Juni ist in den vereinigten Staaten offizieller LGBT-Monat. An jedem Tag diesen Monats wird eine andere Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung zelebriert. Aber warum gerade Juni? Und wer sind die ganzen Leute, die über Jahre hinweg für die Anerkennung der LGBT-Community und deren Rechte kämpfen? All diese Personen, die einen so großen Fortschritt ermöglicht und zu den LGBT-Rechten beigetragen haben, sind Helden, und ihre Taten sind heldenhaft. Viele dieser Ereignisse und Personen sind nicht bekannt – ich möchte sie euch gerne vorstellen.
Viele LGBT-Helden sind nicht sehr bekannt oder im Laufe der Geschichte in Vergessenheit geraten. Es gibt mittlerweile sehr viele Prominente, die das Thema ansprechen. Die Mehrheit der LGBT-Aktivisten kommen aus den Vereinigten Staaten oder aus Großbritannien. Ich möchte lieber die unbekannteren Helden unter ihnen vorstellen und den Fokus auf Aktivisten aus vielen verschiedenen Ländern legen. Das wohl wichtigste Ereignis, das zum Gay Rights Movement führte, sind die Stonewall Riots, zu deren Ehren Juni zum LGBT History Month in den Vereinigten Staaten ernannt wurde. Von dort aus fing alles an.
„The beauty of standing up for your rights is others see you standing and stand up as well.“ – Cassandra Duffy
Karl Heinrich Ulrichs
Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) gilt als der Mann, der sich als erster Mensch überhaupt für die Rechte Homosexueller einsetzte. Ulrichs arbeitete als Rechtsberater bevor er sich als homosexuell outete und 1854 entlassen wurde. In seiner Lebenszeit schrieb er eine Reihe Aufsätze über Sexualität und konzentrierte sich dabei auf die vielen verschiedenen Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierungen. Seine Bücher wurden verbannt – jedoch wurden sie in den Preußischen Staatsarchiven wiederentdeckt und 2004 veröffentlicht. 1867 plädierte er beim Kongress für die Abschaffung der homophobischen Gesetze, wurde jedoch abgewiesen.
Hans Scholl
In Jud Newborns Essay „Solving Mysteries: The Secret of the White Rose“ (2006) berichtet er, wie Hans Scholl wegen seiner Beziehung zu einem Mitglied seiner Jugendgruppe verhaftet wurde – sein Partner gestand die Beziehung zu ihm nach vielen Befragungen, woraufhin Scholl ebenfalls befragt wurde und gestand. Der dafür verantwortliche Richter tat es als einen Fehler aufgrund des jungen Alters ab, und durch seinen hohen Posten in der Hitler Jugend wurde er freigesprochen. Laut des Gesetzes wäre Scholl in ein Konzentrationslager geschickt worden und hätte eine Binde mit einem pinken Dreieck tragen müssen – ein Zeichen für Homosexualität.
Scholl war jedoch so erschüttert von den Befragungen, dass er anfing, sich gegen das Nazi-Regime aufzulehnen, auch beeinflusst von seinen Eltern, die das Regime verachteten. Für seine Schwester Sophie Scholl war die Misshandlung ihres Bruders einer der Hauptgründe, warum sie ihren Bruder und dessen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ unterstützte.
Dale Dolson
Einer der weniger bekannten Personen ist Dale Olson (1934-2012). Olson soll die erste Person gewesen sein, die sich öffentlich im Fernsehen als homosexuell geoutet hat. 1951 trat er unter dem Pseudonym Curtis White bei einer TV-Sendung über Homosexualität auf, bei der er erklärte, dass er nicht psychisch krank sei und niemand sonst von seiner sexuellen Orientierung wisse.
Auf die Frage, warum er dies getan habe, antwortete er: „I think that this way I can be a little useful to someone besides myself.“ Obwohl er unter Pseudonym auftrat und sein Gesicht nicht deutlich gezeigt wurde, erkannte ihn sein damaliger Arbeitgeber. Olson wurde daraufhin entlassen. Monate später gab er in einem Magazin bekannt, dass er einen neuen Job habe. Olson wurde ein sehr bekannter Hollywood-Publizist und-Pressesprecher und arbeitete an Kampagnen für Film Franchises wie Rambo oder Superman.
Marsha P. Johnson
„P stands for pay no mind“ war die Antwort, die Marsha P. Johnson (1945-1992) immer gab, wenn sie gefragt wurde, was denn der Zweitname „P.“ bedeutete. Sie war eine selbst ernannte Drag-Queen, die sich für die Rechte Transsexueller und Homosexueller einsetzte. Im Alter von fünf Jahren fing sie an Kleider zu tragen, hörte aber nach kurzer Zeit damit auf, da die Kinder in ihrer Nachbarschaft aggressiv darauf reagierten. Jahre später zog sie nach ihrem Highschool-Abschluss nach New York und nahm eine zweite Identität an: Black Marsha.
