Ischgl. Mit 45 Skiliften und 238 Pistenkilometern gehört es zu einem der beliebtesten Skigebiete Tirols. Jährlich verbringen hier tausende Menschen ihren Winterurlaub. Aber was passiert eigentlich, wenn sich ein Skifahrer verletzt? Wir haben für euch mit dem Pistenchef von Ischgl, Serafin Siegele, über den Alltag der Bergretter gesprochen.

Heiß strahlt die Januar Sonne auf die eisigen Pisten Österreichs. Fans des Wintersports aus ganz Europa stürmen die Skigebiete, fahren begeistert mit den Liften auf die Berge und mit noch größerer Begeisterung die Berge auf Skiern wieder hinab. Mit jeder neuen Abfahrt werden sie selbstbewusster, schneller und waghalsiger. Auch ein junger Mann will mit seinem Können prahlen, gibt Gas und gerät ins Schleudern. Er weiß nicht, wie er bremsen soll, seine Skier verkanten sich, er stürzt und kommt von der Piste ab. Tief rutscht er eine Böschung hinunter, sein schmerzerfüllter Schrei hallt von den Bergwänden wider. Andere Skifahrer kommen schlitternd an der Kante zum Stehen und blicken panisch auf den Verletzten hinab, laut hört man sie aufkeuchen. Denn die Beine des jungen Mannes stehen in einem seltsamen Winkel von seinem Körper ab.

Die Bergretter von Ischgl

Unfälle auf den Pisten sind keine Seltenheit. Der lang ersehnte Skiurlaub kann schnell und unerwartet im Krankenhaus enden. Selbst erfahrene Skifahrer kommen auf Eisplatten oft ins Rutschen oder werden beim Tiefschneefahren abseits der Pisten von Lawinen überrascht. Unverzichtbar sind deswegen Menschen, die in den Skigebieten für Sicherheit sorgen und Erste Hilfe leisten. So hat auch das Skigebiet von Ischgl eine Bergwacht, bestehend aus dem Pistenchef Serafin Siegele und seinem 18-köpfigen Team. Seit 28 Jahren arbeitet Siegele nun schon für die Bergwacht und könnte sich keinen schöneren Job vorstellen, als jeden Tag mit den Skiern in der Natur unterwegs zu sein und Menschen helfen zu können.

Serafin Siegele (links) und drei seiner Mitarbeiter. Foto: Pistenrettung Ischgl

Während die Urlauber am Morgen ihren ersten Kaffee brühen, fahren Serafin und seine Mitarbeiter bereits mit der Gondel hoch in die nebelverhangenen Berge. Täglich sind 12 der 18 Mitarbeiter im Einsatz. Jeder von ihnen bekommt eine Piste zugeteilt, die er kontrollieren muss. Es werden die Sicherheitsmarkierungen geprüft, Gefahrenstellen abgesichert und eisige Pisten gesperrt.  Tagsüber sind Siegele und sein Team außerdem im Bereitschaftsdienst. Wenn sie auf ihrem Stützpunkt die Meldung erhalten, dass sich ein Skifahrer verletzt hat, brechen sie sofort auf. Vor Ort sichern sie zuerst die Unfallstelle ab, leisten die Erstversorgung des Verletzten und transportieren ihn hinterher entweder zur Talstation oder ins Krankenhaus ab. Auch ein Rettungshubschrauber ist in Ischgl stationiert, der die Schwerverletzten nach Zams oder Feldkirch bringt. In besonders schlimmen Fällen fliegt der Hubschrauber auch bis zum Krankenhaus in Innsbruck. Bänderverletzungen am Knie oder an der Schulter kommen laut Siegele jedoch am häufigsten vor. „Diese Einsätze sind für uns Routine und wir wissen genau, wie vorgegangen werden muss. Lawineneinsätze hingegen sind sehr gefährlich, auch für uns erfahrene Retter. Manchmal kommt man zu dem verunfallten Wintersportler und muss feststellen, dass man ihn nicht mehr retten kann, weil die Verletzungen tödlich waren.“

Ruhe bewahren

Die Bergretter im Einsatz. Foto: Pistenrettung Ischgl

Der zu Beginn geschilderte Unfall ereignete sich bereits 1982, dennoch kann Serafin Siegele ihn bis heute nicht vergessen. Der junge Mann, der von der Piste abkam, brach sich beide Beine und beide Hände. Die Beine waren um 180 Grad nach hinten gebogen und der Verletzte schrie lauthals vor Schmerzen. Serafin und sein Kollege gaben ihm einen Handschuh zum draufbeißen, während sie seine Beine nach vorne zogen und wieder gerade ausrichteten. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn dann ins Krankenhaus von Innsbruck. Noch heute schaudert Siegele, wenn er an den Anblick des Verletzten denkt.

