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Berge und Vulkane faszinieren uns Menschen seit eh und je. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Art, sondern sind auch geprägt von verschiedenen Geschichten, die uns sowohl eine wissenschaftliche als auch eine religions- und kulturgeschichtliche Perspektive auf sie eröffnen. Durch diese Perspektive erfahren wir Berge und Vulkane als Entstehungsorte für Bräuche, die bis heute standhalten oder als Wohnorte von Göttern, Geistern und Ahnen. 

Heutzutage kann die Entstehung der meisten Berge und Vulkane wissenschaftlich erklärt werden. Sie sind größtenteils eine Folge der Verschiebungen von kontinentalen und ozeanischen Platten. Trotzdem sind sie nicht vollständig erforscht und bergen somit noch viele Geheimnisse.

„Der Benbow ist ein Geist.“

Die Fotojournalistin und Dokumentarfilmerin Ulla Lohmann interessiert sich besonders für die Erforschung des Vulkans Benbow auf der Insel Ambrym in Vanuatu. In ihrem Buch „Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde“ berichtet sie davon, wie sie es schafft auf die dritte Terrasse des Vulkans zu gelangen und welche Rolle neben ihren wissenschaftlichen Kenntnissen über Vulkane, die mythologischen Vorstellungen der Einheimischen spielen. So trifft sie beispielsweise auf ZakZak, den Hüter des Vulkans, der ihr erklärt: „Der Benbow ist ein Geist. Der Vulkan ist lebendig. Du musst ihn immer ehren und respektieren, wie einen Menschen.“

Gunung Agung Zentrum des Universums

Auf der Insel Bali gibt es ebenfalls Vulkane, die einen mythologischen Hintergrund haben. Laut der balinesischen Schöpfungsmythologie erschufen göttliche Wesen die Insel, indem sie die Schildkröte Bedawang in den Ozean setzten. Auf ihrem Rücken wuchsen Pflanzen, entstanden Flüsse und Seen, Berge und Täler. Die Götter verbannten Dämonen und böse Geister im tiefen Meer (Unterwelt). Sie selbst ließen sich in den Vulkanen und hohen Bergen nieder (himmlische Sphäre).

Der Vulkan Gunung Agung auf Bali in Indonesien

Der Vulkan Gunung Agung auf Bali in Indonesien, Foto: Stephanie Constantin

Der mit 3.142 Metern höchste Vulkan Balis namens Gunung Agung, übersetzt „Hoher Berg“, wird von den Einheimischen als Zentrum des Universums gesehen. Daher gilt er als besonders heilig. Am Hang des Gunung Agung befinden sich heilige Schreine und Tempel, an denen die Bewohner*innen die Götter und Geister der Ahnen verehren.

Im Jahr 1963 explodierte der Vulkan und zerstörte mit seiner austretenden Lava mehrere Dörfer. Bei der Katastrophe starben auch tausende Menschen. Dies passierte zu der Zeit als das sogenannte Eka Dasa Rudra Fest vorbereitetet wurde. Das Fest findet alle 100 Jahre statt und sorgt für die symbolische Reinigung des Universums. Viele Balines*innen vermuten, dass es falsch terminiert wurde und die Götter unzufrieden stimmte, woraufhin sie die Naturkatastrophe auslösten.

Wissenschaftler*innen hingegen sehen einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Vulkans und der Lage Balis. Die Insel befindet sich in einer geologisch instabilen Region, nämlich im Pazifischen Feuerring. Hier kollidiert die australische mit der eurasischen Kontinentalplatte und trägt damit zum aktiven Verhalten einiger Vulkane bei.

Der heilige Ort Ambondrombe

Etwas harmloser scheinen Berge zu sein und doch können auch sie Ehrfurcht im Menschen erwecken. Dazu gehört der Berg namens Ambondrombe, im Südosten der Insel Madagaskar liegend. Für die Einheimischen ist er ein heiliger Ort, der als Wohnstätte der Seelen königlicher Ahnen und Geister dient. Die Bewohner*innen des naheliegenden Dorfes Ambohimahamasina bezeichnen sich selbst als „Bewohner*innen der Geister“. Vor geraumer Zeit trauten sich die Madagass*innen nicht in die Nähe des Berges, da sie donnerähnliche Geräusche in seiner Umgebung wahrnahmen. G. A. Shaw, ein englischer Missionar des 19. Jahrhunderts, stellte bei der Besteigung des Berges fest, dass die Geräusche von einem Wind, der durch eine Engstelle des Berges zieht, erzeugt wird. Jedoch ist in der Nähe des Geräusches kein Luftzug spürbar. Aus diesem Grund bezeichnete Shaw den Wind als großen Geistererwecker. Für die Einheimischen sind diese Geräusche ein Zeichen dafür, dass die Ahnen und Geister nicht gestört werden möchten. Bei Tag und Nacht, so erzählen sie sich, kann man sogar Gestalten inmitten des Waldes des Ambondrombe erkennen. Wenn man sich ihnen nähert, verschwinden sie.

