eine eigene Beraterin geschickt.  Diese kam zuerst persönlich vorbei und informierte sich darüber, welche Probleme nun auftauchen könnten. Da er kein Auto besitzt, bot sie ihm sofort an, ihn nicht nur zu allen Behördengängen zu begleiten, sondern ihn auch jedes Mal hin und zurück zu fahren. „Sie hat mit mir über mehrere Tage hinweg meine ganzen Unterlagen und meinen bürokratischen Kleinkrieg gemeistert. Teilweise sogar im Alleingang bei sich zuhause“, erzählt Sebastian. Neben einem Psychologen für ihn und seine kleine Tochter vermittelte sie ihm eine Anwältin, die Sebastian in seiner Rolle als Nebenkläger in der Verhandlung seiner Frau unterstützt und berät. Doch auch bei Dingen, die wenig mit dem Tathergang an sich zu tun haben, steht sie bereit, ergänzt er. „Ob Kindergeld-Verhandlung oder die Ablehnung des Erbes meiner Frau aufgrund von Schulden – sie stand immer an meiner Seite.“ Zusätzlich wurde er noch an einige Opferschutz-Organisationen weitergeleitet, die ihm in finanziellen Angelegenheiten besser unter die Arme greifen können.

„Alles in allem haben mir die zuständigen Mitarbeiter sowohl psychisch, als auch verwaltungstechnisch eine Menge an Gewicht abgenommen. Für mich ist der WEISSE RING eine der beeindruckendsten Organisationen überhaupt. Denn die meisten Mitarbeiter, vor allem ehrenamtliche, haben weder ein Büro noch ein Dienstfahrzeug, sie machen das von zuhause aus und stehen voll dahinter. Da werden die Spendengelder für wichtigere Sachen aufgehoben“, fasst Sebastian zusammen.

Helden helfen Helden

Bemerkenswert, wo es hier doch um Alltagshelden geht, ist, dass der Verein WEISSER RING über 3000 ehrenamtliche Mitarbeiter zählt. Diese werden zumeist in den Außenstellen, am Opfer-Telefon und in der Online-Beratung eingesetzt. Alle Mitarbeiter erhalten regelmäßige Aus- und Weiterbildungen an der, eigens dafür eingerichteten, WEISSER RING Akademie. Auch in Sachen Geld unterstützen sie ihren Verein, denn er finanziert sich zum größten Teil durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Im Gegensatz zu anderen NGOs nimmt er aber keinerlei staatliche Zuschüsse in Anspruch. So hat er auch die Möglichkeit, sich als eigenständige Instanz in der Öffentlichkeit einzusetzen und durch Forderungen, kooperative Projekte und Stellungsnahmen die Interessen der Opfer und Angehörigen in Politik, Justiz und Wirtschaft zu vertreten.

Es scheint also doch gar nicht so schwer zu sein, ein kleiner Alltagsheld zu werden. Man muss ja nicht alleine Menschenleben retten, in brennende Häuser rennen und mit dem Bösen kämpfen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, einer Gemeinschaft beizutreten, die mit Größe und vereinter Willenskraft an einem Strang zieht. Somit können vielleicht auch Dinge erreicht werden, an denen sogar der heldenhafteste Held als Einzelner scheitern würde.

 

Weitere Infos findet ihr unter https://weisser-ring.de/

Falls auch ihr Opfer von Gewalt und Kriminalität geworden seid, könnt ihr euch anonym an die kostenlose Hotline des WEISSEN RINGS wenden: 116 006

Oder bei der Außenstelle Tübingen: https://tuebingen-baden-wuerttemberg.weisser-ring.de/

Bildquelle: https://pixabay.com/de/users/anemone123-2637160/

Bild einer Heldencheckliste

Helden treffen wir überall. Ob Thor, Batman, die nette Nachbarin oder der selbstlose Unbekannte, der ein Kind vorm Ertrinken rettet. Aber ist wirklich jeder von ihnen der unnahbare Held, der er zu sein scheint? Was macht einen Helden überhaupt zu diesem und wie können wir selbst zu einem Helden werden? 

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Ein junger Assistenzarzt berichtet von seinem Berufsalltag mit all seinen Schattenseiten. Lest hier, was er dennoch an seinem Job liebt. Außerdem: Warum er ein Held ist, aber behauptet, keiner zu sein.

Er steht auf, während die meisten anderen noch in ihr warmes, gemütliches Bett gekuschelt sind und davon träumen, ein Held auf einem fremden Planeten in einer weit entfernten Galaxie zu sein. Selbst die Vögel sind noch still, nur vereinzelt öffnen sie müde ihre Äuglein und geben ein schwaches Krächzen von sich. Im Dunkeln verlässt er das Haus, ganz leise, um die Kinder des Ehepaars nebenan nicht zu wecken und macht sich mit einem dampfenden Kaffeebecher bewaffnet auf den Weg, Menschen zu retten. Hinter dem Nachbarhaus geht langsam die Sonne auf, sie taucht seinen schneeweißen Kittel in ein gleißendes Licht, hebt ihn aus seiner finsteren Umgebung heraus. „Wer ist dieser junge Mann?“, mag sich manch einer verwundert fragen.

Held oder kein Held

Die Rede ist von dem 26-jährigen Jan H., Assistenzarzt in Weiterbildung für Orthopädie und Unfallchirurgie.

