Grün gilt in der Medizin als neutrale Heilfarbe. Sie wirkt beruhigend und kann sogar gesund machen. Tatsächlich wird Grün noch aus anderen Gründen in der Medizin eingesetzt. Beispielsweise im OP aufgrund des Nachbild-Effekts. Ein Krankenhaus in Aachen macht die Farbe Grün sogar zu seinem architektonischen Erkennungsmerkmal.

Die Popularität der Farbe Grün im medizinischen Kontext kommt nicht von Ungefähr. Die Farbe Grün ist die Neutralste aller Farben und besitzt dennoch ein breites Spektrum an Eigenschaften. Sie besitzt die Fähigkeit zu beruhigen und gleichzeitig die Augen nicht zu ermüden. Bereits im Mittelalter stellte die Heilpraktikerin Hildegard von Bingen fest, dass die Farbe Grün eine positive Wirkung auf Körper und Seele hat. In einer aktuellen Studie des Architekturprofessors Roger Ulrich wird belegt, dass die Farbe sogar schneller gesund machen kann. Sie steht außerdem als Symbol für Hoffnung und Glück. Grün wirkt also sehr positiv auf Patient*innen einerseits und optimiert den Arbeitsalltag des Krankenhauspersonals anderseits. All das sind Motive, die die Farbe Grün so beliebt im medizinischen Bereich machen. Das sind aber längst nicht die einzigen Gründe.

Warum ist OP-Kleidung grün?

Die Farbe Grün im Krankenhaus kennt man vor allem aus dem Operations-Saal. Bis sich die Farbe Grün jedoch als kluge Entscheidung herauskristallisierte, musste die Medizin einen Entwicklungsprozess durchlaufen. Keine 200 Jahre ist es her, dass Ärzte beim Operieren noch normale Straßenkleidung trugen. Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts merkte man wie unhygienisch das eigentlich ist. Von da an wurde Weiß zur Farbe der Ärzte und Chirurgen. Auch OP-Säle wurden komplett weiß, um einen sterilen Charakter zu vermitteln. Das änderte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch die starke Beleuchtung wird bei Weiß das Licht zu stark reflektiert und es ist auf Dauer anstrengend für die Augen. Zunächst wurde die Farbe Grün in Amerika populär und schwappte bis Ende des 2. Weltkrieges schließlich nach Europa über, so Medizinforscher Wilhelm Hartel.

Operations Szenario © pixabay

Die Farbwahl fiel auf Grün. Denn Grün absorbiert das Licht größtenteils und ermöglicht ein angenehmes Arbeiten. Außerdem lässt sich so die OP-Kleidung gut von der restlichen Krankenhauskleidung unterschieden. Diese muss nämlich aus hygienischen Gründen separat gereinigt werden. Ein weiterer Grund für diese Farbwahl ist der Nachbild-Effekt. Dieser entsteht, wenn man über längere Zeit einen bestimmten Farbton ansieht und daraufhin eine weiße Fläche betrachtet. Auf dieser weißen Fläche erscheint dann ein waberndes Nachbild des Objekts – in diesem Fall die (rote) Wunde – in dessen Komplementärfarbe. Da die Komplementärfarbe von Rot Grün ist, wird diese durch die grüne Kleidung und Laken aufgehoben und der Nachbild-Effekt wird unterdrückt.

Der Nachbild-Effekt

Probiere es selbst aus. Unten siehst du zwei farbige Kästchen – ein rotes und ein grünes. Schaue zunächst auf das rote Feld. Versuche alles drumherum auszublenden und konzentriere dich 30 Sekunden lang auf die Farbe. Anschließend schaue auf die weiße Fläche rechts daneben. Nun sollte dort ein waberndes Abbild des roten Kästchens in seiner Komplementärfarbe Grün erscheinen. Schaue im nächsten Schritt nochmals für 30 Sekunden auf das rote Feld. Nun wende den Blick auf das grüne Kästchen. Erkennst du den Unterschied?

Das grüne Krankenhaus

Uniklinikum Aachen © creative commons

Eingangsbereich Uniklinikum Aachen © wikiwand

Nicht selten bekommen auch die Wände in OP-Sälen die Farbe Grün, um eben die oben genannten Effekte zu erzielen. Wahrscheinlich nahmen das die Architekten der Aachener Uniklinik als Anreiz und verwandelten das komplette Innere des Krankenhauses in eine grüne Wohlfühl-Oase. Möglicherweise ist die Farbe aber auch nur eine Ablenkung zur restlichen Architektur des Gebäudes. Die Klinik wirkt eher wie eine Fabrik. Offen gelegte Rohre, viel Beton und Stahl. Es scheint eigenartig unfertig, dabei ist es längst kein Rohbau mehr. Eine typische Krankenhaus-Atmosphäre, beim Betreten des Eingangsbereichs, gibt es hier nicht. Assistenzarzt Ümit Mert beschreibt: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn man reinkommt und nicht direkt an ein Krankenhaus denkt.“

Die Uniklinik Aachen zählt neben der Charité zu einem der größten Krankenhäusern Europas. Umgerechnet ist es so groß wie 18 Fußballfelder. Erste Aufzeichnungen des Krankenhauses stammen bereits aus dem 14. Jahrhundert. Im Verlauf des 2. Weltkrieges erlitt es jedoch schwere Beschädigungen. Seit dem Wiederaufbau und der Eröffnung 1966 schmückt vor allem die Farbe Grün hier Bodenbeläge, Türen und Wandelemente, sowie Betten und Krankenhauskleidung. Selbst die Brücke zum Helikopterlandeplatz, die seit 2010 existiert, ist grün ummantelt.

