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Mit einem freudigen Aloha wurde der diesjährige Hochsommer ungewöhnlich früh begrüßt. Schon Ende April stand plötzlich die Badesaison vor der Tür – und mit ihr die Konfrontation mit viel nackter Haut. Behaart ist die bei Frauen aber immer noch ein Tabu. Ein Beitrag über unser gegenwärtiges Schönheitsideal, den menschlichen Herdentrieb und ein felliges Experiment.

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Der ungefragte Griff in das Haar gefolgt von den Sätzen „Deine Haare sind so schön lockig. Die hätte ich auch gerne!“ oder „Glätte sie doch mal!“ oder „Lass sie doch mal lockig und offen!“ – Naturals kennen diese Situationen nur allzu gut. Bis jetzt hat noch keiner eine charmante Art gefunden, diese unerwünschten Annäherungen höflich abzulehnen. Woher kommt diese Distanzlosigkeit und zugleich die Beklommenheit und Verfremdung, wenn es um lockiges Afrohaar geht?

Ein kleines Mädchen ohne Furcht vor ihrem natürlichen Haar. Photo by D Sharon Pruitt, published on commons.wikimedia.org

 

 

 

„Little girl with the press and curl
Age eight, I got a Jheri curl
Thirteen, and I got a relaxer
I was a source of so much laughter
At fifteen when it all broke off
Eighteen and went all natural“

 

 

 

Die afroamerikanische Sängerin India Arie beschreibt mit ihrem Lied „I am not my hair“, haargenau die Veränderung, die viele Schwarze Mädchen in ihrem Leben durchmachen. Die Liebe zum natürlichen Haar kommt bei vielen leider erst spät, bei manch einem fatalerweise nie. Mit dem Erwachsenwerden wachsen nicht nur der Charakter und die Identität eines Menschen, sondern viele setzten sich auch speziell mit ihrem Aussehen auseinander. Besonders in dieser Zeit machen viele junge Schwarze Mädchen einen Prozess in Bezug auf ihre Haare durch. Sie versuchen bewusster und schützend mit ihrem natürlichen Haar umzugehen. Immer mehr entscheiden sich dazu, Natural zu werden. Unter dem Begriff Natural Hair ist ein unverändertes, ohne chemischen Prozess beeinflusstes Afrohaar zu verstehen.

Amara und ihr umstrittener Afro. Quelle: Amara La Negra Instagram/ Photo by Joey Rosado

Jedoch schämen sich viele, ihre natürliche Haarstruktur im alltäglichen Leben zu präsentieren, da diese nicht dem europäischen Schönheitsideal entspricht. Auch nicht, weil es bis heute noch kontroverse Szenen im Fernsehen zu sehen gibt, wie beispielsweise in der amerikanischen Vh1 Sendung „Love and Hip Hop Miami“. Während einer Studio-Session spricht der Producer Young Hollywood die Afro-Latina Sängerin, Amara La Negra auf ihre volle Haarpracht an. Seiner Meinung nach solle die Sängerin ihren Afro glätten um weniger wie Macy Gray und mehr wie Beyonce auszusehen, wenn sie Erfolg mit ihrer Musik haben wolle! Viele Menschen teilen leider dieselbe Meinung und sehen Natural Hair als schlecht und ungepflegt an. Je weniger kraus, desto akzeptierter ist das lockige Haar. Durch seine Aussage hat Young Hollywood Salz in eine historische Wunde gestreut.

Von der Flechtfrisur zur Glatze …

Eritreische Bräute mit traditionellen Flechtfrisuren. Quelle: Instagram

Afrikanische Haarstrukturen und ihre Träger und Trägerinnen mussten im Laufe der Geschichte viel Leid und Demütigung ertragen. Afrikanische Nationen sehen ihre Haare als Statussymbol und als Zeichen ihrer Identität und Herkunft. Der Beruf des Friseurs war und ist bis heute noch unter den zahlreichen Nationen des afrikanischen Kontinents hoch angesehen. Im frühen Alter wird jungen Mädchen die Kunst des Zöpfeflechtens beigebracht, damit die Traditionen und Gepflogenheiten der Herkunft nicht verloren gehen.

In der Zeit des Sklavenhandels wurden Sklaven ihre Köpfe glatt geschoren. Dies geschah vor allem aus hygienischen Gründen. Jedoch war dieser Akt für viele Sklaven ein Raub ihrer Identität und eine Herabminderung ihres Status. Jungen Sklavenmädchen wurde beigebracht ihr „wollartiges“ Haar zu bändigen, um die weißen Sklaventreiber nicht zu beleidigen. Ein guter Sklave zeichnete sich durch gezähmtes oder bedecktes Haar aus.

„If your hair is relaxed, white people are relaxed. If your hair is nappy, they’re not happy!“ -Paul Mooney in Chris Rock’s Dokumentation „Good Hair“.

Diese Ansicht prägte viele Schwarze Sklaven und beeinflusst bis heute noch viele junge Schwarze Lockenköpfe. Naturals waren verpönt. Mir den Jahren stieg der Drang nach einem europäisierten Schönheitsbild. Glattes Haar war eine stille Antwort für Akzeptanz. Der „creamy-crack“ (offizielle Bezeichnung Relaxer), bietet Schwarzen Frauen die Möglichkeit ihre Haare zu entkrausen um dadurch die gewünschte Glätte zu erlangen. Durch den dauerhaften Glättungsprozess wird die lockige oder krause Haarstruktur angegriffen und kann bis zur vollkommenen Zerstörung verändert werden. Als schönes Haar gilt das glatte, seidige Haar. Dadurch geprägt wurde besonders von 1980 bis 1990 die Glättung der Haare hoch angepriesen. Für viele hatte diese chemische Glättung Haarverlust und die Veränderung ihrer natürlichen Haarstruktur zur Folge.

… und dann kam der Protest-Afro.  „Black is beautiful!“

… Das ist eine der wichtigsten Parolen in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die Kampfansage an das weiße Schönheitsideal. Eine einfache und doch aussagekräftige Liebeserklärung an die Schwarze Frau. Aktivistinnen wie Angela Davis und Kathleen Cleaver brachen durch ihren politischen Tatendrang traditionelle Konventionen. Ihr Aktivismus war geprägt durch die Schwarze Bürgerrechtsgruppe Black Panther. Das Tragen ihres rundförmigen und chemisch unveränderten Afros hat ihrem Protest gegen das weiße Schönheitsideal eine ästhetische Ebene verliehen.

