Es ist eine Saga, die schon Jahrtausende alt ist, es jedoch bis ins 21. Jahrhundert überstanden hat: die des Donnergott Thor. Marvel hat es geschafft, die Figur Thor an unser heutiges Verständnis von Helden anzupassen und damit kommerziell sehr erfolgreich zu sein. Aus dem alten nordischen Gott wurde ein Superheld. Weiterlesen
Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch. Marie argumentiert: hochgelobt, aber kein Held.
Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch. In der ersten Folge geht es um Papst Franziskus. Jan Doria argumentiert: dieser Papst hat einen Traum.
Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch.
Ein junger Assistenzarzt berichtet von seinem Berufsalltag mit all seinen Schattenseiten. Lest hier, was er dennoch an seinem Job liebt. Außerdem: Warum er ein Held ist, aber behauptet, keiner zu sein.
Er steht auf, während die meisten anderen noch in ihr warmes, gemütliches Bett gekuschelt sind und davon träumen, ein Held auf einem fremden Planeten in einer weit entfernten Galaxie zu sein. Selbst die Vögel sind noch still, nur vereinzelt öffnen sie müde ihre Äuglein und geben ein schwaches Krächzen von sich. Im Dunkeln verlässt er das Haus, ganz leise, um die Kinder des Ehepaars nebenan nicht zu wecken und macht sich mit einem dampfenden Kaffeebecher bewaffnet auf den Weg, Menschen zu retten. Hinter dem Nachbarhaus geht langsam die Sonne auf, sie taucht seinen schneeweißen Kittel in ein gleißendes Licht, hebt ihn aus seiner finsteren Umgebung heraus. „Wer ist dieser junge Mann?“, mag sich manch einer verwundert fragen.
Held oder kein Held
Die Rede ist von dem 26-jährigen Jan H., Assistenzarzt in Weiterbildung für Orthopädie und Unfallchirurgie.
„Ein Held bin ich aber nicht“, sagt er. „Ich erledige nur meinen Job. Helden sind für mich Ehrenamtliche, denn sie opfern wirklich etwas, um zu helfen.“
Ob Held oder kein Held – Jan beginnt jeden Morgen um 6.45 Uhr seine Arbeit. Er kommt auf die Station des Krankenhauses, verschafft sich einen ersten Überblick: Wie geht es den Patienten auf der Station? Gibt es Neuzugänge? Welche Untersuchungen, welche Operationen müssen heute durchgeführt werden?
Eine Stunde später, um 7.45 Uhr, trifft er sich mit den Oberärzten und dem Chefarzt, denn die erste Operation des Tages steht an. Während viele Leute um diese Uhrzeit noch gemütlich ihren ersten Kaffee schlürfen, um nicht über dem Frühstück wieder einzuschlafen und mit dem Gesicht in der Müslischale zu landen, muss Jan jetzt volle Konzentration zeigen. Er assistiert bei den Operationen und führt kleine Eingriffe selbst durch, immer unter den wachsamen Augen eines Oberarztes. Zwischen den Operationen bleibt kaum Zeit, um durchzuatmen. Jan muss Berichte schreiben, Blut abnehmen und nach seinen Patienten sehen.
Um 15 Uhr bespricht er mit seinen Kollegen die Operationen und Röntgenbilder, die an diesem Tag bisher gemacht worden sind und schaut sich den Operationsplan für den Folgetag an. Von Feierabend kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, denn zuerst muss auf der Station alles aufgeräumt werden. Dann folgen Gespräche mit den Angehörigen der Patienten.
„Jetzt stopft man sich meist auch das erste Mal was zu essen und trinken rein, außer man hatte Glück und hat es zwischen zwei Operationen zum Kiosk geschafft“, sagt Jan und lacht.
Feierabend mit Aussicht auf Wochenenddienst
Gegen 17.30 Uhr endet schließlich der Tag für ihn – und kurz bevor die Sonne wieder hinter dem Nachbarhaus verschwindet, erreicht auch er im angehenden Abendrot seine Wohnung. Für Jan besteht die Woche aber nicht nur aus fünf Arbeitstagen, er hat auch noch bis zu sechs zusätzliche Schichtdienste im Monat. Während seine Freunde also am Wochenende feiern gehen oder auf der Couch lümmeln, muss er entweder von 7 bis 19 Uhr oder von 19 bis 7 Uhr arbeiten.
Kein gesunder Lifestyle
Ich frage ihn, ob er manchmal das Gefühl habe, das Wohl seiner Mitmenschen über sein eigenes zu stellen.
„Ja, meine Kollegen und ich schmunzeln schon manchmal untereinander und sagen, dass das ja nun wirklich kein gesunder Lifestyle ist, den wir betreiben. Aber wir haben uns den Job ausgesucht und wir wussten, worauf wir uns einlassen.“
Viel Verantwortung
Medizin studieren wollte Jan schon immer. In die Orthopädie hat es ihn getrieben, weil er selbst viel Sport gemacht hatte und dadurch auch immer wieder mit Sportunfällen in Berührung kam. Durch die zusätzliche Ausbildung zum Facharzt für Unfallchirurgie kann Jan in Zukunft auch in der Notfallmedizin tätig sein und große Operationen durchführen. Angst, dabei etwas falsch zu machen habe er aber nicht, sagt er.
