Moderne Mütter sind in einer Zwickmühle. Egal, wie sie sich entscheiden – sie werden gesellschaftlich bewertet. Wenn sie nach der Geburt in den Beruf zurückkehren, können sie als “Rabenmutter” abgestempelt werden. Stürzen sie sich hingegen mit Begeisterung in die Rolle der Mutter oder Hausfrau, sind sie eine “Gluckenmutter” oder eine “Latte-Macchiato-Mama”.

Die Meinungsvielfalt zu diesem Thema ergibt sich wohl aus der Tatsache, dass die Erziehung von Kindern eine unbezahlte Leistung von zentraler sozialpolitischer und kultureller Bedeutung darstellt. Moderne Mütter befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen traditionellen Werten und modernen Erwartungen an berufliches Engagement und finanzielle Absicherung.

Seit Betty Friedans 1963 veröffentlichtem Buch Der Weiblichkeitswahn wird die Frage diskutiert, ob Frauen in ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau Erfüllung finden können. Die zweite Welle der Frauenbewegung erklärte der 1960er-Generation, dass Frauen außerhalb von Hausarbeit und Mutterschaft nach Berufung und Bedeutung suchen sollten. Unsere Gesellschaft und deren politische Entschlüsse hinken jedoch weit hinterher, weil sie Frauen kaum den notwendigen politischen und finanziellen Schutz bieten, um diesen gegensätzlichen Erwartungen entsprechen zu können.

Um die Umstände, Herausforderungen und die Bedeutung des Mutterseins zu erläutern, habe ich mit zwei Müttern gesprochen. Da die Familienpolitik umstritten ist, wollten die Interviewpartnerinnen anonym bleiben, weshalb ihre Namen geändert wurden. Renate, eine vierfache Mutter in der Babyboomer-Generation aus Hessen, und Veronika, eine Mutter aus der Millenial-Generation mit zwei Kindern in Kärnten, berichten über die Bedeutung ihrer Arbeit als Mutter, die Herausforderungen, die sie erlebten, und darüber, ob ihnen diese Aufgabe Erfüllung gebracht hat.

Der Tagesablauf: Keine Auszeit

Der Tagesablauf einer Mutter verknüpft alle Verantwortungen eines Alleinlebenden mit der Fürsorge-Rolle für die Kinder. Einer der Hauptunterschiede zwischen dieser Art von Arbeit und einem traditionellen Bürojob besteht darin, dass Muttersein wesentlich mehr Zeit und Energie in Anspruch nimmt. Vollzeitmütter haben selten Pausen, Freizeit oder Urlaub von der Erziehung. Veronika sagt: „Mutterschaft bedeutet, rund um die Uhr auf Abruf zu sein und ständig konzentriert, zugänglich und in unmittelbarer Nähe des Kindes zu sein.”

Säuglingsbetreuung ist ein Tag-und-Nachtbetrieb und verlangt die ständige Bereitschaft, die Bedürfnisse eines Kleinkindes zu erfüllen, sei es Halten, Singen, Stillen, Trösten oder Vorlesen. Laut Veronika übernehmen Vollzeitmütter „die Verantwortung für das Füttern und das Waschen des Babys und seiner Kleidung, für die Fahrt zum Arzt und auf den Spielplatz.” Dieser Job belastet auch den Körper. So Renate: „Ich habe wegen einiger meiner Kinder jahrelang Schlafmangel erlitten sowie mangelnde Selbstfürsorge.”

Um Kinder zu erziehen, gehört es auch zu den Aufgaben der Mutter, die geistigen Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen zu fördern. Hier besteht der Alltag der Mütter darin, mit ihrem Kind zu spielen, spazieren zu gehen, Spieltermine mit anderen Kindern zu vereinbaren, Mahlzeiten zu planen und zuzubereiten, vorzulesen, die Kinder zur Schule und in die Bibliothek zu bringen und die Interessen und Hobbys des Kindes zu entwickeln und zu fördern. Renate schätzt: „Ich habe Zehntausende von Kilometern zurückgelegt, um meine Kinder zur Schule, zum Spielen, zu Geburtstagsfeiern, oder auch zu den Großeltern zu fahren.”

