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Der Sensenmann (Mephisto Schauder) in DIe Sims 4

Wer kennt sie nicht, die unendlichen Stunden, die man in die Welt von Die Sims (EA Games) investiert hat? Die digitalen Bewohner*innen bauen Häuser, pflegen Beziehungen, verfolgen Karrieren und, ja, sie sterben irgendwann. Doch was passiert eigentlich, wenn der Sensenmann an die Tür klopft und unsere geliebten Sims ins virtuelle Jenseits überführt? Weiterlesen

Geisterjäger*innen jagen die Toten, die nicht in Frieden ruhen können. Im dritten Teil der Filmreihe Ghostbusters: Legacy (2021, USA) geht es um weit mehr als nur Geisterjagd. Der Film verbindet Nostalgie, Technologie und übernatürliche Elemente. Dabei wird das Thema Tod und Nachleben mit einer Reihe tiefer Botschaften aufgegriffen. Weiterlesen

Einmal im Jahr zeigt sich der Tod von seiner glanzvollsten Seite. Wenn sich Ende Oktober das Reich der Toten öffnet und das der Lebenden heimsucht, verschwimmen die Welten … besonders im Digitalen. Dort verschwindet der Tod nicht gänzlich von der Bildfläche, denn diese Nacht ist noch immer seine auch auf Instagram. Weiterlesen

Träume und Traumwelten haben für die Ureinwohner*innen Amerikas eine besondere Bedeutung – etwa als Mittel, um Weisheiten und Orientierungshilfe im Leben zu erlangen. Native Americans messen Botschaften, die ihnen im Schlaf zugesandt werden, große Wertschätzung bei. Diese werden Vorfahren oder Geistern der Traumwelt zugeschrieben und haben die Funktion, die Träumer*innen vor etwas zu warnen oder bei einer schwierigen Entscheidung zu helfen.  

Den Ureinwohner*innen Amerikas nach ist es die Seele, die träumt, und nicht das Gehirn. Denn im Schlaf kommuniziert die eigene Seele mit anderen Geistern der Traumwelt, die deren Wissen an die Träumenden weitergeben. Aber warum ist es gerade die Seele, die diese Erfahrungen macht? In ihren Vorstellungen wird der menschliche Körper von verschiedenen Seelen angetrieben und gesteuert. Die Ansichten darüber, wie viele Seelen ein Körper beherbergt, gehen allerdings auseinander. So nehmen die Narrangansett, angesiedelt im US-Bundesstaat Rhode Island, beispielsweise an, dass es zwei Seelen gibt: eine, die den Körper antreibt, und eine, die den Körper verlassen und andere Welten besuchen kann. Dies kann im Schlaf, im Koma oder in Trance geschehen. Dahingegen glauben die in Idaho lebenden Shoshonen daran, dass es drei Seelen gibt. Zusätzlich zu den zwei Seelen, die für die Lebenskraft und das Träumen verantwortlich sind, bewegt die dritte Seele den Körper, wenn der Mensch bei Bewusstsein ist.  

Traumwelten offenbaren Menschen mehr Möglichkeiten, Lebensweisheiten zu erlernen oder Rat in schwierigen Lebenssituationen zu erhalten. In vielen Fällen warnen die Geister vor bevorstehenden Problemen oder ermutigen die Träumenden bei ihren Vorhaben. Als solches bilden sie eine wichtige Quelle der Unterstützung für die Menschen. 

Vom Körper zur Traumwelt

Grauer Wolf

Der Wolf im Traum – ein Zeichen des Schutzes? © Jean Beaufort

Gemäß den Native Americans verlässt die Seele den Körper im Schlaf und bewegt sich zwischen Traumwelten. Hier lernt sie und kann Kontakt mit anderen Seelen oder Geistern aufnehmen. Im weit verbreiteten Glauben des Schamanismus, den auch die Ureinwohner*innen praktizieren, sind alle Dinge mit einem Geist verbunden: Pflanzen, Tiere und auch die Naturgewalten. Vor allem Tiere sind für die Traumdeutung wichtig, denn jeder Mensch wird in seinem Leben von Totemtieren, mit denen nur in Träumen kommuniziert werden kann, begleitet. Jedes Tier hat eine Bedeutung und wird mit verschiedenen Prophezeiungen und Eigenschaften assoziiert, daher können die Begleittiere jederzeit wechseln und ersetzt werden. Man sollte allerdings die Assoziationen der Tiere genau kennen, um Warnungen zu verstehen, die manche Tiere verkörpern. 