„Es gibt jedoch oft Vorfälle, bei denen nicht ganz klar ist, was für eine Operation am besten geeignet wäre und man hat großen Respekt davor, das entscheiden zu müssen. Aber dann muss man sich eben das nötige Know-how aneignen oder sich mit dem Oberarzt in Verbindung setzen. Unfälle mit Kindern finde ich allerdings immer besonders schlimm und man ist auch viel angespannter, wenn man ein Kind statt einen Erwachsenen operieren soll.“
Schattenseiten
Todesfälle gehören leider ebenfalls zum Berufsalltag eines Arztes. Die Schicksale der Patienten nehmen ihn teilweise sehr mit, verrät Jan. Von seinem schlimmsten Erlebnis berichtet er nur widerwillig, denn er denkt nicht gerne an den Tag zurück. Aber schließlich erzählt er doch, wie eine junge Mutter, die zusammen mit ihrem kleinen Kind in einen Unfall verwickelt war, zu ihnen ins Krankenhaus gebracht wurde. Das Kind verstarb noch in derselben Nacht. In den nur wenigen Minuten Frühvisite musste Jan der Mutter berichten, dass ihr Kind die Nacht nicht überlebt hat. Es sei furchtbar gewesen, sagt Jan, nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das Gefühl, die Situation aufgrund des streng getakteten Arbeitstages nicht adäquat betreuen zu können. Er hätte gerne mehr getan – und der Schmerz steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Ein Job, der die Strapazen wert ist
Dennoch liebt Jan seinen Job und kann sich nicht vorstellen, von einer anderen Tätigkeit so erfüllt zu werden wie von derjenigen eines Arztes.
„Ich arbeite in einem tollen Team, das macht einfach Spaß. Ich lerne jeden Tag dazu, es sind oft die kleinen Dinge, bei denen man merkt, dass der harte Job und die langen Arbeitszeiten es wert sind. Ein einfacher Dank des Patienten bei der Entlassung zum Beispiel.“
Und so steht er weiterhin jeden Morgen in aller Frühe auf, um für die Menschen da zu sein, die seine Hilfe brauchen. Auch wenn unser Jan behauptet, kein Held zu sein – für seine Patienten ist er es mit Sicherheit.
Beitragsbild: https://pixabay.com/de/users/sasint-3639875/
Angst und Schrecken im Tabellenkeller – Das Abstiegsgespenst
Der Hamburger Sportverein e. V. (HSV) ist ein deutscher Fußball-Bundesligist, der ungefähr zur gleichen Zeit entstand, als in England H.P. Lovecraft, das Horrorgenre mit Geschichten über grausige Monster aus den Tiefen des Verstandes, revolutionierte. Ein solches Wesen sollte auch knapp 100 Jahre später den HSV heimsuchen.
Gegründet wurde der Hamburger Sportverein 1919 und durchlief in seiner langen Historie ruhmreiche Zeiten voller Erfolge, großer Titelsiege, steckte aber auch die ein oder andere herbe Niederlage ein. Jedoch gelang es dem HSV als einzige Mannschaft in Deutschland seit der Gründung der Bundesliga im Jahr 1963, bis ins Jahr 2018 am Erstliga-Betrieb teilzunehmen. Das kontinuierliche Bestehen der Hamburger in der ersten Liga brachte ihnen den Spitznamen „Dino“ ein. In ihrem Stadion prangt eine gigantische digitale Uhr, die die Minuten seit der Gründung der Bundesliga mitzählt und somit auch die beharrliche Anwesenheit des HSV in derselbigen.
Doch diese Saison schien etwas anders zu sein. Manch ein Gast des Hamburger Stadions berichtete von kalten Windzügen, seltsamen Geräuschen auf den Tribünen und schlotternden Knien auf dem Platz. Als würde sich ein Schatten über die Arena legen, beginnend, die ewige Uhr des HSV zu umhüllen. Es dauerte nicht lange bis eine Fotografie die Ursache des Phänomens einfangen und dadurch erklären konnte.

Das Abstiegsgespenst (Foto: wgbieber, Pixabay)
Das Abstiegsgespenst geistert durch die Medien
Im Mai 2018 stieg der Hamburger SV in die zweite Bundesliga ab. Noch bevor das letzte Saisonspiel ausgetragen worden war, wurde schon von mutmaßlich okkult-agierenden Journalist*innen ein in den Annalen der Bundesliga stets gefürchteter Antagonist beschworen: das Abstiegsgespenst. „Und plötzlich grüßt wieder das Abstiegsgespenst“, titelte Die Welt. Auf RTL-Radio ging ein Joachim-Löw-Imitator in Hamburg auf Abstiegsgespensterjagd. Auf Spox.com geisterte es schon länger durch die Berichterstattung. Der Kicker verpatzte die Beschwörung und verwechselte es mit den Geistern einiger Vereinsikonen aus einem längst vergangenen HSV-Vorfall in Malente. Auch Der Spiegel hatte seine Probleme und meinte noch im März 2018 eher den Teamgeist zu sehen anstelle des Abstiegsgespenstes. Doch hätte man sich in Hamburg nicht wundern sollen, als man das Gespenst um die Köpfe von Fans und Verantwortlichen huschen sah. Denn das ZDF hatte schon Wochen zuvor berichtet: „Stuttgart vertreibt das Abstiegsgespenst.“ Und irgendwo musste es ja hin.
Aber wo kam es her?
Zum ersten Mal erschien das Abstiegsgespenst in einer englischen Karikatur aus dem Jahr 1906. Zu sehen ist der Fußballer Alfred Common, der für eine damals furchteinflößende Summe von 1000. Pfund Sterling von Ligakonkurrent Middlesbrough zu Sunderland wechselte. Davor sollte wohl auch das Abstiegsgespenst Angst haben. Auf der Zeichnung schützt Common seinen neuen Verein, der in Form einer scheuen jungen Frau verkörpert wird, vor einem Gespenst, das die gefürchtete zweite Liga repräsentiert. Noch bis heute jagt den Fußballinteressierten das Gespenst auf dieselbe Art Angst ein. Es kommt schleichend und will einen hinab zerren in die chaotischen Tiefen der unteren Ligen. Wo das Fegefeuer sportlichen Misserfolges wartet und man droht, für immer seinen Platz an der Sonne zu verlieren. Tatsächlich verblieb Middlesbrough in der Premier League und konnte dem Spuk vorerst ein Ende setzen. Common war es dann auch, der den ersten Schritt des Exorzismus einleitete, als er direkt bei seinem Debüt einen unscheinbaren Elfmeter in einen 1:0-Siegtreffer verwandelte. Das effektivste Gegenmittel bei Abstiegsgespensterbefall.