Traue Ellis Ross eine Stilikone mit Mut zum Afro.
Quelle: Instagram

Mit dem Afro als Markenzeichen setzten die Aktivistinnen sich für die Gleichberechtigung der weißen und Schwarzen Bevölkerung Amerikas ein. Auch wenn der Afro als eine doch sehr radikale Form des Protestes galt, schlossen sich viele dieser neuen Bewegung an. Der Afro diente nicht nur als visuelle Repräsentation des Kampfes gegen die weiße Schönheitsstandards des hellen glatten Haares. Er war auch ein Akt der Selbstliebe und Selbstakzeptanz. Durch das Tragen der natürlichen Haarstruktur in ihrer runden und krausen Form stimmten Anhänger in eine sichtbare Form der Selbstwertschätzung ein.

„Look, black is beautiful, shawty, that you should know
Don’t let American standards damage your African Soul!“  – Rapper Wale aus dem Lied „Black is Gold“

Viele Generationen zuvor entschieden sich, ihr natürliches Haar aufzugeben, um sich durch chemische Prozesse und andere Hilfsmittel dem europäischen Standard anzupassen. Doch in den letzten Jahren ist ein erheblicher Trend, vor allem in der heutigen Generation von Schwarzen Mädchen (und Jungs), zur natürlichen Lockenpracht entstanden. Nappy wird von seiner negativen Assoziation befreit und umdefiniert in natural und happy.
In den letzten fünf Jahren ist der Verkauf von Relaxerprodukten um 37 Prozent gesunken (Stand 2018). Der Trend zur natürlichen Lockenpracht steigt. Die Parolen der früheren Black-Panther-Bewegung klingeln noch heute in vielen Ohren.

Nappy = Natural und Happy Photo by @photosbyphab from nappy.co

I am not my hair, I am not this skin, I am not your expectations! – India Arie

Doch woher kommt dieser ansteigende Wandel zu den natürlichen Locken in unserer Generation? Die Vielfalt der Produkte für schwarzes und lockiges Haar wird größer. Mithilfe der Digitalisierung ist es für viele einfacher geworden, sich auszutauschen. Tausende von Blogs, Vlogs und Youtube-Kanälen erzählen die Geschichte der Naturals. Durch diesen Austausch ist eine riesige Community entstanden in der es möglich ist Gleichgesinnte zu finden, die einem Mut zusprechen und bei Problemen weiterhelfen. Infolge dieser weiten Verbreitung von Naturals stieg auch die Repräsentation des Afrohaars in den Mainstream Medien.

Yara Shahidi in einer People Magazinausgabe mit ihrer natürlichen Lockenpracht.
Quelle: Instagram

Das Haar ist nicht mehr die stille Einwilligung in die unfreiwillige Assimilation der westlichen Welt. Doch Naturals haben die Chance, ihre Haarpracht als eine Art von Selbstverwirklichung zu nutzen. Eine Form von Protest gegen den Druck, einem Ideal gleichen zu müssen, dem viele Schwarze Mädchen nicht gerecht werden können. Die Möglichkeit sich selbst zwanglos zu äußern und uneingeschränkt selbst zu lieben, wird durch diesen neuen Standard geboten. Auch prominente Persönlichkeiten sind sich ihrer repräsentativen Arbeit immer mehr bewusst und tragen durch ihre Frisurenvielfalt die Realität vieler schwarzer Frauen in die Welt. Stars wie Solange Knowles, Lupita Nyong´o, Yara Shahidi, Erykah Badu und nicht zuletzt der Rapper Wale feiern das Bild der Schwarzen Frau und zudem das ihrer natürlichen Haarstruktur in vollen Zügen.

To that little black girl…

Es ist wichtig zu erkennen, dass dein Haar dir gehört. Beauty Standards und gesellschaftliche Normen definieren deine Schönheit nicht. Trends zu folgen, nur weil sie anderen gefallen, ist ein Kreislauf, aus dem es schwer ist zu entkommen. Die Selbstakzeptanz steht im Vordergrund. Egal wie du dich entscheidest dein Haar zu tragen, bleibe dabei! Solange du einen Weg gefunden hast mit deinen Haaren umzugehen, der für dich passt und dir gefällt. Verändere dein Haar nicht, weil es jemand von dir erwartet, sondern weil du es so willst. Lass dich nicht durch gesellschaftliche Standards und Normen einsperren. Lerne dein Haar zu lieben so, wie es ist. Unsere Haare sind unsere Krone. Also trage deine Krone mit Stolz und lass dich nicht unterkriegen!


Filmvorschläge:

GoodHairMovie. “Good Hair Ft. Chris Rock- HD Official Trailer.” YouTube, YouTube, 31 July 2009, www.youtube.com/watch?v=1m-4qxz08So.

“My Nappy ROOTS: A Journey through Black Hair-Itage.” YouTube, YouTube, 28 Jan. 2007, www.youtube.com/watch?v=CFXZceQ2gAA.

Quellen:

Bellinger, Whitney. „Why African American women try to obtain’good hair‘.“ Sociological Viewpoints 23 (2007): 63.

Mohdin, Aamna. “The Natural Hair Movement Is Forgetting Its Radical Roots.” Quartzy, Quartz, 8 Nov. 2017, quartzy.qz.com/1110554/the-natural-hair-movement-is-moving-away-from-its-radical-roots/.

Nathalie. “Amara La Negra: The Reason Why It Is Important To Promote Self Validation.” Afrocks, Afrocks, 9 Jan. 2018, afrocks.com/blog/amara-la-negra-reason-self-validation/.

Rosado, Sybil Dione. “No Nubian Knots or Nappy Locks: Discussing the Politics of Hair Among Women of African Decent in the Diaspora. A Report on Research in Progress.” American Ethnologist, Wiley/Blackwell (10.1111), 7 Jan. 2008, anthrosource.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1525/tran.2003.11.2.60.

“4 Ways to Love Your Natural Hair!- It’s Hard to Love Something That ….” Mane Guru, 23 July 2017, maneguru.com/love-your-natural-hair/.

Titelbild

Lockig, glatt, kraus, geschmeidig, dick, dünn, glänzend, stumpf. Jeder Mensch hat andere Haare und viele hätten gerne genau das Gegenteil von dem, was sie von Natur aus haben. Aber warum sind unsere Haarstrukturen überhaupt so unterschiedlich? Warum haben manche glattes Haar, andere dagegen eine krause Lockenmähne? Woher kommen diese Unterschiede?

