„Halte nicht Ausschau nach Helden, sei selber einer!“ Das haben sich die Initiatoren des Weissen Rings zu Herzen genommen und eine Organisation gegründet, die Opfer aller möglichen Verbrechen unterstützt. Wie eigentlich gewöhnliche Menschen Heldenhaftes tun, kann man an diesem Beispiel erkennen.

Alltagshelden müssen nicht immer als Einzelne handeln und ihre Taten müssen nicht immer spontan sein. Sie können sich auch in Gruppen zusammentun, sich gegenseitig unterstützen und geplant und gezielt auf ein Ziel hinarbeiten. Das ist es wohl, was Hilfsorganisationen tun und weshalb sie derart effektiv sind. Doch es gibt so viele von ihnen, in so verschiedenen Bereichen, an so vielen Orten, dass man manchmal den Überblick verliert. Hin und wieder denkt man sich vielleicht auch: „Machen die nicht alle irgendwie das Gleiche?“. Allerdings ist es in einer unglücklichen Situation wichtig zu wissen, wo man sie finden kann. Deswegen geht es heute um eine ganz besondere Organisation, die vielleicht noch nicht überall bekannt ist: der WEISSE RING e.V.

Der WEISSE RING hilft Kriminalitätsopfern und deren Angehörigen und ist in diesem Bereich die größte deutsche, gemeinnützige Opferschutzorganisation. Gleichzeitig ist er auch der einzige bundesweit tätige Opferhilfeverein. 1976 wurde er gegründet und besitzt inzwischen 420 Außenstellen in ganz Deutschland, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Verbrechensopfern, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder gesellschaftlichem Status.

Zum einen bietet er dabei eine immaterielle Unterstützung, die zum Beispiel aus Gesprächen jeder Art, Beratungssitzungen und einer alltäglichen Betreuung besteht. Zum anderen gibt es auch materielle Formen der Hilfe. Dazu gehöre Dinge wie das Bereitstellen von Anwälten oder Psychologen und teilweise finanzielle Unterstützung in Notsituationen. Außerdem zeigt der WEISSE RING, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene, Unterstützungsmöglichkeiten auf und setzt sich für die unterschiedlichen Schadenswiedergutmachungen ein. Dieses breite Hilfsangebot steht sowohl Opfern von Körperverletzung als auch Opfern von Diebstahl, Missbrauch, Vergewaltigung und Morddelikten zu. Es ist wichtig zu wissen, dass jeder sich dort melden darf.

Ein Betroffener berichtet…

„Zwei Monate nachdem meine Frau ermordet wurde, habe ich mich auf Anraten einer Bekannten an den WEISSEN RING gewandt, um dort nach Unterstützung zu suchen. Ich war und bin in einer schwierigen Situation, da ich nun alleine mit meiner sechsjährigen Tochter, unseren Tieren und meinem Job dastehe.“

Sebastian Kiesbauer (Name geändert), 35 Jahre alt, ist Koch in der Nähe von München. Nach seinem Schicksalsschlag bekam er vom WEISSEN RING eine eigene Beraterin geschickt.  Diese kam zuerst persönlich vorbei und informierte sich darüber, welche Probleme nun auftauchen könnten. Da er kein Auto besitzt, bot sie ihm sofort an, ihn nicht nur zu allen Behördengängen zu begleiten, sondern ihn auch jedes Mal hin und zurück zu fahren. „Sie hat mit mir über mehrere Tage hinweg meine ganzen Unterlagen und meinen bürokratischen Kleinkrieg gemeistert. Teilweise sogar im Alleingang bei sich zuhause“, erzählt Sebastian. Neben einem Psychologen für ihn und seine kleine Tochter vermittelte sie ihm eine Anwältin, die Sebastian in seiner Rolle als Nebenkläger in der Verhandlung seiner Frau unterstützt und berät. Doch auch bei Dingen, die wenig mit dem Tathergang an sich zu tun haben, steht sie bereit, ergänzt er. „Ob Kindergeld-Verhandlung oder die Ablehnung des Erbes meiner Frau aufgrund von Schulden – sie stand immer an meiner Seite.“ Zusätzlich wurde er noch an einige Opferschutz-Organisationen weitergeleitet, die ihm in finanziellen Angelegenheiten besser unter die Arme greifen können.

„Alles in allem haben mir die zuständigen Mitarbeiter sowohl psychisch, als auch verwaltungstechnisch eine Menge an Gewicht abgenommen. Für mich ist der WEISSE RING eine der beeindruckendsten Organisationen überhaupt. Denn die meisten Mitarbeiter, vor allem ehrenamtliche, haben weder ein Büro noch ein Dienstfahrzeug, sie machen das von zuhause aus und stehen voll dahinter. Da werden die Spendengelder für wichtigere Sachen aufgehoben“, fasst Sebastian zusammen.

Helden helfen Helden

Bemerkenswert, wo es hier doch um Alltagshelden geht, ist, dass der Verein WEISSER RING über 3000 ehrenamtliche Mitarbeiter zählt. Diese werden zumeist in den Außenstellen, am Opfer-Telefon und in der Online-Beratung eingesetzt. Alle Mitarbeiter erhalten regelmäßige Aus- und Weiterbildungen an der, eigens dafür eingerichteten, WEISSER RING Akademie. Auch in Sachen Geld unterstützen sie ihren Verein, denn er finanziert sich zum größten Teil durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Im Gegensatz zu anderen NGOs nimmt er aber keinerlei staatliche Zuschüsse in Anspruch. So hat er auch die Möglichkeit, sich als eigenständige Instanz in der Öffentlichkeit einzusetzen und durch Forderungen, kooperative Projekte und Stellungsnahmen die Interessen der Opfer und Angehörigen in Politik, Justiz und Wirtschaft zu vertreten.

Es scheint also doch gar nicht so schwer zu sein, ein kleiner Alltagsheld zu werden. Man muss ja nicht alleine Menschenleben retten, in brennende Häuser rennen und mit dem Bösen kämpfen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, einer Gemeinschaft beizutreten, die mit Größe und vereinter Willenskraft an einem Strang zieht. Somit können vielleicht auch Dinge erreicht werden, an denen sogar der heldenhafteste Held als Einzelner scheitern würde.

 

Weitere Infos findet ihr unter https://weisser-ring.de/

Falls auch ihr Opfer von Gewalt und Kriminalität geworden seid, könnt ihr euch anonym an die kostenlose Hotline des WEISSEN RINGS wenden: 116 006

Oder bei der Außenstelle Tübingen: https://tuebingen-baden-wuerttemberg.weisser-ring.de/

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