Doch egal wie furchtbar der Unfall ist – die Bergretter selbst müssen Ruhe bewahren. Sie müssen sicher arbeiten, immer mitdenken und dürfen auf keinen Fall in Panik geraten. Es ist alles andere als einfach, die aufkommenden Emotionen zu unterdrücken, um rational handeln zu können. Aber in diesem Moment tragen sie nicht nur die Verantwortung für sich selbst, sondern auch für den Verletzten. Nach solch schwierigen Einsätzen trifft Serafin Siegele sich abends in einer ruhigen Runde mit seinen Mitarbeitern. Sie tauschen sich über den Einsatz aus, diskutieren, was hätte anders gemacht werden können, und klären, was beim nächsten Mal besser laufen muss. „Darüber zu reden ist enorm wichtig, um mit der psychischen Belastung umgehen zu können“, sagt Siegele. „Vor allem dann, wenn es Schwerverletzte oder Tote gab.“

Ein heldenhaftes Team

Doch auch an anderen Abenden trifft sich der Pistenchef mit seinem Team auf einer gemütlichen Hütte. Sie essen gemeinsam und plaudern über den Job und das Leben. Seine langjährigen Mitarbeiter, die gleichzeitig auch wahre Freunde für ihn sind, weiß Siegele sehr zu schätzen. Er ist zwar ihr Vorgesetzter, aber er sieht sich auf Augenhöhe mit ihnen.

Obwohl die Bergretter täglich sehr vielen Menschen helfen und nicht selten Leben retten, sagt Siegele ganz eindeutig: „Wir sind keine Helden, das wollen wir auch gar nicht sein. So wie Pizzaboten Essen ausliefern oder Ärzte Krankheiten heilen, versorgen wir verletzte Skifahrer auf den Pisten. Wir machen einfach nur unseren Job. Es ist unsere Aufgabe, Menschen zu helfen.“

Ein heldenhaftes Team. Foto: Pistenrettung Ischgl

Dennoch hat Siegele bei seiner Arbeit etwas sehr Wichtiges über das Leben und seine Mitmenschen gelernt. Verunglückte – egal ob jung oder alt, arm oder reich – sind immer dankbar, wenn man ihnen hilft. Wenn jemand verletzt auf der Piste liegt, macht es keinen Unterschied mehr, woher er kommt oder wie teuer der Ski-Anzug ist. In der Not sind alle Menschen gleich, und die Bergretter sind für alle Menschen in Ischgl da. Eindeutig ein heldenhaftes Team, finden wir.

 

 

Ebenfalls bei Lawinenunglücken im Einsatz: Rettungshunde

Sind Sportler Helden? Diese Frage wurde bereits in anderen Beiträgen diskutiert und noch immer ist kein Ergebnis in Sicht. Gerade Fußballer stehen oft in der Kritik, zu viel Geld zu verdienen, zu viel Aufmerksamkeit und Ruhm zu bekommen, und das, obwohl sie sich nicht richtig verhalten oder nicht entsprechend genug leisten. In diesem Interview kommt einer zu Wort, der mitten in diesem Business steckt.

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Nina Mayer (Name geändert), 27, ist Psychotherapeutin. Nach ihrem Psychologie-Master in Tübingen ist sie nach Stuttgart gezogen, um dort im Rahmen ihrer Psychotherapeutenausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu arbeiten. Täglich kommen Patienten in ihre Therapie, um an sich und ihrer persönlichen Situation zu arbeiten. Dass das keine einfache Aufgabe ist, steht außer Frage. Dass die Patienten auf ihre Hilfe angewiesen sind, ebenfalls. Aber kann man Psychotherapeuten tatsächlich als Helden bezeichnen?

1. Warum haben Sie sich für Ihren Beruf entschieden?

Das ist eine gute Frage. Zugegebenermaßen hatte ich schon immer eine große Faszination für das Verhalten des Menschen. Ich habe gerne Situationen beobachtet und mich dafür begeistert, wie viele verschiedene Reaktionsweisen es auf ein und dieselbe Situation geben kann. Außerdem interessiere ich mich dafür, warum Menschen so handeln, wie sie handeln, so denken, wie sie denken, und so fühlen, wie sie fühlen. Es begeistert mich immer wieder, wie die Psyche arbeiten und sich selbst schützen kann. All diese Aspekte waren Vorinteressen, die schon immer ein Teil von mir waren und die natürlich Psychologie als Studienfach nahelegen. Warum ich letztlich den Beruf ausgewählt habe, hängt damit zusammen, dass ich von außen — unabhängig davon — häufig positives Feedback für meinen Umgang mit problematischen Situationen erhalten habe. Dieses hat mir letztlich die Motivation gegeben, Menschen zu unterstützen. Das war für mich die Idee eines erfüllenden Jobs.