„Alle sieben Jahr’ wechselt Haut und Haar“ heißt es im Volksmund. Das würde bedeuten, dass sich unsere Haarstruktur alle sieben Jahre verändert und manch einem mag das tatsächlich auch so vorkommen. Als Kind hatte man lange, glatte Haare und in der Pubertät sind aus den weichen Kinderhaaren widerspenstige Locken geworden. Ebenso gibt es den umgekehrten Fall: Als Kind hatte man eine dicke, wilde Mähne und mittlerweile versucht man verzweifelt, Volumen in die platten Haare zu bekommen.

Aber stimmt die Faustregel, dass sich unsere Haarstruktur regelmäßig komplett erneuert? Dann gäbe es ja für einige von uns noch Hoffnung. Dr. Frank-Matthias Schaart, Facharzt für Dermatologie, glaubt nicht an die alte Volksweisheit: „Es gibt in der Regel drei Abschnitte im Leben eines Menschen, in denen die Haare möglichen Änderungen unterliegen können. Diese Phasen sind die Pubertät, die Wechseljahre und dann noch einmal das fortgeschrittene Alter zwischen Mitte und Anfang siebzig. In diesen Zeiträumen können die Haare sich verändern und ausdünnen.“ Bedeutet diese Aussage, dass alle, die mit ihren Haaren unzufrieden sind jetzt Pech gehabt haben und für immer auf Hilfsmittel wie Glätteisen oder Volumensprays zurückgreifen müssen?

Aufbau der Haare

Um nun dem Geheimnis der menschlichen Haarstruktur näher auf den Grund zu gehen, muss man zunächst einmal verstehen, wie ein Haar aufgebaut ist.

Aufbau eines Haares

Innere Struktur eines Haares

Ein einzelnes Haar setzt sich aus drei Komponenten zusammen: der Haarwurzel, der Haarzwiebel und dem Haarschaft. Die Haarwurzel (auch Haarfollikel genannt) liegt in der Haarzwiebel, die an der Kopfhaut befestigt ist. Die Haarwurzel ist neben dem Wachstum der Haare auch für die Farbgebung zuständig. Aus ihr heraus ragt der Haarschaft, das sichtbare Haar.

Dieser Haarschaft ist nun der Teil, in dem sich unsere Haarstruktur zeigt. Die Faserzelle ist der innere Teil des Schaftes. Sie bestimmt je nach Aufbau und Gesundheit die Elastizität und die Reißfestigkeit der Haare und besteht hauptsächlich aus Keratin. Von außen legt sich eine dünne, durchsichtige Schuppenschicht um die Faserzelle herum. Ist das Haar gesund, liegt die Schuppenschicht eng und glatt um das Innere des Haars. Bei strapazierten oder beschädigten Haaren ist die Schuppenschicht aufgefasert und das Haar wirkt glanzlos und spröde.

Warum haben wir Locken oder glattes Haar?

Ob glatt, lockig, weich oder kraus, das bestimmen unsere Haarwurzeln. Sie können auf unterschiedliche Arten geformt sein. Ist die Wurzel rund, so haben die daraus sprießenden Haare eine glatte Oberfläche. Ist die Wurzel aber oval geformt, entstehen Locken. Diese Form der Haarwurzel ist genetisch bedingt, wobei Locken dominant sind. Hat also ein Elternteil Locken, so ist es wahrscheinlich, dass auch das Kind eine eher lockige Haarstruktur hat.

Mögliche Formen der Haarwurzel

Besteht noch Hoffnung?

Leider haben wir wenig Einfluss darauf, welche Struktur unsere Haare haben. Durch die unterschiedliche evolutionäre Entwicklung der Haarstrukturen und den genetischen Code ist die Grundstruktur unserer Haare vorgegeben. Was wir beeinflussen können, sind Dinge wie gesundes Aussehen, Glanz und Elastizität der Haare. Dr. Frank-Matthias Schaart ist zudem der Meinung, dass sich die Haarstruktur im Laufe des Lebens aus ganz unterschiedlichen Gründen ändern kann. Diese Gründe können sowohl hormoneller als auch genetischer Natur sein, oder sie basieren auf veränderter Ernährung oder entsprechender Pflege.

Manche Menschen haben also einfach Glück und sind zufrieden mit den Haaren, die sie von Natur aus haben. Andere sind mit ihrer Mähne nicht so glücklich und greifen zu teils drastischen Mitteln, um ihre Haare in die Form zu zwingen, die ihnen gefällt.

Ich zähle zu der letzteren Gruppe. In meinem nächsten Blogeintrag werde ich euch deshalb von meiner speziellen „Problematik“ erzählen.

 

 

 

 

Michelle Obama tut es, Beyoncé tut es, Oprah Winfrey tut es. Sie tragen welliges oder glattes Haar, färben, glätten und flechten es oder greifen gar zur Perücke. Auch im Alltag scheint der Afro immer noch eine Seltenheit zu sein. Nur vereinzelt begegnet man Schwarzen Menschen, die ihr krauses Haar in seinem natürlichen Zustand tragen. Doch wieso müssen sich im Jahr 2018 People of Color immer noch zwischen ihrem Afro und sich selbst entscheiden?

Haare als Metapher für Rasse

Als Barack Obama in das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika berufen wurde, atmete die Schwarze Community auf. Endlich zog das erste Schwarze Ehepaar ins Weiße Haus, endlich ein Schritt gegen Rassismus auf hochoffizieller Ebene. Doch der zweite Blick auf das Paar trübte im selben Moment die anfängliche Euphorie: Er, der Präsident, trug millimeterkurzes Haar, sie, die First Lady, glatte schulterlange Haare. Alles nur eine Sache der Mode? Wohl kaum. Denn in ihrer gesamten achtjährigen Amtszeit zeigten weder Barack noch Michelle ihre (vermutlich) krause natürliche Haarpracht.

Michelle Obama Portrait

Offizielles Portrait der ehemaligen First Lady Michelle Obama im Green Room des Weißen Hauses. Offizielles White House Photo von Chuck Kennedy, Wikimedia Commons, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Michelle_Obama_2013_official_portrait.jpg.