Obwohl die Tiere nur nonverbal kommunizieren können, teilen sie ihr Wissen und lehren den Träumenden Dinge über sich selbst, die möglicherweise im Unterbewusstsein verborgen sind. Die Eigenschaften oder Fähigkeiten, die die Tiere verkörpern, sollen erlernt werden, um das eigene Leben zu bereichern. Wie man das Erscheinen der Tiere in den eigenen Träumen interpretiert, obliegt einem selbst. Die Deutung ist für jeden Menschen individuell und mit deren eigenen Erfahrungen und Auffassungen verbunden. So bedeuten Wölfe für manche Schutz und für manch anderen bedeuten Bären Stärke. Aus diesem Grund ist es schwer, allgemeingültige Deutungen auszusprechen und Ratschläge zu geben.

Kommunikation mit Verstorbenen

Neben diesen Geistern können auch Vorfahren mit den Träumenden Kontakt aufnehmen und ihnen Rat zukommen lassen. Ist man in diesen Praktiken mehr bewandert, kann man auch selbst Kontakt aufnehmen. Wie Ratschläge der Geister und Ahnen interpretiert werden, kommt ganz auf die Träumenden selbst an. Kommt man zu keiner zufriedenstellenden Interpretation oder versteht diese nicht, wird dann oft der Schamane des Stammes zu Rate gezogen.

Als Wissensträger*innen des Stammes sind sie dafür zuständig, den Mitgliedern zu helfen, da sie bewusst Traumwelten betreten können und – anders als normale Träumende – ihre Träume auch zu steuern vermögen. Sie können mit den Geistern zusammenarbeiten und weitere Weisheiten anfordern, um ihrem Stamm zu helfen. Es wird bewusst mit diesen Geistern zusammengearbeitet, da die Native Americans glauben, dass diese sie ein Leben lang begleiten und sie nicht nur bei Kräften und voller Gesundheit halten, sondern auch als Wegweiser dienen. 

Ist es an der Zeit, dass man aufwacht, werden die Seelen wieder miteinander verbunden und der Mensch kehrt zum Bewusstsein und zur Realität zurück. 

Die verlorene Seele

Manchmal findet eine Seele nach ihrer Reise nicht mehr zum Körper zurück. Das geschieht vor allem dann, wenn der/die Träumer*in zu diesem Zeitpunkt unter besonders viel Stress leidet und daher geschwächt ist. Die Seele ist in der Traumwelt gefangen und kann nicht ohne Hilfe wieder zurückkommen. Durch diesen sogenannten Seelenverlust wird der menschliche Körper daraufhin krank.

Das Gemälde George Catlins (1796–1872) zeigt einen Schamanen der Native Americans. © Wellcome Collection

Da die Seele dann Hilfe benötigt, kommen wieder Schamanen ins Spiel. Da sie eng mit den Geistern der Traumwelten zusammenarbeiten, fungieren sie auch als Heiler*innen und können neben den Medikamenten, die sie ihren Patient*innen verabreichen, sich auch selbst auf die Suche nach der verlorenen Seele begeben. Durch einen Trancezustand oder Halluzinationen können die Schamanen die Traumwelt sofort betreten. Mithilfe der Geister und ihrem eigenen Vorwissen können sie die Seele wieder mit dem Körper der erkrankten Person vereinen und sie so von ihrer Krankheit befreien. Ist eine Seele zu lange von ihrem Körper getrennt, kann es zu schwerwiegenden Krankheiten, die auch zum Tode führen können, kommen. 

Wie Träume interpretiert werden, obliegt letzten Endes den Träumenden selbst. Die Bedeutungen und Assoziationen der Tiere, die Ratschläge von Ahnen sowie die Interpretationshilfe der Schamanen sind letzten Endes eine Hilfestellung, die auf den eigenen und individuellen Erfahrungen der Personen aufbauen. Entscheidend ist: Träume helfen den Personen schwierige Entscheidungen zu treffen und Dinge in ihrem täglichen Leben zu verarbeiten. 

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Der verstorbene Ehemann geistert durch das Schlafzimmer, Kinderschreie ertönen aus dem Keller, Gegenstände bewegen sich wie von Geisterhand: Spuk-Forscherin Sarah Pohl ist diesen abnormen Vorkommnissen auf der Spur. Vieles kann rasch rational erklärt werden – doch immer wieder stößt die Parapsychologin an die Grenzen des Erklärbaren. Ein Besuch in Freiburg.