2. Was macht für Sie einen Helden aus?

Wenn ich das Wort höre, denke ich ganz oft an Märchen zurück. An den heldenhaften Prinzen, der die Prinzessin vor dem Drachen rettet, oder an den Helden, der die schlafende Prinzessin mit einem Kuss wieder ins Leben zurückholt. Dann denke ich aber auch an Spiderman oder andere moderne Superhelden. Spiderman, der einerseits seine große Liebe rettet, die gerade vom Hochhaus stürzt, und gleichzeitig den Waggon in der Schwebe hält, damit die Kinder nicht in den Tod fallen. Abgeleitet aus diesen Vorstellungen würde ich sagen, dass man als Held mutig sein muss, dass man sich für andere einsetzt und aus purer Hilfestellung, purer Liebe oder purem Respekt für den Menschen handelt.

3. Sehen Sie sich selbst in Ihrem Beruf manchmal als Heldin?

Um ehrlich zu sein: nein. Für mich ist das Wort des Helden ein sehr altmodischer Begriff. Sicherlich ist man auch als Psychotherapeut manchmal stolz auf seine eigene Leistung oder erhält auch mal das Lob von einem Patienten, dass man ihm aus der Klemme geholfen hat, aber so ganz im Bewusstsein ist der Begriff des Helden bei mir nicht. Insofern trifft der Begriff auf mich wahrscheinlich nicht zu.

4. Gibt es besondere Herausforderungen im Beruf eines Psychotherapeuten?

Ja, ich denke schon. Manchmal sind es sogar unzählige Situationen auf ganz verschiedene Weise. Manchmal hat man ein System, das der Art, wie man selbst einer Person Hilfe leisten würde, entgegenarbeitet, wie zum Beispiel die Krankenkasse, das gesamte Gesundheitssystem oder die Wartezeiten. Das sind Sachen, die einem die Arbeit nicht gerade leichter machen. Außerdem ist es eine große Herausforderung, wenn man Patienten hat, die eigentlich viel Potenzial haben und mit denen man gut arbeiten könnte, es aber Umstände gibt, die das nicht möglich machen. Das kann die Schule sein, die einen Schulwechsel nicht möglich macht, der für den Patienten hilfreich wäre. Dann kann es aber auch das soziale Umfeld sein, das die neu erlernten Strategien des Patienten nicht akzeptiert und diesen abweist. Das alles sind für mich sehr schwierige Situationen, die es immer wieder aufs Neue gilt, akzeptieren zu lernen.

5. Gibt es eine andere Berufsgruppe, die Sie als Helden bezeichnen würden?

Die Sache ist die: Meine Definition des Held-Seins enthält die Tatsache, dass man Mut und Courage erbringt, und dies aus einer inneren Motivation heraus, wirklich nur der Hilfe wegen. Ein Beruf beinhaltet immer den Aspekt, dass man dafür ausgebildet und bezahlt wird. Insofern ist es sehr schwierig, eine Berufsgruppe als Helden zu bezeichnen. Dennoch kann jede Berufsgruppe das Potenzial haben, Helden zu sein. Schließlich geht es um den Punkt, dass man mehr über den Beruf hinweg tut, Mut beweist und sich für jemanden einsetzt, und das nicht nur, weil man dafür bezahlt wird. Welche Berufsgruppen das sein können? Natürlich fallen einem da erst mal die sozialen Berufe ein, die Erzieherin, die den Kindern hilft, oder der Feuerwehrmann, der sein eigenes Leben in Gefahr bringt, um ein anderes aus den Flammen zu retten. Aber dann gibt es da auch den IT-ler, der schon lange über die Zeit seines Tages arbeitet, um noch die digitale Welt zu retten, oder den Manager, der versucht, das ganze Wirtschaftssystem zusammenzuhalten. Auf diese Weise könnte man durch die Reihe gehen und würde feststellen, dass überall etwas Heldenhaftes sein kann, aber nicht unbedingt ein Beruf ausschließlich Helden hervorbringt.