In ihrem 2013 erschienenen Roman Americanah thematisiert auch die Autorin und Frauenrechtlerin Chimamanda Ngozi Adichie das Problem mit den Haaren. So schreibt die Protagonistin Ifemelu in einem Blogeintrag:

„Eine weiße Freundin und ich sind Groupies von Michelle Obama. Neulich sage ich zu ihr – ich frage mich, ob Michelle Obama Attachments eingearbeitet hat, ihr Haar sieht heute voller aus, und das heiße Glätten jeden Tag muss es schädigen. Und sie sagt – du meinst, ihr Haar wächst nicht so? Liegt es an mir, oder ist das die perfekte Metapher für Rasse in Amerika? Haare.“

Was in der Fiktion zur Sprache gebracht wird, ist ein andauernder realer Diskurs. Eine weiße Frau zeigt gedankenlos ihre Verwunderung über die unechten glatten Haare einer Schwarzen Frau. Im ungünstigsten Fall erwähnt sie schließlich, dass sie ebenfalls ihre Locken mit dem heißen Eisen bändigt. Doch das Glätten von Haaren aus modischen Gründen hat so gar nichts mit dem Glätten von krausem Haar gemein. Das eine ist (meist) eine bewusste Entscheidung. Das andere ist indirekter gesellschaftlicher Zwang, eine Orientierung an einem von Weißen geprägten Schönheitsbild, etwas, das ein ‚Wir‘ und ein ‚Ihr‘ kreiert und Andersartigkeit wertend feststellt. Das ist Alltagsrassismus.

Der Afro – unzivilisiert und exotisch

Auch der 23-jährige Auszubildende Benny O. aus Pforzheim, der selbst seinen Afro „mit Stolz“ trägt, wie er sagt, antwortet auf die Frage, warum Michelle Obama sich die Haare glättet, schlicht: „Weil sie es sich [natürliches Haar] einfach nicht erlauben kann.“ Sie würde nicht mehr ernst genommen werden, so Benny. „Es ist traurig, dass Haare einem so viel kaputt machen können.“

Die Begriffe People of Color sowie Schwarze (S großgeschrieben) stammen aus dem Widerstand gegen Rassismus. Mehr Informationen zum Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Rassismus gibt es auf bpb.de.

Um zu verstehen, warum es sich bei der Wahl des Haarschnitts bei Schwarzen oft nicht um eine freie, rein modische Entscheidung handelt, reicht ein kurzer Blick zurück ins Jahr 2011. Auf den Plakaten der damaligen Nivea-Werbekampagne war ein junger Schwarzer Mann mit geschorenen Haaren zu sehen. In der rechten Hand hält er den Kopf eines Schwarzen Mannes mit Bart und Afro. Seine Körperhaltung signalisiert, dass er im Begriff ist, den in seiner Hand befindlichen Kopf weit von sich zu werfen. Der Werbeslogan lautete Re-civilize yourself – rezivilisiere dich. Die Botschaft schien eindeutig: Nur ein Mann ohne Afro ist ein zivilisierter Mann. Ein Vorurteil, das bis in die Kolonialgeschichte zurückreicht und den Afro mit Ungepflegtheit, Wildheit und Unzivilisiertheit gleichsetzt.

 

„Komm, lass mal dein Haar anfassen“

Trägt ein Schwarzer Mensch heute dann doch offen einen Afro, ist die Begeisterung seitens weißer Menschen oft groß. Da liegt die Frage ‚Darf ich dir durch die Haare fahren?‘ schnell mal auf der Zunge. Und manchmal wird gar nicht erst danach gefragt, wie Benny erzählt: „Mich hat richtig genervt, dass vermehrt ältere Leute zu mir kamen und einfach meine Haare angefasst haben, ohne um Erlaubnis zu fragen. Ist halt einfach ein komisches Gefühl, wenn irgendjemand kommt und dir durch die Haare fährt.“

Benny O. mit Kappe

Zum Schutz vor ungefragten Griffen ins Haar trägt Benny eine Kappe. (Quelle: eigene Aufnahme)

Als weiche, kuschelige Wolle würde sein Haar bezeichnet werden. Was manch einer als Kompliment meint, legt sich jedoch wie ein Tarnmantel über eine rassistische Aussage, denn sie wertet und definiert eine Andersartigkeit – eine Abgrenzung zu ‚normalem‘ Haar. Sogenannter positiver auf Exotismus beruhender Rassismus.

„Ich kriege auch oft genug zu hören, dass ich exotisches Haar habe. Dass es nicht so alltäglich ist. Dass man das hier halt nicht so oft antrifft.“ Um sich ein bisschen Kontrolle zurückzuholen, trägt Benny meistens eine Kappe. „Solange ich eine Kappe trage, kommen die Leute seltener zu mir her und sagen: Komm, lass mal dein Haar anfassen. Da erkennen sie meine Haare ja nicht wirklich.“

Ein langer Weg zur Normalisierung

Mittlerweile macht sich besonders in den USA und den französisch sprechenden Staaten eine Gegenbewegung bemerkbar. Die Natural-Hair-Bewegung soll Schwarze Frauen dazu ermutigen, ihr natürliches, meist krauses Haar offen zu tragen. Prominentestes Beispiel ist unter anderem die Schauspielerin Lupita Nyong’o, die selbst mit dem weißen Schönheitsideal zu kämpfen hatte und heute zu ihrem natürlichen Haar steht. Trotzdem muss auch sie immer noch für die Anerkennung ihrer frei gelebten Natürlichkeit kämpfen, wie das Beispiel aus dem Jahr 2017 zeigt. In der Novemberausgabe der britischen Grazia zierte die Schauspielerin das Cover. Ihre Haare auf dem Bild: abrasiert. Auf Instagram veröffentlichte Lupita daraufhin Originalaufnahmen desselben Shootings, auf denen ihre krausen Haare aufgrund des Zopfes, den sie trägt, am Hinterkopf deutlich zu erkennen sind. Ihre Enttäuschung über diese Retusche brachte sie mit dem Hinweis, auch ein Vorbild für Kinder zu sein, klar zum Ausdruck.

Mit und ohne Afro: Original und Retusche von Lupita Nyongo'o

Original und Retusche. Screenshot eines Beitrags aus dem offiziellen Instagram-Account von Lupita Nyongo’o.

Wie lange es dauert, bis die Gegenbewegung nicht nur in den Konferenzräumen großer Magazine und Zeitschriften angekommen ist, sondern auch im Alltag einzelner People of Color, bleibt abzuwarten. Solange müssen Benny und all die anderen Schwarzen Menschen weiterhin um die Normalität und De-Exotisierung ihrer Natürlichkeit kämpfen.

Nivea stampfte nach starker öffentlicher Kritik die Werbekampagne von 2011 bald wieder ein. 2017 startete die Firma eine neue Werbekampagne mit dem Slogan White is Purity – Weiß ist Reinheit. Auch diese Kampagne zog Nivea nach heftiger Kritik zurück.