Der Brocken – Ort von Hexen und Brockengespenstern

Während der Glaube an mystische Gestalten auf Madagaskar oder Bali fester Bestandteil der Kultur ist, werden solche Vorstellungen in Deutschland kaum noch ernsthaft vertreten. Grund dafür könnte die Ablösung von ethnischen Religionen durch neuere religiöse Bewegungen, wie dem Christentum, sein und/oder der Einzug wissenschaftlicher Erklärungen für bestimmte Naturphänomene. Der Brocken, ein Berg im Mittelgebirge Harz in Deutschland, ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass sich Mythen verändern und trotzdem noch in dem ein oder anderen Brauch niederschlagen können.

Der Brocken im Mittelgebirge Harz in Deutschland

Der Brocken im Mittelgebirge Harz in Deutschland, Foto: Pixaline, Pixabay

Seit Jahrhunderten gilt der Brocken als Versammlungsort von Hexen und bösen Geistern. Er wird häufig auch als Blocksberg bezeichnet, was so viel wie Hexentanzplatz heißt. Auch außerhalb Deutschlands wird dieser Begriff zur Bezeichnung solcher Berge verwendet. Den mittelalterlichen Vorstellungen nach, fliegen die Hexen auf Gegenständen des alltäglichen Lebens wie Besen, Heugabeln und Hüten aber auch auf Tieren wie Ziegen, Wölfen und Katzen auf den Blocksberg. In der Walpurgisnacht ‒ heute auch „Tanz in den Mai“ genannt ‒ feiern sie ausgiebig. Der Name Walpurgisnacht lässt sich von der heiligen Walburga ableiten, die im Christentum als Schutzpatronin gesehen wird und die bösen Geister vertreiben soll. Der Brauch ist jedoch germanischen Ursprungs und geht damit weit in die vorchristliche Zeit zurück. Sie feierten in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai den Frühlingsbeginn ‒ verkleidet und um ein Feuer tanzend. Ihre Absicht war es die bösen Geister des Winters zu vertreiben.

Doch nicht nur in der Walpurgisnacht nahmen die Menschen ungewöhnliche Erscheinungen wahr. Bei aufkommendem Nebel und Sonnenuntergang, zeigte sich das Brockengespenst in Form eines riesigen Menschen am Horizont. Früher jagte es den Menschen Angst ein, nicht zuletzt, weil es sich bewegte. Heute ist es als Naturphänomen bekannt, das entsteht, wenn der Schatten des Beobachters auf eine Nebel- oder Wolkenwand trifft.

Brockengespenst

Brockengespenst, Foto: TheusiNo, Pixabay

Mythologie oder Wissenschaft?

Was die aufgeführten Berge und Vulkane miteinander gemein haben ist, dass sie einen wichtigen Teil verschiedener Kulturen darstellen. Sie stehen oft im Zentrum religiöser Vorstellungen und spielen in den Mythen der umwohnenden Menschen eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig sind sie auch für Menschen von Interesse, die anhand der Berge und Vulkane versuchen Naturphänomene besser zu verstehen. Für Ulla Lohmann, die sich bei der Erforschung des Benbow auf seine Mythologie eingelassen hat, ohne jedoch die wissenschaftliche Perspektive auszublenden, ist klar: „Ein Vulkan ist nicht nur durch Mythologie, sondern auch durch Wissenschaft erklärbar.“

 

Quellen:

  • Dusik, Roland (2005): Bali. Java. Lombok. Ostfildern, DuMont Reiseverlag.
  • Graz, Karl (2017): Mythos Berg. Lexikon der weltweit bedeutendsten Berge. myMorawa von Moraga Lesezirkel GmbH.
  • Lohmann, Ulla (2017): Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Wals bei Salzburg, Benevento Publishing.
  • http://www.vulkane.net/vulkane/agung/gunung-agung.html
  • https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/walpurgisnacht20160430/

Schlangen in Menschengestalt, blutsaugende Dämonen und tödliche Intrigen am Königshof: Die chinesische Kultur ist voller geheimnisvoller Gespenster-Geschichten. Doch hinter dem Überirdischen verbergen sich dann doch ganz irdische Motive.