„Who you gonna call?“ Alfred Common! (Foto: Wikipedia,COM:TAG {{PD-US}})
Fußball und das Spirituelle
Doch existiert das Abstiegsgespenst nicht nur als Hirngespinst geistreicher Journalist*innen. Denn was das Übernatürliche betrifft, ist das Abstiegsgespenst im Fußball in guter Gesellschaft. Fußball wird von Kulturwissenschaftlern*innen und Philosophen*innen schon länger als Art der Ersatzreligion oder Zusatzreligion angesehen und strotzt nur so vor Heiligen, Fußballgöttern und Geistern. Der australische Soziologe Harry Edwards („Sociology of Sport“, 1973) spricht gar davon, Fußball als Super-Religion zu bezeichnen. Ob Fußball Religion ist, steht natürlich zur Diskussion. Aber genau wie Jagd, Krieg, Bürokratie oder auch Formen des Musikkonsums, so kann auch Fußball als Kult beschrieben werden. Der Schritt vom Kult zur Religion ist dann wiederum ein kurzer. Versteht man Religion als die Öffnung einer transzendentalen Welt und Möglichkeit zur Suche nach Bedeutung und Sinn, dann erfüllt der Fußball eigentlich alle Kriterien.
Er öffnet damit aber auch seinen Anhänger*innen die Tür zu einer Geisterwelt. Mal treten die Geister verstorbener Vereinshelden hindurch und setzen sich jungen Spieler*innen belastend auf die Schultern. Oft werden Geister bewusst beschworen zur Unterstützung der eigenen Mannschaft oder zum Leid der gegnerischen. Gerne wird der Fußball aber auch von den Geistern heimgesucht, die er selber gerufen hat. Beispielsweise in Form von geldgierigen Spielerberater*innen und aggressiven Poltergeistern, die auf den Tribünen schwarz vermummt ganze Stadien in dunkle Rauchschwaden einhüllen. Legenden zufolge sind die dunklen Poltergeister meist Vorboten des Abstiegsgespensts. Wo sie gesehen werden folgen meist schon wenig später die ersten Fans, die verkleidet vor der Ankunft des eigentlichen Gespenstes warnen. So entpuppt sich das Abstiegsgespenst am Ende als die Manifestation der eigenen Angst der Fußballfans. Aber wie schon H.P. Lovecraft sagte: „Selbst bei den größten Ungeheuerlichkeiten ist die Ironie selten abwesend.“
Mit Beschwörungsformeln und Gebeten Dämonen aus Besessenen verjagen: Es klingt wie ein längst vergessener religiöser Ritus. Dabei ist der Exorzismus weltweit verbreitet. Auch in Deutschland treiben Priester noch immer den Teufel aus.
Die junge Frau redet mit sich selbst, schlägt um sich und ist bald nicht mehr zu bändigen. Ihre Familie ist sich sicher: Die Südkoreanerin ist vom Teufel besessen. Fünf Verwandte, Mitglieder einer christlich-fundamentalistischen Sekte, fesseln sie schließlich ans Bett, stopfen ihr ein Handtuch in den Mund und prügeln über Stunden auf ihren Brustkorb ein. Sie sind überzeugt davon, ihr mit einem Exorzismus den Dämon austreiben zu können. Dieser Fall hat sich nicht etwa im düsteren Mittelalter ereignet, sondern in Zimmer 433 eines Frankfurter Luxushotels. Am Ende dieses Tages im Dezember 2015 ist die Südkoreanerin tot, erstickt. Die Polizei findet ihre Leiche im Bett: mit einem Kleiderbügel im Rachen, von Hämatomen übersät. Ihre fünf Verwandten, darunter ihr 15 Jahre alter Sohn, werden festgenommen.
Auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert glauben weltweit Menschen daran, von Dämonen besessen zu sein, und hoffen auf Erlösung durch eine Teufelsaustreibung, vor allem in Mittel- und Lateinamerika. Dort seien der Dämonenglaube und Exorzismen feste Bestandteile des Glaubens, sagt der Historiker und Autor Bernd Harder von der „Gesellschaft für die wissenschaftliche Untersuchung der Parawissenschaften“ im Gespräch mit diesem Blog. Harder beschäftigt sich seit Jahren mit der Teufelsaustreibung in der heutigen Zeit.