6. Was denken Sie: Wann wird der Begriff des Helden falsch gebraucht?

Das Schwierige am Begriff des Helden ist, dass er sehr positiv konnotiert ist. Ich denke, wenn jemand als Held bezeichnet wird, dann bedeutet das oft, dass man nur die guten Seiten sieht. Der Begriff vernachlässigt oft die dunkleren, negativen oder problematischen Seiten, die jeder Mensch besitzt. Das sollte man bedenken, wenn man jemanden als Helden bezeichnet, vor allem, wenn es um Menschen des wirklichen Lebens geht. Es gibt nicht nur den positiven, strahlenden Helden, sondern immer auch den, der ins Wanken gerät und vielleicht gerade deshalb ein Held ist, weil er solche Situationen überwindet.

7. Wer ist Ihr persönlicher Held und warum?

Sicher bin ich jetzt etwas voreingenommen durch die vorigen Fragen, aber zuerst fallen mir all die Personen ein, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, die sich für sich selbst eingesetzt haben. Die Personen, die erkannt haben, dass sie momentan unzufrieden sind, und die ihr Leben anpacken, obwohl es eine Höllenarbeit ist. Die Personen, die es wieder zu einem Leben gestalten, das sie gerne führen und an dem sie Spaß haben und in dem es ihnen gut geht. Das ist für mich etwas sehr Heldenhaftes. In einer Situation, in der sich diese Menschen nicht so gut selbst leiten können, greifen sie sehr altruistisch und mutig ein und helfen jemandem: sich selbst!

Was eine Krankenpflegerin zum Thema Helden denkt, erfährst du hier: 3 Fragen an …

Nianheng Wu, 23, ist in einer kleinen Stadt in der Provinz Sichuan, China aufgewachsen. Seit fast einem Jahr wohnt sie schon in Deutschland und studiert Computerlinguistik und Allgemeine Sprachwissenschaft. Als Kind hatte sie nicht wirklich persönliche Helden, vielmehr Personen und fiktive Charaktere, die sie einfach nur toll fand. Sie ist ein großer Fan von Detektiv Conan und liebt auch Thor aus dem Marvel Cinematic Universe. Das Thema Helden findet sie schwierig, weil nicht alles schwarz und weiß ist. Es gibt kein Schema, nach dem man Helden bestimmen kann. Man sollte sie immer kritisch analysieren und dann entscheiden, ob es auch Helden sind.

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Hast du schon mal einem Soldaten am Bahnhof dafür gedankt, dass er den Kopf für dich hinhält? Eher nicht. In einem Interview berichtet der Ex-Soldat Manuel B. von seiner Zeit bei der Bundeswehr und eröffnet neue Perspektiven auf das Leben der Soldaten. Vorsicht – der Beitrag könnte dich dazu bringen, den nächsten Soldaten mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht ja sogar dazu, ihm zu danken.

Protokolliert von Liv Lilian

In einem schweren Panzer erreiche ich ein kleines Dorf in der kargen, trostlosen Landschaft von Afghanistan. Mein Blick ist grimmig, der Schweiß glänzt auf meiner Stirn. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen, atme einmal tief ein. Aus. Dann setze ich meinen Helm auf, lege meine Waffen um und steige aus. Die Frauen verstecken rasch ihre spielenden Kinder hinter ihrem Rücken. Doch ich lächle, greife in meine Hosentasche und hole eine Handvoll Bonbons heraus. Sie schillern in allen Farben des Regenbogens. Es scheint, als würde ich ein Stück Himmel in den Händen halten. Ich bin bewaffnet, doch ich bin nicht der Feind. Ich bin hier, um zu helfen. Die Kinder reißen sich von ihren Müttern los, laufen lachend auf mich zu und greifen mit ihren kleinen Händen nach der besseren Welt.

Zwischen zwei Welten

Im Jahr 2009 startete ich meine Grundausbildung bei der Bundeswehr. Als ich dann Ende 2010 zu meinem ersten Einsatz nach Afghanistan aufbrach, erzählte ich meinen Eltern, ich würde auf einen Übungsplatz nach Magdeburg fahren. Ich wollte verhindern, dass sie sich um mich sorgen. So saß ich mit 21 alleine beim Notar und schrieb mein Testament. Außerdem einen Brief an meine Eltern und einen für meinen kleinen Bruder, die sie bekommen sollten, falls ich nicht mehr aus dem Einsatz zurückkommen würde.

