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Seidig glatt, bunt gefärbt, lockig und kräftig – Europas größtes Menschenhaarlager in Madrid bietet für jeden Geschmack die entsprechende Ware an. Das Geschäft mit echtem Menschenhaar floriert. Denn der Haarhandel ist eine Milliarden-Dollar-Industrie.

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Haare können für Selbstbestimmung und Freiheit ebenso wie für Unterdrückung, Frömmigkeit oder Sexismus stehen. In erster Linie sollten sie aber vor allem eines sein: Privatsache. Ein Blick auf medienvermittelten Sexismus, festgefahrene Machtstrukturen und einen Funken Hoffnung am behaarten Horizont feministischer Einflüsse.

Rollenbilder, -zwänge und sexistische Weltanschauungen sind auch 2018 weiterhin fest verankert in den Denkmustern vieler Menschen. Eine Befragung englischer Manager durch das Magazin Edition F im Juni lieferte vor allem eines: Sexismus gegenüber Frauen. Aussagen wie „Ich glaube, Frauen passen einfach nicht so richtig ins Führungsteam” oder „Meine Kollegen wollen keine Frau in den Aufsichtsrat berufen” fanden sich unter den Antworten. Sie zeigen, dass vor allem Machtstrukturen immer noch stark von männlichen Perspektiven geprägt sind. Diese schaffen durch einfaches Schubladendenken eine Welt aus mächtigen Männern und schönen Frauen.

Doch woher kommt diese Annahme? Medien spielen sowohl in der Werbung als auch in der Berichterstattung eine entscheidende Rolle.

Zentrum der weiblichen Schönheit sind immer wieder die Haare. Beziehungsweise keine Haare. Auf dem Kopf möglichst wallend und dicht, ansonsten aber bitte alles wegmachen. So lautet die Botschaft in TV, Zeitungen und sozialen Medien. Mit einem öffentlichen Diskurs haben solche Themen eigentlich wenig zu tun, sondern sind jederMANNS Privatsache. Im Gegensatz dazu scheint es aber irgendwie salonfähig zu sein, über die weiblichen Körperhaare öffentlich zu bestimmen.

Wahre Schönheit beginnt bei den Haaren?

„What does beauty feel like? And where does it begin? It begins with your skin,“ verrät eine Gillette-Werbung ihren Zuschauerinnen. Ein weiterer Gillette-Werbespot wirbt „für makellose Schönheit“ mit dem neuen Venus Swirl. Währenddessen sind Models zu sehen, die ihre bereits komplett enthaarten Beine für die Kamera noch einmal rasieren. Ciao Realität – hallo Sexismus.

Durch solche Aussagen fördert die Werbung eine Perspektive, die weibliches Körperhaar als Makel definiert und Schönheit mit enthaarter Haut gleichsetzt. Damit werden nicht nur Schönheitsideale geprägt. Indem schon vor der Rasur keine Haare an Achseln oder Beinen zu sehen sind, wird das Bild einer immer enthaarten Frau geschaffen. Was in einer Werbung für Männer-Rasierer undenkbar wäre – hier zeigt Gillette sehr wohl reale Achselhaare – ist in Bezug auf Frauen längst zur Sehgewohnheit  geworden. Den Anblick von behaarten Körperstellen will die Werbung uns wohl lieber nicht zumuten. Weibliche Körperhaare sind für gesellschaftlich inakzeptabel erklärt worden.

Sexismus im Newsfeed

Die Medien propagieren eben dieses ästhetische Frauenbild von glatter Haut immer wieder in der Öffentlichkeit: Nicht nur durch Werbesprüche, sondern auch durch eine unreflektierte Berichterstattung, welche die Einstellung zu Körperhaaren undifferenziert aus den Werbespots übernimmt. So erscheinen Artikel mit Titeln wie „Eklige Beinhaare! Topmodel Natalia traut sich was“. Dort werden Beinhaare bei Frauen als absolutes No-Go und Beauty-Fauxpas abgetan. Selbst der „Focus“ scheint es für angemessen zu halten, bei diesem Thema mitzumischen. „Eine glatte Sache – die Beinhaare müssen ab“ titelte er in einem Beitrag über verschiedene Haarentfernungsmethoden für Frauen und betont dabei: „Wildwuchs am Bein geht gar nicht“. Angesiedelt ist dieser Artikel übrigens im Bereich Kultur. Dies zeigt, wie sehr die Ablehnung weiblicher Körperhaare gesellschaftlich verankert ist und wie selbstverständlich das immer wieder postuliert wird.