„Ein Held bin ich aber nicht“, sagt er. „Ich erledige nur meinen Job. Helden sind für mich Ehrenamtliche, denn sie opfern wirklich etwas, um zu helfen.“

Ob Held oder kein Held – Jan beginnt jeden Morgen um 6.45 Uhr seine Arbeit. Er kommt auf die Station des Krankenhauses, verschafft sich einen ersten Überblick: Wie geht es den Patienten auf der Station? Gibt es Neuzugänge? Welche Untersuchungen, welche Operationen müssen heute durchgeführt werden?

Eine Stunde später, um 7.45 Uhr, trifft er sich mit den Oberärzten und dem Chefarzt, denn die erste Operation des Tages steht an. Während viele Leute um diese Uhrzeit noch gemütlich ihren ersten Kaffee schlürfen, um nicht über dem Frühstück wieder einzuschlafen und mit dem Gesicht in der Müslischale zu landen, muss Jan jetzt volle Konzentration zeigen. Er assistiert bei den Operationen und führt kleine Eingriffe selbst durch, immer unter den wachsamen Augen eines Oberarztes. Zwischen den Operationen bleibt kaum Zeit, um durchzuatmen. Jan muss Berichte schreiben, Blut abnehmen und nach seinen Patienten sehen.

Um 15 Uhr bespricht er mit seinen Kollegen die Operationen und Röntgenbilder, die an diesem Tag bisher gemacht worden sind und schaut sich den Operationsplan für den Folgetag an. Von Feierabend kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, denn zuerst muss auf der Station alles aufgeräumt werden. Dann folgen Gespräche mit den Angehörigen der Patienten.

„Jetzt stopft man sich meist auch das erste Mal was zu essen und trinken rein, außer man hatte Glück und hat es zwischen zwei Operationen zum Kiosk geschafft“, sagt Jan und lacht.

Feierabend mit Aussicht auf Wochenenddienst

Gegen 17.30 Uhr endet schließlich der Tag für ihn – und kurz bevor die Sonne wieder hinter dem Nachbarhaus verschwindet, erreicht auch er im angehenden Abendrot seine Wohnung. Für Jan besteht die Woche aber nicht nur aus fünf Arbeitstagen, er hat auch noch bis zu sechs zusätzliche Schichtdienste im Monat. Während seine Freunde also am Wochenende feiern gehen oder auf der Couch lümmeln, muss er entweder von 7 bis 19 Uhr oder von 19 bis 7 Uhr arbeiten.

Kein gesunder Lifestyle

Ich frage ihn, ob er manchmal das Gefühl habe, das Wohl seiner Mitmenschen über sein eigenes zu stellen.

„Ja, meine Kollegen und ich schmunzeln schon manchmal untereinander und sagen, dass das ja nun wirklich kein gesunder Lifestyle ist, den wir betreiben. Aber wir haben uns den Job ausgesucht und wir wussten, worauf wir uns einlassen.“

Viel Verantwortung

Medizin studieren wollte Jan schon immer. In die Orthopädie hat es ihn getrieben, weil er selbst viel Sport gemacht hatte und dadurch auch immer wieder mit Sportunfällen in Berührung kam. Durch die zusätzliche Ausbildung zum Facharzt für Unfallchirurgie kann Jan in Zukunft auch in der Notfallmedizin tätig sein und große Operationen durchführen. Angst, dabei etwas falsch zu machen habe er aber nicht, sagt er.

„Es gibt jedoch oft Vorfälle, bei denen nicht ganz klar ist, was für eine Operation am besten geeignet wäre und man hat großen Respekt davor, das entscheiden zu müssen. Aber dann muss man sich eben das nötige Know-how aneignen oder sich mit dem Oberarzt in Verbindung setzen. Unfälle mit Kindern finde ich allerdings immer besonders schlimm und man ist auch viel angespannter, wenn man ein Kind statt einen Erwachsenen operieren soll.“

Schattenseiten

Todesfälle gehören leider ebenfalls zum Berufsalltag eines Arztes. Die Schicksale der Patienten nehmen ihn teilweise sehr mit, verrät Jan. Von seinem schlimmsten Erlebnis berichtet er nur widerwillig, denn er denkt nicht gerne an den Tag zurück. Aber schließlich erzählt er doch, wie eine junge Mutter, die zusammen mit ihrem kleinen Kind in einen Unfall verwickelt war, zu ihnen ins Krankenhaus gebracht wurde. Das Kind verstarb noch in derselben Nacht. In den nur wenigen Minuten Frühvisite musste Jan der Mutter berichten, dass ihr Kind die Nacht nicht überlebt hat. Es sei furchtbar gewesen, sagt Jan, nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das Gefühl, die Situation aufgrund des streng getakteten Arbeitstages nicht adäquat betreuen zu können. Er hätte gerne mehr getan – und der Schmerz steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Ein Job, der die Strapazen wert ist

Dennoch liebt Jan seinen Job und kann sich nicht vorstellen, von einer anderen Tätigkeit so erfüllt zu werden wie von derjenigen eines Arztes.

„Ich arbeite in einem tollen Team, das macht einfach Spaß. Ich lerne jeden Tag dazu, es sind oft die kleinen Dinge, bei denen man merkt, dass der harte Job und die langen Arbeitszeiten es wert sind. Ein einfacher Dank des Patienten bei der Entlassung zum Beispiel.“

Und so steht er weiterhin jeden Morgen in aller Frühe auf, um für die Menschen da zu sein, die seine Hilfe brauchen. Auch wenn unser Jan behauptet, kein Held zu sein – für seine Patienten ist er es mit Sicherheit.

 

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