Beiträge

Kein schöner Anblick, dafür ein wunderschöner Ausblick. Das höchste Fenster Tübingens ist nicht leicht zugänglich. Doch die Suche hat sich gelohnt. Weiterlesen

Für den Künstler Ottmar Hörl, der hauptberuflich Figuren von Beethoven bis Thunberg klont, ist Kunststoff unerlässlich. Mit uns sprach er über 250 Hölderlin-Skulpturen und seine Kunst aus Plastik. Außerdem erklärt er, was Kunststoff mit Teilhabe zu tun hat und warum es für ihn keine Alternative gibt. Weiterlesen

2022 wurde als Tübinger Insellösung im Kampf gegen Einwegverpackungsmüll eine Verpackungssteuer eingeführt. Örtliche Gastronom*innen müssen auf Verpackungsmaterialien beim Essensverkauf „zum Mitnehmen“ eine neue Steuer an die Stadt bezahlen. Aber: die Auslegung ist kompliziert, Endkund*innen müssen sich mit teuren Verpackungen abfinden, ein Fastfood Gigant klagte bereits vor der Einführung und die Gastronom*innen fühlen sich nicht mitgenommen. Weiterlesen

Coffee-to-go

Jedes Jahr werden etwa 2,8 Milliarden Einwegbecher für einen Coffee-to-go verwendet – alleine in Deutschland. Die Becher landen nach einem kurzen Genuss im Müll und summieren sich zu 40.000 Tonnen, die nicht recycelt werden können. Weiterlesen

Meist sieht man sie nicht, aber man sieht, ob sie da waren: Reinigungskräfte. Sie halten unsere Büros, Toiletten oder auch Krankenhauszimmer sauber. Dafür sorgt Bilge Yīlmaz (33) seit sieben Jahren, zuletzt in den Kliniken der Universitätsstadt Tübingen.  Weiterlesen

Pfarrer: Gedanklich verbindet man sie mit Sonntagsgottesdiensten und mit Auftritten bei den traditionellen Festes des Lebens, wie Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen. Hinter diesen zeremoniellen Rollen steckt jedoch ein sehr vielseitiger Beruf. Ein typischer Bürojob mit fester Arbeitszeit ist das Pfarramt nämlich nicht. Weiterlesen

Ob beim Gemüse schneiden, Rasenmähen oder dem Friseur: Messer, Schere und Co. sind dabei unersetzlich. Christian Wietschorke verpasst ihnen den dafür nötigen Schliff, indem er sie schärft und poliert – dadurch glänzen nicht nur sie in Zeiten von Wegwerfmentalität oder unbesetzter Azubistellen in diesem alten Beruf.

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Wenn die Angst vor Haaren das Leben bestimmt, fällt oft der Ausdruck „Chaetophobie“. Unser Reporter hat sich auf die Spuren solcher Phobiker begeben: Seine Selbstfindung führte von der britischen Boulevardpresse bis zu den finsteren Abgründen der Tübinger Gastronomie.

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Tübingen, die schöne Kleinstadt im Herzen Baden-Württembergs, begeistert viele Besucher*innen und Bewohner*innen mit ihrer historischen Altstadt, dem hochgelegenen Schloss und zahlreichen Universitätsgebäuden. Doch auch im idyllisch und friedlich scheinenden Städtchen verbergen sich geisterhafte Geschichten, die dank des Stadtführers Oliver Rödiger nicht in Vergessenheit geraten.

In der Bursagasse, am Alten Waschhaus, treffen meine Kommiliton*innen und ich Oliver Rödiger alias Oli Kahn, den wohl bekanntesten Stadtführer und Stocherkahnfahrer Tübingens. Er ist der Einzige, der neben den normalen Stadtführungen auch Nachtwächter- und Geisterführungen anbietet. Nicht nur deshalb fällt er in Tübingen besonders auf: „Der Oli Kahn, das ist der, der mit dem Hawaiihemd rumläuft, oder der Verrückte, der in der Nacht als Nachtwächter verkleidet rumrennt. So wird man dann natürlich irgendwann zur Marke,“ sagt er stolz.