Helikopterlandeplatz © pixabay

Seither stößt die Farbwahl der Architektur immer wieder auf Kritik, während die medizinische Versorgung in der Klinik viel Lob erhält. Grün steht im Fokus des Gebäudes. Ab und zu wird das Grün durch die Farben Gelb, Orange, Schwarz und Weiß ergänzt. Schon im Eingangsbereich sticht einem der überwiegend grüne Teppich in die Augen. Die Farbe Grün erscheint hier in zwei Intensitäten. Ein helles Maigrün und ein etwas dunklerer Grünton. Die beiden Grüntöne werden durch einen gelben und einen dünnen schwarzen Streifen ergänzt. Diese Farbkombination zieht sich durch Flure, Schulungsräume, die medizinische Bibliothek des Hauses, Aufzüge und sonstige Aufenthaltsorte. Die Wände sind meist Weiß, werden aber durch farbige Teilelemente ergänzt. Diese variieren in den Farben Gelb, Grün, Orange und ab und zu einer Komponente Rot.

Die Bodenbeläge auf den Stationen hingegen sind durchgängig in einem grellen Grün gehalten. Die Wände sind meist Weiß und die Türen und Türrahmen leuchtend gelb. Krankenbetten sind farblich übereinstimmend zum Bodenbelag. Die Bettwäsche ist im Gegensatz dezent hellgrün oder weiß. Auch die Pforten auf den Stationen gehen übergangslos in denselben Grünton über, wie die Bodenbeläge.

Man merkt die Farbwahl ist durchdacht und bis ins kleinste Detail geplant. Überall im Gebäude ist die Farbe Grün präsent und macht somit das Krankenhaus zu einem besonderen Ort. Der spezielle Grünton entpuppt sich repräsentativ als Erkennungsmerkmal und steht für das Corporate Design der Klinik. Wie die Farbe letztlich bei den Besucher*innen und Patient*innen ankommt, bleibt wohl Geschmackssache.

 

Was verbindest du mit der Farbe und welche Emotionen löst sie bei dir aus? Welche Wirkung hat der Grünton der Aachener Uniklinik auf dich? Schreib es mir gerne in die Kommentare!

 

Titelbild: © pixabay

 

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8 Kommentare
  1. Anna Elsaesser
    Anna Elsaesser sagte:

    Faszinierende Architektur der Klinik! Danke für den Einblick in die Besonderheit der Farbe grün für die Medizin. Grüne OP-Kleidung aufgrund des Nachbild-Effekts war mir geläufig, der Rest ist mir tatsächlich neu. Spannend!

  2. Natalie Adler
    Natalie Adler sagte:

    Oh wow, ich kann mir gar nicht vorstellen, in einem so grünen Krankenhaus zu sein. Ich mag die Wandfarbe gerne, aber an mehr als einer Wand fühlt es sich schnell „zu voll“ an. Es war mir gar nicht bewusst, dass es ein grünes Krankenhaus in diesem Sinne gibt! 🙂

  3. Solveig Brandt
    Solveig Brandt sagte:

    Auf den ersten Blick hätte ich nicht gedacht, dass es sich um ein Krankenhaus handelt, es fehlen ja die eigentlich typischen weißen, kühlen Wände. Mal etwas anderes 🙂

  4. Sandra Amberg
    Sandra Amberg sagte:

    Tatsächlich habe ich mich schon öfters gefragt welche Farbcodes hinter der Kleidung der Krankenhausmitarbeiter stecken. Das es bei den OP-Kitteln etwas mit dem Nachbild-Effekt zu tun hat ist ja super spannend.

  5. Tong Zhao
    Tong Zhao sagte:

    Sehr interessanter Beitrag! Ich habe mich nie gefragt, warum OP-Kleidung grün ist. Schön, dass du die Geschichte der Farbwahl von OP-Kleidung erzählt hast. Das grüne Krankenhaus ist faszinierend:)

  6. Sylvia Gatzka
    Sylvia Gatzka sagte:

    Das Ärzte grün tragen war für mich schon fast eine Art „Naturgesetz“. Den Nachbild-Effekt kannte ich bisher nur aus dem Filmbereich und der Kunst, weshalb ich ihn nie mit der grünen OP-Kleidung in Verbindung gebracht habe. Daher vielen Dank für deinen spannenden Beitrag! 🙂

  7. Albina Lutolli
    Albina Lutolli sagte:

    Ich muss ehrlich zugeben, dass die grüne Farbe (solange sie nicht giftgrün ist) sehr beruhigend wirkt. Daher wundert es mich auch nicht, dass die Aachener Klinik diese Farbe zum Erkennungsmerkmal erkoren hat. Auch sehr interessant ist die Tatsache, dass der Nachbild-Effekt im OP-Saal auch eine bedeutsame Rolle spielt. Danke für diese Erkenntnis 🙂

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] ihr über Vergangenes und hilft ihr, dieses endlich loslassen zu können. Die Idee dahinter ist, dass die Patientinnen und Patienten mit Blick auf das Grüne zu einer schnelleren Genesung kommen un…. Die Farbe des Covers deutet also einerseits auf die Natur als Heilmittel hin, andererseits […]

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