Welche Personen sind überhaupt Helden? Diese Frage klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer. Die „Umstrittene Helden“-Serie des Heldenblogs wagt einen Antwortversuch.

„Im Grunde genommen sollte es Grundlage jedweder Außenpolitik sein, den jeweils anderen zu verstehen.“
Dies war die Antwort von Oskar Lafontaine (Die Linke) in der Sendung  „Anne Will“ zum Vorwurf des „Putinverstehers“.

Hmm, da würde ich eigentlich uneingeschränkt zustimmen, ihr nicht? Natürlich kennen wir die Berichterstattung in unseren Medien, die an einem gewissen Mann im Kreml für gewöhnlich kein gutes Haar lässt, doch ist es aus meiner Sicht wohl kaum der richtige Weg, teils schwere Vorwürfe einfach ungeprüft hinzunehmen.
Warnung: Es könnte sein, dass ihr nach dem Lesen dieses Artikels auch ein bisschen „Putinversteher“ seid. Aber naja, ich habe euch gewarnt.

Eine Jugend, die Charakter formt

Wladimir Putin wuchs in einfachen Verhältnissen in St. Petersburg auf. Vater und Mutter gehörten der Arbeiterklasse an und hatten eine Anstellung in einer Fabrik inne. Aufgrund der häufigen Abwesenheit der Eltern verbrachte Putin viel Zeit auf der Straße mit anderen Kindern aus Arbeiterfamilien. In diesem sozial eher rauen Milieu lernte, er früh sich in einer Gruppe zu beweisen und sich eine gewisse Stellung zu erkämpfen. Schon in früher Kindheit träumte er davon, dieses Milieu irgendwann zu verlassen und ins Ausland zu gehen, um dort für den Geheimdienst zu arbeiten. Nach eigenen Aussagen bewunderte Putin die Mitarbeiter des Geheimdienstes, wie Helden, für ihre selbstlose und hochriskante Arbeit. Die Vorstellung für das Vaterland sein Leben heldenhaft zu riskieren, schreckte ihn in keinster Weise ab.

Ein bisschen fühlt man sich vielleicht an ein „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ – Szenario erinnert. Jedenfalls schätze ich, dass damals wenige ahnten, was aus diesem Arbeiterjungen einmal werden würde.

Der unterschätzte Reformer

Nach dem Ende der Sowjetunion trieb der erste russische Präsident Boris Jelzin die Privatisierung russischen Staatseigentums unter erheblichem Einfluss russischer Oligarchen gnadenlos voran. Nachdem nahezu alle Schlüsselindustrien in privater Hand waren, erreichte der Einfluss der Oligarchen ihren Höhepunkt, als sie Jelzins Wiederwahl mit einer massiven Medienkampagne, trotz sinkender Beliebtheit, gerade noch einmal ermöglichten. Die Folgen der Privatisierung waren steigende Armut und Kriminalität. Als ein Nachfolger für Jelzin gesucht wurde, entschieden sich die Oligarchen für die Förderung eines unscheinbar wirkenden Juristen und ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter. Putin war zunächst wenig interessiert und musste von Präsident Jelzin persönlich zur Nachfolge gebeten werden. Möglicherweise dachten die Oligarchen in Putin einen Nachfolger gefunden zu haben, mit dem der Ausverkauf Russlands weiterhin problemlos abgewickelt werden konnte. Doch damit hatten sie sich schwer verschätzt. Entgegen aller Erwartungen eröffnete Putin den Oligarchen, dass von nun an andere Regeln gelten würden. Er stoppte die Privatisierungen, brachte Schlüsselindustrien wieder unter staatliche Kontrolle und wies die Oligarchen an, Steuern zu zahlen und sich aus der Politik Russlands heraus zu halten. Selbsterklärend trugen diese Dinge zum wachsenden Missfallen seiner ehemaligen Förderer bei, was später in offene Feindschaft umschlug. Die einfache Bevölkerung dagegen profitierte immens von den Reformen des neuen Präsidenten, was Putin in den Augen nicht Weniger den Ruf eines wahren Volkshelden einbrachte.

Held oder nicht, jedenfalls kann ich dazu nur sagen:“ Dass muss man erstmal bringen.“ Als politischer Neuling vor den einflussreichsten Personen Russlands derart auf den Tisch zu hauen und zu verkünden, dass ab jetzt ein anderer Wind weht. Aber es geht noch weiter.

Der Fall der Krim, anders beleuchtet

Ein oft vorgebrachter Vorwurf an Putin ist die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Krim. Doch lohnt sich auch hier einen etwas genauerer Blick auf den Sachverhalt zu werfen. Eine Annexion ist nach der Definition eine Handlung, bei welcher ein Land militärisch in ein anderes einmarschiert und dieses ohne weitere Angabe von Gründen besetzt. Im Fall der Krim ging dieser Annexion jedoch ein Referendum voraus, bei dem 93% der Bevölkerung dafür stimmten zu Russland zu gehören. Unter diesem Gesichtspunkt sollten wir unsere Sicht, welches Land welche Region gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung besetzt hält eventuell noch einmal überdenken. Manche mögen nun vielleicht einwenden, dass Russland Manipulationen zugunsten des Referendums vornahm, aber selbst wenn es so ist, so ist diese Lösung allemal intelligenter und friedlicher als die Annexion der karibischen Halbinsel Hispaniola durch die USA (1915-1943), bei der es keinerlei Referendum gab. Unter diesem Gesichtspunkt ist es vielleicht nicht gerade konsequent wenn die amerikanische Seite Russland derartiges Verhalten bezüglich eigener Interessen vorhält, da man an sich selbst hier wohl andere Maßstäbe anlegt. Aufgrund der Sachlage ist es bei einigen Juristen durchaus umstritten, ob es sich tatsächlich um eine Annexion oder nicht vielmehr um eine Sezession, also einen nicht völkerrechtswidrigen Beitritt handelt.

Annexion,  Sezession… Ähnliche Worte, große Unterschiede.

Man mag viele Dinge zurecht kritisieren, einige Verdienste Putins sind aus meiner Sicht jedoch nicht von der Hand zu weisen, ebenso wie Sachverhalte, bei denen man mit etwas Einblick in die russische Geschichte ein ganz anderes Bild von Putins Intentionen bekommt und versteht, warum er manchmal so handelt, wie er handelt. Nachdem ich mich etwas mehr mit den aufgeführten Sachverhalten beschäftigt habe, bin ich sicher nicht zum Fan, jedoch durchaus etwas mehr zum „Putinversteher“ geworden. Vor allem kann ich jetzt nachvollziehen, warum er in der eigenen Bevölkerung ein nach wie vor hohes Ansehen genießt und in Teilen als Held Russlands angesehen wird.

Was meinst du: Ist Wladimir Putin ein Held – oder nicht? Lies hier die Gegenmeinung unserer Bloggerinn Marie und stimme hier ab.

Beitragsbild: http://en.kremlin.ru/events/president/trips/54504/photos

3 Kommentare
  1. Lara Eberl
    Lara Eberl sagte:

    Ein sehr interessanter Beitrag über eine Seite Putins, die bei uns kaum beleuchtet wird. Wie du sagst, kann man dadurch vielleicht auch ein bisschen besser verstehen, warum ein großer Teil der russischen Bevölkerung Sympathien für ihn hegt. Trotz alldem ist Putin für mich alles andere als ein Held – er mag mutig oder stark sein, aber sein Umgang mit Minderheiten, die nicht seiner Vorstellung entsprechen, und seine kaum vorhandene Verhandlungsbereitschaft sprechen gegen ihn.

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