Es ist nun 51 Jahre her, dass Kathrine Switzer den Boston-Marathon lief. Dieser Lauf sollte in die Geschichte eingehen, denn sie war die erste Frau, die offiziell an einem Marathon teilnahm. Trotz tätlicher Angriffe, der Angst entdeckt und aufgehalten zu werden und der körperlichen Anstrengung lief sie durchs Ziel und wurde somit zu einer Heldin der Frauenbewegung.
Du läufst. Vor dir, neben dir, hinter dir, überall um dich herum sind Menschen. Alle laufen. Am Rand der Strecke stehen tausende Menschen, alle feuern dich an. Die Lautstärke und der Jubel tragen dich, dabei spürst du seit einigen Kilometern deine Beine nicht mehr. Deine Lungen brennen, du willst nichts mehr als stehen bleiben und gleichzeitig nichts anderes als ankommen.
Der Weg ist das Ziel
Das trifft bei Kathrine Switzer in zweierlei Hinsicht zu.
Es ist der 19. April 1967, als Kathrine Switzer als erste Frau der Welt offiziell an einem Marathon teilnimmt. Gemeinsam mit ihrem damaligen Freund Tom Miller meldete sie sich beim Boston Marathon an, indem sie als Vornamen nur ihre Initialen eintrug, denn eigentlich ist es Frauen zu dieser Zeit nicht gestattet, an solchen Wettbewerben teilzunehmen. Mit ihrer Teilnahme bewies sich Switzer nicht nur als sportliche Heldin, sondern auch als eine Heldin der Frauenbewegung, die den Frauensport damit langfristig prägte.
Kathrine Switzer hatte schon früh das Laufen als ihre Passion entdeckt. Bereits mit zwölf Jahren begann sie jeden Tag eine Meile zu laufen, um leistungsfähiger beim Hockey zu werden. Diese Leidenschaft begleitete sie auch noch in den folgenden Jahren, bis sie an der Universität ihren Leichtathletiktrainer kennenlernt. Bei ihm trainierte sie gemeinsam mit dem männlichen Crosslauf-Team. Arnie Briggs, 15-facher Boston-Marathon-Teilnehmer, ist es letztendlich, der Kathrine dazu bringt am Marathon-Rennen 1967 teilzunehmen. Und so kam es, dass sich Switzer einige Zeit später unter den Initialen „K.V. Switzer“ zu dem Rennen ihres Lebens anmeldet.
Es ist ein nasskalter April in Boston, wodurch Kathrine auch beim Start noch ihre Leggings und ihr Sweatshirt anbehält. Das Rennen beginnt, erst ein paar Kilometer später fällt einigen Journalisten im Pressebus auf, dass der Läufer mit der Nummer 261 gar kein Läufer ist – sondern eine Läuferin.
Szenen, die in die Geschichte eingehen
Als der Verstoß daraufhin der Rennleitung gemeldet wird, reagiert Jock Semple, der Co-Organisator, wutentbrannt. „Get the hell out of my race! Give me those number!“ schreit er der Läuferin hinterher und verfolgt sie. Wie wild rennt er Kathrine Switzer nach und versucht, ihr die Nummer vom Sweatshirt zu reißen. Doch Katherines Freund, ein ehemaliger Footballspieler und Hammerwerfer, wirft sich beherzt gegen Semple, und Switzer kann weiterlaufen. Von nun an laufen die beiden nicht nur mit der Angst, jederzeit wieder attackiert zu werden. Kathrine wird auch bewusst, dass es nun um mehr geht als nur um einen Marathon. „Aber dann war mir klar, dass ich es beenden muss. Und wenn ich es auf allen Vieren tue. Ansonsten würde niemand glauben, dass eine Frau fähig ist, einen Marathon zu laufen.“
Und sie läuft das Rennen nach vier Stunden und 20 Minuten zu Ende.
Heute mag es seltsam für uns klingen, eine Frau eine Heldin zu nennen, da sie „nur“ einen Marathon gelaufen ist. Für mich reicht schon allein diese Leistung aus, denn wer sich schon einmal an einem Marathon versucht hat weiß, dass man dafür weit über seine Grenzen hinaus gehen und sich selbst mit Schmerzen quälen muss.
Doch das allein ist es nicht, was Switzer zur Heldin macht.
Eine Heldin des Frauensports
1967 war die Frauenbewegung schon in vollem Gange – in den letzten 70 Jahren hatte sich einiges getan. Dennoch durften zu dieser Zeit immer noch keine Frauen an Marathonläufen teilnehmen. Die Begründungen, die man findet, klingen so sinnfrei, wie sie es auch tatsächlich sind: Frauen durften sich solchen Belastungen nicht aussetzen, da ihnen die Gebärmutter beim Laufen herausfallen könnte und sie in Folge unfruchtbar würden. Frauen können solche Leistungen nicht erbringen. Medien nannten die erschöpften Läuferinnen eine „Schande für die Weiblichkeit“. Der wahre Grund hingegen war ganz einfach, dass Männer Angst hatten von dem vermeintlich schwächeren Geschlecht überholt zu werden.
Kathrine Switzer lief gegen diese Vorurteile an und wollte der Welt beweisen, dass auch Frauen laufen können. Dennoch dauerte es weitere 17 Jahre, bis der Marathon für Frauen endgültig in die Olympischen Spiele aufgenommen wurde.
Die Rangelei während des Rennens steht nicht nur für den männerdominierten Sport dieser Zeit, in dem Frauen von Männern schlichtweg nicht akzeptiert wurden, sondern auch für die Unterdrückung der Frauen zu jener Zeit. Diese Szenen spiegelten die Ungleichheit in der Gesellschaft wider, in der Männer über Frauen herrschten und Frauen als „mindere“ Wesen angesehen wurden. Frauen kämpften jahrelang für ihre Rechte, und noch immer ist dieser Kampf nicht vorbei.
Der Leistung dieser Frau mag aus heutiger Sicht nichts besonderes mehr sein, und auch ihre Zeit erscheint unwichtig – die Frauenbewegung und den Frauensport hat sie in diesen knapp viereinhalb Stunden allerdings maßgeblich geprägt. Und sie hat gezeigt, dass es manchmal nicht mehr braucht als eine mutige Frau, die für ihre Rechte einsteht, um für alle Zeit eine Heldin zu sein.
Der Kampf geht weiter
Kathrine Switzer hat ihre Laufschuhe noch längst nicht im Schrank verstaut, auch heute noch läuft sie mit Frauen auf der ganze Welt Marathon. Mit der Avon Running Global Women’s Circuit hat sie eine Organisation gegründet, die weltweit Frauenläufe organisiert und somit immer noch für Frauenrechte kämpft. Einer dieser Läufe findet jährlich in Berlin statt.
Bildquelle Titelbild: Copyright SCC EVENTS/camera4
Schöner Beitrag. Die Geschichte ist noch gar nicht so lange her und wirklich kaum vorstellbar mehr heute zutage. Die Kämpfe unserer Heldinnen werden viel zu schnell vergessen.
Heute ist es für uns selbstverständlich, dass Frauen an einem Marathon oder ähnlichen sportlichen Wettkämpfen teilnehmen. Doch wer von uns weiß schon, welchen versteckten Heldinnen wir dies zu verdanken haben? Danke Laura, dass du uns eine dieser Heldinnen vorstellst! Beim nächsten Lauf werde ich sicher daran denken…