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Eine nebelverhangene Berglandschaft, unheimliche Dämonen, die ihre schlafenden Opfer heimsuchen, märchenhafte Erzählungen und eine geheimnisvolle blaue Blume – die Epoche der Romantik fasziniert auch heute noch mit ihrer Vorliebe für das Fantastische und Unerklärliche. Auch dem Traum kommt in der Romantik eine bedeutende Rolle zu, denn hier vereinen sich Realitätsflucht, unbewusste Wünsche, Sehnsüchte und die tiefen Abgründe der menschlichen Seele. 

Die Epoche der Romantik wird auf den Zeitraum zwischen 1789 und 1848 dateiert. Revolutionen, Kriege, der Beginn der Industrialisierung und die Errungenschaften der Aufklärung prägten den Zeitgeist. Vertreter*innen der Aufklärung appellierten an den menschlichen Verstand und die Vernunft, mit deren Hilfe sich die Welt vollständig erklären lassen sollte. Die Romantik entstand als Gegenantwort auf das rationalistische Weltbild der Aufklärung. Denn für Romantiker*innen war die Welt eben nicht einzig durch den menschlichen Verstand erklärbar. Sie sehnten sich nach dem Unerklärlichen, Fantastischen, wollten aus der Realität ausbrechen und zur Naturverbundenheit zurückkehren. Vertreter*innen der Romantik stellten den Menschen als fühlendes, emotionales Wesen wieder in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Sie interessierten sich für das Verborgene der menschlichen Gefühlswelt und die subjektive Wahrnehmung des Einzelnen. 

Es ist also nicht verwunderlich, dass der Traum ein wiederkehrendes Motiv der Romantik ist. Sowohl in der Musik als auch in der Literatur und Malerei der Epoche beschäftigte das Traummotiv die Romantiker*innen intensiv. Dabei waren Querverbindungen zwischen den verschiedenen Gattungen der Kunst nicht unüblich. Vertreter*innen der Romantik inspirierten sich gegenseitig, nahmen aufeinander Bezug und legten sich dabei selbst oft nicht nur auf eine Kunstgattung fest.  

Realitätsflucht, die Abgründe und das Verborgene der menschlichen Seele, der Ausdruck von Fantasie, Prophezeiungen der Zukunft – all das wurde für Romantiker*innen im Traum sichtbar und möglich. Jedoch kam dem Traum dabei keinesfalls eine einheitliche Funktion zu.  

 Traumhafte Landschaften

Für Romantiker*innen wie Caspar David Friedrich, einen der bekanntesten Vertreter der romantischen Landschaftsmalerei, war der Rückbezug des Menschen zur Natur ein leitendes Motiv. Hierin verbirgt sich sowohl der Wunsch, der sich verändernden, zunehmend industrialisierten Welt zu entfliehen, als auch die Sehnsucht, fremde Welten und Landschaften zu erleben.  

„Kreidefelsen auf Rügen“ (Caspar David Friedrich, 1818)
© Wikimedia Commons

Friedrichs Werke sind Sinnbild für das Streben unbekannte Orte zu bereisen und der Realität zu entfliehen. Seine unwirklich schönen Szenerien wirken dabei, als wären sie selbst einem Traum entsprungen. Fast schon einsam wirken die Figuren im Bild, wie sie die atemberaubende Landschaft betrachten, die sich ihnen bietet. Sie scheinen ganz im Anblick der Natur versunken, frei von allen sonstigen Einflüssen. Die für Friedrich typischen Rückenfiguren laden Betrachter*innen dazu ein, den Blick ebenfalls in die Ferne der Gemälde schweifen zu lassen und so die Wirklichkeit auch für einen Augenblick zu verlassen.

Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (Caspar David Friedrich, 1818)
© Wikimedia Commons

Die blaue Blume und das Tor zur menschlichen Seele

Für Romantiker*innen galt der Traum als essentielle menschliche Erfahrung und bot einen Zugang zu verborgenen Gefühlswelten. Auch in Novalis Roman Heinrich von Ofterdingen nimmt der Traum eine wichtige Rolle im Entwicklungsprozess des Protagonisten Heinrich ein. Dieser sammelt im Erleben seiner Traumwelten entscheidende Erfahrungen, die zu seiner Charakterbildung beitragen. Sie ermöglichen ihm außerdem Einblicke in seine eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Durch eine Erzählung erfährt Heinrich von einer geheimnisvollen und wertvollen blauen Blume. Von da an ist er fasziniert von dieser Blume und wünscht sich nichts sehnlicher, als diese zu finden. Im Traum erscheint ihm die blaue Blume, welche sich im Laufe der Handlung als Sinnbild seiner unbewussten Wünsche und seinem Bedürfnis nach neuen Lebenserfahrungen herauskristallisiert. Die blaue Blume wurde so zum leitenden Symbol der Romantik und von zahlreichen Vertreter*innen der Epoche aufgegriffen. 

„Die blaue Blume“ (Fritz von Wille, 1906/07)
© Wikimedia Commons

Der Schrecken im Traum

Alptraumhafte, dämonische Gestalten, Wahnsinn und schaurige Geschichten – die Strömung der Schwarzen Romantik ist nichts für schwache Nerven. Vertreter*innen, zu denen unter anderem E.T.A Hoffmann und Johann Heinrich Füssli zählten, sorgten bei ihrem Publikum für Schrecken und Faszination. Geisterhafte Dämonen, die sich im Schlaf der Seele ihrer Opfer bemächtigen und von Alpträumen geplagte Protagonist*innen lassen in die tiefen Abgründe der menschlichen Psyche blicken und machen verborgene Ängste und Sehnsüchte erkennbar. So offenbaren sich dem Protagonisten in Hoffmanns Schauerroman Der Sandmann, im Traum traumatische Erlebnisse aus seiner Kindheit. Seine immer wirrer, erschreckender und realer wirkenden Träume zeichnen außerdem auf, wie der Protagonist zunehmend seinen eigenen Wahnvorstellungen verfällt. Füsslis Figur des Schäfers wird dagegen im Schlaf von geisterhaften Wesen heimgesucht, die in seine Träume einzudringen versuchen. Die koboldhaften Gestalten umzingeln den Schlafenden geradezu, und halten ihn in ihrem Bann gefangen. Das Traummotiv wird hier mit dem Übergang in eine phantastische Zwischenwelt verknüpft, in welcher wir auch vor unheimlichen Dämonen nicht sicher sind – am allerwenigsten vor unseren eigenen. Als Inspirationsquelle diente Füssli dabei John Miltons Gedicht Paradise Lost.

„Der Traum des Schäfers“ (Johann Heinrich Füssli, 1793) ©Wikimedia Commons

 

Romantik – mehr als nur eine Epoche 

Ansichten, Gedanken und Fragen der Romantik sind längst nicht mehr an den zeitlichen Rahmen der Epoche gebunden, sondern vielmehr als Weltanschauung zu verstehen, die auch heute noch einflussreich ist. Träume werden auch in zeitgenössischer Literatur, im Film und in der Kunst als Einblicke in die innere Gefühlswelt des Menschen und als Offenbarung des tief Verborgenen interpretiert. Ebenso fasziniert das Unerklärliche und Fantastische, das von unseren Traumwelten ausgeht, noch immer. Der Traum der Romantik hat sich damit also noch lange nicht ausgeträumt. 

Wie malt man einen Alptraum? Dieser Frage begegneten schon verschiedene Künstler*innen. Ihre Werke sind geprägt von ihrer Zeit und verbildlichen ihre Visionen, Ängste und die dunkle Seite der Traumwelt. Was passiert also, wenn Albrecht Dürer schweißgebadet aufwacht und was hat ein Granatapfel mit Salvador Dalís Alptraum im Gemälde zu tun?

Träume sind individuell und fantasiereich. Die Bilder, welche in unseren Köpfen entstehen, lassen sich jedoch nur schwer anderen erzählen. Wie würden diese auf einer Leinwand aussehen? Künstler*innen der verschiedensten Epochen beschäftigen sich schon sehr lange mit den Eigenarten unserer Träume. Die Freiheit der bildenden Künste, jeden noch so verrückten oder realitätsfernen Traum verbildlichen zu können, bietet den Kunstschaffenden viele Möglichkeiten anderen ihre Träume zu zeigen. Hierbei werden jedoch nicht ausschließlich die guten, schönen Träume künstlerisch umgesetzt, sondern auch die düsteren, gruseligen Alpträume.

