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Ob Traumberuf, Traumgewicht oder der Traum vom eigenen Haus – Träume sind genauso vielfältig wie die Möglichkeiten, sie in die Tat umzusetzen. Warum es wichtig ist, einen Wunschtraum zum Ziel zu machen und welche Rolle dabei Wille und Motivation spielen, erklärt Motivationspsychologin Marlies Pinnow.

‚Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum‘ – dieser Postkartenspruch ist wahrscheinlich jedem schon einmal ins Auge gefallen. Doch leider geben uns solche mehr oder weniger inspirierenden Weisheiten in der Regel keine Anleitungen, wie wir einen Wunschtraum in die Tat umsetzen. Wenn wir von unseren Träumen reden, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass ein Traum aus psychologischer Sicht als Wunsch zu begreifen ist.

Motivationsforscherin Marlies Pinnow erklärt den Unterschied zwischen Träumen und Zielen: „Ziele sind mit einem konkreten Handlungsplan verbunden und liegen in nicht allzu weiter Ferne. So ein Traum oder Wunschtraum kann ein ganzes Leben strukturieren. Denken wir mal an extreme Träume, wie zum Beispiel, weltbeste Pianistin zu werden. Da weiß ich zunächst gar nicht so konkret, was ich tun soll. Ich kann keine To-Do-Liste dafür erstellen, sondern ich richte einfach mein Leben auf etwas aus.“ Zwar könnten auch Ziele unterschiedlich weit in der Zukunft liegen, diese sollten jedoch möglichst mit einer Zeitmarke und einem Handlungsplan verknüpft werden, um sie in die Tat umzusetzen.

Die promovierte Psychologin Pinnow weiß, dass sich viele Menschen in Wunschträumen verlieren, die fernab der Realität liegen. Das Setzen von unrealistischen Zielen führe dann wiederum dazu, in Demotivation zu verfallen. Viele würden sich beispielsweise beim Abnehmen in realitätsfernen Wunschvorstellungen verlieren – obwohl bereits vermeintlich kleine Gewichtserfolge schon förderlich für die Gesundheit sein könnten: „Das Problem dabei ist, wenn diese Menschen ihr Wunschziel nicht erreichen, dann kippen sie häufig komplett in ihr Ernährungsverhalten vor Therapiebeginn zurück. Dieser Wunsch an sich hat schon eine energetisierende Wirkung, aber sobald der wegfällt, sieht das Leben auf einmal ganz anders aus.“

Marlies Pinnow forscht an der Ruhr-Universität Bochum zu den Themen Selbstregulation und -kontrolle.
© Marlies Pinnow

Machen oder Grübeln

Nicht allen Menschen fällt die Verwirklichung von Zielen gleichermaßen leicht. Während die einen als handlungsorientierte ‚Macher*innen‘ gelten, die ihr Ziel konsequent im Auge behalten, fokussieren sich die lageorientierten ‚Grübler*innen‘ hauptsächlich auf die Gegenwart und mögliche Misserfolge. „Diese Leute haben zwar auch Ziele, aber sie schaffen es nicht direkt, in die Handlungsphase zu kommen. Die bleiben in der Planung stecken, weil sie auf einmal anfangen, zielhinderliche Informationen aufzunehmen, statt sich auf die Zielumsetzung zu fokussieren“, so Pinnow. Dazu gehören beispielsweise Studierende, die dazu neigen, Prüfungen aufzuschieben. Hierbei sei es wichtig, sich der eigenen Motivation bewusst zu werden: „Was hält mich davon ab, mein Studium abzuschließen? Wird die Zielsetzung wirklich von meiner eigenen Motivation gestützt oder habe ich eigentlich ganz andere Wünsche und möchte lieber Tischler werden?“ Doch Macher*innen sollten nicht per se als der bessere Typ Mensch aufgefasst werden. Die Eigenschaften lageorientierter Menschen seien ebenso notwendig, etwa um mögliche Problematiken zu erkennen: „Macher sind zwar sehr viel schneller in ihrer Entscheidung, was zu tun ist, aber Grübler sind letztendlich mit ihren Entscheidungen häufig zufriedener.“

Den Rubikon überschreiten

Unsere Motivation hat einen Einfluss darauf, ob wir unser Ziel erreichen. Im Gespräch mit Marlies Pinnow wird jedoch schnell deutlich, dass hinter diesem Konzept mehr steckt als nur ein positives Mindset: „Jeder hat einen Begriff von Motivation, aber der hat meistens wenig mit dem zu tun, was wir in der Forschung darunter verstehen.“ Zwar gilt die Motivation als eine entscheidende Komponente, um seine Wünsche in die Tat umzusetzen, für den Weg bis zur Zielerreichung braucht es jedoch mehr.