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Keine Zombie-Apokalypse, keine Aliens aus dem Weltraum – asiatische Horrorfilme bevorzugen es mit alltäglichen Dingen Alpträume zu verursachen. In diesem Longread werden drei klassische Filme aus verschiedenen Orten Asiens vorgestellt und erläutert, warum der Ursprung unserer Angst aus vertrauten Dingen entstehen kann. 

Ju-on: The Grudge 1 & 2 (Japan 2002, 2003)

Ju-on: The Grudge (2002)

Die Altenpflegerin Rika soll eines Tages ein Haus in Nerima, Tokyo, aufräumen und sich um eine alte Dame kümmern. Dort erlebt sie jedoch den Mord der alten Frau von einem hässlichen Geist und fällt in Ohnmacht. Nach und nach sterben viele ihrer Freunde aus ungewissen Gründen. Rika versucht eine Freundin zu retten, welche sich nach einem ihrer Schüler erkundigen will und deswegen sein Haus aufsucht. Jede Hilfe kommt jedoch zu spät. Auf der anderen Seite soll die Schauspielerin Kyoko als Moderatorin an einem TV-Programm über Mordhäuser teilnehmen. Nach und nach werden alle ihre Kollegen von einer blassen Frau umgebracht. Auch ihr Freund liegt eines Tages tot auf dem Boden ihres Wohnzimmers. Aber die Schwangere wusste gar nicht, dass es noch etwas Schlimmeres auf sie wartete.

Ju-on (japanisch 呪怨) bedeutet Fluch aus Groll. In den beiden Filmen werden zahlreiche kurze Geschichten nichtlinear erzählt. Alle Opfer, die von dem grausamen Geist Takeo getötet werden, haben direkte Kontakte mit dem Mordhaus oder Familienmitgliedern sowie zu Freunden, die das Haus betreten haben. Das Mordhaus gehörte vorher einer dreiköpfigen Familie: dem Mann Takeo, seiner Ehefrau Kayako und ihrem Sohn Toshio. Kayako war ein schüchternes und ungeselliges Mädchen und verliebte sich in ihren Mitschüler Kobayashi in aller Heimlichkeit. Sie verfolgte ihn und schrieb alles über ihn in ein Tagebuch. Diese exzentrische Frau heiratete Takeo, nachdem Kobayashi eine andere ehemalige Mitschülerin heiratete. Sechs Jahre nach der Geburt von Toshio wünschte Takeo sich ein weiteres Kind, aber gleichzeitig erfuhr er, dass er wahrscheinlich unfruchtbar ist. Anschließend fand er das geheime Tagebuch von Kayako. Aus Wut tötete er seine Frau und seinen Sohn auf ungeheure und brutale Weise. Als er sich an der Kobayashi-Familie rächen will, erscheint der Geist von Kayako. 

Der Fluch der Kayako-Familie scheint wie ein Virus zu sein. Niemand kann sicher sein, nachdem er oder sie absichtlich oder unabsichtlich dem bösen Geist begegnet ist. Und die neuen Opfer werden auch zu neuen Tätern. Die unzufriedenen Geister tauchen schlagartig auf und überraschen ihre Opfer – ob vor der Wand, unter dem Bett oder hinter dem Rücken der Opfer. Was den Film jedoch noch furchteinflößender macht, ist die Präsentation der bekannten alltäglichen Umgebung in gruseliger Atmosphäre. Das Haus scheint nichts besonders zu sein, doch wenn man das schmale Treppenhaus, die enge Dachstube und den dunklen Wandschrank genau beobachtet, kommen dazwischen plötzlich blasse Gesichter mit blutroten Augen hervor. Eine ikonische Szene zeigt, wie ein Opfer versucht, sich aus Angst unter der Bettdecke zu verstecken… Der Ergebnis kann man sich vorstellen, es ist zu gruselig, um es hier zu erwähnen. Außerdem gibt es kaum Musik in den Szenen. Wie das Alltagsleben herrscht auf der Leinwand weißes Rauschen. Erst wenn die Zuschauer sich an die Stille gewöhnt haben, passiert das Ungewöhnliche ohne Warnung.

