Jeder von uns kennt die Versuche des Friseurs oder der Friseurin während der Behandlung zaghaft ein Gespräch zu beginnen. Jeder von uns kennt die innere Zerrissenheit zwischen weiterem Anschweigen mit vereinzeltem Augenkontakt oder einer oberflächlichen, weitestgehend uninteressierten Unterhaltung. Gelegentlich entstehen aus der Not heraus aber auch humorvolle Gespräche, die das Haareschneiden erträglich machen.

Irgendwie sind Friseursalons für mich magische Orte. Dennoch quäle ich mich eher widerwillig dorthin, um die nervige Prozedur des Haareschneidens hinter mich zu bringen. Hin und wieder kann ich dabei Gesprächen lauschen, die dem Besuch einen gewissen Reiz geben. Oder, um die Langeweile zu überbrücken, werde ich selbst Teil eines solchen Gesprächs:

Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?

Mitten in der Pubertät sehnte sich mein adoleszentes Ich nach einer anderen Frisur. Sie sollte genauso rebellisch sein wie ich. Ein Iro als Ausdruck meiner Ablehnung gegen alles Etablierte. Aber nicht so richtig mit Glatze an den Seiten, dann doch eher zivilisiert und nur die Haare auf dem Kopf zu einem Keil gegelt. Sie merken, so richtig rebellisch war das alles nicht.

Auf jeden Fall schilderte ich meiner Friseurin diesen Wunsch, den mein pubertärer und etwas zu selbstsicherer Charakter hervorgebracht hatte. Außerdem brachte ich das Gespräch auf ein Thema, dass ich schon lange mit jemandem vom Fach diskutieren wollte: Sie kennen sicherlich die Legende, dass Prostitution das älteste Gewerbe der Welt sei. Ich halte dagegen. Meiner Meinung nach ist das Friseurgeschäft das älteste Gewerbe der Welt. Das ist jetzt alles wenig faktenbasiert, aber ich möchte, dass Sie mal darüber nachdenken. Verstehen Sie es als Diskussions- und Denkanstoß:

Versetzen Sie sich zurück in die Zeit, in der Tine Wittler Höhlen statt Häuser mit IKEA Möbeln ausgestattet hat. In der das Fundament der Zivilisation mit dem Bändigen des Feuers und dem Anspitzen von Steinen gelegt wurde. Wie hat man da seine Haare geschnitten? Sicher gab es da jemanden in der Höhle, der den anderen half, sich ihrer stetig wachsenden Körperbehaarung zu entledigen. Vielleicht war das auch nicht eine bestimmte Person, sondern immer der, der den scharfen Stein gerade in der Hand hatte. Aber trotzdem wird dieser das nur im Austausch für etwas gemacht haben, vermutlich Nahrung oder Ähnlichem. Und damit ist das Ganze doch ein Gewerbe und dieser jemand ein Friseur.

Es gab sicherlich nicht die Möglichkeit zu sagen: „Schatz, ich verlasse mal eben kurz die Höhle und gehe rüber zu „Cut&More“. Der Achim macht mir heute eine Dauerwelle. Pass auf die Kinder auf, wir können nicht schon wieder eines an den Säbelzahntiger verlieren.“ Und dann wäre die junge Höhlenbewohnerin abgedampft und ihr Mann wäre mit den Kindern und einem gewissen Argwohn diesem Achim gegenüber in der Höhle geblieben. Aber sicher gab es da jemanden, der den anderen die Haare geschnitten hat. Sonst wären die ja auch irgendwann unendlich lang und würden beim Jagen und Sammeln stören.

Meine Friseurin lauschte, während sie meine Haare so bearbeitete, dass sie später ein keilgeformter Ausdruck meiner Rebellion sein könnten. Ihre Antwort fiel eher karg aus und ich hatte den Eindruck, sie war von dieser Theorie wenig angetan. Da sie mit einem spitzen Gegenstand unweit meines Halses agierte, begrub ich das Thema bis zum heutigen Tag.

Der zweite Gesprächsfetzen, den ich Ihnen wiedergeben möchte, hat leider nichts mit der Diskussion um das älteste Gewerbe gemein. Lediglich der Ort an dem es geführt wurde. Und dies zeigt doch wieder einmal die Vielfalt eines Friseursalons. Dort präsentiert sich nicht nur ein Querschnitt der Gesellschaft, sondern auch ein Themenspektrum, wie man es vergebens in den Feuilletons der Tageszeitungen sucht.