Mit dem Rubikonmodell werden in der Motivationsforschung vier Phasen erfasst, die jede Person mit einem Ziel vor Augen durchlaufen sollte: Abwägen, Planen, Handeln und Bewerten. In der ersten, motivationalen Phase müssen wir unsere Wünsche gegeneinander abwägen. Hier gilt es, sich zu überlegen: Welche Visionen kann ich am ehesten in die Tat umsetzen? Was ist ein erstrebenswertes Ziel für mich? „In der motivationalen Phase sollte ich ganz offen sein, damit ich auch wirklich das für mich richtige Ziel finde“, betont Pinnow. Am Ende dieser Phase überschreiten wir also den Rubikon – indem wir uns ein verbindliches und realistisches Ziel setzen: „Die motivationale Bewusstseinslage wird quasi in dem Moment gestoppt, wo ich mich an ein Ziel binde und sage, dass ich das jetzt wirklich will.“

In kleinen Schritten zum Ziel

Allein damit ist es jedoch noch nicht geschafft. Um unserem Ziel ein Stück näherzukommen, muss der Übergang in die sogenannte ‚volitionale‘, also den Willen betreffende Phase stattfinden, in der die Handlungsplanung und -umsetzung im Vordergrund steht. Zweifeln am eigentlichen Ziel sollte hier kein Raum gegeben werden, sagt Marlies Pinnow: „Da sollten ganz andere Merkmale in den Vordergrund treten. Konkurrierende Informationen, die einen hindern, das jetzt umzusetzen, müssen in der volitionalen Bewusstseinslage einfach unterdrückt werden.“ Die Volition jedoch sei besonders kräftezehrend, weshalb die eigentliche Motivation nicht aus dem Blickfeld verschwinden sollte: „Motivation kann auch Kraft geben. Sich immer wieder zu fragen, warum man das Ziel eigentlich erreichen will, ist ungeheuer wichtig. Eine Patientin, die abnehmen wollte, hatte sich ihr Hochzeitskleid auf den Kühlschrank geklebt – und sie hat ihr Ziel auch erreicht.“

Um große und kleine Wunschträume zu verwirklichen, sollten wir diese immer wieder mit konkreten Unterzielen verknüpfen – ansonsten bleibt der Fortschritt unbemerkt. Als Beispiel nennt Marlies Pinnow den Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner, der zu Fuß die Antarktis durchquerte: „Dazu gehört, dass man sich ganz kleine Ziele setzt und jeden Tag eine bestimmte Kilometeranzahl in der Kälte zurücklegt. Beim Besteigen des K2 hatte er sein Ziel vor Augen – den Gipfel. Diese Strategien auch wechseln zu können, also lang- und kurzfristige Ziele zu setzen, ist sehr sinnvoll.“ Die Psychologin verweist zudem darauf, bei der Zielplanung auch konkrete Hindernisse zu berücksichtigen – ein Vorgehen, das vor allem auf die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen zurückzuführen ist. Marlies Pinnow jedoch ist davon überzeugt, dass wir Träume ebenso brauchen wie Ziele: „Träume geben unserem Leben Sinn. Wir brauchen Wünsche, aber eben auch ein Regulativ, dass man wirklich nicht absolut in die Leere läuft.“

© Titelbild: Unsplash

 

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Träume: Nur absurd-konfuse Bilder vor unseren Augen oder steckt mehr dahinter? Oft fragt man sich, ob diese Nachtgespenster etwas mitteilen wollen. Laut Sigmund Freud tun sie das tatsächlich – zwar nicht als Weissagung über die Zukunft, sondern als Auskunft über uns selbst.

Mit seinem Werk Die Traumdeutung bringt Freud 1899 eine neue Sichtweise in die bestehenden Traumtheorien. Sein Ansatz liegt in der Psychoanalyse: Wenn Menschen schlafen, verarbeitet ihr Unterbewusstsein alle möglichen Reize und Anregungen des Tages, welche dann in Form des Traums an das schlummernde Bewusstsein weitergereicht werden. Als tragendes Motiv der Traumentstehung benennt Freud dabei die ‚Wunscherfüllung‘. Jeder Traum ist laut ihm eine Erfüllung eines Wunsches oder mehrerer Wünsche, was bei manchen Träumen offensichtlich ist und bei anderen nur durch tiefgehende Analyse herausgearbeitet werden kann. Denn unser Geist macht es uns nicht immer leicht, die eigentlichen Gedanken der Traumbilder zu erkennen – sonst wäre die Selbstreflektion wohl zu einfach. Doch was ist der Grund für diese Bilderrätsel im Kopf?