A Tale of Two Sisters (Korea 2003)

A Tale of Two Sisters (2003)

Su-mi und Su-yeon kehren nach einem langen Aufenthalt in einer Psychiatrie nach Hause zurück, wo ihr Vater und ihre Stiefmutter sie erwarten. Das erste Abendessen markiert die angespannte Beziehung zwischen den Schwestern und ihrer Stiefmutter. Die ältere Su-mi streitet sich ständig mit der neuen Frau ihres Vaters, die nach ihrer Ansicht das vorherige glückliche Leben der Familie zerstört hatte. Die jüngere und ängstliche Su-yeon hingegen, wird wegen Kleinigkeiten bestraft. Als sie den Käfig der Lieblingsvogels der Stiefmutter kaputt macht, muss sie zur Strafe in den Kleiderschrank. Dort erleidet das Mädchen einen Nervenzusammenbruch. Su-mi wendete sich verzweifelt an den Vater. Dieser antwortet jedoch nur, dass er nichts mehr von dem Kleiderschrank hören will. Gleichzeitig passieren ungewöhnliche Ereignisse in der Familie: Der Vater spricht immer öfter mit einer unbekannten Person über das Geschehen in der Familie am Telefon; ein weiblicher Geist hebt mitten in der Nacht die Bettdecke von Su-yeon auf; unter dem Geschirrspüler taucht das Gespenst von einem Mädchen auf; Su-mi träumt von dem Geist, der ihrer Mutter ähnelt…

Der Erfolg des Filmes lässt sich einerseits auf die unerwartete Handlung zurückführen, als man erfährt, dass die sogenannten Gespenster Illusionen von Su-mi sind, weil sie unter Schizophrenie leidet. Auch ihre jüngere Schwester und die Stiefmutter sind zwei Persönlichkeiten von ihr, denn sie erlebte den Selbstmord ihrer Mutter und den zufälligen Tod ihrer Schwester mit. Su-mi brach darunter zusammen.

Auf der anderen Seite gelingt es dem Film, die fiktiven und schrecklichen Vorstellungen mit dem wirklichen Alltag zu kombinieren. Der Kleiderschrank, in dem die Mutter in Wirklichkeit Selbstmord beging und von dem dem Su-yeon zufällig erschlagen wurde, ist ein normales Möbelstück in jedem Familienhaus. Unter dem Geschirrspüler, auf den man im Alltag kaum achtet, verbirgt sich das blasse Gespenst mit verzerrtem Gesicht. Unter der kuscheligen Bettdecke fühlt man sich nach diesem Film nicht mehr sicher. „A Tale of Two Sisters“ erzählt uns eine ungewöhnliche Familientragödie in einer für uns ganz gewöhnlichen Umgebung, in dem Haus einer normalen Familie.

A Wicked Ghost (Hong Kong 1999)

A Wicked Ghost (1999) (© Copyright Times Production Ltd.)

Vier Freunde von Ming spielen ein spirituelles Spiel, indem sie Wasser mit Blut trinken. So rufen sie einen weiblicher Geist herbei. Kurz darauf sterben alle Freunde nacheinander an plötzlichen und unerklärlichen Ereignissen: Herzinfarkt, Selbstmord… Nur Ming überlebt. Um sich zu retten, sammelt Ming zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Freund Mao alle Informationen über den bösen Geist. Gleichzeitig benutzt der Geist eine Freundin von Ming, um ihr mitzuteilen, dass sie nur noch drei Tage zu leben habe.

Der Film war der Alptraum zahlreicher Chinesen. Und plötzlich verwandelten sich alltägliche Gebrauchsgegenstände in Orte der Angst: sei es der Fahrstuhl, die Toilette oder das Haarewaschen… Der Geist war eine Schauspielerin der kantonesischen Oper (eine traditionelle Opera Chinas) und trägt stets das klassische blauen Kostüm. Man stellt sich unbewusst vor, wie die blassen Hände unter dem blauen Ärmel hervorkommen und an der Schulter berühren. In einer klassische Szene wird eine Frau von dem Geist auf dem Weg zu Toilette verfolgt. Die Zuschauer sehen wie der Geist so nah an ihr lehnt, dass fast kein Abstand zwischen ihnen ist. Die Frau merkt jedoch nichts außer einem kühlen Schauer. Nachdem man diese Szene gesehen hat, fällt es schwer noch unbeschwert zur Toilette zu gehen.

Sigmund Freud schreibt in seinem Essay Das Unheimliche, dass es nicht nur das Unvertraute, sondern zugleich das Vertraute sein kann, dass uns am Meisten gruselt. In den drei oben genannten Filmen versteckt sich das Unheimliche, die Geister und Gespenster, perfekt in dem uns Vertrauten. Die Zuschauer von Horrorfilmen gewöhnen sich vielleicht daran hässliche Geister auf der Leinwand zu sehen, diese asiatischen Filme lassen jedoch jeden Horror-Fan erschaudern – hinter allem Alltäglichen steckt das Unheimliche. Wer glaubt, dass solche Filme doch gar nicht so gruselig sind, der soll es einmal selbst ausprobieren und sich dem Grusel des Alltäglichen stellen. Ich habe vor drei Jahren „A Wicked Ghost“ gesehen und kann immer noch nicht meine Haare in schwachem Licht waschen.