Exorzismus ist weltweit verbreitet
Exorzisten versuchen in Ritualen und durch Gebete, mit dem Dämon Verbindung aufzunehmen und ihn dazu zu bewegen, die „Besessenen“ zu verlassen. Gerade in fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften wie den evangelikalen Freikirchen, das zeigt das Beispiel des eskalierten Exorzismus in Frankfurt, spielt Gewalt bei den Ritualen oft eine Rolle. Zu manchen Riten gehöre es, dass auf die Betroffenen eingeschlagen werde, erklärt Bernd Harder. Manchmal zeigen die Geplagten aber auch starke körperliche Reaktionen auf den Exorzismus, sodass sie der Teufelsaustreiber festhalten und fixieren muss. Das könne fatale Folgen haben, sagt der Exorzismus-Experte. Das Ritual bestätige das Opfer in seiner Rolle als „Besessene“ oder „Besessener“: „Der Betroffene wird immer weiter aufgestachelt, das Verhalten zu zeigen, was die Exorzisten und Gläubige erwarten.“ Dadurch erreiche man das Gegenteil von dem, was angestrebt werde, glaubt Harder: „Die psychischen Symptome verstärken sich, dem Betroffenen geht es immer schlechter.“
Nicht nur in christlich-fundamentalistischen Sekten, sondern auch im Katholizismus gehört die Teufelsaustreibung zum religiösen Alltag. Dort ist der Exorzismus seit dem Mittelalter bekannt, als sich der Volksglaube an Dämonen, Geister und Teufel ausbreitete. 1614 führte die Katholische Kirche den Exorzismus offiziell ein. Im „Rituale Romanum“, einem liturgischen Kirchenbuch, schrieb der Vatikan vor, wie ein Exorzismus durchzuführen sei. Der Priester betet: „Ich befehle dir im Namen unseres Herrn Jesus Christus, verlasse den Körper, den (sic!) du dich bemächtigt hast.“ Die Betroffenen werden dem Ritual nach mit Weihwasser besprengt, es werden verschiedene Psalmen vorgelesen, das Glaubensbekenntnis gebetet, das Kreuz gezeigt und die Hand aufgelegt. Danach seien die Gläubigen vom Bösen befreit, glaubte man. Historiker Harder sagt:
„Im Mittelalter hatte das Böse ein klares Gesicht: Satan oder Teufel.“
Eine einfache Variante, mit dem abstrakten Bösen in der Welt umzugehen: Die Menschen zentrierten es in einem Dämon, den man nur austreiben müsse, um das Unheil abzuwenden. Durch Bibelverse wie „Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus“ sahen sich Exorzist*innen legitimiert, geradezu dazu aufgerufen, Teufelsaustreibungen vorzunehmen. Und das bis heute.
Die Katholische Kirche hält an Exorzismus fest
2014 erkannte der Vatikan die in etwa 30 Ländern vertretene internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) offiziell als private rechtsfähige Gesellschaft an. Zur Organisation gehören rund 250 Teufelsaustreiber*innen, die jährlich etwa 30.000 Mal zum Einsatz kommen. Der AIE-Vorsitzende Francesco Bamonte begrüßte die Entscheidung der Kirche – und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass nun mehr Priester der „oft ausgeblendeten oder unterschätzten dramatischen Situation“ besessener Menschen Beachtung schenkten. Der Exorzismus sei eine Form der Nächstenliebe. Harder vermutet einen weiteren Grund dafür, dass die Kirche noch immer an dieser aus der Zeit gefallenen Praxis festhält. Der Exorzismus soll als indirekter Gottesbeweis fungieren: Wenn es den Teufel gebe, dann müsse es folglich auch Gott geben, so der Historiker. „Der Exorzismus ist quasi die letzte Bastion des Übernatürlichen.“
Auch wenn sich die Katholische Kirche in Deutschland darüber ausschweigt, treiben Priester auch hierzulande immer wieder Gläubigen den Teufel aus. Der Bayerische Rundfunk hat bereits 2008 aufgedeckt, dass im Auftrag der Katholischen Kirche fast täglich Exorzismen durchgeführt werden. Der Sprecher des Erzbistums Paderborn, Ägidius Engel, bestätigte schließlich der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Kirche „seelisch höchst notleidende(n) Menschen“ mit einer „Liturgie der Befreiung“ helfe. Es sei dann „die Pflicht des Bischof“, Exorzist*innen zu beauftragen. Weitere Stellungnahmen dazu sind von den deutschen Bistümern kaum zu erhalten. In anderen Ländern ist es deutlich einfacher, kirchliche Exorzist*innen zu finden. Vielerorts wird aus dieser Praxis keinen Hehl gemacht. In Großbritannien etwa ist in jeder Diözese ein Priester als Exorzist angestellt. In Österreich nennen sich Priester, die mit dem Exorzismus beauftragt sind, euphemistisch „Beauftragte im Befreiungsdienst“.
Hunderte bitten jährlich um einen Exorzismus
Offiziell haben von den 27 deutschen Bistümern nur noch sieben Exorzisten in ihren Reihen. Die Nachfrage aber ist hierzulande groß: Jährlich erhalte die Katholische Kirche hunderte Anfragen von Menschen, die überzeugt davon sind, von Dämonen besessen zu sein und auf Erlösung durch Exorzist*innen hoffen. Das bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage. Woran liegt das? Bernd Harder hat eine Vermutung:
„Für Betroffene ist ihre Besessenheit eine einfache Antwort auf komplexe Probleme.“
Mit tieferen Ursachen, etwa Angststörungen, psychischen Erkrankungen oder Süchten, müssten sie sich dann nicht mehr auseinandersetzen. Oftmals seien solche Menschen in psychiatrischer Behandlung besser aufgehoben als in den Händen der Teufelsaustreiber*innen. „Gesucht wird aber häufig eine Instant-Heilung durch einen Exorzisten, ohne anstrengende Therapie“, erklärt Historiker Harder.
Der tragische Tod der Anneliese Michel
Das erhoffte sich wohl auch Anneliese Michel. Sie suchte Erlösung im Exorzismus – und fand den Tod. Der Fall der 23 Jahre alten Pädagogik-Studentin sorgte 1976 weltweit für Aufsehen. Die Frau aus dem unterfränkischen Klingenberg litt jahrelang unter epileptischen Anfällen, trotz der Medikamente, die sie dagegen einnahm. Obwohl sie klare Symptome einer Schizophrenie zeigte, kam sie nie in psychiatrische Behandlung, sondern zur Teufelsaustreibung. Zwei katholische Priester mühten sich über Monate ab, ihren vermeintlichen Dämon zu verjagen. Dass die junge Frau bald keine Nahrung mehr zu sich nahm, blendeten die Priester aus. Nach insgesamt 67 Exorzismen starb Anneliese Michel im Beisein ihrer Eltern, nur noch 31 Kilogramm schwer, an Unterernährung und einer Lungenentzündung.