Eines Tages fragte ein Schüler Konfuzius über das Wesen der Geister. Der Meister sprach: „Wenn man noch nicht den Menschen dienen kann, wie sollte man den Geistern dienen können!“ Konfuzius sprach niemals über Zauberkräfte und widernatürliche Dämonen. Dennoch haben die Mythen über Geister und Gespenster auch im Konfuzianismus zahlreiche Anhänger – selbst unter Würdenträgern und Literaten. Hier nun eine Auswahl der populärsten chinesischen Gespenster-Geschichten.

Yao (妖) – Geister mit menschlichem Aussehen

Green Snake

Szenen aus dem Film „Green Snake“, einer Verfilmung der Geschichte der weißen Schlange aus dem Jahr 1993 (@ Shanghai Film Co., Ltd. All rights reserved).

In der Song-Dynastie (960–1279) gab es einen gut aussehenden jungen Mann namens Xu Xian. Eines Tages machte er einen Spaziergang am Westsee. Da sah er zwei schöne Frauen, die vom heftigen Regen nass geworden waren. Er hatte Mitleid und gab den beiden seinen Regenschirm, während er dem Regen ausgesetzt war. Die Frau mit weißer Kleidung, die Bai Suzhen hieß, verliebte sich auf Anhieb in ihn. Auch Xu fühlte sich von der Frau angezogen. Nach der Hochzeit machte das Ehepaar eine Apotheke am Westsee auf. Alle Menschen bewunderten die neuen Nachbarn für ihre Schönheit und Großzügigkeit. Nur ein buddhistischer Mönch warnte Xu vor seiner Frau. Er behauptete, dass Bai eine böse Hexe sei und den Menschen Unglück bringe. Dann schlug er Xu vor, am Drachenbootfest seine Frau auf einen Xionghuang-Schnaps (einen traditionellen Kräuterschnaps) einzuladen. Xu begann zu zweifeln und tat an dem Tag genau das. Kurz nachdem Bai den Schnaps getrunken hatte, erschien ihre eigentliche Figur: eine weiße Schlange. Der weißen Schlange war  es nach tausendjähriger Meditation endlich gelungen, Menschengestalt anzunehmen. Und Bais sogenannte Schwester war in Wirklichkeit eine grüne Schlange. Sie zaubert an dem Tag des ersten Treffens von Xu und Bai Suzhen einen Platzregen herbei, um ihr dabei zu helfen, Xu um den Finger zu wickeln.

Das Schriftzeichen Yao (妖) steht im Altchinesischen auch für die weibliche Schönheit. Aber in der patriarchalen Kultur wandelte sich die Bedeutung des Wortes allmählich und bezeichnete Tier- und in einigen Fällen auch Pflanzengeister, die Menschengestalt annehmen und die Menschen verführen, weil diese unrechte Begierden haben oder mutwillig Verbrechen begehen.

Guai (怪) –  Geister mit bizarrem Aussehen

Buchcover Jingwei

Der Dialog zwischen dem Vögelchen und dem Gott des Meeres. Titelblatt eines illustrierten Buch über die Legende von Jingwei (Foto: @Tomorrow Publishing House All rights reserved).

Nüwa, die jüngste Tochter von Yandi, einem Kaiser in der Vorgeschichte, führte ein naives und sorgenfreies Leben. Eines Tages spielte sie am Strand des Ostmeeres und war von der schönen Blauen angezogen. Sie schwamm fröhlich ins Meer. Nach und nach wurde das Meer stürmisch, während ihre Kräfte schwanden. Sie konnte nicht ans Ufer kommen, aber sie wollte nicht sterben. Wegen dieses starken Wunsches verwandelte sie sich in einen kleinen Vogel. Das Vögelchen hatte einen farbigen Kopf und griff sich jeden Tag Steinchen vom Westberg, die sie mit roten Klauen ins Ostmeer warf. Als der Gott des Meeres seine Rache entdeckte, lachte er es aus. Selbst eine Million Jahre reichen nicht aus, das Meer aufzufüllen. Das hartnäckige Vögelchen antwortete nun: „Ich werde nie aufhören und eines Tages, vielleicht nach zehn Millionen Jahren, werde ich es aufgefüllt haben.“ Weil es immer „Jingwei“ schrie, nannte man es auch so.

