Helden treffen wir überall. Ob Thor, Batman, die nette Nachbarin oder der selbstlose Unbekannte, der ein Kind vorm Ertrinken rettet. Aber ist wirklich jeder von ihnen der unnahbare Held, der er zu sein scheint? Was macht einen Helden überhaupt zu diesem und wie können wir selbst zu einem Helden werden?
Als ich 5 Jahre alt war, war mein größter Held meine Mutter. Sie wusste auf jede meiner Fragen eine Antwort, konnte meine Schmerzen einfach verschwinden lassen und jedes Problem lösen.
Mit 14 Jahren sah das schon anders aus. Meine Mutter mein Held? Naja. Ständig sagt sie mir, ich solle mein Zimmer aufräumen oder dies und jenes tun, und nie darf ich abends lange genug weg. Harry Potter war nun mein größter Held. Ein selbstloses Waisenkind, das bereit ist, für seine Freunde zu sterben.
Heute sieht die Sache wieder anders aus. Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich noch den „einen Helden“ habe. Klar, es gibt Menschen, die tun selbstlose Dinge. Meine Nachbarin war meine Heldin, als sie mir Milch für meinen lebenswichtigen Kaffee geliehen hat. Aber es fällt mir sehr schwer, einen Helden für mich zu bestimmen.
Mit dem Held-Sein ist das so eine Sache. Viele unserer Helden steigen ab zu Vorbildern, wenn sie ihren Glanz verlieren und wir sie nicht mehr bedingungslos verehren. Vielleicht spielen Helden heute auch gar keine so große Rolle mehr, vielleicht brauchen wir sie gar nicht mehr.
Unsere Helden
Die Medien malen uns ein Bild vom Helden, der mit einer Maske durch die Lüfte fliegt, mit seinen Superkräften das Leben vieler hilfloser Menschen rettet und am Ende in den Armen eines hübschen Mädchens landet. Im Christentum wird man erst zum Helden, wenn man für seinen Glauben stirbt. Ein Kriegsheld stirbt den Heldentod für sein Land, tötet aber auch unschuldige Menschen. Aber warum ist jemand, der durch eine glückliche Fügung zu einer Superkraft gekommen ist, ein Held? Habe ich etwas Heldenhaftes getan, wenn ich für meinen Glauben oder für meine Überzeugung gestorben bin, aber damit niemandem geholfen habe? Und wie kann man überhaupt ein Held sein, wenn man unschuldige Menschen getötet hat? Gibt es in einer Welt, in der jeder zum Helden wird, der auch nur eine kleine Heldentat vollbracht hat, überhaupt noch echte Helden?
Natürlich ist es ein subjektives, kulturell und gesellschaftlich geformtes Empfinden, ob wir jemanden als Helden ansehen oder nicht. Auch hat sich der Begriff des Helden mit der Zeit stark verändert und wurde in der Vergangenheit oft missbraucht, um für falsche Ideale zu werben. Das alles macht es schwer genau zu definieren, was ein Held ist. Ich habe lange recherchiert, viele Artikel und Definitionen von gelehrten Leuten gelesen. Dadurch bin ich auf folgende allgemeine Eigenschaften gekommen, die jemanden zum Helden machen.
Ein Held …
… ist jemand, der etwas Positives für die Allgemeinheit tut. Er handelt nach seinem Gewissen oder aus Liebe.
… ist niemand, der Menschen tötet, unmenschlich handelt oder anderen Leid zufügt.
… ist nicht selbst bezogen und würde sein Leben geben, um das Richtige zu tun.
… hat eine besondere Eigenschaft oder Qualität, eine spezielle Fähigkeit oder eine besondere Eigenschaft, wie zum Beispiel Mut.
… ist menschlich oder hat zumindest menschliche Eigenschaften. Trotzdem ist er verletzlich und hat auch Fehler.
… ist bescheiden. Er ernennt sich nicht selbst zum Helden, sondern wird von anderen zum Helden gemacht.
Sind wir nun Helden?
Eine Person muss nicht zwangsläufig alle dieser Eigenschaften erfüllen, um ein Held zu sein. Also was ist nun mit meinen Helden? Sind Mama, Harry und meine Nachbarin nun echte Helden, wo sie doch keine übernatürlichen Superkräfte haben?
Meine Mama tut vielleicht nicht viel für die Allgemeinheit, aber für mich und meinen Bruder hat sie ihr ganzes Leben verändert und würde es wohl auch geben. Sie hat noch keinen getötet, und auch wenn ich es des Öfteren als Leid empfunden habe, mein Zimmer aufräumen zu müssen, glaube ich nicht, dass sie jemandem absichtlich Leid zufügen würde. Unglaublich mutig ist sie nicht, und auch sonst hat sie meines Wissens keine besonderen Fähigkeiten, aber ist eine großartige Mama. Menschlich ist sie auf jeden Fall. Sie würde sich auch bestimmt nicht als Heldin bezeichnen und verlangt keine Gegenleistung für das, was sie getan hat. Sie und viele andere Mütter kommen also auf 5 von 6 Punkten.
Wie sieht es mit Harry aus? Harry ist ganz klar bereit, für seine Freunde und die Allgemeinheit zu sterben, ist äußerst mutig und kann dazu noch zaubern. Er liebt Voldemort ganz sicher nicht. Aber obwohl er könnte, tötet er ihn am Ende nicht. Der stirbt nur, weil sein eigener Tötungszauber auf ihn zurückfällt. Also würde ich sagen, Harry hat auch den zweiten Punkt. Außerdem ist er auch menschlich, verletzlich und so bescheiden, dass er sich niemals selbst als Held sehen würde. Also 6 von 6 Punkten für Harry Potter.
Meine Nachbarin kenne ich nicht besonders gut. Ich kann nicht sicher sagen, ob sie anderen schon einmal Leid zugefügt hat, würde aber zu nein tendieren. Sie hat der Allgemeinheit nicht geholfen, indem sie mir die Milch gegeben hat, aber mir immerhin meinen Kaffee gerettet. Soweit ich weiß hat sie keine besonderen Fähigkeiten, aber sie ist menschlich. Ob sie bescheiden ist weiß ich auch nicht sicher. Das macht, sagen wir 3 von 6 Punkten.
Am Ende sind wir vielleicht alle Alltagshelden, aber um echte Helden zu werden, müssen wir uns wohl noch etwas ins Zeug legen. Aber ihr wisst ja jetzt was ihr zu tun habt.
Wenn ihr noch mehr über Helden wissen wollt und wie ich auf meine Checkliste gekommen bin könnt ihr hier nachlesen: Heldengeschichten, Definition Held, Vorbilder Gestern und Heute, Brauchen wir das oder kann das weg?, Was ist ein Held?, The Hero Pattern, Harry Potter and The Hero Pattern, Heldenreise, TED talk: What makes a hero?
Beitragsbild: Marie Oberle.
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[…] stellt sich die Frage, was die Kriterien eines Helden sind. Die Definition von Helden scheint in der Praxis sehr schwammig und komplex. Daher […]
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