Der innere Kampf gegen sich selbst

Sigmund Freud

Deutete Träume als Tor in unsere Psyche: Sigmund Freud. © Wikimedia-Commons / Max Halberstadt

Freud zufolge sträuben wir uns ganz natürlich gegen gewisse Wünsche und unterdrücken sie, sowohl bewusst als auch unbewusst. Beispiele wären: Sich wünschen, an einer unschönen Situation nicht die Schuld tragen zu müssen. Oder jemandem etwas ‚Schlechtes‘ wünschen. Wenn wir dann schlafen, kommen manche dieser Gedanken wieder ans innere Tageslicht. Das kann man sich so vorstellen, dass in uns eine psychische Instanz das letzte Tagesgeschehen prüft und Anregungen findet, welche im Unterbewusstsein verdrängte Wünsche aufwirbeln. Die Instanz stellt dann den sogenannten ‚latenten Traumgedanken‘ her, der einen Wunsch aufgreift, welcher uns beschäftigt. Doch es gibt laut Freud auch eine zweite psychische Macht, die eine Art Kontrollfunktion ausübt. Wenn der Inhalt des Traumgedankens dieser zweiten Instanz nicht gefällt, wird der Wunsch entsprechend ‚zensiert‘. Der Inhalt des Traums wird dann vertauscht und verkleidet, um verstörende Elemente, die nicht ans Bewusstsein gelangen sollen, herauszufiltern. Diesen Streitprozess der zwei Instanzen nennt Freud die ‚Traumarbeit. Die Traumarbeit überträgt letztlich den latenten Traumgedanken auf einen ‚manifesten Trauminhalt‘, also jene durcheinander gewürfelten, audiovisuellen Bilder, an welche wir uns nach dem Aufwachen erinnern. Dabei bedient sich die erste Instanz einer Menge Tricks, um der Zensur der zweiten Instanz zu entgehen.

Verschiebung: Das Irrelevante im Scheinwerferlicht

Traumarbeit

Freuds Methoden bei der ‚Traumarbeit‘. © Franziska Frank

Um den Traumgedanken nun in entstellter Form so zu verpacken, dass er nicht der Zensur unterliegt, werden insbesondere zwei Methoden bei der Traumarbeit genutzt: Die ‚Verschiebung‘ und die ‚Verdichtung. Verschiebung bedeutet, dass der Fokus des Trauminhalts nicht auf den eigentlichen Kern des Traumgedanken, sondern auf etwas Anderes gesetzt wird. Nebensächliches wird in den Vordergrund gerückt und stattdessen mit dem eigentlichen Traumgedanken assoziiert. Dafür werden laut Freud häufig die Erinnerungen des letzten Tages als Anregung verwendet, da diese noch nicht mit anderen Gedankengängen übermäßig assoziiert wurden und somit ‚frisches‘ Material darstellen. Als Beispiel schildert Freud einen Traum, in welchem er in einer selbstgeschriebenen botanischen Monografie blättert. Hinterher erinnert er sich, tags zuvor ein ähnliches Buch im Schaufenster gesehen und nicht weiter beachtet zu haben. Doch sein Unterbewusstsein habe eine Assoziation hergestellt: Freud hatte vor Jahren einen Aufsatz zur Cocapflanze verfasst, welcher die Aufmerksamkeit eines Doktors erregte und diesen auf die Idee von medizinischer Verwendung von Kokain brachte. Freud erzählt, dass er letztens daran erinnert wurde, als er eine Festschrift der Erfolge des Herrn erhielt. Er fühlt, beim Erfolg des Doktors unberücksichtigt geblieben zu sein. Diese Erinnerung sei der eigentliche Auslöser der Wunscherfüllung – „Ich habe den Erfolg auch verdient“ – aber die Verschiebung habe den neidischen Gedanken entstellt und mit dem gesehenen Buch im Schaufenster verknüpft. Woher kommt die Verbindung? Der Verfasser der Festschrift, welcher Freud begegnete, hieß Gärtner, dessen Frau wurde von Freud als blühend wahrgenommen.

Verdichtung: Eins bedeutet vieles

Die zweite Methode nennt Freud ‚Verdichtung. Das heißt, dass der Traumgedanke mehrmals im Trauminhalt eingewebt wird. Das kann sich in Form von starker Kompression mehrere Assoziationen zeigen. Ein Objekt im Traum kann also vieles auf einmal bedeuten. Zugleich werden einander ähnliche Assoziationen als Einheit zusammengefasst, sodass sich zum Beispiel ‚Mischpersonen‘ bilden. So entstehen komprimierte Trauminhalte, hinter denen eigentlich eine Menge mehr steckt. Freud beschreibt beispielhaft einen Traum, in welchem er eine Mischung der Gesichter seines Onkels und eines Freundes vor sich sieht. In seiner Analyse bewertet er beide Personen als „Schwachköpfe“, was der Wunscherfüllung seines Traumes diente. Die Verdichtung soll also bewirken, dass so viel wie möglich vom mit der Wunschvorstellung verknüpften Inhalt zusammengepresst wird.