Der Fall Michel inspirierte auch das Psychodrama „Requiem“ aus dem Jahr 2006. Und er löste einen Skandal aus, der die Katholische Kirche in Deutschland erschütterte. Möglicherweise ein Grund, warum die deutschen Bistümer das Thema heute tabuisieren, meint Bernd Harder. Die Kirche zog allerdings Lehren aus diesem Fall. Der Vatikan überarbeitete 1999 sein jahrhundertealtes Regelwerk. Seither darf der Exorzismus nur mit besonderer und ausdrücklicher Erlaubnis des jeweiligen Ortsbischofs angewendet werden. Und das auch nur, wenn Suchterkrankungen und psychische Störungen zuvor in einer medizinischen Untersuchung ausgeschlossen worden sind.
Vier der fünf Südkoreaner*innen kamen mit Bewährungsstrafen davon
Der heute durchgeführte Exorzismus der Katholischen Kirche habe also nichts mehr mit den Praktiken im Fall Michel oder brutalen Filmklischees wie etwa in „Der Exorzist“ zu tun, so Bernd Harder. Das Ritual bestehe vielmehr aus Gebeten und der Bitte um Befreiung vom Bösen, wie es etwa schon im „Vater Unser“ zum Ausdruck komme. Kirchensprecher Ägidius Engel versicherte der „Süddeutschen Zeitung“: Ein Exorzismus werde erst vollzogen, wenn Fachleute bescheinigten, dass „da eigentlich nur noch der liebe Gott helfen könne.“
Davon überzeugt, dass nur noch ein Exorzismus die Rettung sei, waren auch die fünf Südkoreaner*innen aus Frankfurt. Vier Verwandte der getöteten jungen Frau kamen mit Bewährungsstrafen davon, eine Cousine wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Das Gericht glaubte ihnen, dass sie das Opfer nicht töten wollten, sondern in dem festen Glauben handelten, der Frau zu helfen.
Die Geschichte über den kopflosen Reiter, der das Dorf Sleepy Hollow in Angst und Schrecken versetzt, kennen die meisten vor allem durch die Verfilmung von Tim Burtons „Sleepy Hollow“ aus dem Jahre 1999. Nur ein Jahr später gewann der Film den Oscar für das „Beste Szenenbild“. Der Gruselstreifen ist dabei nicht nur einer der bislang besten Inszenierungen des Regisseurs, die ursprüngliche Handlung stammt auch noch von einer deutschen Legende aus den früheren Jahrhunderten. Doch was genau steckt hinter der Spukgeschichte wirklich? Wer war der kopflose Reiter? Und wo beginnt der Ursprung der Sage?
Die moderne Adaption von „Sleepy Hollow“
Schauen wir uns zunächst einmal die moderne Umsetzung der Geschichte des kopflosen Reiters an. In Burtons „Sleepy Hollow“ geht es um den Polizisten Ichabod Crane aus New York, der 1799 in das Dorf Sleepy Hollow kommt. Dort soll er geheimnisvolle Morde aufklären, bei denen ein geisterhafter Mann ohne Kopf sein Unwesen treibt und die Bewohner*innen des Ortes umbringt, indem er ihnen die Köpfe abschlägt. Ein Gerücht besagt, dass es sich bei dem Serienkiller um einen getöteten und enthaupteten hessischen Söldner handelt, der nun wieder zum Leben erwacht sei. Crane jedoch weigert sich, an das Übernatürliche zu glauben und sucht – gemeinsam mit der schönen Katrina van Tassel und dem jungen Masbath – nach einer logischen Erklärung für die seltsamen Vorfälle. Als er jedoch selbst Zeuge dieser abscheulichen Taten wird und den geisterhaften Reiter in Aktion erlebt, verschwindet sein Widerstand des Leugnens und er akzeptiert das Unausweichliche: Der Geist existiert wirklich. Um ihn aufzuhalten, begibt sich Crane auf die Suche nach dem Grab des Söldners. Er ist überzeugt, dass derjenige, der den Schädel besitzt, auch die Macht über den kopflosen Reiter hat. Dieser, so vermutet Crane, wird dagegen solange weitermorden, bis er seinen Kopf wieder in seinem Besitz hat.
Burtons Adaption basiert auf der Novelle „The Legend of Sleepy Hollow“ (dt.: „Die Sage von der schläfrigen Schlucht“) des Schriftstellers Washington Irving von 1820. Die Erzählung über den geisterhaften Reiter ohne Kopf ist als eine der ersten und populärsten Kurzgeschichten in der amerikanischen Literatur bekannt. Allerdings gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten zum Film. Zwar herrscht auch hier das Gerücht von dem Kopflosen, der als Geist eines
verstorbenen hessischen Soldaten sein Unwesen treibt und beim Kampf seinen Kopf durch eine Kanonenkugel verlor. Ebenso soll er sich – wie in der Filmversion – jede Nacht aus seinem Grabe heraus bemühen und sich auf die Suche nach seinem verlorenen Kopf machen. Doch da hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Die Figur des Ichabod Cranes, im Film dargestellt von Johnny Depp, spielt in Irvings Geschichte ebenfalls eine zentrale Rolle. Allerdings ist Cranes hier kein Polizist, sondern ein Schulmeister, der die Kinder aus dem Dorf unterrichtet und sich in die schöne Tochter des reichen Geschäftsmanns van Tassel verliebt, wenn auch mehr des Geldes als der Liebe wegen. Nach einer Abfuhr seitens der jungen Frau wird Crane auf dem Heimweg von einem unbekannten Reiter verfolgt, der scheinbar seinen Kopf vor sich auf dem Schoß transportiert. Der Geist packt den Kopf und wirft ihn auf Crane. Am nächsten Tag scheint Crane verschwunden und wurde nicht mehr gesehen. Lediglich ein Kürbis blieb am Ort des Geschehens zurück.