Während der ersten Tagen in Afghanistan hatte ich große Angst. Es konnte jeden Moment sein, dass ich erschossen werde. Mit der Zeit lernte ich aber, die Angst auszublenden. Ich machte meinen Job, ich funktionierte. Doch wenn ich nach den dreimonatigen Einsätzen zurück nach Deutschland kam, hatte ich so furchtbare Albträume, dass ich kaum mehr schlief. Wenn doch, wachte ich schreiend oder schweißgebadet auf. Der ständige Wechsel zwischen dem Leben in Afghanistan und dem in Deutschland war kaum auszuhalten. Deshalb erzählte ich irgendwann meinen Eltern die Wahrheit. Beide weinten, aber dann gaben sie mir die Unterstützung, die ich so dringend brauchte und von der Gesellschaft nicht bekam.

Am Anfang glaubte ich, ein Held in Uniform zu sein. Doch dann wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich nur ein Trottel war, der im zivilen Leben keinen richtigen Job gefunden hatte und deswegen bei der Bundeswehr diente. Das war zumindest das Gefühl, das mir die Gesellschaft vermittelte. Hast du schon mal einem Soldaten am Bahnhof dafür gedankt, dass er den Schädel für dich hinhält? Eher nicht. In den Bundeswehreinweisungen wird einem sogar davon abgeraten, in Köln am Bahnhof in Uniform auszusteigen.

Von Mensch zu Mensch

Wenn wir auf Patrouille waren, hatte ich immer Bonbons in meiner Tasche. Nachdem wir mehrmals im gleichen Dorf waren, wussten die Kinder schon, bei wem sie ein Bonbon bekommen. Wenn du hier einem Sechsjährigen ein Bonbon schenkst, dann sagt er: „Warum sind das keine zehn Euro, du Idiot? Was soll ich denn mit einem einzigen Bonbon?” Dort hingegen schauen dich die Kinder mit leuchtenden Augen an. Sie nehmen dich ganz anders wahr. Du bist zwar bewaffnet, aber du bist dort, um den Kontakt von Mensch zu Mensch zu pflegen. Nicht von Soldat zu Feind. Das waren Erlebnisse, die mir Kraft gaben.

Es gab aber auch andere Momente. Als meinem Freund ins Gesicht geschossen wurde, war ich plötzlich kein starker Soldat mehr. Ich kann heute noch ganz genau sagen, wie seine Augen aussahen, dieser erschrockene Blick, der zu sagen schien: „Freund, lass mich nicht sterben. Ich will hier nicht sterben. Mach, dass ich es schaffe.“ Die Augen meiner verletzten Kameraden haben sich mehr in mein Gedächtnis eingebrannt als alles andere. Nichts war so schlimm wie dieser Blick, dieser hilflose Blick. Davon habe ich auch heute noch Albträume. Mein Freund überlebte, aber direkt nach diesem Vorfall sagte ich, dass ich nicht mehr will. Nicht mehr kann. Ich kündigte. Fünf Jahre hatte ich der Bundeswehr gedient, war dreimal in Afghanistan gewesen, im Kosovo und am Horn von Afrika. Trotz allem bereue ich nicht, zur Bundeswehr gegangen zu sein. Wenn ich von Anfang an ehrlich zu meinen Eltern gewesen wäre, dann wäre ich vermutlich Berufssoldat geworden, wie es immer mein Ziel war.

Wahre Helden

Ich bin definitiv kein Held. Aber ich habe Helden kennengelernt. Es sind nicht diejenigen, die auf den Feind schießen, das kann jeder. Doch wer hilft dir, wenn du dir selbst nicht mehr helfen kannst? Wenn du verletzt wurdest oder beinah daran zerbrichst, weil du getötet hast? Während eines Feuergefechts fühlte ich nichts. Es war kein Problem, den Abzug zu betätigen, zu wissen, ich habe getroffen. Aber danach saß ich in meinem Zelt und weinte minutenlang. Wie ein Kind. Weil es raus musste. Die Psychologen um Hilfe zu bitten war schwer. Heute kann ich sagen, dass ich geweint habe. Aber auch gelacht. Ich hatte Freude, ich hatte Angst, ich habe schlechte und ich habe schöne Erinnerungen. Ich bin an meinen Erfahrungen gewachsen und habe überlebt – das verdanke ich den wahren Helden, den Ärzten und Psychologen.

Während Manuel von Helden spricht, betrachte ich ihn in der Abenddämmerung. Und mir wird klar, dass noch jemand ganz anderes einen Dank verdient. Er selbst. Dafür, dass er einen Job erledigt, den niemand sonst erledigen will. Dafür, dass er seinen Kopf hinhält, während alle anderen wegschauen. Er wird von der Bevölkerung verurteilt, obwohl er nur helfen will. Hilfspakete verteilen. Bunte Bonbons verschenken. Manuel ist verletzlich, mitfühlend, zweifelnd, bescheiden, voller Liebe und Sorge. Ich beobachte, wie sich ein Glühwürmchen auf seiner Schulter niederlässt. Es scheint, als würde es von dem nachdenklichen Soldaten angezogen werden. Als würde es etwas in ihm sehen, das niemand sonst in unserer Gesellschaft sieht, nicht einmal er selbst. Nämlich das helle Licht, das in seinem Helden-Herzen brennt.