Wer kennt das Gefühl nicht, ein bekanntes Gesicht zu sehen und den Wunsch zu verspüren hier und jetzt im Boden zu versinken? (Du kennst das nicht? – Dann melde dich, ich freue mich dich kennenzulernen!) Die Geister unserer Vergangenheit statten uns gerne mal einen Besuch ab, besonders dann, wenn wir nicht damit rechnen. Hier eine Auflistung der drei schlimmsten Geisterbesuche, die wir lieber wieder vergessen wollen. Eine Glosse. 

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Sagenumwoben, gefürchtet und von einer unbändigen Faszination umgeben: Der Berg der Berge, der Mount Everest. Unsere Redakteurin erzählt von eigenen Erfahrungen am Fuße des höchsten Berges der Welt, welche Wirkung die Kultur auf Tourist*innen ausübt und warum der höchste Berg der Erde zugleich heilig und unheimlich ist.

Die Feengöttin Jomo Miyo Lang Sangma lebt auf dem Mount Everest. (Quelle: http://www.flars.net/centromaria/nepal.htm)

Wenn etwas das Schönste, das Schlimmste oder in diesem Fall das Höchste ist, wird darum herum ein Gespinst aus Sagen und Geschichten gesponnen, das den materiellen Wert noch einmal steigert. So ist das auch mit dem höchsten Berg der Erde, dem Mount Everest. Sagarmatha in der Sprache der Nepali (= Himmelskönig), Qomolangma in der Sprache der Tibeter (= Göttin-Mutter der Erde). Schon bevor der Nepalese Tensing Norgay und der Brite Edmund Hillary am 29. Mai 1953 als erste Menschen den Gipfel erreichten, war der Berg in Nepal und Tibet in aller Munde. In der buddhistischen Kultur der Sherpas bewohnen Geister und Dämonen die Gipfel der Berge. Demnach wohnt auf dem Mount Everest Jomo Miyo Lang Sangma, eine der fünf „Schwestern des langen Lebens“, die auf den fünf höchsten Gipfeln des Himalaya wohnen. Jomo Miyo Lang Sangma bringt den Menschen Nahrungsmittel. Sie ist die drittjüngste von fünf Feengöttinnen. Einer Sage nach lieferten sich um 1300 Padmasambhava (der Mann, der den Buddhismus nach Nepal brachte) und der Lama der Bön-Religion (im 8. Jahrhundert die vorherrschende Religion in Tibet) ein Wettrennen hinauf zu der Feengöttin auf den Berg. Der Lama wurde von seiner magischen Trommel getragen und Padmasambhava von einem Lichtstrahl. Der Lichtstrahl war schneller. Der Lama ließ deshalb enttäuscht seine Trommel am Gipfel zurück.

„Noch heute sagen die Sherpas, dass Geister die Trommel schlagen würden, wenn eine Lawine den Berg hinunterdonnert.“ – Basler Zeitung

Die Menschen in den Bergdörfern des Himalayas sind besonders gläubig, denn ihr Leben hängt von der Gnade der Berggötter ab. Das Wetter wechselt in Sekundenschnelle, Lawinen gehen ab, Erdbeben zerstören ganze Landstriche.

Ein Erfahrungsbericht aus dem Sagarmatha Nationalpark

Im Hintergrund blitzt eine winzige Spitze des Mount Everests hinter der Bergkette auf. (Quelle: L. Haas)

Als ich 2015 zum ersten Mal eine winzige Spitze des höchsten Berges der Welt erblickte, fühlte es sich an, als würde dieser runde Planet aufhören sich zu drehen. Ein winziges Stück Berg hinter dem Lhotse und dem Nuptse, den beiden Bergen, die den Berg der Berge umgeben. Eine weiße Rauchfahne scheint von der Spitze aufzusteigen. „Der Berg raucht“, erklärt mir Sune Tamang, unser Bergführer mit seinem gewohnt verschmitzten Lächeln. Von etwa 4.000 Metern Höhe kann ich nur erahnen, wie stark der Wind dort oben auf 8.848 Metern pustet und diese weiße Fahne auslöst. Einige Tage später, vom Gipfel des Aussichtsberges Kala Patthar aus blicke ich von läppischen 5.555 Metern hinauf zum noch immer unerreichbaren Dach der Welt. Ich kämpfe mit der Anstrengung des Aufstiegs. Alle paar Schritte muss ich anhalten und wegen des kaum vorhandenen Sauerstoffs schon auf dieser Höhe wie ein Walross schnaufen. Keine halbe Stunde bleiben wir dort, schon geht es wieder hinunter ins Dorf auf 5.100 Meter, um die Höhenkrankheit zu vermeiden. Ich frage mich, wie könnte ich jemals auf den Mount Everest steigen, wenn mir hier schon die Puste ausgeht?