Wo liegt der Ursprung der Sage begraben?
Die Erzählung über den kopflosen Reiter ist jedoch nicht erst seit Irvings Novelle bekannt. Bereits der deutsche Schriftsteller und Literaturkritiker Johann Karl August Musäus behandelte in seiner Sammlung „Volksmärchen der Deutschen“ (1782-1786) die Geschichte einer Gestalt, die ihren Kopf nicht wie üblich auf den Schultern, sondern vor sich auf dem Schoß trägt.
Man nimmt an, dass Irving die Geschichte des geisterhaften Reiters ohne Kopf auf seiner Reise an den Rhein 1806 bis 1809 zu hören bekam. Somit stammt der Ursprung der Sage tatsächlich aus Deutschland – genauer genommen aus dem Rheingebiet in Westdeutschland. Damals erzählte man sich, dass die kopflosen Reiter zur nächtlichen Stunde erscheinen und Menschen mit ihrer bloßen Berührung töten können. Die Geister sind demnach keine materiallosen Gestalten, sondern besitzen eine vollständige Körperlichkeit. Außerdem töten sie mit ihrer bloßen Berührung, und nicht, wie im Film, durch das Enthaupten.
Sünder als untote Wiedergänger
Im Rheinland ging man damals davon aus, dass es sich bei den kopflosen Geisterreitern um Menschen handelte, die zu ihren Lebzeiten eine Sünde begangen hätten und nun für ihre Taten büßen müssten. So waren sie entweder Selbstmörder, deren Leichen geköpft wurden und deren Köpfe an einem ungeweihten Ort wie beispielsweise einer Wegkreuzung vergraben wurden. Oder sie machten sich des Grenzsteinversetzens schuldig. Dabei versetzte man den Grenzstein in das benachbarte Grundstück hinein, um sein eigenes Land zu vergrößern. Als Strafe durften die Geschädigten die Schuldigen jeweils bis zum Hals vergraben und mit dem Pflug solange über deren Köpfe fahren, bis von diesen nichts mehr übrig blieb.
Aufgrund der Auffassung, der untote Wiedergänger sei ein Sünder, konnte dieser auch wieder erlöst werden. Dafür musste ein Gebet gesprochen werden, bei dem Gott oder Christus namentlich genannt wurde. Der kopflose Reiter soll sich daraufhin verwandeln, sich in einem weißen Leichentuch wiederfinden und sich bei seinen Erlöser*innen bedanken.
Der kopflose Reiter als Warnung
In vielen Erzählungen, in denen der kopflose Reiter erscheint, fungiert er als Warnfigur. In den meisten Fällen greift er nicht an, sondern erschreckt lediglich die armen Betrachter*innen, denen er sich zu erkennen gibt. So taucht er beispielsweise dann auf, wenn Menschen gerade etwas Unrühmliches planen wie in etwa das Versetzen des Grenzsteines ihrer Nachbar*innen. Der geisterhafte Reiter tritt dabei als warnendes Beispiel auf und hält die Personen davon ab, die Straftat zu vollziehen. Oft gilt die Geistergestalt auch als Todes-Omen und kündigt den Tod derjenigen an, denen er erscheint.
Auch in Burtons Horrorfilm dient das Erscheinen des kopflosen Reiters als Indiz für einen baldigen Todes- bzw. Mordfall, weshalb sich die Bewohner *innen von Sleepy Hollow kaum noch vor ihre Häuser trauen. Das Motiv, das hinter diesen ganzen Anschlägen steckt, ist jedoch weitaus verzwickter, als es sich Irving oder Musäus womöglich je ausgedacht hätten.
Berge und Vulkane faszinieren uns Menschen seit eh und je. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Art, sondern sind auch geprägt von verschiedenen Geschichten, die uns sowohl eine wissenschaftliche als auch eine religions- und kulturgeschichtliche Perspektive auf sie eröffnen. Durch diese Perspektive erfahren wir Berge und Vulkane als Entstehungsorte für Bräuche, die bis heute standhalten oder als Wohnorte von Göttern, Geistern und Ahnen.
Heutzutage kann die Entstehung der meisten Berge und Vulkane wissenschaftlich erklärt werden. Sie sind größtenteils eine Folge der Verschiebungen von kontinentalen und ozeanischen Platten. Trotzdem sind sie nicht vollständig erforscht und bergen somit noch viele Geheimnisse.
„Der Benbow ist ein Geist.“
Die Fotojournalistin und Dokumentarfilmerin Ulla Lohmann interessiert sich besonders für die Erforschung des Vulkans Benbow auf der Insel Ambrym in Vanuatu. In ihrem Buch „Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde“ berichtet sie davon, wie sie es schafft auf die dritte Terrasse des Vulkans zu gelangen und welche Rolle neben ihren wissenschaftlichen Kenntnissen über Vulkane, die mythologischen Vorstellungen der Einheimischen spielen. So trifft sie beispielsweise auf ZakZak, den Hüter des Vulkans, der ihr erklärt: „Der Benbow ist ein Geist. Der Vulkan ist lebendig. Du musst ihn immer ehren und respektieren, wie einen Menschen.“
Gunung Agung ‒ Zentrum des Universums
Auf der Insel Bali gibt es ebenfalls Vulkane, die einen mythologischen Hintergrund haben. Laut der balinesischen Schöpfungsmythologie erschufen göttliche Wesen die Insel, indem sie die Schildkröte Bedawang in den Ozean setzten. Auf ihrem Rücken wuchsen Pflanzen, entstanden Flüsse und Seen, Berge und Täler. Die Götter verbannten Dämonen und böse Geister im tiefen Meer (Unterwelt). Sie selbst ließen sich in den Vulkanen und hohen Bergen nieder (himmlische Sphäre).