Der geniale Geist des Hölderlin und der Spuk im „Aquarius Haus“

Mit seinem bunten Hawaiihemd nimmt er uns an einem milden Sommerabend in Empfang. Was eher den Eindruck erweckt, gleich einen Ausflug an einen Strand zu machen und Cocktails zu trinken, ist in Wirklichkeit der Beginn einer Geisterführung. Wir sind gespannt, wo es in Tübingen spukt, und folgen dem riesigen Mann mit seiner lauten Stimme und dem schwäbischen Dialekt zum Denkmal für Lotte Zimmer. Sie soll den weltbekannten Dichter Friedrich Hölderlin in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode im Jahr 1843 gepflegt haben. Das Denkmal sieht aus wie ein längliches Gefäß mit einer Antenne, die gen Himmel gerichtet ist. Sie zapfe die kosmische Energie an und stelle so auch eine Verbindung zu Hölderlin her. Oliver Rödiger, der seit 1988 in Tübingen lebt und von Anfang an die magische Atmosphäre der Stadt spürt, sagt überzeugt: „Wenn ich in der Nähe von diesem Denkmal bin, dann durchläuft mich ein Schauer, weil ich merke, dass dieser geniale Geist des Hölderlin immer noch da ist.“

Geisterführer Oliver Rödiger und im Hintergrund das mit Efeu überwachsene „Aquarius Haus“. Foto: Stephanie Constantin.  

In der Gasse namens Klosterberg, nicht weit vom Denkmal entfernt, bekommen wir die nächste Geistergeschichte erzählt. Gleich auf der rechten Seite befindet sich ein mit Efeu bewachsenes Haus, das von der letzten Eigentümerin „Aquarius Haus“ getauft wurde. Hier soll ein Professor gewohnt und einen Geist in seinem Haus vermutet haben, weil seine Lebensmittel immer wieder auf unerklärliche Weise verschwanden. Nach einigen Jahren fand man die Leiche eines ehemaligen Studenten in seinem Schrank. Dieser wurde von dem Professor aus dem Studium geschmissen, da er es nicht ernst genug genommen hatte. Der Student versteckte sich daraufhin in dessen Schrank und kam nur in der Nacht oder wenn der Professor nicht zu Hause war heraus, um sich etwas zu Essen zu holen. Er hatte eine solche Angst vor der Reaktion seiner Familie, dass er lieber den Rest seines Lebens im Schrank des Professors verbrachte.

Ob der Geist des Studenten noch immer dort herumspukt? „In dem Haus gibt es immer noch seltsame Töne. Die ursprüngliche Eigentümerin hat mir das so berichtet“, erzählt Rödiger. Er selbst glaubt an Dinge, die nicht erklärt werden können, und daran, dass es mehr gibt, als viele Menschen tatsächlich wahrnehmen: „Ich habe schon eine Nahtoterfahrung gemacht, als ich klinisch tot war. Meine Seele war außerhalb des Körpers, und dadurch konnte ich mich auf dem OP-Tisch liegen sehen. Ich habe also eine außerkörperliche Erfahrung gemacht und glaube daran, dass es eine Seele gibt“, sagt er mit ernstem Blick. 

Kreuzritter im Nebel und das Schlossgespenst

In der selben Gasse befindet sich das Evangelische Stift. Vor dem verschlossenen Tor versammeln wir uns im Halbkreis und lauschen der nächsten Geschichte. Es wurde 1536 von Herzog Ulrich von Württemberg gegründet. Auch heute noch erhalten Studierende der Theologie Stipendien in Form einer Wohnmöglichkeit. Von hier aus sind früher die Ritter zu den heiligen Kreuzzügen aufgebrochen. Diese sind auch heute noch spürbar, meint unser Stadtführer: „Wenn es richtig düster ist und Nebelschwaden aufziehen, sieht es manchmal so aus, als ob die Kreuzritter auf ihren Pferden entlangreiten, und das ist dann wirklich etwas, das durch die Gassen schleicht.“ Mittlerweile ist es schon fast dunkel und der Himmel wird von dichten Wolken bedeckt. Ich bin froh, dass nicht auch noch Nebel aufkommt…

Vor dem Evangelischen Stift. Foto: Stephanie Constantin

Gemeinsam begeben wir uns zum Johannisbrotbaum, der sich oberhalb des Evangelischen Stifts befindet. Dann ziehen wir durch die schmalste Gasse Tübingens bis zum Schloss Hohentübingen, in dem das Schlossgespenst bereits die Franzosen verjagt haben soll, die versuchten, das Schloss zu besetzen. Auch eine Jugendherberge konnte sich dort nicht lange halten, „weil unser Schlossgespenst da wohnt und die Kinder keinen ruhigen Schlaf gefunden haben“, klärt Rödiger auf.