Albrecht Dürer, Johann Heinrich Füssli, Francisco de Goya und Salvador Dalí sind Künstler, welche sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Alptraum beschäftigt haben. Ihre Alptraum-Werke zeigen die vielen Interpretationsmöglichkeiten der Alptraumwelt. Die Gemeinsamkeit ihrer Gemälde liegt in der Darstellung der jeweiligen persönlichen Auffassung eines Alptraums. Die Werke und das Gedankengut dieser vier Künstler sind zudem auch durch die Epochen geprägt, in welchen sie entstanden sind. So wandeln die vier Alpträume von der Renaissance bis zum Surrealismus.

© Katharina Mauderer

Albrecht Dürers „Traumgesicht“

Albrecht Dürers Alptraum als Aquarell Gemälde

„Traumgesicht“ – Albrecht Dürer, 1525 © Wikimedia Commons

8. Juni 1525 – Der Maler Albrecht Dürer (1471-1528) wacht schweißgebadet auf. Ein schrecklicher Alptraum, ein regelrechter Angsttraum quälte ihn durch die Nacht. Noch spürbar mitgenommen von seinen nächtlichen Schreckensvisionen, versucht er die Ereignisse seines inneren Auges aus der Traumwelt zu holen. Er greift schließlich zu seinen Aquarellfarben und beginnt zu malen – sein Alptraum im Gemälde „Traumgesicht“ entsteht.

Auf dem Werk zu sehen ist eine ockerfarbene Landschaft mit weit entfernten Bäumen und einer Stadtsilhouette, welche sich mitten in einer fürchterlichen Naturkatastrophe befinden. Es stürzen blaue Wassermassen vom Himmel herab und zerstören alles Umliegende. Dürer beschreibt sein geträumtes Szenario unter seinem Aquarellwerk sehr detailliert und schildert auch seine Gefühle über diese Vision: „das ich also erschrack do ich erwacht das mir all mein leichnam zitrett und lang nit recht zu mir selbs kam“. Sein Traum hat wahrliche Weltuntergangsstimmung. Seinen Bericht beendet er allerdings im Vertrauen auf den Allmächtigen: „Got wende alle ding zu besten“ (Gott wende alle Dinge zum Besten).

In der Renaissance fürchtete man sich vor Kriegen, Hungersnöten, Naturkatastrophen – und sah jedes Mal den Weltuntergang nahen. Eine Sintflut, wie auf seinem Gemälde dargestellt, galt als göttliche Strafe für Bosheit. So liegt es nahe, dass auch Dürers Träume davon beeinflusst worden sind und er in seiner Vision die Rückgängigmachung von Gottes Schöpfung fürchtet.

Der „Nachtmahr“ und die schwarze Romantik

Alptraum verbindlich von Füssli als Ölgemälde

„Der Nachtmahr“ – Johann Heinrich Füssli, 1790/1791 (spätere Version) © Wikimedia Commons

Johann Heinrich Füssli (1741-1825) war ein bedeutender Maler der Schwarzen Romantik, der einen Hang zu Träumen und mystischen, gruseligen Darstellungen hatte. Oft beeinflusst durch die Französische Revolution erschufen Künstler*innen dieser Epoche zunehmend düstere Werke. Füsslis Ölgemälde „Der Nachtmahr“ gilt als eines der ersten Werke, welches entgegen den Historienbildern nicht den Menschen fokussiert, sondern eine bestimmte Situation. Das Werk entstand rein aus seiner Fantasie und greift das alte Motiv des „Nachtmahrs“, oder auch „Nachtalbs“ auf. Dieses gruselige Fabelwesen soll schlechte Träume verursachen. Es setzt sich auf die Brust von Schlafenden und löst ein Druckgefühl aus. Der Alb soll zudem immer auf einem Pferd reiten, welches Füssli schemenhaft durch den Vorhang blicken lässt.

Er versinnbildlicht in seinem Werk die Schwelle von der Wirklichkeit zum Alptraum. Gleichzeitig zeigt er die Umstände, welche nach seiner Auffassung zum Alptraum der schlafenden Frau führen. Die Verwendung des Chiaroscuro-Effekts, also starken Hell-Dunkel-Kontrasten, unterstreicht die gespenstische Stimmung des Werkes. Füssli schuf mehrere Versionen des „Nachtmahrs“. Der erste Alptraum im Gemälde entstand 1781 im Querformat. Die Werke wurden später vor allem von den Künstler*innen des Surrealismus wieder aufgegriffen.