Typische Träume und ihre Bedeutung nach Freud
Nacktheit im Traum Hinweis auf unerlaubten Wunsch mit kindlichem Ursprung
Tod von Personen Wunsch nach Abwesenheit mit kindlichem Ursprung
Prüfung im Traum Träumer spürt Verantwortungsdruck, Traum erinnert an bereits gemeisterte Situation
Man kommt nicht von der Stelle Willenskonflikt zu einem Wunsch zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein

Traumdeutung als Königsdisziplin der Psychoanalyse

Freuds Werk „Die Traumdeutung“ mit Plüschtieren auf einem Kopfkissen

Freud ist überzeugt, dass die meisten verdrängten Wünsche in unserer Kindheit begründet werden. © Franziska Frank

Freud zufolge stellen Träume als Wunsch-Erfüller ein Tor in unsere Psyche und eine Möglichkeit dar, uns selbst besser zu verstehen. Das liegt unter anderem an seiner Überzeugung, dass die meisten verdrängten Wünsche in unserer Kindheit begründet werden und uns noch bis ins Erwachsenenalter begleiten. Auch Wünsche, die uns peinlich sind oder heutzutage erschrecken würden. Freud zufolge wäre das zum Beispiel der unerlaubte Wunsch nach sexuellem Verkehr mit einem Elternteil. Er argumentiert, dass solche Wunscherfüllungen dann zu den sogenannten Alpträumen führen, weil ein Interessenskonflikt zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein aufgedeckt wird. Das Bewusstsein erschrickt dann über den Ausdruck des Wunsches.

Freuds Traumtheorie wird bis heute angewendet, diskutiert und kritisiert. Alfred Adler und Carl Gustav Jung, beide jeweils Begründer anderer Gebiete der Psychologie, bemängeln an der Traumdeutung den Fokus auf Sexualität, die laut Freud bei der (oft kindlichen) Wunschentwicklung eine tragende Rolle spielt. Freud spricht auch jedem einzelnen Traum einen Sinn zu, und wenn man die Wunscherfüllung nicht erkennen kann, so liegt es seiner Ansicht nach an einer mangelhaften Deutung. Überprüfbar sind Traumdeutungen letztendlich nicht, da wir keinen Blick in das Unterbewusstsein werfen können.

Aber wer möchte, kann in den nächsten Nächten ja ganz bewusst über seine Träume nachdenken – und sich fragen, ob geheimnisvolle Wünsche dahinter lauern.

Titelbild: © Franziska Frank

 

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Kopf mit bunter Wolke Träume

Wieso träumen wir? Wie kann ich meine Träume deuten? Und wie werden wir Alpträume los? Das und mehr verrät uns Traumforscher und Psychologe Michael Schredl im Interview. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und forscht an Fragestellungen rund um das Thema Träume. Mit seinen eigenen Träumen setzt er sich seit über 30 Jahren auseinander.

Herr Schredl, können Sie beschreiben, wieso wir überhaupt träumen? Hat das Träumen eine bestimmte Funktion für den Körper?

Die Frage ist bis heute unbeantwortet. Was wir auf jeden Fall wissen ist, dass jeder Mensch jede Nacht träumt. Das Gehirn als biologische Maschine schläft nicht, es hat sogar relativ viele Aufgaben während des Schlafes. Da werden Informationen, die tagsüber aufgenommen worden sind, nochmal bearbeitet und verbessert abgespeichert. Diese Funktionen sind recht gut belegt. Allerdings ist es eben so, dass diese Funktionen auf neuronaler Ebene funktionieren. Das heißt, da ist die Frage: Muss man dazu träumen?

Es gibt inzwischen auch viele Traumforscher, die sagen, es macht schon Sinn, dass wir gerade die Sachen, die uns tagsüber beschäftigen, auch in den Träumen nochmal verarbeiten. Es ist interessanterweise auch so, dass Träume sich häufig mit sozialen Themen beschäftigen, mit sozialer Interaktion. Und dann gibt es die Idee, dass das Träumen zum Üben da ist. Dass man besser mit anderen Leuten zurechtkommt, weil das ja auch evolutionär wichtig ist, um einen Partner zu finden, sich fortzupflanzen oder sozial in einer Gruppe integriert zu sein. Es gibt eben viele Theorien, aber man weiß nicht, ob es tatsächlich stimmt, weil es eben niemanden gibt, der nicht träumt. Man kann nicht vergleichen, wie es wäre, wenn man nicht träumen würde, weil alle Menschen träumen.

Sie sind Traumforscher. Bei der Recherche zum Thema hatte ich nicht den Eindruck, dass es viele Kolleg*innen gibt, die denselben Beruf wie Sie ausüben, oder?

Michael Schredl ist Traumforscher und bietet am ZI Mannheim eine Alptraum-Sprechstunde an. © ZI Mannheim

Ja, da haben Sie recht. Wir sind eine relativ kleine Gruppe. Träume sind ja definiert als subjektives Erleben während des Schlafes – somit hat die Traumforschung auch eine starke Verbindung zur Neurowissenschaft. Wobei man schon unterscheiden muss, dass die Neurowissenschaft eher den Schlaf und die Gehirnfunktionen untersucht. Das Träumen selbst, das subjektive Erleben, ist die Domäne der Psychologen.

Was hat Sie persönlich am Thema Träumen so fasziniert, dass Sie sich für den Beruf als Traumforscher entschieden haben?