 

 

Literaturhinweise:

  • Celia Parbey (2018): Don’t touch my hair – Ich bin es leid, dass mir fremde Leute in die Haare fassen, ein lesenswerter Erfahrungsbericht, online unter: https://editionf.com/afrohaar-ist-politisch
  • Chimamanda Ngozi Adichie (2014): Americanah, deutschprachige Ausgabe, erschienen im Fischer-Verlag
  • Siegfried Jäger (1993): Rassismus und Rechtsextremismus – Gefahr für die Demokratie, online unter http://library.fes.de/fulltext/asfo/01014001.htm#E10E3
  • Stuart Hall (1989): Rassismus als ideologischer Diskurs

Mehr zum Thema und weitere spannende Beiträge gibt es auf unserem Blog Shades of Hair. Außerdem halten wir unsere Leser*innen auf Facebook, Twitter und Instagram mit regelmäßigen Neuigkeiten rund um unseren Blog auf dem Laufenden.

Deutsche duschen im Durchschnitt fünfmal die Woche. Ob morgens oder abends – es erfolgt dabei der Griff zur Shampoo-Flasche. Eine angenehm duftende, manchmal klare, manchmal weiße Flüssigkeit wird ins Haar einmassiert und gleich wieder ausgespült. Shampoo ist ein ganz alltägliches Produkt und aus dem Badezimmer nicht mehr wegzudenken. Doch warum ist das herkömmliche Haarwaschmittel überhaupt flüssig? Was ist in dieser wohlriechenden Flüssigkeit enthalten? Und seit wann gibt es Shampoo? Weiterlesen

Gezwirbelt, gesteckt oder lässig zusammengebunden: Der „Man Bun“ wurde bereits 2013 in europäischen Metropolen als männliche Trendfrisur etabliert. Selbst Stars wie Leonardo DiCaprio, Harry Styles oder Jared Leto tragen die ursprünglich weibliche Frisur auf dem roten Teppich. Doch steht der männliche Dutt im Zeichen einer ‚neuen Männlichkeit‘?

Egal ob glatte Mähne oder lockige Haarpracht - Mann trägt "Bun". Photo by Marlies Althöfer.

Egal ob glatte Mähne oder lockige Haarpracht – Mann trägt „Bun“. Photo by Marlies Althöfer.

Der englische Begriff „bun“ bedeutet ins Deutsche übersetzt Haarknoten oder Dutt und wird üblicherweise mit einer Frauenfrisur in Verbindung gebracht. Ein Dutt ist schnell gemacht: dazu müssen die Haare einfach am Hinter- bzw. Oberkopf zu einem Knoten zusammengebunden oder gezwirbelt werden. Jedoch gibt es nicht den einen Dutt, sondern unzählige Varianten und Frisiermöglichkeiten – vom klassischen Ballerinadutt bis hin zum lässig verspielten „Messy Bun“ gehört er zu einer der vielfältigsten Frisurentrends.

Mittlerweile ist auch der „Man Bun“, übersetzt als „Männerdutt“, „Männerknoten“ oder auch „Herrenknoten“, auf dem männlichen Kopf keine Seltenheit mehr. Erstmals entdeckte die New York Times den Männerdutt 2012 in New Yorks Künstlervierteln Williamsburg und Bushwick, bevor der Haartrend nach Europa kam. Der Haarknoten des Mannes hat dabei nichts mit dem akkurat drapierten Chignon (dem französischen Begriff für einen fein zusammengesteckten Dutt) zu tun, sondern sitzt locker auf dem Hinterkopf auf. Außerdem ist der Frauen- wie Männerdutt eine äußerst praktische Frisur, da er unkompliziert zu frisieren ist und alle Haare zusammenhält. Eine Frisur, die Ästhetik und Pragmatismus vereint. Doch nicht nur der moderne Mann des 21. Jahrhunderts trägt „bun“. Der männliche Haarknoten blickt auf eine lange Geschichte bis vor über 2.200 Jahren zurück.

Die Geschichte des „Man Buns“

In China wurde der Haarknoten bereits im dritten Jahrhundert vor Christus getragen. Dies beweisen die Terrakotta-Soldaten des ersten Kaiser Chinas Qin Shi Huang Di. Die Armee aus mehr als 7000 lebensgroßen Tonsoldaten ließ Qin Shi Huang Di zum Schutze seiner Grabstätte bauen. Auf vielen Bildern der Terrakotta-Armee ist zu sehen, dass die Soldaten den Haarknoten tendenziell seitlich am Oberkopf und streng zusammengebunden tragen.

"Bun" mit Geschichte: Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. trugen die Terrakotta-Soldaten der Grabstätte von Kaiser Qin Shi Huang Di den Männerdutt. Photo by Denis Pan on Unsplash.

„Bun“ mit Geschichte: Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. trugen die Terrakotta-Soldaten der Grabstätte von Kaiser Qin Shi Huang Di den Männerdutt. Photo by Denis Pan on Unsplash.

Auch Buddha (ca. 623-543 v. Chr. nach buddhistischer Zeitrechnung) machte Gebrauch von der praktischen Knotenfrisur. Das, was auf seinem Kopf wie eine Krone anmutet, ist in Wirklichkeit sein Haar, das er zu einem Dutt geformt hat.

Ein großer Zeitsprung ins 16. und 17. Jahrhundert zeigt: auch japanische Samurai und Rikishi, also professionelle Sumo-Kämpfer, trugen einen kleinen Haarknoten auf dem Ober- bzw. Hinterkopf. Die Frisur sollte den Samurai-Kriegern dabei helfen, den Helm zu fixieren, da er bei offenem Haar schnell ins Rutschen geriet. Japanische Sumoringer tragen den „Topknot“ auch heutzutage noch im Ringkampf. Der Knoten ist dabei relativ locker, teilweise etwas hängend am Hinterkopf angebracht.

Keine Krone, sondern "Man Bun". Schon Buddha trug ihn. Photo by Sabine Schulte on Unsplash.

Keine Krone, sondern „Man Bun“. Schon Buddha trug ihn. Photo by Sabine Schulte on Unsplash.

Im 21. Jahrhundert war der Fußballer David Beckham einer der ersten Männer, der den „Man Bun“ populär und gleichzeitig zu seinem Markenzeichen machte. Daraufhin folgten ihm viele andere Sportler wie Zlatan Ibrahimović oder Tennisspieler Xavier Malisse bis die Trendwelle dann auch nach Hollywood überschwappte und viele Schauspieler, wie beispielsweise Chris Hemsworth, Orlando Bloom oder Kit Harrington den Frauenstil übernahmen.