„Hier kotzte Goethe“

„Hier kotzte Goethe“- Tafel in der Münzgasse. Foto: Stephanie Constantin

Schließlich folgen wir ihm auf den Marktplatz. Hier erfahren wir mehr über das Rathaus, das Brotfenster und den Neptunbrunnen. Unsere letzte Station der etwa zweistündigen Geisterführung befindet sich an einem Studentenwohnheim in der Münzgasse, an dem eine Tafel mit der Aufschrift „Hier kotzte Goethe“ angebracht ist. Dieser hat im September 1797 seinen Verleger Johann Friedrich Cotta für ein paar Tage besucht, und „Goethe hat tatsächlich in das Eck da hinten gekotzt, weil er zu viel von dem Tübinger Wein getrunken hat,“ sagt Rödiger lachend. Was das nun mit Geistern zu tun hat, frage ich mich und bekomme schon bald eine Antwort von unserem Stadtführer: „Die Leute, die da wohnen, haben öfter mal festgestellt, dass sich wieder hat einer übergeben müssen. Das passiert dort ungewöhnlich häufig. Der Geist von Goethe ist halt auch noch irgendwo in Tübingen.“

Kaum ist die Führung zu Ende, fängt es an zu regnen. Oliver Rödiger ist davon überzeugt, dass wir dank seiner besonderen Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen, einem starken Regenschauer entkommen sind. „Ich mache das Wetter hier in Tübingen. Ich habe indianische Vorfahren, weil mein Ururururgroßvater nach Amerika ausgewandert ist und die Tochter eines Medizinmannes geheiratet hat. Aber ich tanze nicht für Regen, sondern singe für Sonne“, sagt er bestimmt. Auch für seine Gäste auf dem Stocherkahn singt Rödiger des Öfteren. Ein vielseitiger Mann also. Es wundert nicht, dass er vor vier Jahren begann, Geisterführungen in Tübingen anzubieten. Diese gestaltet er humorvoll und mit viel Freude. Auf die Idee kam er durch Gespräche mit Einwohner*innen Tübingens. „Da erfährst du Geschichten, auf die du sonst nicht kommst“, meint er. Und auch durch gründliche Recherche in alten Zeitschriften, Büchern und Zeitungen, die unter anderem im Stadtarchiv zu finden sind, kommt er zu seinen Geistergeschichten. Es ist ihm jedoch wichtig, dass die Menschen bei der Geisterführung auch etwas über Tübingen erfahren, und das gelingt ihm durchaus. Sogar ich als eingesessene Tübingerin konnte neben den Geistergeschichten auch etwas „Greifbares“ über die Stadt erfahren.

Gruselgeschichten über verfluchte Orte ziehen ihre Zuhörer förmlich in ihren schaurig-schrecklichen Bann. Ob der Tower of London in England oder das Winchester House in den USA, Gruselorte gibt es überall. Auch in Baden-Württemberg. Diese Reihe stellt drei der sehenswertesten Spukorte im Ländle vor.

Der Fluch von Großerlach

Großerlach am 30. April 1916 – Die Witwe Rosine Kleinknecht vernimmt am frühen Morgen aus dem Stall ihres Bauernhofs lautes Gebrüll. Als sie die Stalltüre öffnet stellt sie fest, dass eines ihrer Kälber losgebunden worden ist und ihr Vieh aufgeregt mit den Hinterbeinen ausschlägt und schwitzt. Sie bindet das Kalb fest und schließt den Stall. 

Kurze Zeit später hört die Witwe das Jungtier erneut brüllen und als sie nachsieht, sind zwei Kälber losgebunden. Wie das passieren konnte, ist für Rosine Kleinknecht unerklärlich, da niemand im Stall gewesen sein kann. Daraufhin bindet sie das Vieh sowohl mit Stricken als auch mit Ketten fest. Ohne Erfolg. Der Vorgang wiederholt sich mehrere Male. Ihr Vieh wird dabei beinahe von den sich zuziehenden Ketten erwürgt.