Das Auto als Ausdruck von Heteronormativität

Wie bereits im ersten Blogeintrag erwähnt, besuche ich aktuell einen Friseursalon, in dem mir zu einem Knüllerpreis von acht Euro die Haare geschnitten werden. Ein junger Mann mit vermutlich türkischem Migrationshintergrund führt diesen Laden. Seine Freunde, die immer wieder auf eine Stippvisite in den Laden kommen, erwecken den Eindruck, er sei Teil einer Clique, in der die Jogginghose als legitimes Kleidungsstück für den Alltag gilt. Außerdem scheint die Bauchtasche wieder im Trend zu liegen. Und Sprechgesang ist ganz hoch im Kurs.

Während mir mit einer Rasierklinge und einer überraschenden Präzision die Konturen meines Haares geformt wurden, betrat mal wieder einer seiner Freunde den Laden. Er erzählte stolz von seinem neuen Auto: einem Ford Mustang. Jetzt denken wahrscheinlich die Wenigsten an die legendären Szenen aus „Bullitt“, in denen sich Steve McQueen in seinem Mustang die vermutlich authentischsten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte lieferte. Die meisten verbinden das Auto eher mit dem Prollo von nebenan, der mit dem Aufheulen des Motors jeden Schlaf unterbricht.

Dennoch sorgte die Information über das neue Auto im Laden für anerkennendes Nicken, nur der Besitzer des Geschäfts schien wenig beeindruckt. Er war der Meinung, nur Männer mit einer gewissen Unsicherheit bezüglich ihrer Männlichkeit kauften sich ein so dickes Auto. Dies wiederum konnte der stolze Ford Mustang-Besitzer so nicht auf sich sitzen lassen und fragte, ob der 5er BMW des Besitzers nicht auch etwas zu „dick“ sei, für jemanden, der sich seinem ausreichenden Ausdruck des Mann-Seins sicher sei. Es entbrannte eine kurze aber hitzige Debatte, die bei mir für außerordentliches Amüsement sorgte. Mit dem Hinweis, dass dies auch der Grund sei, warum ich einen Opel Tigra fahre, konnte ich für das Ende der Diskussion und schallendes Gelächter im Geschäft sorgen.

Wer kennt auch unangenehme oder lustige Gespräche beim Friseur?

Jetzt habe ich etwas aus dem Nähkästchen geplaudert und Ihnen zwei Gespräche präsentiert, die beispielhaft für viele Unterhaltungen im Friseursalon sind. Oftmals schnappt man auch nur kuriose oder absurde Fetzen von Unterhaltungen auf. Solche Momente machen den Salon zu mehr als einem Ort, an dem Haare geschnitten, gefärbt, angeklebt oder toupiert werden. Schon der gesellschaftliche Querschnitt und die damit vielfältige Kundschaft machen den Friseursalon besonders. Und manchmal wird dieser Raum aus Lederstühlen, Spiegeln und toten Hautzellen auf dem Boden auch zu einem Ort der Seelsorge. Nicht umsonst werden mit enormen Aufwand teils haarsträubende Frisuren auf den Köpfen von redseligen Kunden mit Haarspray konstruiert. Da denke ich mir manchmal, es wäre einfacher, Mezzo Mix wieder in Cola und Fanta zu trennen. Mit einem ganz feinen Sieb.

Nach den Reaktionen auf Twitter zum ersten Beitrag, bitte ich Sie an dieser Stelle um eigene Gesprächsfetzen. Erzählen Sie auf Twitter oder in den Kommentaren gerne von Ihren Erlebnissen an diesen wundersamen Orten.

1 Antwort
  1. Jasmin
    Jasmin sagte:

    Mein witzigstes Friseurgespräch hatte ich mit meiner kleinen Schwester. Sie sollte nach der Schule zum Friseur kommen, um gemeinsam mit mir nach Hause zufahren. Als sie in den Friseur kam, war die Friseurin gerade dabei eine Blondierung aufzutragen. Meine Schwester kam ganz entsetzt auf mich zu und fragte, ob mir bewusst sei, dass mir die Friseurin gerade blaue Strähnen macht … 😀

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