Es liegt natürlich bei mir schon lange zurück, dass ich angefangen habe, mich für psychologische Themen zu interessieren. Ich habe dann ein Traumbuch gekauft, neben das Bett gelegt und angefangen, Träume aufzuschreiben. Was mich da immer fasziniert hat war, dass Träume so kreativ sind. Es sind immer sehr interessante Geschichten gewesen am Anfang, also Abenteuergeschichten zum Beispiel, und das hat mir damals schon Spaß gemacht. Das war ein Grund, wieso ich regelmäßig Träume aufschreibe, schon seit 30 Jahren, und mich eben auch vermehrt für das Thema interessiert habe.

„Träume sind kreative Darstellungen von Themen, die einen tagsüber beschäftigen.“

Es gibt ja auch verschiedene Vorgehensweisen, um Träume zu deuten. Man kann zum Beispiel Symbole nachschlagen, die dann bestimmte Bedeutungen hätten. Wie denken Sie über diese Art von Traumdeutung?

Die Traumdeutung, gerade Symboldeutung, hat ja schon eine lange Tradition. Aus meiner Sicht ist das aber wenig hilfreich, weil die Träume so kreativ sind, dass jeder Träumer und jede Träumerin eigene Umsetzungen von Dingen hat, die ihn oder sie tagsüber beschäftigen. Träume sind kreative Darstellungen von Themen, die einen tagsüber beschäftigen. Kreativ heißt für mich, dass es eben nicht so ist, dass eine schwarze Katze eine feste Bedeutung hat. Sondern dass jede Person ihre eigenen Symbole, ihre eigene Art hat, etwas darzustellen.

Ich mache mal ein Beispiel. Sie haben einen Verfolgungstraum, ein riesiges Monster taucht vor Ihnen auf. Nun kann man sich überlegen: Wieso habe ich von einem Monster geträumt? Aber wenn man schaut, was in dem Traum passiert ist, nämlich dass man Angst hatte und weggelaufen ist, wird es von Psychologen als Vermeidungsverhalten bezeichnet. Das heißt, der Traum hat eine kreative, dramatisierte Form von Vermeidungsverhalten beschrieben. Die Idee dahinter ist, dass der Traum ein Thema aufgreift, möglicherweise eine unangenehme Aufgabe oder ein Gespräch, die im Wachzustand vermieden wurden, und der Traum das plastisch macht.

Viele Menschen kennen auch Alpträume. Woher kommen solche negativen Träume?

Alpträume werden definiert als Träume mit so starkem negativem Affekt, dass dieser zum Erwachen führen kann. Meistens ist es Angst, es kann aber auch Wut, Ekel oder Trauer sein. Es gibt tatsächlich Personen, die eine Veranlagung dazu haben. Wir sind gerade dabei zu schauen, ob es auch mit Hochsensibilität zu tun hat. Wir vermuten, dass es einfach Menschen gibt, die sensibler, kreativer und empathischer sind und leichter an Alpträumen leiden. Der zweite Punkt ist dann der aktuelle Stress.

„Je mehr man Angst vor der Angst hat, desto größer wird sie.“

Gibt es wirklich Mittel, um die Alpträume komplett verschwinden zu lassen?

Jede Person hat im Traum ihre eigene Art und eigene Symbole, um Dinge darzustellen, erzählt Traumforscher Michael Schredl. © Unsplash

Tatsächlich gibt es eine sehr einfache und sehr wirkungsvolle Therapieform, die man sogar selbständig anwenden kann. Im englischen Sprachraum wird sie als Imagery Rehearsal Therapy bezeichnet, also eine Vorstellungsübungs-Therapie. Bei Ängsten ist es so: Je mehr man Angst vor der Angst hat, desto größer wird sie. Bei den Alpträumen ist das gleiche Prinzip wirksam. Nur ist es bei Alpträumen sogar noch einfacher, weil man sich einfach während des Tages vorstellt, wieder in der Alptraumsituation zu sein und sich dann vorstellt, was man anders machen würde. So kann man sich etwa möglichst plastisch ausmalen, sich umzudrehen anstatt wegzulaufen und vielleicht noch Helfer im Hintergrund zu haben. Und dann das Monster zu konfrontieren und aktiv die Situation zu bewältigen, anstatt durch das Aufwachen aus der Situation herauszugehen.

Bei der Therapie wird die Vorstellung über zwei Wochen tagsüber für fünf Minuten wiederholt und geübt. Das wirkt sich auf die Träume aus. Interessanterweise nicht nur auf die Träume, die man geübt hat, sondern auch auf andere Träume, weil man die Einstellung lernt: Wenn ich im Traum Angst habe, überlege ich, was ich tun kann. Und das ist tatsächlich ganz wirksam, die Therapie hilft ungefähr bei 70 Prozent der betroffenen Menschen.

 

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Manche Geister sind realer, als man denkt. Wenn man mit Depressionen lebt, ist es andauernd so, als würde man von Gespenstern verfolgt. Diese Gespenster kann man nur besiegen, wenn man sie konfrontiert. Ein Erfahrungsbericht.