Der mit 3.142 Metern höchste Vulkan Balis namens Gunung Agung, übersetzt „Hoher Berg“, wird von den Einheimischen als Zentrum des Universums gesehen. Daher gilt er als besonders heilig. Am Hang des Gunung Agung befinden sich heilige Schreine und Tempel, an denen die Bewohner*innen die Götter und Geister der Ahnen verehren.
Im Jahr 1963 explodierte der Vulkan und zerstörte mit seiner austretenden Lava mehrere Dörfer. Bei der Katastrophe starben auch tausende Menschen. Dies passierte zu der Zeit als das sogenannte Eka Dasa Rudra Fest vorbereitetet wurde. Das Fest findet alle 100 Jahre statt und sorgt für die symbolische Reinigung des Universums. Viele Balines*innen vermuten, dass es falsch terminiert wurde und die Götter unzufrieden stimmte, woraufhin sie die Naturkatastrophe auslösten.
Wissenschaftler*innen hingegen sehen einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Vulkans und der Lage Balis. Die Insel befindet sich in einer geologisch instabilen Region, nämlich im Pazifischen Feuerring. Hier kollidiert die australische mit der eurasischen Kontinentalplatte und trägt damit zum aktiven Verhalten einiger Vulkane bei.
Der heilige Ort Ambondrombe
Etwas harmloser scheinen Berge zu sein und doch können auch sie Ehrfurcht im Menschen erwecken. Dazu gehört der Berg namens Ambondrombe, im Südosten der Insel Madagaskar liegend. Für die Einheimischen ist er ein heiliger Ort, der als Wohnstätte der Seelen königlicher Ahnen und Geister dient. Die Bewohner*innen des naheliegenden Dorfes Ambohimahamasina bezeichnen sich selbst als „Bewohner*innen der Geister“. Vor geraumer Zeit trauten sich die Madagass*innen nicht in die Nähe des Berges, da sie donnerähnliche Geräusche in seiner Umgebung wahrnahmen. G. A. Shaw, ein englischer Missionar des 19. Jahrhunderts, stellte bei der Besteigung des Berges fest, dass die Geräusche von einem Wind, der durch eine Engstelle des Berges zieht, erzeugt wird. Jedoch ist in der Nähe des Geräusches kein Luftzug spürbar. Aus diesem Grund bezeichnete Shaw den Wind als großen Geistererwecker. Für die Einheimischen sind diese Geräusche ein Zeichen dafür, dass die Ahnen und Geister nicht gestört werden möchten. Bei Tag und Nacht, so erzählen sie sich, kann man sogar Gestalten inmitten des Waldes des Ambondrombe erkennen. Wenn man sich ihnen nähert, verschwinden sie.
Der Brocken – Ort von Hexen und Brockengespenstern
Während der Glaube an mystische Gestalten auf Madagaskar oder Bali fester Bestandteil der Kultur ist, werden solche Vorstellungen in Deutschland kaum noch ernsthaft vertreten. Grund dafür könnte die Ablösung von ethnischen Religionen durch neuere religiöse Bewegungen, wie dem Christentum, sein und/oder der Einzug wissenschaftlicher Erklärungen für bestimmte Naturphänomene. Der Brocken, ein Berg im Mittelgebirge Harz in Deutschland, ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass sich Mythen verändern und trotzdem noch in dem ein oder anderen Brauch niederschlagen können.
Seit Jahrhunderten gilt der Brocken als Versammlungsort von Hexen und bösen Geistern. Er wird häufig auch als Blocksberg bezeichnet, was so viel wie Hexentanzplatz heißt. Auch außerhalb Deutschlands wird dieser Begriff zur Bezeichnung solcher Berge verwendet. Den mittelalterlichen Vorstellungen nach, fliegen die Hexen auf Gegenständen des alltäglichen Lebens wie Besen, Heugabeln und Hüten aber auch auf Tieren wie Ziegen, Wölfen und Katzen auf den Blocksberg. In der Walpurgisnacht ‒ heute auch „Tanz in den Mai“ genannt ‒ feiern sie ausgiebig. Der Name Walpurgisnacht lässt sich von der heiligen Walburga ableiten, die im Christentum als Schutzpatronin gesehen wird und die bösen Geister vertreiben soll. Der Brauch ist jedoch germanischen Ursprungs und geht damit weit in die vorchristliche Zeit zurück. Sie feierten in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai den Frühlingsbeginn ‒ verkleidet und um ein Feuer tanzend. Ihre Absicht war es die bösen Geister des Winters zu vertreiben.
Doch nicht nur in der Walpurgisnacht nahmen die Menschen ungewöhnliche Erscheinungen wahr. Bei aufkommendem Nebel und Sonnenuntergang, zeigte sich das Brockengespenst in Form eines riesigen Menschen am Horizont. Früher jagte es den Menschen Angst ein, nicht zuletzt, weil es sich bewegte. Heute ist es als Naturphänomen bekannt, das entsteht, wenn der Schatten des Beobachters auf eine Nebel- oder Wolkenwand trifft.
Mythologie oder Wissenschaft?
Was die aufgeführten Berge und Vulkane miteinander gemein haben ist, dass sie einen wichtigen Teil verschiedener Kulturen darstellen. Sie stehen oft im Zentrum religiöser Vorstellungen und spielen in den Mythen der umwohnenden Menschen eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig sind sie auch für Menschen von Interesse, die anhand der Berge und Vulkane versuchen Naturphänomene besser zu verstehen. Für Ulla Lohmann, die sich bei der Erforschung des Benbow auf seine Mythologie eingelassen hat, ohne jedoch die wissenschaftliche Perspektive auszublenden, ist klar: „Ein Vulkan ist nicht nur durch Mythologie, sondern auch durch Wissenschaft erklärbar.“
Quellen:
- Dusik, Roland (2005): Bali. Java. Lombok. Ostfildern, DuMont Reiseverlag.