Auf dem Weg zum Realismus mit Francisco de Goya

Alptraum und Vernunft als Thema von Goyas Radierung

„El sueño de la razón produce monstruos“ – Francisco De Goya, 1797-1799 © Wikimedia Commons

Schläft oder träumt die Vernunft bei einem Alptraum? Diese Frage stellt sich bei Francisco de Goyas (1746-1828) Werk „El sueño de la razón produce monstruos“. Es ist Teil einer Serie aus 80 Radierungen, in denen er sich mit den derzeitigen Missständen in Spanien auseinandersetzt. Goya ist zeitlich in die Romantik einzuordnen, er gilt jedoch als Wegbereiter der Moderne und des Realismus. In dieser Epoche sollte die Realität möglichst genau herausgearbeitet werden und der Mensch als Einzelne*r stand im Mittelpunkt.

Die Französische Revolution hatte Goya die Augen geöffnet und er strebte nach Aufklärung und Vernunft. Folglich entsteht seiner Auffassung nach das Ungeheuerliche nicht aus Aberglauben, sondern aus einer befangenen Vernunft. Der „sueño“ von Goyas Alptraum-Werk kann hier verschieden übersetzt werden – als Traum oder als Schlaf. So ergibt sich die Übersetzung „Der Traum/Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.“ Der Alptraum im Gemälde, das Ungeheure, stellt Goya in seinem Werk durch Eulen dar. Sie gelten als Nachttiere und verkörpern, als Wappentier der Göttin Athene, die Vernunft. Eine der Eulen scheint den im Vordergrund schlafenden Künstler, womöglich Goya selbst, vor den im Hintergrund fliegenden, schwarzen Feldermäusen schützen zu wollen. Diese sind laut Dürer die Boten des Bedrohlichen. Das Gemälde lässt keine eindeutige Interpretation zu, somit entsteht Goyas Alptraum entweder aus einer schlafenden Vernunft oder die träumende Vernunft bringt selbst den Alptraum hervor.

Über der Wirklichkeit – Alpträume im Surrealismus

Gemälde des Surrealismus von Dalí zeigt die Ursache des Alptraums

„Sueño causado por el vuelo de una abeja alrededor de una granada un segundo antes de despertar“ – Salvador Dalí, 1944 © Wikimedia Commons

Dass Salvador Dalí (1904-1989) ein Maler des Surrealismus ist, wird mit Blick auf seine Gemälde schnell ersichtlich. Vor allem skurrile Zusammenhänge und sonderbare Darstellungen, fernab von der Realität prägen seine Werke ganz getreu den Ansichten dieser Kunstströmung. Die revolutionäre Form des Surrealismus hatte das Ziel, als Epoche der Moderne das Alltägliche und Reale zu übertreffen. Gezeichnet vom Ersten Weltkrieg, suchten Künstler*innen nach einer Gegenbewegung zu den bisherigen Darstellungen. Träume, Übernatürliches und realitätsferne Zusammenhänge wurden zum Gegenstand der surrealistischen Kunst.

So scheint es auf den zweiten Blick auch nicht mehr verwunderlich, dass Dalís Alptraum-Werk nicht den dunklen und düsteren Gemälden seiner Vorreiter gleicht. Mit dem langen Titel, zu deutsch: „Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen“ verbildlicht er die Entstehung eines Alptraums, bedingt durch eine banale Situation. Zu sehen ist eine schlafende Frau, auf welche sich zwei zornige Tiger stürzen. Diese entspringen aus einem Fischmaul. Der Fisch wiederum scheint aus einem Granatapfel zu entstehen. Im Hintergrund stakst ein Elefant auf stelzenartigen Beinen über das Wasser. Mit diesem verwirrenden Bedrohungsszenario verweist Dalí unverkennbar auf die Eigenarten unserer Träume, verschiedene Handlungen in groteske Zusammenhänge zu bringen. Also gipfelt der bloße Flug einer Biene um einen Granatapfel in einem Alptraum im Gemälde mit gefährlicher Bedrohung durch die Tiger.

 

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