Der Spuk lässt auch in den beiden darauf folgenden Nächten nicht nach. In der dritten Nacht wacht das kleinste der Kinder auf und behauptet aufgeregt, einen schwarzen Geißbock am Bett der Witwe gesehen zu haben. Als man das Kind aus dem Haus schafft, beginnt auch die siebenjährige Tochter zu phantasieren. Sie bildet sich ein, grüne Augen und Ohren zu haben. 

Von der Ruhe bis zum Chaos

Vom 3. bis 5. Mai wird es ruhiger im Hofe der Witwe Kleinknecht. Eine Woche später droht die Situation jedoch zu eskalieren: Ein Holzscheit fängt auf dem Herd an zu tanzen und kehrt immer wieder zurück, obwohl man ihn mehrmals aus dem Fenster wirft. Am Abend stürzen fünf Milchhäfen vom Brett und zerbrechen. Am 15. Mai findet der Spuk seinen Höhepunkt. Das Vieh im Stall wird geschlagen, alle Milchgeschirre, Mostkrüge, Teller und vieles mehr fliegen auf den Boden oder werden sogar auf Personen geworfen. Ein Augenzeuge packt einen der schwebenden Mostkrüge, woraufhin ihm ein Milchhafen an den Kopf fliegt. Ein Bauer, der den Spuk mit einer Peitsche auszutreiben versucht, wird übel zugerichtet und dem Amtsdiener wird die Mütze vom Kopf geschlagen. 

Zu guter letzt heben sich alle Türen aus den Angeln und fallen zu Boden, die Betten werden zerrissen und mehrere Personen werden durch umherfliegende Gegenstände verletzt. Daraufhin wird der Bauernhof am selbigen Tage von Familie Kleinknecht verlassen und geschlossen. 

Tübinger Professoren sprechen von Schwindel

Die Geschichte vom spukenden Bauernhof machte damals schnell die Runde. Durch zunächst noch regionale Zeitungen, breitete sich die Botschaft immer weiter auf das gesamte Kaiserreich aus.

So kommt es, dass drei Professoren der Psychologie aus Tübingen im Juli 1916 nach Großerlach reisen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Sie kommen zu folgendem Ergebnis: „Obwohl wir das Vorhandensein abnormer Vorgänge nicht von vornherein ausschlössen, kamen wir zu der bestimmten Überzeugung, dass ein Grund für eine solche Annahme hier nicht vorliegt“. Das Protokoll der Professoren Oesterreich, Heuchler und Haering kann man noch heute in der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg nachlesen. Das Stadtarchiv Ludwigsburg soll damals den Fall vollständig archiviert haben. So heißt es auf der Homepage der Gemeinde Großerlach.

Großerlach heute

Das beschauliche Dorf im Rems-Murr-Kreis zählt heute mit seiner Anekdote zu den bekanntesten Spukorten weltweit. Im Ranking der Stuttgarter Nachrichten zu den „Top Ten der gruseligsten Orte der Welt“ landete Großerlach 2017 auf Platz 9. 

Die Gruselgeschichte gehört zur Identität der Stadt und ist auch auf der Homepage der Gemeinde nachzulesen. Bürgermeister Christoph Jäger hat Mitleid mit der Witwe Rosine Kleinknecht: „Eigentlich ist das eine tragische Geschichte. Die Frau hat nahezu ihren gesamten Besitz verloren. Bis heute ist nicht klar, was da genau passiert ist. Es gibt nur viele Spekulationen“, sagte er den Stuttgarter Nachrichten.

Die geisterhaften Vorgänge haben sich bis heute nicht wiederholt. Der Spuk-Hof in Großerlach wurde bereits abgerissen. Augenzeugen sind lange verstorben. 

Obwohl die Geschichte unter der lokalen Bevölkerung wenig verbreitet ist, ist Großerlach immer noch eine beliebte Anlaufstelle für vor allem internationale Geisterjäger und Fans von Gruselgeschichten. Noch heute reisen Spukbegeisterte von weit her in den Rems-Murr-Kreis, um den geheimnisvollen Ereignissen um Rosine Kleinknechts Hof auf die Spur zu kommen.

Im zweiten Teil der Reihe geht die Reise nach Freudenstadt. Wer sich bis dahin auch auf Spurensuche nach Großerlach begeben will, kann sich an der hier eingefügten Karte orientieren.