Der „Man-Bun“-Trend im Internet  

Vom „how to get“ bis zum „how to tie“ ist alles dabei. Das Internet bietet eine unerschöpfliche Quelle rund um den Themenkomplex Männerknoten. Wie sehr der Haartrend im Netz angekommen ist, zeigt neben den unzähligen „How-to“-Tutorials auf Youtube auch die äußerst gesteigerte Anzahl an Suchanfragen, die in dem von Google veröffentlichten „Beauty Trends 2015“-Report (einer Datensammlung und Auswertung der Suchanfragen zum Thema Beauty mit dem Schwerpunkt Haartrends) zum Tragen kommt. Im Jahr 2015 wurde bei Google erstmals häufiger nach Männerhaar als nach Frauenfrisuren gesucht – ganze sechs Prozent mehr Suchanfragen, was bis dato einmalig in der Geschichte war.

Der fulminante Aufstieg des "Man Bun" im Vergleich zum "Cromb Over". Ausschnitt aus dem "Beauty Trends 2015"-Report von Google.

Der fulminante Aufstieg des „Man Bun“ im Vergleich zum „Comb Over“. Ausschnitt aus dem „Beauty Trends 2015“-Report von Google.

 

Aus Googles Report resultiert, dass der „Man Bun“ als „top rising look“ im Jahr 2015 einen enormen Hype im Netz auslöste. Während andere Männerfrisuren, wie etwa der „Comb Over“, über die Jahre hinweg immer mal wieder gesucht wurden, gingen die Suchanfragen beim Männerknoten 2015 fulminant nach oben. Generell, so die Zusammenfassung des Reports, setzen Männer sich mittlerweile vielmehr mit den Macharten von Frisuren auseinander, indem sie sich online Erklärvideos anschauen und gezielt mit bestimmten Produkten auseinandersetzen, die dem gewünschten Hairstyle zu seiner Perfektion verhelfen sollen. Nicht zu unterschätzen ist dabei der große Einfluss von prominenten Personen, die Frisurentrends dominieren.

Ob der „Man Bun“ als Zeichen einer neuen Männlichkeit zu deuten ist? Diese Entscheidung bleibt jedem selbst überlassen. Gewissermaßen ist die Trendfrisur im Zuge der Unisexisierung gängiger Modeprinzipien zu verstehen. Im Gegensatz zu einigen sehr ordentlich zurechtgemachten Dutt-Varianten der Frauen ist der Look des „Man Buns“ gewollt wild, gewollt ungewollt, gewollt zwanglos. „Undone Look“ eben. Er steht trotz des weiblichen Einschlags für eine lässige Männlichkeit, die Uneitelkeit suggerieren soll. Ganz grundsätzlich stellt der „Man Bun“ sich gegen den geschniegelt und gestriegelten „Dandy-Look“. Führt man sich das Bild des japanischen Samurai-Kriegers oder des Sumoringers vor Augen, so unterstreicht der Haarknoten die archaische Stärke des Mannes. Der „Man Bun“ ist also weder feminin noch eitel, sondern haariges Statement für die neue Lässigkeit des Mannes.

 

Weitere Links zum Thema:

https://www.desired.de/frisuren/haarstyling/man-bun/

https://www.theodysseyonline.com/the-man-bun-history

http://www.fashionbeanhttp://twistedsifter.com/2015/11/if-politicians-had-man-buns/s.com/article/man-bun-guide/

https://www.welt.de/icon/article148393535/Die-kuriose-Welt-der-Man-Bun-Erklaervideos.html

Zur Belustigung – Politiker mit „Man Bun“

If Politicians Had Man Buns (27 Photos)

 

Manche genießen den Duft von Shampoo- und Pflegeprodukten, anderen sträuben sich die Haare beim Gedanken an Trockenhaube, Bleichmittel und Co. Doch was genau passiert mit unseren Haaren, während wir uns im Friseursessel zurücklehnen? Wie beeinflusst Chemie Form, Farbe und Struktur unserer Haare? Ein Blick unter die glänzende Oberfläche von Dauerwellen und künstlichen Haarfarben.

Haare waschen und föhnen, färben und tönen, glätten und wellen, blondieren und aufhellen, shampoonieren und pflegen, entfernen und ankleben. Wie es scheint, reicht ein Besuch beim Friseur aus, um jedem beliebigen Haartrend zu folgen. Wir setzen uns in einen gemütlichen Sessel, lesen ein paar Zeitschriften und im Handumdrehen verlassen wir den Salon mit einer neuen Frisur. Dabei benötigen die meisten Frisuren mehr als nur ein paar Handgriffe – nämlich Chemie!
Hier erfahren wir, welche chemischen Prozesse dem chemischen Glätten, einer Dauerwelle, sowie dem Haare färben und tönen zugrunde liegen.

Magische Inhaltsstoffe und chemische Zauberformeln

Chemie ist heute weder aus einem Friseursalon wegzudenken noch aus unserem eigenen Vorrat an Haarpflegeprodukten und -tools. Wir benutzen die Glätteisen, Lockenstäbe, Färbemittel und Tönungen jedoch meistens ohne zu wissen, wie diese auf unsere Haare einwirken. Natürlich, sie bekommen einen „ultimativen Glanz“, „mehr Volumen“, werden zu einer „wilden Mähne“, „lassen die Haarpracht neu erstrahlen“ und verhelfen grauem Haar zu „einem faszinierenden Farbergebnis.“ Sie zaubern „24h sichtbar mehr Haarfülle ohne zu beschweren“ und geben „extrastarken Halt“, wenn wir mal durch den Wind sind.
Das hört sich gut an und sieht meistens ansprechend aus, aber spätestens wenn wir die lange Liste der Inhaltsstoffe überfliegen, verstehen wir doch nicht so ganz, wie diese neue Zauberformel jetzt eigentlich funktioniert.

Dieses kurze Video auf Englisch zeigt euch, woraus unsere Haare bestehen. Das ist wichtig um zu verstehen, wie chemische Prozesse beim Hairstyling ablaufen.

Glatt oder gelockt – eine Frage der Chemie

Um glattes Haar zu wellen und gewelltes Haar zu glätten, müssen die Querverbindungen innerhalb des Haares gelockert oder sogar aufgebrochen und neu zusammengefügt werden. Wasser- und Wärmeeinwirkung löst vor allem die Wasserstoffbrücken auf, die beständigeren Disulfidbrücken bleiben aber erhalten.