Kommerz auf dem Dach der Welt

Viele andere Bergsteiger*innen stellen sich diese Frage nicht. Der Berg übt eine Faszination aus, die ihresgleichen sucht. Einmal am höchsten Punkt der Erde sein, dem Himmel so nah wie nie zuvor. Das ist der Wunsch hunderter Bergsteiger*innen, die jedes Jahr nach Nepal oder Tibet kommen und den Aufstieg wagen wollen. Und manche von ihnen kehren nie wieder heim. Denn der höchste Berg der Welt fordert Opfer. Über 200 Menschen sind bereits oben am Berg gestorben. Viele haben nicht die Kondition oder die technische Erfahrung, die ein solcher Aufstieg erfordert. Sie haben aber das Geld und kaufen sich ihren Weg auf den Berg. Über 60.000 Dollar kostet es, auf den Mount Everest zu steigen. Für das Permit (die Aufstiegsbescheinigung) verlangen die Nepali so viel Geld, weil ihnen der Berg heilig ist. Am liebsten sollte niemand hinaufsteigen, doch so ist er immerhin eine gute Einnahmequelle. Wer den Aufstieg oder den Weg hinunter nicht überlebt, bleibt wohl für immer dort oben. Eine Bergung ist zu riskant – und so ist der Weg nach oben von Leichen gesäumt. Auch diese Geister leben vermutlich am Berg weiter und sind Teil seiner Geschichte.

Auf dem Mount Everest Basecamp-Trek: schon aus der Ferne sieht man die Spitze hervorblicken. (Quelle: L. Haas)

Der Traum eines jeden Bergsteigers

Als Bergtourist in Nepal bekommt man einiges von der Kultur mit, die durch ein friedliches Zusammenleben von Buddhismus und Hinduismus geprägt ist. Beim Aufbruch zum Bergaufstieg wird Reis ins Feuer geworfen und die Bergsteiger mit dem buddhistischen Mantra „Om mani padme hum“ verabschiedet. Mit diesem Mantra in Sanskrit wird Mitgefühl ausgedrückt. Trotzdem blieb auch für mich diese umfangreich gelebte Kultur ein bisschen hinter dem Massentourismus zurück. Als wir im Basislager des Mount Everest ankamen, wurde für mich ein Traum wahr. Einmal dort zu sein, wo die großen Bergsteiger gestartet sind. Der Berg ist einerseits so nah und doch so fern, denn von hier sind es noch immer über 3.000 Meter Aufstieg bis zum Gipfel. Dort oben warten Gefahren wie Wetterumschwünge, Sauerstoffmangel und die eigene körperliche und geistige Belastungsgrenze. In der Todeszone über 7.000 Meter darf man sich nicht lange aufhalten, denn dort beginnt man irgendwann zu halluzinieren, wenn die Höhenkrankheit eintritt. Es ist ein magischer Ort für die Einheimischen, aber auch für jeden Bergsteiger. Die buddhistischen und menschlichen Geister auf dem höchsten Berg der Welt machen ihn zu dem, was er ist: ein faszinierendes, schicksalhaftes Mysterium.

Berge sind nicht nur in Nepal Herberge für Geister. Lesen Sie hier, welche besondere Bedeutung der Ayers Rock in Australien für die Einheimischen hat.

Hier geht es zu einem Artikel über von Geistern bewohnte Vulkane und Berge zum Beispiel in Indonesien, Madagaskar und auch Deutschland.