 

Was ein OP-Fachpfleger der Bundeswehr zum Thema Helden sagt, lest ihr hier.

Die Helden eines Krankenhauses – im ersten Moment denkt der Großteil der Bevölkerung dann an die Ärzte. Es gibt aber noch eine Gruppe Menschen, ohne die der Alltag in einem Krankenhaus niemals funktionieren würde: die Krankenpfleger. Heute beantwortet uns eine Krankenpflegerin, was sie von dem Thema Helden hält. Weiterlesen

Ein junger Assistenzarzt berichtet von seinem Berufsalltag mit all seinen Schattenseiten. Lest hier, was er dennoch an seinem Job liebt. Außerdem: Warum er ein Held ist, aber behauptet, keiner zu sein.

Er steht auf, während die meisten anderen noch in ihr warmes, gemütliches Bett gekuschelt sind und davon träumen, ein Held auf einem fremden Planeten in einer weit entfernten Galaxie zu sein. Selbst die Vögel sind noch still, nur vereinzelt öffnen sie müde ihre Äuglein und geben ein schwaches Krächzen von sich. Im Dunkeln verlässt er das Haus, ganz leise, um die Kinder des Ehepaars nebenan nicht zu wecken und macht sich mit einem dampfenden Kaffeebecher bewaffnet auf den Weg, Menschen zu retten. Hinter dem Nachbarhaus geht langsam die Sonne auf, sie taucht seinen schneeweißen Kittel in ein gleißendes Licht, hebt ihn aus seiner finsteren Umgebung heraus. „Wer ist dieser junge Mann?“, mag sich manch einer verwundert fragen.

Held oder kein Held

Die Rede ist von dem 26-jährigen Jan H., Assistenzarzt in Weiterbildung für Orthopädie und Unfallchirurgie.

„Ein Held bin ich aber nicht“, sagt er. „Ich erledige nur meinen Job. Helden sind für mich Ehrenamtliche, denn sie opfern wirklich etwas, um zu helfen.“

Ob Held oder kein Held – Jan beginnt jeden Morgen um 6.45 Uhr seine Arbeit. Er kommt auf die Station des Krankenhauses, verschafft sich einen ersten Überblick: Wie geht es den Patienten auf der Station? Gibt es Neuzugänge? Welche Untersuchungen, welche Operationen müssen heute durchgeführt werden?

Eine Stunde später, um 7.45 Uhr, trifft er sich mit den Oberärzten und dem Chefarzt, denn die erste Operation des Tages steht an. Während viele Leute um diese Uhrzeit noch gemütlich ihren ersten Kaffee schlürfen, um nicht über dem Frühstück wieder einzuschlafen und mit dem Gesicht in der Müslischale zu landen, muss Jan jetzt volle Konzentration zeigen. Er assistiert bei den Operationen und führt kleine Eingriffe selbst durch, immer unter den wachsamen Augen eines Oberarztes. Zwischen den Operationen bleibt kaum Zeit, um durchzuatmen. Jan muss Berichte schreiben, Blut abnehmen und nach seinen Patienten sehen.

Um 15 Uhr bespricht er mit seinen Kollegen die Operationen und Röntgenbilder, die an diesem Tag bisher gemacht worden sind und schaut sich den Operationsplan für den Folgetag an. Von Feierabend kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, denn zuerst muss auf der Station alles aufgeräumt werden. Dann folgen Gespräche mit den Angehörigen der Patienten.

„Jetzt stopft man sich meist auch das erste Mal was zu essen und trinken rein, außer man hatte Glück und hat es zwischen zwei Operationen zum Kiosk geschafft“, sagt Jan und lacht.

Feierabend mit Aussicht auf Wochenenddienst

Gegen 17.30 Uhr endet schließlich der Tag für ihn – und kurz bevor die Sonne wieder hinter dem Nachbarhaus verschwindet, erreicht auch er im angehenden Abendrot seine Wohnung. Für Jan besteht die Woche aber nicht nur aus fünf Arbeitstagen, er hat auch noch bis zu sechs zusätzliche Schichtdienste im Monat. Während seine Freunde also am Wochenende feiern gehen oder auf der Couch lümmeln, muss er entweder von 7 bis 19 Uhr oder von 19 bis 7 Uhr arbeiten.