„Die Konfrontation mit Bildern von Models in den Medien ist wie Gehirnwäsche“

In der Folge etablieren sich alternative Perspektiven auf Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit nur schwer. Winfried Menninghaus, Direktor der Abteilung Sprache und Literatur des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik, spricht den Medien eine entscheidende Mitschuld an den herrschenden Schönheitsidealen zu: „Wiederholtes Ansehen steigert in der Regel ästhetisches Gefallen. Dieser ,mere exposure-Effekt‘ ist eine Grunderkenntnis der Ästhetik. Die pausenlose Konfrontation mit Bildern von Models in allen möglichen Medien ist deshalb wie Gehirnwäsche.“

Opfer dieser Gehirnwäsche sind dabei nicht nur ahnungslose Männer, sondern viele Frauen unterwerfen sich selbst und ihre Nächsten diesem Schönheitszwang. So stellt Heidi Klum 2017 eine Kandidatin ihrer Topmodel-Castingshow bloß, indem sie sie als „Maja mit den Achselhaaren“ bezeichnet. Komisch, denn ist nicht eigentlich jede Frau „eine mit Achselhaaren“? Heidi jedenfalls hält mit ihrer Aussage das Bild der immer enthaarten Frau aufrecht.

Mit Achselhaaren an die Macht?

Sind Rebellionen mit ungezähmter Körperbehaarung also die einzige Antwort auf medienvermittelten Sexismus? Immer mehr Frauen versuchen sich der Fremdbestimmung ihrer Körper zu entziehen, indem sie das Gegenteil zur Schau stellen: stoppelige Beine und behaarte Achseln. Sie wollen sich damit bewusst der medial geschafften Norm entziehen.

Dabei geht es weniger um die Haare selbst, als darum mit dieser Norm zu brechen, indem konventionelle Merkmale von Weiblichkeit, wie enthaarte Beine, abgelegt werden. Obwohl Frauen durch ein solches Auftreten oft provozieren, sollte Provokation nicht im Zentrum stehen. Sexismus lenkt die Aufmerksamkeit gezielt nur auf das Aussehen einer Frau. Ziel des Widersetzens ist es deswegen, die Aufmerksamkeit weg vom Aussehen und hin zur Frau unter den Haaren zu lenken. Auf ihren Charakter, ihr Können, ihren Einsatz. Dadurch soll ein neues Frauenbild in die Öffentlichkeit treten und eine Alternative zu bisherigen Enthaarungszwängen bieten.

Solche feministischen Einflüsse dringen zwar nur langsam in klischeebelastete Werbespots und flache Berichterstattungen ein, doch erste Erfolge können verzeichnet werden. Im September 2017 hat der Sporthersteller Adidas einen Werbespot für Sneaker veröffentlicht, in dem die unrasierten Beine des schwedischen Models Byström zu sehen sind, während diese über Weiblichkeit spricht.

Dass solche Werbespots 2018 zwar leider noch nicht selbstverständlich sind, zeigen die unzähligen Gegenbeispiele und Shitstorms, die als Reaktion auf die junge Schwedin niederregneten. Doch feministische Bewegungen gewinnen an Einfluss und setzen sich sexistischen Werbungen und Berichterstattungen mit zunehmendem Erfolg entgegen.

Mit „Personality“ ans Ziel

Zum Schluss dürfen auch noch die Klum-Fans aufatmen. Seit 2017 gibt es sogar einen „Best Personality-Award“ bei Germany´s Next Topmodel. Damit nicht das Gefühl entsteht, es würde bei dieser Fleischschau nur ums Aussehen gehen. Auch wenn „Maja mit den Achselhaaren“ ihn nicht ergattern konnte, ist er doch zumindest ein kleiner Trost für alle FeministInnen, finden Sie etwa nicht?

Redewendungen finden sich überall in unserer Alltagssprache und stehen sinnbildlich für Emotionen und Handlungen. Da Haaren in der Kulturgeschichte des Menschen eine bedeutende Rolle zukommt, sind sie zum Mittelpunkt vieler dieser Redewendungen und Sprichwörter geworden. Doch wir benutzen sie meist, ohne über die genauere Bedeutung nachzudenken.