- Graz, Karl (2017): Mythos Berg. Lexikon der weltweit bedeutendsten Berge. myMorawa von Moraga Lesezirkel GmbH.
- Lohmann, Ulla (2017): Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Wals bei Salzburg, Benevento Publishing.
- http://www.vulkane.net/vulkane/agung/gunung-agung.html
- https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/walpurgisnacht20160430/
Lockig, glatt, kraus, geschmeidig, dick, dünn, glänzend, stumpf. Jeder Mensch hat andere Haare und viele hätten gerne genau das Gegenteil von dem, was sie von Natur aus haben. Aber warum sind unsere Haarstrukturen überhaupt so unterschiedlich? Warum haben manche glattes Haar, andere dagegen eine krause Lockenmähne? Woher kommen diese Unterschiede?
„Alle sieben Jahr’ wechselt Haut und Haar“ heißt es im Volksmund. Das würde bedeuten, dass sich unsere Haarstruktur alle sieben Jahre verändert und manch einem mag das tatsächlich auch so vorkommen. Als Kind hatte man lange, glatte Haare und in der Pubertät sind aus den weichen Kinderhaaren widerspenstige Locken geworden. Ebenso gibt es den umgekehrten Fall: Als Kind hatte man eine dicke, wilde Mähne und mittlerweile versucht man verzweifelt, Volumen in die platten Haare zu bekommen.
Aber stimmt die Faustregel, dass sich unsere Haarstruktur regelmäßig komplett erneuert? Dann gäbe es ja für einige von uns noch Hoffnung. Dr. Frank-Matthias Schaart, Facharzt für Dermatologie, glaubt nicht an die alte Volksweisheit: „Es gibt in der Regel drei Abschnitte im Leben eines Menschen, in denen die Haare möglichen Änderungen unterliegen können. Diese Phasen sind die Pubertät, die Wechseljahre und dann noch einmal das fortgeschrittene Alter zwischen Mitte und Anfang siebzig. In diesen Zeiträumen können die Haare sich verändern und ausdünnen.“ Bedeutet diese Aussage, dass alle, die mit ihren Haaren unzufrieden sind jetzt Pech gehabt haben und für immer auf Hilfsmittel wie Glätteisen oder Volumensprays zurückgreifen müssen?
Aufbau der Haare
Um nun dem Geheimnis der menschlichen Haarstruktur näher auf den Grund zu gehen, muss man zunächst einmal verstehen, wie ein Haar aufgebaut ist.

Aufbau eines Haares

Innere Struktur eines Haares
Ein einzelnes Haar setzt sich aus drei Komponenten zusammen: der Haarwurzel, der Haarzwiebel und dem Haarschaft. Die Haarwurzel (auch Haarfollikel genannt) liegt in der Haarzwiebel, die an der Kopfhaut befestigt ist. Die Haarwurzel ist neben dem Wachstum der Haare auch für die Farbgebung zuständig. Aus ihr heraus ragt der Haarschaft, das sichtbare Haar.
Dieser Haarschaft ist nun der Teil, in dem sich unsere Haarstruktur zeigt. Die Faserzelle ist der innere Teil des Schaftes. Sie bestimmt je nach Aufbau und Gesundheit die Elastizität und die Reißfestigkeit der Haare und besteht hauptsächlich aus Keratin. Von außen legt sich eine dünne, durchsichtige Schuppenschicht um die Faserzelle herum. Ist das Haar gesund, liegt die Schuppenschicht eng und glatt um das Innere des Haars. Bei strapazierten oder beschädigten Haaren ist die Schuppenschicht aufgefasert und das Haar wirkt glanzlos und spröde.
Warum haben wir Locken oder glattes Haar?
Ob glatt, lockig, weich oder kraus, das bestimmen unsere Haarwurzeln. Sie können auf unterschiedliche Arten geformt sein. Ist die Wurzel rund, so haben die daraus sprießenden Haare eine glatte Oberfläche. Ist die Wurzel aber oval geformt, entstehen Locken. Diese Form der Haarwurzel ist genetisch bedingt, wobei Locken dominant sind. Hat also ein Elternteil Locken, so ist es wahrscheinlich, dass auch das Kind eine eher lockige Haarstruktur hat.

Mögliche Formen der Haarwurzel
Besteht noch Hoffnung?
Leider haben wir wenig Einfluss darauf, welche Struktur unsere Haare haben. Durch die unterschiedliche evolutionäre Entwicklung der Haarstrukturen und den genetischen Code ist die Grundstruktur unserer Haare vorgegeben. Was wir beeinflussen können, sind Dinge wie gesundes Aussehen, Glanz und Elastizität der Haare. Dr. Frank-Matthias Schaart ist zudem der Meinung, dass sich die Haarstruktur im Laufe des Lebens aus ganz unterschiedlichen Gründen ändern kann. Diese Gründe können sowohl hormoneller als auch genetischer Natur sein, oder sie basieren auf veränderter Ernährung oder entsprechender Pflege.
Manche Menschen haben also einfach Glück und sind zufrieden mit den Haaren, die sie von Natur aus haben. Andere sind mit ihrer Mähne nicht so glücklich und greifen zu teils drastischen Mitteln, um ihre Haare in die Form zu zwingen, die ihnen gefällt.
Ich zähle zu der letzteren Gruppe. In meinem nächsten Blogeintrag werde ich euch deshalb von meiner speziellen „Problematik“ erzählen.