Wenn man mit Depressionen lebt, ist es ein bisschen so, als würde man konstant von Geistern verfolgt. Diese Geister sind anhaltende Traurigkeit, oft über Tage oder sogar Wochen. Schlaf- und Essstörungen. Lustlosigkeit und Selbstisolation. Selbstverletzende Tendenzen und Ängste. Im schlimmsten Fall sind es Selbstmordgedanken oder -versuche. Weltweit sind es mehr als 300 Millionen Heimgesuchte. Allein in Deutschland sind über fünf Prozent der Bevölkerung betroffen. Unsere Schreckgespenster sind Depressionen.

Dreierlei Gespenster

Bildquelle: Volkan Olmez /​ Unsplash

Wenn ich von Depressionen als Gespenstern schreibe, hat das viele Gründe. Der eine ist, wie schon erwähnt, dass die Symptome und die Krankheit selbst die Betroffenen heimsucht, wie böse Geister, ohne Ankündigung und oft ohne Gründe. Es ist nicht überraschend, dass in religiösen Kreisen bis heute Depressionen oft als Zeichen dämonischer oder geisterhafter Besessenheit gedeutet werden. Betroffene können sich ihren Zustand oft selbst nicht erklären. Angehörige stehen dem häufig hilflos und unverständlich gegenüber.

Der zweite Grund, warum ich Depressionen mit Geistern gleichsetze, ist, dass Menschen mit Depressionen oft selbst zu Geistern werden. Man kapselt sich von der Gesellschaft ab und erfindet Ausreden dafür, nicht aus dem Haus zu gehen. Bekannt ist das Bild davon, tagelang kaum das Bett zu verlassen. So geht es vielen Betroffenen, und auch enge Angehörige kriegen davon leider oft nichts mit.

Der dritte Grund dafür, dass Depressionen wie Gespenster sind, ist ein gesellschaftlicher. Trotz der Allgegenwärtigkeit der Krankheit wird über Depressionen immer noch sehr ungern gesprochen. Ebenso wenig wie über Selbstmord und Suizidgedanken. Wie einen bösen Geist versucht man sie zu ignorieren. Doch Geister kann man nur besiegen, wenn man sie konfrontiert und sich den Gespenstern stellt.

Nicht böse, nur uninformiert

Dass Depressionen in der Öffentlichkeit nicht allzu gerne behandelt werden, kann für Betroffene fatale Folgen haben. Durch fehlendes Wissen sind allerlei Gerüchte oder Falschinformationen über Depressionen im Umlauf. Menschen setzen Depressionen gerne mit Traurigkeit gleich. Traurig zu sein ist jedoch nur ein Symptom von Depressionen. Medikamente können helfen, dieser tief verwurzelten Traurigkeit Herr zu werden. Entgegen dem Glauben vieler Menschen machen Antidepressiva nicht süchtig.

Frauen sind weltweit häufiger depressiv als Männer, doch Männer sind gesellschaftlich bedingt oft weniger fähig, sich ihre Krankheit einzugestehen oder Hilfe zu suchen. Zudem sind Depressionen keine rein psychischen Zustände, sie können auch erblich bedingt sein und manchmal ohne Anlass und selbst bei intaktem Umfeld auftauchen. Der klassische Ausruf hierbei ist wohl: „Warum bist du denn depressiv, dir geht es doch gut?”

Derlei Unverständnis ist meines Erachtens nach und aus persönlicher Erfahrung selbst im besten Fall nicht hilfreich. Im schlimmsten Fall ist es schädlich und mitunter lebensgefährlich. Allerdings ist es auch verständlich, dass man sich ungerne über solche düsteren Themen unterhält oder sich damit auseinandersetzt. Solche Verhaltensweisen in der Gesellschaft sind also nicht bösartig, egal wie fatal die Folgen auch sein können. Sie zeugen allerdings von gefährlicher Ignoranz. Dass ein Wandel im Gange ist, durch soziale Medien und öffentliche Initiativen, ist jedoch positiv anzumerken, so können sich in sozialen Netzwerken betroffene finden und sie liefern Kanäle, über die Krankheit offen zu sprechen.

Die Geister meines Lebens

Bildquelle: Lukáš Rychvalský /​ Stocksnap /​ CC0

Dieses Thema bedeutet mir persönlich sehr viel. Denn auch meine Geister sind Depressionen. Es ist noch nicht lange her, dass ich alleine zuhause war und ernsthaft darüber nachdachte, wie ich einen Suizid am geschicktesten anstellen könnte. Es ist nicht lange her, dass meine Mitbewohner*innen mich tagelang nicht gesehen haben und ich mir nur die Zähne geputzt habe, wenn ich unbedingt aus dem Haus musste, an die Uni oder zur Arbeit. Damals habe ich mich selbst wie ein Geist gefühlt. Ich fühlte mich alleine, hilflos und unverstanden. Obwohl ich viele gute Freund*innen und eine tolle Familie habe. Meine Krankheit und mein eigenes Unwissen haben mich viele Jahre meines Lebens gekostet.

