Ein Schlag, ein kreischendes Geräusch, Metall auf Metall. Die Schwerkraft scheint aufgehoben, oben ist unten und unten ist oben. Der Gestank nach Benzin. Ein furchtbarer Schmerz. Stille. Immer derselbe Alptraum. So kann es Menschen gehen, die mit Traumata zu kämpfen haben. Über den Zusammenhang von Alpträumen und Traumata haben wir mit einer Traumatherapeutin gesprochen.
„Manchmal fühle ich mich ein bisschen wie Sherlock Holmes“, sagt Almute Nischak, studierte Tübinger Ethnologin. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie als Traumatherapeutin mit dem Schwerpunkt dissoziative Störungen. Als Quereinsteigerin gelangte sie über die Biographieforschung und die systemische Familientherapie zur Traumatherapie. „Ich schaue gemeinsam mit den Klient*innen, zu welchen Symptomen die erlebte Traumatisierung geführt hat und begleite sie dann in der Aufarbeitung des Erlebten.“
Alpträume können dabei ein Hinweis unter vielen anderen sein. Auch Erinnerungen, die tagsüber von der Ablenkung des Alltags unterdrückt werden, doch in der Nacht die Träume infiltrieren. Dies können unter anderem einzelne Szenen, Erinnerungsfetzen oder Gefühle der Bedrohung sein. Der Alptraum am Tag kann dabei zum Alptraum der Nacht werden: „Zum Einschlafen muss sich das Bewusstsein zurückziehen und damit fällt eine wichtige Kontrollinstanz weg. Wenn etwas unterdrückt wird, kann das hochploppen“, erklärt die Therapeutin. Das Wegfallen der Kontrolle durch unser Bewusstsein ist für traumatisierte Menschen oft schwierig, denn einzuschlafen erfordert auch das Vertrauen, gut durch die Nacht zu kommen und wieder aufzuwachen.
Trauma ist nicht gleich Trauma
Traumata können ganz unterschiedlich aussehen. Sobald ein Punkt der Bedrohung erreicht sei, erklärt Nischak, der extrem zu viel sei und die menschlichen Bewältigungsmöglichkeiten radikal überfordere, schalte der Körper auf einen Notfallmodus um: fliehen oder kämpfen. Dabei ist auch das traumatisch wirkende Ereignis von Bedeutung, aber vor allem die Vulnerabilität der Person. Diese kann abhängig sein von Alter, Geschlecht, Vorerfahrungen oder der Biographie. Ist weder fliehen noch kämpfen in dieser Situation möglich, erstarren wir unwillkürlich. Traumata haben viele Gesichter, sind mal laut und mal ganz leise: Vergewaltigung, Unfälle oder auch katastrophale Naturereignisse können genauso traumatisierend wirken wie extreme Vernachlässigung oder Verwahrlosung. Traumatisierungen können zu jedem Zeitpunkt im Leben eines Menschen passieren, auch im Mutterbauch.
Alpträume gehören zur Symptomgruppe der Intrusionen, erklärt Nischak. Das sind unwillkürlich einschießende Bilder, Erinnerungsfetzen oder auch Körperwahrnehmungen aus dem traumatisch Erlebten, ausgelöst durch äußere oder innere Schlüsselreize. Das Gehirn verarbeite nachts, was es tagsüber oder auch früher erlebt hat. Dabei können die Alpträume in seltenen Fällen ein Flashback darstellen. Darunter versteht Nischak ein Erinnerungsbruchstück, eine Körpererinnerung, die zum Zeitpunkt der Traumatisierung teilweise eins zu eins abgespeichert wurde und unwillkürlich Einfluss nimmt auf die Person – wie auch auf ihre Träume: „Bei Kindern sind es häufig Kinderperspektiven, aus denen das Geschehene gesehen wurde. Der Moment der Traumatisierung wird abgespeichert, wie er in dem Entwicklungsstand wahrgenommen wurde.“ Wichtig sei aber: Wer Alpträume hat, hat nicht zwangsläufig ein Trauma erlebt.
Detektivarbeit am Alptraum
Almute Nischak erzählt von einer Frau, deren Erinnerung an mehrfache Vergewaltigungen als Kind erst über Träume an die Oberfläche des Bewusstseins kamen:
„Sie zeigte die für eine Posttraumatische Belastungsstörung relevanten Symptome, konnte sich aber nicht an alle traumatisierenden Ereignisse erinnern. Im Laufe des therapeutischen Prozesses erhielt sie über ihre Träume Hinweise, was noch geschehen war.“
Alpträume können dabei Gefühle der Angst, des Schreckens, des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht und des Feststeckens im Alptraum widerspiegeln. „Manche Menschen merken auch, dass sie träumen, sie sind sich dessen bewusst und versuchen sich aus dem Alptraum rauszukämpfen. Weil es im Traum so unerträglich ist.“
Den Alptraum umschreiben
Eine Technik der Traumatherapie kann das Umschreiben von (Alp-)Träumen sein. Dabei schreiben die im Fachjargon sogenannten Klient*innen zuerst ihre Träume auf: „Dann fokussieren wir uns auf den ohnmächtigen, peinigenden Part“, erklärt Nischak. „Trauma heißt meist, dass etwas nicht vollendet, etwas stecken geblieben ist. Durch das Umdeuten und Umschreiben dieses Parts holt sich der Mensch aus der passiven Rolle in die Aktivität, in das Handeln.“ Das ist allerdings nicht ganz einfach und erfordert viel Geduld und Übung. Ein anderer Weg, mit Alpträumen zu arbeiten, ist das klassische Traumtagebuch.
Was der Traumatherapeutin an ihrem Beruf besonders gefällt? „Für mich ist es jedes Mal ein dankbares Gefühl, dass meine Klient*innen sich so öffnen, obwohl sie Schlimmes erlebt haben. Es ist ein unglaublich zufriedenstellendes Erlebnis, wenn Menschen dann mit sich in Kontakt kommen und mit der Zeit wieder Herr oder Frau im eigenen Haus werden.“ So kann der Alptraum ein Ende finden – am Tag und in der Nacht.
Titelbild: © Pixabay
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