Johnson war eine der Personen, die bei den Stonewall Riots gegen die Polizisten kämpften. Sie machte es sich nach diesen Ereignissen zum Ziel, für alle Personen der LGBT-Community dieselben Rechte, die jede andere Person in den Vereinigten Staaten hatte, einzufordern. Häufig wurde sie dafür verhaftet. Ihren eigenen Aussagen nach hörte sie nach dem 100. Mal auf zu zählen. Nach diesen Ereignissen gründete Johnson die Street Transvestite Action Revolutionaries (kurz S.T.A.R.), die Lebensmittel, Kleidung und Unterkunft für Transsexuelle und nicht geschlechterkonforme junge Leute bereit stellte.
Pedro Zerolo
Pedro Zerolo (1960-2015) war bekannt dafür, sich für homosexuelle Ehen einzusetzen. Zudem hat er erfolgreich die spanische Regierung hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Ehe beeinflusst. 2005 wurden homosexuelle Ehen legalisiert, damit war Spanien eines der ersten Länder, die dies ermöglicht haben. Das erste Land waren die Niederlande (2001), gefolgt von Belgien (2003), Kanada (2005) und Südafrika (2006) als erstes afrikanisches Land. Aber nicht nur dafür war Zerolo bekannt: Er war der bekannteste Vertreter der LGBT-Community und kämpfte mit Leidenschaft für deren Gleichstellung und Rechte.
1998 wurde er zum Leiter der „Federación Estatal de Lesbianas, Gays, Transexuales y Bisexuales“, die die größte Organisation für LGBT-Rechte in Spanien ist. Durch seinen Einfluss entwickelte sich Spanien zu dem heute als „world’s most gay-friendly country“ bekannten Land. Einem Pew Research Center Poll (2013) nach sagten 88% der Befragten, dass die Gesellschaft Homosexualität akzeptieren sollte. Deutschland landete in dieser Umfrage mit 87% auf dem zweiten Platz.
Kasha Nabagesera
Mit 19 Jahren fing Kasha Nabagesera an, sich für LGBT-Rechte in Uganda einzusetzen und rief dazu auf, diese Bewegung zu unterstützen. Sie ist eine der ersten im Land, die sich öffentlich dafür einsetzt und somit ihr Leben riskiert. Homosexualität ist in 38 Ländern in Afrika illegal. In Uganda ist sie nicht verboten, aber nicht gerne gesehen und wird auch nicht geduldet – nur gleichgeschlechtlicher Verkehr ist strafbar. Dieses Gesetz und die Einstellung gegenüber Homosexuellen kommt aus der Zeit, in der Uganda noch eine britische Kolonie war; seit 1902 ist gleichgeschlechtlicher Verkehr illegal und bis 1930 wurde dieser mit lebenslanger Haft bestraft.
Nabagesera fürchtet um ihre eigene Sicherheit, möchte aber nicht auswandern, weil es ihr am Herzen liegt, die Mythen über gleichgeschlechtliche Beziehungen und Ehen aufzuklären und die Öffentlichkeit darüber weiterzubilden und zu informieren. Ihr wurde dies vor allem bewusst, nachdem ein Magazin Namen und Informationen über alle Homosexuellen veröffentlichte – darunter ihre Informationen und die Informationen eines ihrer Freunde. Monate später wurde ihr Freund tot aufgefunden und Nabagesera fing an, in der Öffentlichkeit vorsichtiger zu sein.
Das hindert sie jedoch nicht daran, sich weiterhin für die Rechte Homosexueller einzusetzen. Sie ist Mitgründer der Organisation „Freedom and Roam Uganda“ (FURAG), die die LGBT-Community verteidigt. 2015 erstellt sie Ugandas erstes LGBT-Magazin „Bombastic“. Das Magazin ist kostenlos und veröffentlicht persönliche Geschichten und Erlebnisse der Community um gegen die Diskriminierung anzukämpfen.