Heute geht es mir besser. Ich habe mich meinen Geistern gestellt und mir Hilfe gesucht. Diese habe ich dann auch erhalten, wenn auch mit einigen Umständen. Denn ein weiteres Problem ist die Erwartungshaltung, dass depressive Menschen sich selbst Hilfe suchen und monatelange Wartelisten in Kauf nehmen. Das alles mit Ängsten und Motivationsproblemen. Hier ist leider noch einiges zu tun.

Sollte irgendjemand diesen Text lesen, der selbst betroffen ist oder Betroffene kennt, die mit ihren Geistern zu kämpfen haben, dem sollte zuletzt das hier noch gesagt sein: Es ist keine Schwäche, sich Hilfe zu suchen. Es ist auch nachvollziehbar, hilflos zu sein, wenn andere betroffen sind. Manchmal reicht es, zuzuhören. Manchmal reicht es, einfach nur da zu sein.

Stellt euch euren Geistern

Wer sich selbst seinen Geistern stellen will, dem seien diese Nummern ans Herz gelegt:

Info-Telefonnummer der Deutschen Depressionshilfe: 0800 3344533

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111; 0800 111 0 222; 116 123

In Baden-Württemberg gibt es zudem den Arbeitskreis Leben, der an vielen Orten aktiv ist und oft kurzfristig Hilfe bieten kann. Weitere, tiefer gehende Hilfe muss oft psychiatrisch und/oder psychotherapeutisch erfolgen. Sich Hilfe zu suchen, um mit seinen Geistern nicht allein zu sein, ist jedoch keine Schande und jeder ist es wert, diese Hilfe auch zu erhalten.

Poltergeister treiben ihr Unwesen

Das Phänomen Poltergeist ist weltweit bekannt – aber was steckt wirklich dahinter? Wissenschaft oder Spuk? Der Diplompsychologe Eberhard Bauer des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg untersucht solche Fälle mit wissenschaftlichen Methoden.  

„Alle Glühbirnen im ganzen Haus sind durchgebrannt. Das ist doch eigentlich unmöglich!“ erzählt mir eine Freundin, als ich ihr von meinem geplanten Blogeintrag über Poltergeister berichte. Vor der Beerdigung ihres Großonkels versammelten sich Freunde und Familie im Haus des Verstorbenen. Auf einmal erloschen im ganzen Haus die Lichter. Alle Glühbirnen waren durchgebrannt. Meine Freundin beschreibt mir die gruselige Atmosphäre nach diesem Ereignis: „Wir haben alle gedacht, dass der Geist meines Großonkels uns ein Zeichen geben wollte.“ Technisch hat sich das Ereignis nicht aufklären lassen.

Das eben erwähnte Phänomen wäre typisch für einen Poltergeist. Er kann elektrische Geräte ein- und ausschalten, Möbel verschieben oder seltsame Klopfgeräusche ertönen lassen. Die Anekdote meiner Freundin erzähle ich dem Diplompsychologen Eberhard Bauer vom Freiburger IGPP. Seit 1972 arbeitet Bauer dort und beschäftigt sich mit paranormalen Erscheinungen aller Art. Was würde er meiner Freundin raten? Bei diesem Fall sei es wichtig, nach der Bedeutung der Vorfälle zu fragen, erklärt er mir. In welchem Verhältnis stand der Großonkel zu dem Haus beziehungsweise zu den Angehörigen? Gibt es noch Sachverhalte in der Familie, die unerledigt geblieben oder verdrängt worden sind? „Mitunter gibt es dann ein Verständnis der Phänomene, wie von selbst“, argumentiert Bauer. Ob es sich dabei um ein Poltergeistphänomen handelt, sei eine Standpunktfrage. Es kann sich demnach um einen ortsgebundenen Spuk und somit um eine andere Geistererscheinung als der Poltergeist handeln. Das Haus spiegele dabei den „Leib der […] Familie“ wider und das Löschen des Lichts sei ein Zeichen für das erlöschende Lebenslicht des Onkels. Ein Poltergeist ist aber personengebunden. Der Spuk wird durch eine sogenannte „Fokusperson“ ausgelöst. Auch dies könnte hier, laut Eberhard Bauer, der Fall sein. Durch verdrängte und nicht verarbeitete Emotionen hatte möglicherweise eines der Familienmitglieder das Erlöschen der Lichter selbst herbeigeführt.

In der Wissenschaft wird dieses Phänomen als „spontane Psychokinese“ bezeichnet. Demnach können Personen durch überschüssige Emotionen oder Energie Gegenstände unbewusst in Bewegung setzen, ohne sie berühren zu müssen. Die Wissenschaft schließt die Existenz eines Poltergeistes aus. Stattdessen geht sie davon aus, dass die „Fokusperson“ den Spuk selbst auslöst.