Allerlei surreale Szenen würden sich abspielen, wenn wir Redewendungen wörtlich nehmen würden. Was würde geschehen, wenn uns wirklich Haare auf den Zähnen wachsen würden, sobald wir uns langweilen? Oder müssten wir Teller voller haariger Suppen auslöffeln, wenn andere etwas störend finden, für das wir verantwortlich sind? Wir wollen uns lieber gar nicht erst ausmalen, wie es wäre, wenn jemand versucht, uns ein Haar zu krümmen – eine wohl langwierige Angelegenheit. Viele unangenehme, peinliche und teilweise auch schmerzhafte Situationen wären also wohl das Ergebnis dieser Szenerien, die wir oft täglich verbal heraufbeschwören.

Ein kleines Rätsel zur Auflockerung des Arbeitsalltags gefällig?

Wir haben im täglichen Leben einmal nach genau diesen Situationen gesucht, uns in fremde Häuser und Gärten geschlichen und Freunde am Strand gestalkt. Zurückgekommen sind wir mit einem Film voller verrückter Szenen. Erkennt ihr, was dort vor sich ging? Alle blauen Felder ergeben am Ende ein Lösungswort!

 

Manche dieser Redewendungen sind doch wirklich!

Mehr haarige Redewendungen sind hier nachzulesen: https://www.phrasen.com/tags/haar

Weitere Quelle: Der Landrat (Hrsg.), Mülder-van Elten, & Wielebski. (2015). Kopfsache. Zur Kulturgeschichte der Haare. Grefrath: völker druck Goch.

Das Haar auf dem Körper ist oftmals ein ungewollter Wuchs. Deshalb finden sich auch unzählige Beseitigungsmöglichkeiten auf dem Markt. Wer nun aber glaubt, dass der Wunsch des Menschen nach einem haarlosen Körper ein Trend der Moderne sei, der liegt daneben. Die Wurzeln der Haarentfernung reichen bis weit in die Vergangenheit zurück. Dieser Artikel gibt in aller Kürze einen Einblick in die Geschichte des unerwünschten Haars – vom Höhlenmenschen bis zur Gegenwart.
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Haare enthalten zahlreiche Informationen über dessen Besitzer. Alles was wir zu uns nehmen, allem, was wir ausgesetzt sind und selbst unsere DNA kann aus einem Haar herausgelesen werden. So können über Jahre hinweg Substanzen im Haar nachgewiesen werden, die beispielsweise auf Drogenkonsum des Haarbesitzers hinweisen. Gerade bei Verbrechen sind Haare oft der entscheidende Beweis, um den Täter zu überführen.

Das Haar als genetischer Fingerabdruck

Ein bekanntes Beispiel ist der Fall von Maria L. in Freiburg. Die 19-jährige Medizinstudentin wurde in der Nacht zum 16. Oktober 2016 vergewaltigt und ermordet. Am Tatort wurde ein halb blondiertes, halb naturfarbenes Haar gefunden. Videoaufnahmen in der Tram führten die Ermittler zu Hussein K.. Obwohl dieser nach der Tat seine Frisur geändert hatte, konnte der Verdacht gegen seine Person mittels eines DNA-Abgleichs bestätigt werden.

Weil Haare allerdings tote Zellen sind, geben sie keine Erbinformationen preis. Lediglich in den Haarwurzeln findet sich eine geringe Anzahl an Zellen, in denen die persönliche Erbsubstanz versteckt ist. Bei der DNA-Haaranalyse müssen diese Zellen zunächst vervielfältigt werden. Die gefundene DNA kann dann mit anderen Spuren vom Tatort verglichen werden. Um die Zusammensetzung der Gene und so die genauen Erbinformationen zu ermitteln, muss die DNA noch sequenziert werden. Stimmt diese mit anderen vorliegenden DNA-Sequenzen überein, ist die Person eindeutig identifiziert. Ein langwieriger Prozess.

Die Haaranalyse ist nicht nur bei einem Mordfall nützlich um den Täter zu identifizieren, auch bei Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs kann ein Haar helfen, um Informationen über den Tathergang zu bekommen. Mit einer toxikologischen Untersuchung kann beispielsweise die Aussage des Opfers überprüft werden. Der Forensiker Jörg Teske erklärt dies anhand des Beispiels eines 13-jährigen Mädchens. Sie sagte aus, ihr Vater habe sie mit einem Tee und Tablettenresten betäubt und anschließend missbraucht. Die Untersuchung von Einzelhaaren im Labor wies eine „hohe Konzentration von Doxylamin“ nach.