Was bedeutet die Rolle des Mutterseins, und was sind die physischen und psychischen Anforderungen an dieser Tätigkeit? Renate beschreibt die Rolle so: „Du bist eine Erzieherin, eine Lehrerin, ein Vorbild. Viele meiner Fähigkeiten habe ich meinen Kindern nahegebracht.“ Die Mutterschaft zuhause bringt einen vollen Arbeitstag mit sich, bestimmt durch die Bedürfnisse und Wünsche eines Anderen.

Mangelnde Freiräume

Muttersein verlangt viel mehr als nur Zeit und Kompetenz. Vor welchen Herausforderungen stehen Mütter heute?

Die Mutterschaft ist kein Beruf, auf den man sich wirklich vorbereiten kann. Es gibt zwar eine Menge Bücher, die Müttern Ratschläge geben wollen, aber es gibt keine formelle Ausbildung für diese Tätigkeit. Veronika sagt: „Man lernt so etwas nicht an der Universität. Man spürt den Mangel an Wissen und man ist sich nie sicher, ob man der Aufgabe gerecht wird.“ Ungebetene Ratschläge bezüglich der Kindererziehung kommen jedoch oft von allen Seiten: Mütter vergleichen sich mit anderen Müttern und werden oftmals auch mit Ratschlägen oder Erwartungen von ihren Partnern, Eltern und Schwiegereltern überhäuft. „Urteile sowie Meinungen von Drittpersonen sind ein wesentlicher Bestandteil der Muttertätigkeit”, so Renate.

Eine zweite Herausforderung für Mütter sind die langfristigen Konsequenzen ihrer Entscheidungen. Renate bedauert, ihre medizinische Tätigkeit nicht ausüben zu können, und meint, dass Vollzeitmütter in einer Zwickmühle sind: „Wenn wir sowohl Kinder als auch Karriere wollen, finden wir Frauen uns mit der Mehrzahl von Hausarbeit und Kindererziehungsaufgaben belastet.” Männer, meint sie, entgehen diesem Druck und der Verantwortung. „Von Vätern wird nicht erwartet, dass sie von ihren beruflichen Ambition abrücken, nachdem sie Kinder haben. Die werden im Gegenteil für mehr Engagement am Arbeitsplatz belohnt.”

Drittens führt die Mutterschaft dazu, dass Mütter oft ihre persönliche Weiterentwicklung vernachlässigen. Da sie für ihre Fürsorge-Rolle viel Zeit brauchen, müssen Mütter um die eigenen Prioritäten kämpfen. Neben den Kindern ist Veronika auch bestrebt, die Beziehung zu ihrem Mann aufrechtzuerhalten und Zeit für sich selbst zu finden, um Sport zu treiben oder ihre Hobbys zu verfolgen. Veronika erwähnt mit Stolz, dass sie jetzt eineinhalb Stunden pro Woche Zeit für einen Fitnesskurs hat und auch dabei ist, einen Führerschein zu machen. Das ermögliche, so sagt sie, bessere Berufschancen nach ihrer Elternzeit.

Arbeitszufriedenheit: Kann das moderne Muttersein erfüllen?

Sowohl Renate als auch Veronika hatten ihre Universitätsausbildung abgeschlossen, bevor sie die Entscheidung trafen, mit ihren Kindern zu Hause zu bleiben. Renate absolvierte ein Medizinstudium in Deutschland und Veronika ein Anglistik-Studium in Österreich. In einem Zeitalter, in dem von Frauen erwartet wird, dass sie in der bezahlten Arbeitswelt eine Berufung finden, stellt sich die Frage, ob diese Mütter in ihrer gewählten Tätigkeit eine Erfüllung finden.