Guai (怪), ähnlich wie Yao (妖), haben menschliche Eigenschaften. Sie denken und handeln. Der größte Unterschied zwischen den beiden ist das Aussehen. Yao (妖) ähneln dem Menschen, während Guai (怪) tierische oder andere ungewöhnliche Gestalten annehmen.

Gui (鬼) – Gespenster, die Toten

Filmplakat "A Chinese Ghost Story"

Das Plakat des Film „A Chinese Ghost Story“ aus dem Jahr 1987 (@Cinema City Co., Ltd. All rights reserved).

In der Ming-Dynastie (1368–1644) gab es einen großzügigen Mann aus der Provinz Zhejiang namens Ning Caichen. Auf dem Weg in die Stadt Jinhua ruhte er sich in einem Tempel aus. Die imposante Halle war menschenleer. In der ersten Nacht konnte er nicht einschlafen. Plötzlich hörte er Flüstern. Er stand auf und ging zum Fenster. Dort sah er eine schöne Frau, die ihn fragte, ob sie bei ihm übernachten dürfte. Er wollte nicht. Die Frau versuchte ihn zu überreden. So beschimpfte Ning sie so laut, bis sie schließlich wegging. Am nächsten Tag kam ein Gelehrter mit seinem Diener vorbei. Sie übernachteten in einem Zimmer auf der östlichen Seite des Tempels. In der Nacht starben der Gelehrte und sein Diener plötzlich. Man fand ein kleines Loch in der Mitte ihrer Fußsohlen, aus dem noch ein bisschen Blut floß. In dieser Nacht kehrte die ominöse Frau zurück und bat Ning, sie zu retten. Sie gab zu, dass sie, Nie Xiaoqian, im Alter von achtzehn Jahren starb und neben dem Tempel begraben wurde. Danach wurde sie von einem mächtigen Yao (妖) gezwungen, Männer zu verführen. Der tötete die Männer, indem er ihnen das Blut aussaugte. Weil Ning sie abgelehnt hatte, wurde der Gelehrte umgebracht. Sie schlug vor, den Ort so früh wie möglich zu verlassen. Sie bat ihn, ihre Urne mitzunehmen und an einem sicheren Ort zu begraben. Ning glaubte ihr und kehrte sofort in seine Heimat zurück. Nie half ihm von nun an beim Haushalt und passte auf seine Familie auf.

Gui (鬼), anders als Guai (怪) und Yao (妖), steht nur für die Geister der toten Menschen. In den chinesischen Mythen gingen alle Gespenster in die Unterwelt, die Yingjian (阴间) oder Difu (地府) heißt. Nie, die Hauptfigur in der Geschichte, konnte in der jenseitigen Welt keinen Frieden finden, weil ihr Körper an einem falschen Ort begraben wurde und dann unter die Kontrolle des bösen Geistes geriet.

Mo (魔) – mächtige Geister, die Dämonen

„Die Reise nach Westen“ ist einer der vier klassischen Romane der chinesischen Literatur. Es geht in diesem Werk um die Reise des Mönchs Xuanzang und drei seiner Anhänger nach „Westlicher Himmel“, dem heiligen Ort. Von dort soll er die Heiligen Schriften Buddhas in das antike China bringen. Unterwegs lagen insgesamt 81 Hindernisse vor ihnen, die von zahlreichen bösen Geistern verursacht wurden. Hier stelle ich nur ein Hindernis davon vor. Eines Tages kamen die vier in ein Land, das Biqiuguo heißt. Der König dort litt an starken Schmerzen. Sein Schwiegervater machte den grausamen Vorschlag, eintausend Kinder zu verhaften, damit der Schwiegervater Medikamente aus ihren Herzen und Lebern machen könnte.  Die Vier wollten die Kinder retten. Sie fanden schließlich heraus, dass der sogenannte Schwiegervater ein Hirsch und seine Tochter, die Königin, ein Fuchs war. Sie berichteten dem König davon. Dieser beschloss, dass die vier Mönche die bösen Geister töten dürfen.

Anders als die drei anderen Begriffe ist Mo (魔) ein Fremdwort. Am Anfang wurden mit Mo (魔) unrechte Gedanken beim Prozess der Meditation bezeichnet. Allmählich hielt man alle bösen Geister für Mo (魔), die die mächtigeren Gui (鬼), Guai (怪) oder Yao (妖) sein können.