Unterm Mikroskop

Doch die kriminologische Erfolgsgeschichte der Haaranalyse ist auch von Rückschlägen geprägt. Lange Zeit war die mikroskopische Haaranalyse Standard unter Forensikern. Bei dieser Form der Analyse wird das Haar unter dem Mikroskop betrachtet. Gewisse Merkmale geben Aufschluss über das Alter und die Struktur des Haares. Heutzutage ist bekannt, dass gewisse Haarmerkmale nicht immer eindeutig sein müssen. Sie unterscheiden sich nicht nur von Person zu Person, sondern auch auf dem Kopf jedes Einzelnen.

Im Nacken sind die Haare beispielsweise etwas dünner als auf dem Rest der Kopfhaut. Sogar die Farbe der Haare kann innerhalb eines einzelnen Haares variieren, denn ein Haar enthält verschiedene Farbpigmente. Damit lässt sich von einem einzelnen Haar nicht auf die Haarfarbe einer Person schließen. Zudem verändert sich die Struktur mit dem Alter der Haare. Haare haben in der Wachstumsphase eine andere Textur, als wenn diese das Wachstum bereits beendet haben. Wenn an Tatorten Ermittler abgestorbene Haare finden, die im Alltag von alleine oder beim Bürsten ausfallen, haben diese weniger Merkmale als Haare, die sich noch in der Wachstumsphase befinden. So kann der Besitzer nicht über eine mikroskopische Haaranalyse zurückverfolgt werden. Die Indizien sind nicht ausreichend, um eine Person einer Straftat zu beschuldigen.

Fehlerhafte Gerichtsurteile und schwerwiegende Folgen

Im Jahr 2014 deckten Reporter der Washington Post zahlreiche Fehlurteile aufgrund von Haaranalysen des FBI auf. Von insgesamt 268 Urteilen waren 257 fehlerhaft, darunter auch 32 Todesurteile. Als Gründe für die falschen Analysen wurden der Erfolgsdruck des FBI und der damalige Forschungsstand genannt.

In den frühen Morgenstunden des 26. Juli 1978 wurde der 63-jährige Taxifahrer McCormick in Washington D.C. vor seinem Haus ausgeraubt und erschossen. Am Tatort fanden Ermittler eine Strumpfmaske mit Haarspuren, die zur Analyse ins FBI-Labor gegeben wurde. Durch Informanten wurde die Polizei auf den damals 17-jährigen Santae Tribble aufmerksam, der kurz vor der Tat eine Waffe gekauft haben soll, wie sie beim Verbrechen verwendet wurde. Die Ermittler schickten Haarproben von Tribble ins Labor. Forensiker kamen zu dem Ergebnis, dass die Haare auf der Stumpfmaske mit den Haaren von Tribble übereinstimmten.

Da es keine anderen Beweise, wie Fingerabdrücke oder Zeugen gab, wurde Tribble nur auf Grund der mikroskopischen Haaranalyse im Vergleich mit den Haaren auf der Strumpfmaske verurteilt. Tribble saß 27 Jahre in Haft. Zu Unrecht, wie sich im Jahr 2012 herausstellte. Eine DNA-Haaranalyse, wie sie seit 1987 vor Gericht zugelassen ist, konnte die Ergebnisse der mikroskopischen Haaranalyse widerlegen. Seit diesem Fall ist die mikroskopische Haaranalyse nicht mehr als Beweis oder als Indiz zulässig.

Forschungen für die Zukunft

In Zukunft wollen Ermittler aus Haarproben das Essverhalten und den Lebensstil der Verdächtigen mit Hilfe von Isotopenanalysen bestimmen. So soll auch bei einem Fall, bei dem eineiige Zwillinge unter Verdacht geraten, der Täter eindeutig ermittelt werden können. Glen Jackson, Professor für Forensische Wissenschaften, und seinem Team der West Virginia University ist es gelungen „aus Haarproben von 20 Frauen mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Body-Mass-Index der Haarbesitzerin richtig zu bestimmen“. Forscher der Universität Heidelberg halten die Ansätze ihrer US-Kollegen für interessant, bleiben aber skeptisch.

Heutzutage gilt die DNA-Haaranalyse als sicheres Indiz bei Verbrechen und hilft Ermittlern, Täter zu überführen. Im Gegensatz zur mikroskopischen Haaranalyse liefert die DNA-Haaranalyse die individuelle Erbinformation der Person und die Identifizierung ist eindeutig.