Am 14. Oktober 2014 erscheint „The Evil Within“ auf dem Markt – ein japanisches Survival-Horror-Spiel der anderen Art. Aufgrund seiner einzigartigen Atmosphäre und Handlung setzt sich das Computerspiel von anderen Spielen seines Genres ab. Es erhielt überwiegend positive Bewertungen wegen seiner fesselnden Geschichte, welche an die Filme „The Matrix“ und „Inception“ erinnert.  Weiterlesen

In Madagaskar ist der Ahnenglaube weit verbreitet und zieht sich durch alle Lebensbereiche der Menschen. Welche Bedeutung Ahnengeister für die Menschen haben, wie eine Totenfeier abläuft und warum es sogar gut ist, Schulden für die Ahnenfeste zu machen, erklärt die Tübinger Ethnologin PD Dr. Sabine Klocke-Daffa, die seit den 90er Jahren zum Südlichen Afrika und seit 2014 zu Madagaskar forscht.

In Madagaskar gibt es achtzehn ethnische Gruppen. Ist der Glaube an Ahnengeister innerhalb dieser Gruppen weit verbreitet?

Dr. Sabine Klocke-Daffa forscht seit 2014 zu Madagaskar. Foto: Dr. Sabine Klocke-Daffa

Ja, er ist insofern weit verbreitet, als dass die meisten Madagassen indonesischen Ursprungs sind, wobei die genaue Herkunft nicht bekannt ist. Wahrscheinlich sind die Menschen aus dem heutigen Malaysia in mehreren Wellen eingewandert. Wobei die Einwanderungszeitpunkte umstritten und historisch nicht ganz geklärt sind. Es gibt aber auch Einflüsse aus verschiedenen Teilen Afrikas und aus dem arabischen Raum, sodass das eine einzigartige Mischung der Bevölkerung ist. Diese indonesische Herkunft zeigt sich in der Sprache und insbesondere in der sozialen Organisation sowie in kosmologischen Vorstellungen in der Erinnerung der Ahnen. Denn in Indonesien ist der Glaube an Ahnen ebenfalls verbreitet.

Haben die Ahnen einen großen Einfluss auf das Leben der Madagassen?

Die Ahnen beziehungsweise die Toten sind immer auch Teil des Lebens der Lebenden. Das heißt für die Madagassen, dass sie tatsächlich ihre Lebensweise und ihre Verhaltensweise so organisieren, dass die Toten darin immer irgendwie vorkommen, bei all ihren Plänen. Auch für die Zukunft haben sie eine Bedeutung.

Wie kann man sich das vorstellen?

Man erinnert sich nicht nur an die Ahnen, sondern man macht Feste für sie, um Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sie kommen also zu bestimmten Zeiten im Jahr sozusagen zu Besuch. Man muss jedoch ihre Regeln befolgen, zum Beispiel, wie man sich wem gegenüber zu verhalten hat, wann man Feste feiert, wie sie ausgerichtet sind und welche Rolle die Toten dabei spielen. Denn die Madagassen teilen die Vorstellung: ‘Ich habe nur Glück, wenn ich mich nach den Regeln der Ahnen verhalte.‘ Somit sind die Ahnen aktiv im Leben der heutigen Lebenden tätig, was bedeutet, dass es natürlich große Auswirkungen auf das Verhalten und auf den Alltag der Menschen gibt. Wenn man die Madagassen fragt, worauf diese Regeln beruhen, sagen sie: ‚Die sind von den Ahnen geschaffen.‘

Und wenn man sich nicht an die Regeln hält?

Wenn man dagegen verstößt, was natürlich viele Leute machen, dann wurde ein Verbot, ein sogenanntes fady, überschritten. Das wird auch bestraft. Die Ahnen sind nicht nur wohlwollend und bringen Glück, sondern sie können auch strafen. Das heißt, die Menschen erklären sich vieles, was sie sich sonst nicht erklären können oder was an negativen Dingen im Leben passiert, mit dem direkten Eingreifen der Ahnen.

Was wäre ein konkretes Beispiel für das Überschreiten eines fadys?

Man darf beispielsweise kein Land verkaufen, weil es das Land der Ahnen, der Vorfahren ist. Das bringt Unglück. Es gibt aber immer wieder Menschen, die es trotzdem an Fremde verkaufen oder verpachten, weil es finanziell zu verlockend erscheint. Das hat dann negative soziale Konsequenzen und führt dazu, dass sie schlecht angesehen werden.

Was für Rituale gibt es, bei denen die Ahnen eine große Rolle spielen?

Sicherlich spielen sie in allen Lebenszyklusritualen eine Rolle, wie bei der Geburt oder bei Hochzeiten, aber insbesondere bei Totenfeiern. Es gibt einige Feste, die hauptsächlich für die Toten durchgeführt werden. Ganz berühmt ist die famadihana, eine Totenfeier bei der die Gräber – das sind so eine Art Mausoleen – geöffnet und die Toten herausgeholt werden.