Kein gesunder Lifestyle

Ich frage ihn, ob er manchmal das Gefühl habe, das Wohl seiner Mitmenschen über sein eigenes zu stellen.

„Ja, meine Kollegen und ich schmunzeln schon manchmal untereinander und sagen, dass das ja nun wirklich kein gesunder Lifestyle ist, den wir betreiben. Aber wir haben uns den Job ausgesucht und wir wussten, worauf wir uns einlassen.“

Viel Verantwortung

Medizin studieren wollte Jan schon immer. In die Orthopädie hat es ihn getrieben, weil er selbst viel Sport gemacht hatte und dadurch auch immer wieder mit Sportunfällen in Berührung kam. Durch die zusätzliche Ausbildung zum Facharzt für Unfallchirurgie kann Jan in Zukunft auch in der Notfallmedizin tätig sein und große Operationen durchführen. Angst, dabei etwas falsch zu machen habe er aber nicht, sagt er.

„Es gibt jedoch oft Vorfälle, bei denen nicht ganz klar ist, was für eine Operation am besten geeignet wäre und man hat großen Respekt davor, das entscheiden zu müssen. Aber dann muss man sich eben das nötige Know-how aneignen oder sich mit dem Oberarzt in Verbindung setzen. Unfälle mit Kindern finde ich allerdings immer besonders schlimm und man ist auch viel angespannter, wenn man ein Kind statt einen Erwachsenen operieren soll.“

Schattenseiten

Todesfälle gehören leider ebenfalls zum Berufsalltag eines Arztes. Die Schicksale der Patienten nehmen ihn teilweise sehr mit, verrät Jan. Von seinem schlimmsten Erlebnis berichtet er nur widerwillig, denn er denkt nicht gerne an den Tag zurück. Aber schließlich erzählt er doch, wie eine junge Mutter, die zusammen mit ihrem kleinen Kind in einen Unfall verwickelt war, zu ihnen ins Krankenhaus gebracht wurde. Das Kind verstarb noch in derselben Nacht. In den nur wenigen Minuten Frühvisite musste Jan der Mutter berichten, dass ihr Kind die Nacht nicht überlebt hat. Es sei furchtbar gewesen, sagt Jan, nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das Gefühl, die Situation aufgrund des streng getakteten Arbeitstages nicht adäquat betreuen zu können. Er hätte gerne mehr getan – und der Schmerz steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Ein Job, der die Strapazen wert ist

Dennoch liebt Jan seinen Job und kann sich nicht vorstellen, von einer anderen Tätigkeit so erfüllt zu werden wie von derjenigen eines Arztes.

„Ich arbeite in einem tollen Team, das macht einfach Spaß. Ich lerne jeden Tag dazu, es sind oft die kleinen Dinge, bei denen man merkt, dass der harte Job und die langen Arbeitszeiten es wert sind. Ein einfacher Dank des Patienten bei der Entlassung zum Beispiel.“

Und so steht er weiterhin jeden Morgen in aller Frühe auf, um für die Menschen da zu sein, die seine Hilfe brauchen. Auch wenn unser Jan behauptet, kein Held zu sein – für seine Patienten ist er es mit Sicherheit.

 

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/users/sasint-3639875/

Dittmar Rehmann, 52, ist Soldat und OP-Fachpfleger bei der Bundeswehr. Neunmal war er schon im Einsatz in Afghanistan, insgesamt arbeitet er seit 32 Jahren in seinem Beruf. Normalerweise leitet er verschiedenste Operationen im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm – im Einsatz besteht seine Arbeit darin, Krankenhäuser aufzubauen und die Verwundeten der internationalen Schutztruppe ISAF, sowie der afghanischen Armee und Polizei zu versorgen. Täglich operierte er dort auch afghanische Zivilisten, darunter besonders viele Kinder.

Durch seine Arbeit hat er Dinge erlebt und Umstände kennengelernt, die die meisten von uns sich nicht einmal vorstellen können. Menschen getroffen, die Unglaubliches leisten und dafür ihr eigenes Leben riskieren. Oder andere, die nie den Mut verloren haben, in Krankheit oder Krieg um ihr Leben zu kämpfen. Schon das macht ihn zu einem Experten für Helden. Zusätzlich hat er nicht nur viel gesehen, sondern sich auch intensiv mit dem Leben, friedlichem Miteinander und der Religion beziehungsweise dem Glauben auseinandergesetzt. Außerdem durfte er Angela Merkel schon die Hand schütteln.

Deswegen wird uns Dittmar heute drei Fragen zu seinem persönlichen Heldenbild beantworten.