Der „Rosenheim-Spukfall“

Ein besonders eindrückliches Poltergeistphänomen ereignete sich 1967 in Rosenheim. Hierbei wurde der Spuk angeblich durch eine solche „Fokusperson“ ausgelöst. Die Telefonleitung in einer Anwaltskanzlei spielte verrückt, Leuchtstoffröhren platzten und Knalleffekte erschreckten die Mitarbeiter*innen.

Zunächst gingen die Mitarbeiter*innen der Kanzlei davon aus, dass es sich um erklärbare Vorkommnisse handelte. Sie vermuteten, dass die Stromversorgung dafür verantwortlich sei. Nachdem auch die Stadtwerke nicht mehr weiter wussten, wurde der damalige Leiter des IGPP, Hans Bender, hinzugezogen. Er und sein Team fanden heraus, dass die Phänomene mit der Schreibkraft Annemarie Schaberl zusammenhingen. Die Spukphänomene ereigneten sich immer nur dann, wenn sie anwesend war. Die Expert*innen rieten dazu, Annemarie in den Urlaub zu schicken. Danach hörten die seltsamen Vorkommnisse auf.

Die Schreibkraft wechselte daraufhin die Kanzlei. Auch an ihrem neuen Arbeitsplatz kam es zu seltsamen Geschehnissen, jedoch war es lange nicht so schlimm wie in Rosenheim. Dort kam es nie wieder zu seltsamen Ereignissen. Annemarie Schaberl wurde eingehend psychologisch untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sie instabil und reizbar sei. Ihre Wut habe sich in diesen sonderbaren Phänomenen entladen und damit die oben erwähnte „spontane Psychokinese“ ausgelöst. Nach dieser Hypothese trieb kein Poltergeist sein Unwesen in der Kanzlei. Die psychisch angeschlagene Mitarbeiterin hatte die Ereignisse selbst ausgelöst.

„Der ‚Fall Rosenheim‘ gilt bis heute in den Annalen unseres Instituts als ein außerordentlich gut dokumentierter Fall von ’spontaner Psychokinese‘.“ 

Die Dokumentation des IGPP über diesen Fall beträgt rund 2.000 Seiten. Kritische Einwände gegen ein Spukphänomen und für einen technischen Defekt wurden darin, laut Bauer, widerlegt.

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle

Manipulation und Betrug sind oft die erste Vermutung bei einem Spukphänomen. Auch Eberhard Bauer hat schon inszenierte Spukphänomene erlebt.

„Das ist, wenn man die Dynamik dieser Vorgänge kennt, nicht sonderlich überraschend. ‚Spuk‘ hat ja immer einen Appellcharakter, ist eine Art seelischer ‚SOS-Ruf‘ mit vielleicht ungewöhnlichen Mitteln, Wichtig ist das Verständnis der zugrundliegenden Motivation, einschließlich einer möglichen Inszenierung.“

Jedoch sieht sich Bauer in der Funktion des psychologischen Beraters und nicht als Kriminalist. Er versucht zu helfen und nicht einen möglichen Betrug aufzuklären. Er hat keinen Zweifel daran, dass jeder, der ein solches Spukphänomen schon erlebt hat, davon zutiefst verstört ist und ihm „keinen Bären aufbinden“ will. Es gibt aber auch noch weitere Erklärungsansätze für ein Spukphänomen. Der zweite Ansatz arbeitet mit Befunden aus der Psychologie und der Psychoanalyse. Die dritte, spiritistische Deutung erklärt den Spuk mit Geistern von Verstorbenen, die für die Vorfälle verantwortlich sind. Aber welche der Erklärungsansätze ist die wahrscheinlichste? Man könne mit allen drei Ansätzen pragmatisch arbeiten, erklärt Bauer, je nachdem wie das Erkenntnisinteresse aussehe.

Meine Freundin kann ich zunächst beruhigen. Vermutlich hat sich kein Poltergeist im Haus ihres Großonkels eingenistet. Was wirklich hinter dem plötzlichen Durchbrennen der Glühbirnen im ganzen Haus steckt, werden wir wohl trotzdem nie erfahren.

Quellen:

  • Bauer, E., Mayer, G. (2015): Spukphänomene. In Mayer, G., Schetsche, M., Schmied-Knittel, I., Vaitl, D. (Hrsg): An den Grenzen der Erkenntnis: Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. Stuttgart: Schattauer.
  • Von Lucadou, W. (1995). Psyche und Chaos: Theorien der Parapychologie. Leipzig: Insel Verlag.

Wenn die Angst vor Haaren das Leben bestimmt, fällt oft der Ausdruck „Chaetophobie“. Unser Reporter hat sich auf die Spuren solcher Phobiker begeben: Seine Selbstfindung führte von der britischen Boulevardpresse bis zu den finsteren Abgründen der Tübinger Gastronomie.

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Symbolbild Trichotillomanie

Trichotillomanie ist eine relativ unbekannte psychische Störung, bei der sich die Betroffenen Haare ausreißen. Was verbirgt sich genau dahinter? Was bedeutet die Krankheit für Betroffene? Und wie kann man damit umgehen?

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