In den zahlreichen Mythen zeigt sich, dass Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus verschiedene Vorstellungen über Tote und Spukwesen haben. Yao (妖), Mo (魔), Gui (鬼), Guai (怪), die Geister und Gespenster und die antiken Mythen über sie spiegeln auch die damaligen gesellschaftlichen Ideen wider. Sie behandeln die großen Menschheits-Motive wie Liebe und Hass, Tugend und Untat, Ehre und Betrug – und zeigen zugleich, wie vielfältig die chinesische Kultur ist.

Mit ihrer ausgeprägten Fantasie basteln sich Kinder ihre Welt. Helden mit Superkräften, die täglich die Welt retten, Engel mit wunderschönen weißen großen Flügeln bis hin zu dem Weihnachtsmann mit seinem dicken Bauch, der selbstverständlich trotzdem durch alle noch so engen Schornsteine passt. Doch was ist eigentlich mit Gespenstern?  Weiterlesen

Kellertreppe Geister

Der lang ersehnte Neuanfang einer Kleinfamilie in Kalifornien erweist sich als Stunde Null mit bitterbösem Beigeschmack. Familie Harmon entscheidet sich für ein Geister-Anwesen, das sie so schnell nicht mehr loslässt. Die Horror-Fernsehserie „American Horror Story“ stammt von den Regisseurinnen Jennifer Chambers Lynch und Angela Bassett.

Geister Hand_Silhouette

Silhouette einer Geisterhand hinter Milchglas (Quelle: © Tertia van Rensburg/​unsplash.com).

„Murder House“ bildet den Start der aus insgesamt acht Staffeln bestehenden Horror-Serie „American Horror Story“. Die Geister treten in der Serie aus dem Jahr 2011 in Gestalt normaler Menschen auf, die nur zu perfekt in die Gegenwart zu passen scheinen. Deshalb fällt es enorm schwer, tot von lebendig zu unterscheiden. Und genau das macht aus der Staffel eine fesselnde und einzigartige Geister-Geschichte, entsprungen aus der amerikanischen Serienlandschaft und ausgestrahlt auf dem Pay-TV-Sender FOX.

Alle zwölf Folgen beginnen mit einer Rückblende in die dunkle Vergangenheit des Serienhauses, bevor sie in dessen schaurige Gegenwart übergehen. Dadurch schafft es „American Horror Story“, mörderische Ereignisse aus der Vergangenheit mit den schaurigen Geschichten aus der Gegenwart zu verbinden.

Dunkle Vergangenheit: Das Geister-Haus

Familie Harmon zieht von Boston nach Los Angeles, um einen Neubeginn zu wagen. Ben (Dylan Mc Dermott) hatte seine Frau Vivien (Connie Britton) zuvor mit einer Studentin betrogen und auch eine Fehlgeburt hat Narben in der Beziehung hinterlassen. Doch der Traum vom Neuanfang zusammen mit ihrer zehnjährigen Tochter Violet (Taissa Farmiga) wird schnell zum Albtraum. Bereits bei der Hausbesichtigung erfahren sie, dass die Vorbesitzer darin ums Leben kamen. Angelehnt an den klassischen Topos aus Oscar Wildes Erzählung „Das Gespenst von Canterville“, schreckt diese Tatsache die drei jedoch nicht ab, das Haus zu kaufen. Trotz seiner enormen Größe ist es deshalb ungewöhnlich günstig. Doch gewöhnlich ist kaum etwas an diesem Ort. Zieht das Gebäude seltsame Gäste magisch an oder sieht Familie Harmon schlichtweg Geister?

Haus American Horror Story

Das Geisterhaus der Familie Harmon aus „American Horror Story“ Staffel 1 (Rechte: 2011 Twentieth Century Fox Film Corporation. All rights reserved).

In den 1920er Jahren wurde das Anwesen in der Serie – eine Villa im viktorianischen Stil – von einem Arzt für dessen Frau erbaut. Der besessene Dr. Montgomery war bekannt dafür, im Keller des Hauses illegale Operationen und grausame Morde durchzuführen. Die Rache eines verbitterten Partners eines der Opfer führte zur Ermordung des Kindes des Ehepaars, woraufhin die Gattin den Arzt und sich selbst erschoss. Seit jeher raubt das Anwesen allen neuen Bewohnern den Atem – im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder, der dort ums Leben kommt, bleibt auf mysteriöse Art und Weise mit dem Ort verbunden.