1. Was macht für Sie einen Helden aus?

Ein Held ist für mich jemand, der nicht mit dem Strom schwimmt und unter Einschränkung seiner Bedürfnisse und seiner Unversehrtheit anderen zur Seite steht. Jemand, der moralische Werte auch gegen Widerstand behält und Respekt vor dem Leben in all seinen Facetten hat. Jemand, der seine Taten nicht für kommerzielle Machenschaften ausnutzt und keinen Profit daraus schlagen möchte. Wichtig ist, dass er seine Werte an seine Umgebung weitergibt und sie verbreitet. Er darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, sondern muss weiterhin als leuchtendes Beispiel vorangehen. Dazu noch Charaktereigenschaften wie Mut, Toleranz, Respekt und Demut – das alles in einen Mixer auf Stufe drei und dann wird das schon!

Auf ein konkretes Beispiel, wie meinen Einsatz in Afghanistan, bezogen, ist es schon etwas schwieriger: Du hast den Auftrag, etwas zu erkunden und kommst an einem Dorf vorbei, siehst, dass hier Hilfe benötigt wird und hilfst, obwohl du den Auftrag dadurch nicht in gefordertem Maße ausführst. Ich würde in diesem Fall helfen, da die Hilfe für mich höher angesiedelt ist. Das ist dann aber Ungehorsam und wird bestraft. Ein Held hat meistens zwei Seiten – für die einen gut und für die anderen schlecht.

2. Was denken Sie – wie und wann wird der Begriff Held falsch gebraucht?

Ich denke, das ist Ansichtssache. Für viele ist zum Beispiel Mario Götze ein Held, weil er bei der letzten Fußball-WM das Siegtor geschossen hat. Aber sind nicht die die wahren Helden, die unter widrigsten Bedingungen und schlechter Bezahlung diese WM-Stadien gebaut haben, wie zuletzt in Katar? Wo Arbeiter ausgenutzt werden, nur weil sie unbedingt das Geld benötigen, um ihre Familien zu ernähren – sind das nicht die wahren Helden?

Im Krieg da werden Helden geboren, so sagt man; der hat diese oder diese Schlacht entschieden. Aber das sind nicht meine Helden. Die haben getan, was ihnen befohlen wurde, und sind ohne Rücksicht auf das Leben über alles hinweggefegt. Die Frauen zuhause haben ohne ihre Männer, ohne Mittel, die Kinder groß gezogen und Deutschland wieder aufgebaut – wahre Heldentaten!

Der ausgerufene Held wird meist für kommerzielle Machenschaften genutzt. Ich glaube, dass viele dieser Helden nur sehr schwer mit ihrem Status umgehen können. Als Held musst du dem Druck der Öffentlichkeit standhalten, Erwartungen erfüllen und das Bild des Helden darstellen, oftmals gegen die eigene Überzeugung. Die wahren Helden stehen nicht in der Öffentlichkeit. In der heutigen Zeit wird das Heldentum ja rund um die Uhr gefördert: Schau dich um, wie viele virtuelle Kampfspiele jeden Tag gespielt werden. Die leben in einer anderen Welt; hier können sie Mut, Tapferkeit und Unverwundbarkeit verkörpern. Und wenn es nicht so läuft, wie sie es gerne hätten, dann wird einfach das Level geändert oder die Konsole ausgeschaltet – es hat keinerlei Konsequenzen. Das ist nicht echt. Im wahren Leben geht das nicht, da muss ich für mein Tun geradestehen.

Wie viel Mut muss ich aufbringen, mich in eine Gefahr zu begeben, um anderen zu helfen? Die Realität selektiert.

3. Wer ist Ihr persönlicher Held und warum?

Schwierig. Alle, die es uns möglich machen, in einem demokratischen Land zu leben, in dem wir unsere Meinung frei äußern dürfen, und unsere Grundrechte wahren.

Einen gibt es noch: Ich habe viel in der Bibel gelesen, im alten Testament. Dort gibt es Noah – der war zu seiner Zeit der einzige gottesfürchtige Mensch, mit seinen drei Söhnen. Er hat auf Gottes Anweisung hin, gegen alle, die Arche gebaut; ohne etwas zu wissen, einfach nur vertraut. Er ist gegen den Strom geschwommen und hat gegen jeglichen Widerstand angekämpft. Dafür ist er am Ende belohnt worden – er hat überlebt. Hierzu gehört sehr viel Mut und Tauglichkeit.

Und zu guter Letzt dann noch die Erfinder von Elektrizität, Antibiotika und natürlich der Erfinder der Spülmaschine!