Die Wasserstoffbrücken lösen sich, indem sich im nassen Haar Wassermoleküle zwischen die Wasserstoffbrücken einlagern und diese so aufbrechen. Deswegen kann das nasse Haar sich einer neuen Form, beispielsweise der eines Wicklers oder einer Bürste, optimal anpassen.
Wenn wir unser Haar anschließend trocknen, lösen sich die Wassermoleküle wieder auf und die Wasserstoffbrücken schließen sich in ihrer neuen Form. Aus diesem Grund ist es möglich, dass auch sehr lockige Haare in nassem Zustand zunächst glatt sind. Ebenfalls können glatte Haare, indem sie nass geflochten und getrocknet werden, kurzzeitig wellig bleiben. Diese reversible Umformung der Haare kann durch das Föhnen mit Rundbürsten oder im geflochtenen Zustand, aber auch durch die Hitze von Glätteisen und Lockenstäben erzielt werden.

Nicht jede Schönheit ist vergänglich!

Soll die Haarpracht von Dauer sein, kommen die chemische Glättung oder eine Dauerwelle infrage. Dabei lösen sich nun auch die beständigeren Schwefelbindungen. Dies geschieht durch alkalische Cremes oder Pasten, die der Friseur gleichmäßig ins Haar einarbeitet. Durchdringen diese die äußere Haarschicht, können sie in die Mikrofibrillen der Fasern eindringen und die Disulfidbrücken aufbrechen. Durch diese Öffnung der Proteinstruktur wird das Haar verformbar. Das erweichte Haar nimmt nun die Form des Lockenwicklers (bei der Dauerwelle) oder einer glatten Oberfläche (bei der chemischen Glättung) an. Ein Oxidationsmittel wie Wasserstoffperoxid kann die Schwefelbrücken wieder schließen. Die Formänderung wird fixiert und bleibt nun auch unter Wassereinfluss erhalten.

Disulfidbrücken sind zunächst geschlossen (links), werden denn aufgebrochen (mitte) und schließlich neu zusammengefügt (rechts)

Farbe bekennen

Wer sich Abwechslung durch neue Farbe wünscht, muss sich entscheiden, ob die Veränderung dauerhaft oder nur für einen begrenzten Zeitraum anhalten soll. Eine Tönung verliert bereits nach einigen Haarwäschen an Intensität, wohingegen das Färben der Haare dauerhaft anhält. Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Tönung die natürlichen Farbpigmente in den Haaren erhalten bleiben. Die Farbe der Tönung lagert sich an das Keratin in den Mikrofibrillen an und bildet eine Farbschicht um diese herum, die sich mit der Zeit wieder löst.
Beim Haarefärben kommen hingegen Alkalien zum Einsatz. Diese werden ins Haar eingearbeitet und lassen es aufquellen. Dadurch entstehen Zwischenräume in der Schuppenschicht, die Platz für die neuen Farbstoffe machen. Die haareigenen Farbpigmente werden mit Wasserstoffperoxid zerstört, was zu einer starken Aufhellung führt. Anschließend können die neuen Farbpigmente sich in die Faserschicht einlagern und für eine dauerhafte Haarfärbung sorgen.

Ein bisschen Chemie schadet nie?

Der Mythos von „Zauberformeln für die perfekte Frisur“ oder „magischer Sprungkraft für definierte Locken“ ist damit, genau wie Rapunzels meterlanger Zopf, eindeutig in die Ecke der Märchen gerückt. Dass chemische Prozesse beim Friseur die entscheidende Rolle spielen, mag ernüchternd sein. Aber es bestätigt, dass wir lieber den Friseur den Zauberstab schwingen lassen sollten, bevor wir uns selbst an Bleichmittel und Co herantrauen.

Du willst deine Haare noch genauer unter Lupe nehmen? Hier erklären Chemiker die Vorgänge haarklein:

http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/haare/haare_chemie.htm

http://www.lehrer.at/html/kosmetik/pdf/OS-BIO-HAAR-A3.pdf

Video Icons u.a. von: https://www.flaticon.com/, https://icons8.de/free-icons und  https://www.freepik.com/free-icons

Jeder Dichter sucht nach den schönsten Worten, um seine Empfindungen zu beschreiben. Auch das Haar findet in Erzählungen oder in der Poesie immer einen Platz. Die schönen Locken eines Jünglings oder das ergraute Haar eines alten Mannes liefern uns ein Bild von der Person und tragen dazu bei, die Atmosphäre eines Gedichts zu kreieren. Weiterlesen

Einen passenden Friseur zu finden ist oft schwierig. Einen Herrenhaarschnitt für acht Euro in einem der vielen billigen Friseursalons am besten noch spontan und ohne Termin. Das ist gerade bei jungen Menschen der Trend. Dabei wird oft vergessen, dass die „Sparfrisur“ auch auf die Kosten der Mitarbeiter geht. Diese stehen oft unter massiven Druck. Aber es gibt auch viele Friseursalons bei denen einmal waschen, schneiden und föhnen zwischen 40 und 70 Euro kostet. Doch wie kommt dieser enorme Preisunterschied zustande und ist ein teurer Friseur automatisch besser als ein billiger?

Generell ist es schwierig zu behaupten, ein guter Friseur sei teuer und ein schlechter Friseur billig. Ein vergleichsweise günstiges Friseurgeschäft kann durchaus auch in manchen Fällen insgesamt besser sein (Kosten, Beratung, Wartezeit, Qualität der Frisur) als ein teurer Friseur, denn das Ergebnis bewertet jeder Kunde und jede Kundin individuell. Das zeigt eine Reportage des K1 Magazins. Jeder Kunde und jede Kundin legt seinen eigenen Maßstab an und natürlich gibt es Preisunterschiede wie bei jeder Dienstleistung. Ein Friseur soll ja auch für jeden Geldbeutel zugänglich sein.

Die Frage, ob man bei dem Friseurbesuch eine Empfangsdame, einen Kaffee, eine Massage oder Zeitschriften braucht, kann ebenfalls nicht generell beantwortet werden. Manche wollen den Friseurbesuch als ein Erlebnis wahrnehmen, andere wollen ihn einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen. Der Preis lässt sich laut des Geschäftsführers des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks Jörg Müller durch bestimmte Parameter errechenen. Dazu gehören die Salonmiete, Schulungen sowie Ausbildung der Mitarbeiter, Salonambiente und die durchschnittliche Zeit, die die Dienstleistung in Anspruch nimmt.