Totenhäuser auf Grabstätten. Foto: Dr. Sabine Klocke-Daffa

Wie läuft so eine famadihana ab?

Nachdem erste Reden gehalten und Rinder geschlachtet werden, öffnet man das Grab, um die Knochen der Toten zu säubern und sie in neue Seidentücher einzuwickeln. Sie werden dann in die Menge herausgetragen und herumgereicht, es wird musiziert, getanzt und gesungen und alle sehen: Diese Person ist jetzt da. Die engen Familienmitglieder nehmen den Toten auf den Schoß und erzählen ihm, was passiert ist, seitdem er nicht mehr lebt und stellen ihm die neuen Familienmitglieder, die Kinder, vor. Die Seelen sind zwar ganz weit weg, aber sie können wiederkommen, solange noch etwas vom Menschen übrig ist. Nach der Zeremonie wird der Tote wieder in die Grabstätte gebracht und die Bastmatten, in denen er eingewickelt war, werden anschließend von den Frauen mit nach Hause genommen. Diese Matte ist symbolisch zu verstehen. Es ist für die Frauen so, als ob sie die Aura oder ein bisschen vom Geist des Toten mitnehmen. Davon versprechen sie sich Fruchtbarkeit und Glück.

Was für Erklärungen gibt es noch für die Ausrichtung einer famadihana, außer, dass eine Verbindung zu den Ahnen hergestellt wird und den Menschen Glück bringen soll?

Um die soziale Gemeinschaft zu reproduzieren, weil alle von Nah und Fern kommen müssen, um die Familie wieder zusammenzubringen. Das ist eine Verpflichtung der eigenen Familie und den Ahnen gegenüber. Das hat auch finanzielle Konsequenzen, alle müssen beitragen und in diesem Fall stehen die Ahnen sozusagen dahinter.

Dieser Verpflichtung Geld für die famadihana zu erwirtschaften, geht vor allem die ethnische Gruppe der Zafimaniry nach.

Das stimmt. Aber nicht nur für die famadihana. Man kann auch andere Feste für die Ahnen feiern. Insbesondere, wenn etwas passiert ist, macht man ein Fest für sie. Beispielsweise, wenn ein Haus abgebrannt ist oder jemand einen Unfall hatte. Dann laden die Menschen die Ahnen ein, holen sich Rat bei ihnen und hoffen auf mehr Glück. Für so ein Fest braucht man allerdings viel Geld. Die Zafimaniry sind berühmt für ihre Holzschnitzereien. Aber außer in der Holzverarbeitung, gibt es für sie kaum Arbeitsplätze. Das heißt, sie müssen irgendwo anders arbeiten oder Schulden aufnehmen, um das finanzieren zu können. Schulden sind aber nicht grundsätzlich etwas Negatives. Nicht, wenn sie für solche Anlässe verwendet werden.

Bei wem verschulden sich die Zafimaniry?

In den Dörfern sind die meisten gegenseitig verschuldet, bei den Nachbarn, den Freunden, dem Arbeitgeber. Das stärkt unheimlich den sozialen Zusammenhalt. Schulden sind die Basis der sozialen Organisation. Wenn Sie es ganz eindampfen würden: Schulden bringen Glück. Sie investieren nicht in ökonomisches, sondern in sozio-kosmologisches und in soziales Kapital, in soziale Beziehungen zu den Lebenden und den Toten. Sie glauben daran, dass sie viel davon haben, dass sie den Segen der Ahnen, Glück, Wohlstand, Sicherheit, Kontinuität der Familien und Kinder bekommen. Mit einem Business können sie pleitegehen, aber soziales Kapital ist unbezahlbar.

Vielen Dank für dieses Gespräch Frau Klocke-Daffa.

 

Für Leser, die sich über den Beitrag hinaus mit dem Ahnenkult auf Madagaskar beschäftigen möchten, empfehle ich folgende Literatur:

Bittner, Alfred, 1992: Madagaskar. Mensch und Natur im Konflikt. Basel [u.a.]: Birkhäuser.

Bloch, Maurice. 1971: Placing the dead: tombs, ancestral villages, and kinship organization in Madagascar, Seminar studies in anthropology. London: Seminar.

Graeber, David. 1995: Dancing with Corpses Reconsidered: An Interpretation of „famadihana“ (In Arivonimamo, Madagascar). American Ethnologist 22 (2):258-278.

Sharp, Lesley A. 1996: The Possessed and the Dispossessed. Spirits, Identity and Power in a Madagascar Migrant Town. Berkeley: University of California Press.