Die Stonewall Riots in New York
Zu den bedeutendsten politisierenden Ereignissen gehören die Stonewall Riots, die am 28. Juni 1969 in New York stattfanden. Aber wie kam es zu dem Aufstand? Das Stonewall Inn war ein Zufluchtsort für viele Homo- und Transsexuelle, Drag Queens, Prostituierte und Obdachlose in der Christopher Street in New York. Von der Christopher Street kommt auch der Name „Christopher Street Day“, dem deutschen Äquivalent der Gay Pride. Razzien in Schwulenbars waren zu dieser Zeit üblich und fanden fast monatlich statt. Das Stonewall Inn bekam häufig Tipps von Insidern, wann diese stattfinden würden. Bevor es zu dem Aufstand kam, bekamen sie einen Tipp, den sie jedoch nicht ernst nahmen, da die Razzia außerhalb des üblichen Zeitraumes stattfand.
„Something snapped. It’s like, this is not right.“ – Danny Garvin
Vielleicht war es die überraschende Razzia, die den Aufstand auslöste, oder die beleidigenden Worte, die die Polizisten benutzten, als sie Gäste verhafteten. Oder die Menge, die sich draußen vor der Bar angesammelt hatte und die Gäste der Bar anfeuerte und dazu ermutigte, sich zu wehren und für ihre Rechte zu kämpfen. Es hatte sich eine Menge von 500 bis 600 Leuten angesammelt, als der Streit eskalierte. Auf dieses Ereignis hin folgte am nächsten Tag ein weiterer Aufstand. Es wurde dazu aufgerufen, sich gegen die Polizisten und die Mafia, die die Bar besaß und sie betrieb, zu wehren.
Die Stonewall Riots werden als das wichtigste Ereignis, das zum Gay Rights Movement und zum Kampf von LGBT- Rechten führte, gezählt. Ein Jahr nach den Aufständen wurde die erste Gay Pride Parade in New York organisiert – die seither jährlich stattfindet. Zu Ehren dieser Ereignisse wurde der Juni zum Gay Pride Month in den Vereinigten Staaten ernannt.
„Openness may not completely disarm prejudice, but it’s a good place to start.“ – Jason Collins
Im Moment sind gleichgeschlechtliche Ehen in 23 Ländern legal: In Deutschland seit 2017 (seit 2001 waren nur eingetragene Lebenspartnerschaften möglich), und seit Kurzem auch in Australien. Seit 1980 ist es Transsexuellen gestattet, ihr eingetragenes Geschlecht zu ändern. Berlin gilt als eine der beliebtesten Städte für die LGBT-Community. Dort fand 1972 auch der erste Christopher Street Day statt. Seitdem gibt es in vielen anderen Großstädten Deutschlands im Juli ebenfalls Gay Prides.
„I’m living by example by continuing on with my career and having a full, rich life, and I am incidentally gay.“ – Portia DeRossi
Offenheit und der Wille, öffentlich über das Thema zu sprechen und darüber zu diskutieren, macht noch lange keinen herausragenden Unterschied. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn je mehr Leute darüber reden, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt es. Je mehr man darüber redet, desto mehr wird es de-stigmatisiert und nicht mehr als etwas Krankhaftes dargestellt. Es geht hier nicht nur um die Beziehungen, die normalisiert werden sollen. Es geht auch um das Wohlergehen und die Sicherheit der Community.
Wir sind auf einem guten Weg zur Gleichberechtigung der LGBT-Community und ihrer Rechte. Es ist ein kleiner Fortschritt. Menschen wie Johnson oder Nabagesera ermöglichen dies. Menschen, die den Mut haben, sich öffentlich zu dem Thema äußern. Menschen, die sich nicht davor scheuen, von der Gesellschaft kritisiert zu werden, weil sie „schwul“ oder „transsexuell“ sind. Menschen, die ihr Leben riskieren, um anderen und sich selbst ein gutes Leben zu ermöglichen. Ein Leben, in dem Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen zu keinem Ausschluss aus der Gesellschaft führen oder gar mit dem Tod bestraft werden.
Und das finde ich, ist heldenhaft. Denn die LGBT-Community besteht auch aus Menschen – warum sollten wir sie nicht als solche behandeln? Was macht sie denn so anders, ihr Geschlecht, oder welches Geschlecht sie lieben? Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind nichts Komisches, vor dem man sich fürchten sollte. Sie sind genauso „normal“ wie heterosexuelle Beziehungen. Homosexualität ist auch keine psychische Störung, die durch Konversionstherapie wieder korrigiert werden muss. Wir sind alle nur Menschen, die andere Menschen lieben. Das ist alles.
Mehr zum Nachlesen gibt es hier: Stonewall: The Riots That Sparked the Gay Revolution, Pay It no Mind – The Life of Marsha P. Johnson, Christopher Street Day Deutschland, Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe I-V und IV-VII.
Beitragsbild: Bildquelle: Josh Wilburne, unsplash.com.