Friseursalons im niedrigen Preissegment

Friseure im Preiskampf

Best Price. (Quelle: geralt, pixabay.com)

Friseursalons im niedrigen Preissegment wollen mit ihren Preisen, Produkten und Dienstleistungen oft eine junge und trendbewusste Kundschaft ansprechen. Diese Kundschaft sollte sich aber auch dessen bewusst sein, dass sie oftmals keine kompetente und umfassende Beratung erwarten darf. Ein Männerhaarschnitt beispielsweise dauert in den wenigsten Fällen länger als 15 Minuten. Dafür werden dann zwischen acht und zehn Euro verlangt. Wer zum Friseur geht, um seine bestehende Frisur nur nachschneiden zu lassen, oder weiß, wie seine Frisur aussehen soll, ist in diesem Segment bestens aufgehoben. Wer allerdings eine individuelle Beratung oder dergleichen erwartet, sollte lieber etwas mehr Geld in die Hand nehmen, denn die Zeit eines Billiganbieters reicht dazu schlicht und einfach nicht aus.

Ausbeutung der Mitarbeiter/Innen in billigen Friseurgeschäften ist keine Seltenheit

Nicht allen preiswerten Anbietern kann das unterstellt werden – es gibt immer Ausnahmen – aber oftmals (häufig bei Friseurketten) ist folgendes Szenario die traurige Realität: Die Mitarbeiter/Innen sind in sogenannten „Knebelverträgen“ gefangen. Beispiel: Eine Friseurin, nennen wir sie Emily, arbeitet in einem solchen Geschäft. Sie muss je nach Lage und Stadt ihres Arbeitgebers zwischen 280 und 350 Euro pro Tag erwirtschaften. Nehmen wir an, dass der durchschnittliche Kunde mit Beratung, schneiden, färben usw. etwa 30 Minuten in einem Geschäft verbringt. Wenn der Haarschnitt dann 15 Euro kostet (dieser Preis ist für billige Friseure schon recht hoch) hat Emily nach 8 Stunden Arbeit einen Umsatz von 240 Euro erwirtschaftet. Das bedeutet Überstunden und zwar jeden Tag. Die Überstunden bezahlen diese Salons so gut wie nie.

Wenn Emily dann nach ihrem Arbeitstag ihren Umsatz nicht erreicht hat, kann ihr eine Abmahnung, eine Kündigung oder eine Lohnkürzung  (beispielsweise durch Reduzierung der Arbeitszeiten) drohen. In ihrem Vertrag steht nämlich eine Klausel über die „Nichteinhaltung der Mindestarbeitspflicht“, welche den Arbeitgeber zu diesen Schritten berechtigt. Sollte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin diesen Bedingungen nicht zustimmen, ist Mobbing häufig eines der letzten Mittel, zu denen der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin greift, um diesen loszuwerden.

Die Tricks der Geschäftsführer/Innen

Aber auch Salonbetreiber/Innen, die diese Geschäftspolitik verfolgen, bedienen sich oft an Tricks um zusätzlich noch Geld zu sparen und somit den Preis weiter nach unten zu drücken. Der Betreiber/die Betreiberin ist dazu verpflichtet, mindestens einen Meister/In in einem Salon zu beschäftigen. Ein Meister oder eine Friseurmeisterin verdient natürlich mehr als ein Lehrling oder ein einfacher Friseur oder eine Friseurin. Deshalb werden oft Meister/Innen bei der Eröffnung eines Betriebs eingestellt und dann ein paar Wochen später wieder entlassen. Durch diesen Trick kann ein Betrieb im Monat mindestens 4.000 Euro an Lohnkosten inklusive Lohnnebenkosten sparen. Das macht einen Wettbewerbsvorteil von bis zu 30.000 Euro im Jahr aus, durch den der Salon dann billigere Preise anbieten kann. Das Ordnungsamt kommt aufgrund von Personalmangel bei der Kontrolle der Friseursalons nicht hinterher. Außerdem muss der Meister/die Meisterin auch nicht immer anwesend sein, was es noch schwieriger macht, einen solchen Verstoß nachzuweisen.

Friseursalons im höheren Preissegment

Das Nachfolgende ist oft die Realität, kann aber nicht für alle Friseursalons behauptet werden. Die Preise vieler Friseursalons  übersteigen die der Billiganbieter um Längen. Jedoch wird dem einzelnen Kunden und der einzelnen Kundin mehr Zeit gewidmet. Neben waschen, schneiden, föhnen und frisieren werden die Kunden/Innen individuell beraten und bekommen somit mehr Leistung für ihr Geld. Weitere Beispiele für zusätzliche Leistungen sind eine Massage, ein Kaffee oder ein Kopfhörer für die Zeit in der die Farbe einwirkt. Klar ist auch, dass das nicht bei jedem Besuch beim Friseur notwendig ist und es ist auch nicht gesagt, dass die Mitarbeiter/Innen eines solchen Betriebs weniger ausgebeutet werden als andere.

Trotzdem haben diese Mitarbeiter/Innen öfter ein angemessenes Arbeitsklima, eine bessere Vergütung und weniger Stress als die Mitarbeiter/Innen von Billig-Friseursalons. Eine bessere Ausbildung ermöglicht individuelle Haarschnitte, weil die Friseure auf Schulungen lernen, auf jeden Kunden sowie auf jede Kundin individuell einzugehen. Die Kosten für diese Schulungen übernimmt meist der Arbeitgeber.

Welcher Friseur soll es werden?

Es lässt sich nicht für alle Friseurgeschäfte sagen, dass teuer auch gleich besser ist. Denn am Ende zählt für viele das Ergebnis. Sieht der Schnitt gut aus wird der Friseurbesuch meist als Erfolg verbucht. Jedoch sollte man bei seinem nächsten Friseurbesuch vielleicht daran denken, wie extrem günstige Preise zustande kommen. Verlangt ein Friseurgeschäft für 45 bis 60 Minuten 60 Euro, sind das die gleichen oder ähnliche Stundensätze, wie wenn ein Friseur oder eine Friseurin in einer Stunde vier Kunden für 15 Euro bedienen muss. Der Druck, der auf den Mitarbeitern/Innen lastet, ist aber um ein Vielfaches höher.

 

Schmuck aus Menschenhaar? Das klingt erst einmal befremdlich, für manch einen vielleicht sogar unappetitlich. Dieses Kunsthandwerk hat aber eine lange Tradition. Beschäftigt man sich näher damit, so erkennt man die Romantik und Kunstfertigkeit, die dahintersteckt. Weiterlesen