Für Renate ist die Antwort auf diese Frage ein klares Ja. Obwohl sie zugibt, dass sie nie beabsichtigt hatte, Kinder zu bekommen – geschweige denn eine Hausfrau zu werden –, änderte sie ihre Meinung: „Als die Kinder kamen, wurde mein Fokus allein auf den Schutz und die Förderung einer heranwachsenden Persönlichkeit gerichtet. Für mich war es ein wunderbares Geschenk, Kinder aufwachsen zu sehen und eine Rolle zu übernehmen, die es mir ermöglichte, etwas beizutragen. Es ist Liebe in ihrer reinsten Form und erlaubt, über das hinauszuwachsen, was dem Selbst dient. Ein Kind ist ein neues Individuum, das der Pflege und der Betreuung bedarf.“

Auch Veronika stimmt zu, dass Mutterschaft und Erziehung ihr Leben als Mutter bedeutsam machen. Sie fügt hinzu, dass sich die Erziehung von Kindern lohnt, weil Mütter ein sofortiges Resultat für ihre Bemühungen sehen. Da Kinder absolut auf ihre Mütter angewiesen sind, nimmt sie das als Aufgabe an. Sie stellt immer wieder fest, dass die Erziehung von Kindern so sei „als würde man sein Leben von Anfang an neu leben. Man ist begeistert von der Zukunft. Man lebt sein Leben in Ansätzen durch das Leben seiner Kinder.“ Wie viele andere Frauen, schätzt Veronika die Zeit mit ihren Kindern sehr. Obwohl ihr bewusst ist, dass es eine Welt außerhalb der Kindererziehung gibt, betrachtet sie den Verzicht auf die Arbeitswelt letztendlich positiv: „Für mich ist die Familie von der größten Bedeutung.”

 


Mehr zum Thema und weitere spannende Beiträge gibt es auf unserem Blog Under Construction. Außerdem halten wir unsere Leserinnen und Leser auf Facebook und Instagram auf dem Laufenden.

4 Kommentare
  1. Tanja Miller
    Tanja Miller sagte:

    Dein Artikel veranschaulicht auf ansehnliche Weise, wie komplex die Mutterschaft ist. – Auch wenn die Mütter aus verschiedenen Generationen kommen, wird doch klar, dass sich das Mutter-Dasein wenig verändert hat. Sobald man sich für Kinder entscheidet, leidet die Karriere. Doch ich finde, die Aufgabe von Mütter müsste endlich auch von der Gesellschaft als Arbeit anerkannt und geschätzt werden.

  2. Friederike Schmidt
    Friederike Schmidt sagte:

    Schön, dass so ein wichtiges Thema in unserem Blog Platz findet 🙂 Sieht man die Aufgaben einer Mutter einmal Schwarz auf Weiß, wird erst verständlich und klar, wie viel Arbeit eigentlich hinter dem Muttersein steckt. Da ist nichts mit „ein bisschen Haushalt“. Interessieren würde mich nun noch, welche Lösungen und Perspektiven es für (junge) Mütter heute gibt. Sicher hat sich vieles verändert, aber vermutlich muss hier auch noch viel getan werden!

    • Elisabeth Harvey
      Elisabeth Harvey sagte:

      Ich würde persönlich für eine politische Lösung, bzw. Unterstützung für Mütter plädieren. Wenn man mit Müttern über ihre Tätigkeit und die daraus entstehenden Konsequenzen im Arbeitsmarkt spricht, kann man schon nachvollziehen warum so viele Frauen sich sind heutzutage gegen Kinder entscheiden, oder auch nur kleine Familien bekommen wollen. Also wenn wir als Gesellschaft die sinkende Geburtenrate entgegen wirken wollen, wäre es sinnvoll die Frauen in der Mutterschaft viel mehr zu unterstützen.

  3. Yichi Zhang
    Yichi Zhang sagte:

    Ein sehr schöner und sinnvoller Beitrag:) Die Mutterschaft ist kein Beruf, aber ist auch anspruchsvoll und anstrengend. Das Gedanken, dass Frauen zuhause zu bleiben und sich um ihre Kinder zu kümmern selbstverständlich ist, finde ich sehr falsch. Mütter sollen in der Gesellschaft mehr anerkannt werden.

Kommentare sind deaktiviert.