Wir alle brauchen Helden. Neben bekannten Helden der Geschichte und populären Comic-Helden gibt es immer auch Helden des Alltags. Hier erfahrt ihr mehr über die typischen Helden der Tübinger Studierenden.

Studenten und ihre Pizza

Auf die Frage nach typischen Nahrungsmitteln antworten die meisten Tübinger Studenten neben Bier und Nudeln oftmals mit dem Begriff ‚Pizza’.
Um an das beliebte kulinarische Wunderwerk zu kommen, gibt es für Studenten zwei Möglichkeiten: das gute alte Tiefkühlprodukt, in nüchternem Zustand leicht zu bedienen, oder die etwas dekadentere Variante: die Lieferpizza, sozusagen der Porsche für die Studentengourmets. Die Lieferpizza steht symbolisch für das Leben der werdenden Erwachsenen. Einerseits verfügen sie über die ausreichende Selbstständigkeit, um etwas telefonisch zu bestellen. Eine erwachsen anmutende Handlungsweise. Andererseits ist es immer wieder schön, das Essen nahezu auf den Tisch – hier an die Tür – serviert zu bekommen, ganz wie bei Mama. So ganz erwachsen fühlt man sich eben doch noch nicht.

Pizzaboten als Helden?

Entsprechend fällt den Überbringern solch feiner Speisen eine ganz besondere Rolle im Leben von Studenten zu. Wenn im Kühlschrank gähnende Leere herrscht, wenn nicht einmal der 24-Stunden-Rewe in der Tübinger Weststadt geöffnet hat, wenn das Magenknurren mittlerweile so laut ist, dass der Mitbewohner es fälschlicherweise mit Bauarbeiten verwechselt, dann sind sie da. Auf ihren schnellen Fahrrädern kommen diese Helden herbeigerast, zwar ohne Umhang, doch mit Helm, und bringen genau diesen Studenten ihre heiß ersehnte Pizza.

Doch kann man Pizzaboten tatsächlich als Helden bezeichnen?

Philipp Schmidt (Name geändert), 24, arbeitet seit drei Jahren bei Domino’s, einem Tübinger Pizza-Lieferdienst, den viele Studenten in Anspruch nehmen. Er hat schon zahlreiche Erfahrungen mit Kunden, Lieferorten und Studenten gemacht. Fragt man ihn, sieht er sich nicht per se als Held an. Es seien vielmehr die außergewöhnlichen Erfahrungen und Erlebnisse, die Pizzaboten eine gewisse Heldenattitüde verleihen.

Mut und ruhige Nerven

Und als Pizzabote erlebt man eine ganze Menge: „Die Schwierigkeit besteht zunächst darin, dass man an jeden Ort und jeden Kunden liefern muss, ohne ihn zu hinterfragen“, sagt der 24-Jährige. Während der eine regelmäßig an ein Tattoo-Studio liefert, zählen zu anderen Lieferorten ein Bordell und ein altes Fabrikgebäude, in dem kuriose Gestalten unterwegs sind. Viele der Bestellungen werden unter Einfluss von Alkohol und Drogen getätigt und es ist oft unklar, wie die Kunden auf den Besuch reagieren werden. Um an solche Orte zu liefern, bedarf es etwas mehr als ein Fahrrad und ein funktionierendes EC-Kartengerät. „Wenn wir davon ausgehen, dass Pizzaboten Helden sind, wären es auf jeden Fall der Mut und die ruhigen Nerven, die wir in solchen Situationen benötigen und die uns zu Helden machen“, so Philipp Schmidt.

Geduld

Auf die Frage, wer zu den häufigsten und verlässlichsten Kunden in Tübingen gehört, kann man dem jungen Studenten zunächst nur ein Grinsen entlocken, bevor er mit der Antwort „Marihuana rauchende Kleingruppen“ für Überraschung sorgt. „Meistens sind es Studentengruppen, die sich eine Super-Maxi-Pizza auf den Heißhunger bestellen und die Augen nicht vom Essen lassen können, sobald ich den Raum betrete“, sagt er lachend.

Auch diese gelten gewissermaßen als Herausforderung: es ist nicht absehbar, ob und wann sie die Tür öffnen werden. Die Klingel wird nicht selten überhört. „Manche Kunden wollen sich ihren Rausch nicht anmerken lassen und sind deshalb überdurchschnittlich freundlich beim Bezahlen. Dann schlagen sie einfach die Tür zu, bevor ich ihnen ihre Pizza überhaupt geben kann. In solchen Momenten fühle ich mich manchmal wirklich wie ein Held, weil ich so viel Geduld aufbringen muss“, sagt Philipp Schmidt.

Alltägliche Anstrengungen

Doch nicht nur die kurioseren Kunden und Lieferorte gelten als Herausforderung im Alltag von Pizzaboten. Da gibt es noch die ganz anderen, eher alltäglichen Anstrengungen des Berufs: die Lieferungen am Samstagnachmittag in den Park, die Wiese bei 28 Grad ist übersät von Studenten, die grillen und Bier trinken. Dort sei es eine Herausforderung, die richtigen Kunden zu finden. Dazu kommen Hauseingänge, die nur schwer oder gar nicht zu finden sind sowie Kunden, die nicht erreichbar sind. „Dann muss ich die Pizza wieder mitnehmen und später beschweren sie sich. Da muss man vorsichtig sein, weil das alles auf Domino’s zurückfällt, wenn die Kunden im Internet schlechte Bewertungen abgeben. Man muss also immer nett und höflich sein und jeden respektieren, ganz gleich wie die Kunden sich verhalten. Das kann ganz schön anstrengend sein“, beschreibt Philipp Schmidt seinen Alltag.

Insgesamt sieht Philipp Schmidt zwar die schwierigen Erfahrungen des Berufs. Er erzählt jedoch auch, wieviel Spaß es machen kann: „Ich habe schon sehr viele unglaublich freundliche Kunden getroffen, mit denen man sich sehr gut unterhalten konnte. Einmal zeigten sie mir sogar ihre Wohnung, die einen besonders schönen Blick vom Balkon aus hatte“.

Held oder kein Held?

Ob er sich selbst als Helden für Studenten bezeichnen würde? Dafür scheint Philipp Schmidt zu bescheiden zu sein. Als größte Helden sieht er eigentlich seine Kollegen, und das aus verschiedensten Gründen. Der eine Kollege springt ein und übernimmt Schichten, die kein anderer übernehmen kann. Der andere kommt zur Hilfe, wenn man einen Platten hat. Wieder ein anderer teilt sein Trinkgeld mit dem, der leer ausgegangen ist. Jeder auf seine Weise, und alle, weil sie letztlich sehr gute Arbeit leisten.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pizza-3007395.jpg

 

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