Grusel-Garantie

Die neue Nachbarschaft der Harmons bringt das Leben der Familie gewaltig durcheinander. Mord, Totschlag und rätselhafte Begegnungen scheinen hier auf der Tagesordnung zu stehen. Die Serienmacher Ryan Murphy und Brad Falchuk lassen ihrer dunklen Fantasie freien Lauf. Sie verzichten hierbei jedoch keineswegs auf die Themen Liebe und Erotik. Vivien erwartet ab Folge eins Zwillinge sowohl von einem Menschen als auch von einem Geist. Während sie selbst im Glauben darin lebt, Ben sei der Vater beider Babys, stockt den Zuschauern bei dieser Szene der Atem.

Auch die Liebesgeschichte der beiden Teenies Violet und Tate lässt die Serie auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Violet fühlt sich seit ihrer ersten Begegnung mit Tate, einem Patienten ihres Vaters, zu ihm hingezogen. Beide sind Einzelgänger und teilen dunkle Fantasien und sogar Mordgedanken. Doch irgendetwas scheint Tate zu verheimlichen. Als die beiden an Halloween ein Date haben, tauchen Jugendliche mit Wunden am Körper auf. Unklar dabei ist, ob es sich um aufgemalte Halloween-Wunden handelt oder um echte Geister. Die Jugendlichen sind wütend auf Tate und bedrohen ihn. Die Situation eskaliert. Nach und nach beginnt Violet die Glaubwürdigkeit ihres Freundes Tate zu hinterfragen und stößt bei Nachforschungen in dessen Vergangenheit auf schaurige Tatsachen …

„Eine der spannendsten und undurchsichtigsten amerikanischen Fernsehserien“ (Nina Rehfeld für „Spiegel Online“)

Es benötigt seine Zeit, dem Prinzip der Serie folgen zu können. Häufig entsteht ein gedanklicher Wirrwarr, den es erst nach und nach zu entwirren gelingt. Was ist real und was nicht? Diese Frage stellt sich der Zuschauer nur zu oft. Nina Rehfeld betitelt in „Spiegel Online“ „American Horror Story“ deshalb nicht umsonst als eine der „spannendsten und undurchsichtigsten amerikanischen Fernsehserie[n]“. Würden manche Charaktere wie Nora Montgomery – erste Bewohnerin des Hauses – keine Schusswunde am Hinterkopf aufweisen, würde man sie schlichtweg als normale junge Frau mit etwas überholten Ansichten betrachten. Auf Fragen danach, wieso Ben und Vivien die alte Haushälterin Moira nicht einfach entlassen können oder, warum Nachbarin Constance so oft im Haus auftaucht, findet der Zuschauer erst mit der Zeit Antworten. Es bleibt eine Herausforderung, zwischen Geist und Mensch zu unterscheiden. Würde man zum Beispiel intuitiv den im Gesicht durch Brandnarben entstellten Nachbarn Larry in die Geister-Kategorie stecken, so ist gerade hier das Umgekehrte der Fall. Ab der ersten Sekunde der Serie ist Gruseln angesagt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Vivien schon am Ende der zweiten Folge sagt: „Wir verkaufen das Haus“. Doch dies ist leichter gesagt als getan.

„Murder House“ bietet Sucht-Potenzial! Und das schaurig schöne Anwesen der Harmons ist als Schauplatz für mörderisch gute Unterhaltung perfekt. Der Zuschauer ist durchgehend aus einem bestimmten Grund gefesselt – der ständigen Frage nach dem Warum.

Wer sich nach der letzten Folge von „Murder House“ noch nicht genug gegruselt hat, dem bieten sieben weitere schaurig schöne Staffeln Gelegenheit dazu. Und wer durch diesen Beitrag Lust auf einen kleinen Vorgeschmack bekommen hat, dem lässt vielleicht schon der Trailer das Blut in den Adern gefrieren … Ob die Liebesgeschichte von Violet und Tate ein Happy End findet, wird hier nicht verraten.

Alle Deutschen kennen Geisterbahnen auf dem Rummelplatz, mit Springteufeln und Gespenstern auf dem Förderband. Amerikanische „haunted houses“ bieten mit echten Schauspieler*innen Geister aus Fleisch und Blut. Anna Pladson, amerikanische Geisterhaus-Schaupielerin in Minneapolis (und Schwester der Autorin), erzählt.

Protokolliert von Kristie Pladson

Mein erstes Geisterhaus-Projekt war eine alte Kirche, die wir 2014 in ein Spukhaus verwandelt hatten, um Spenden zu sammeln. Das Kirchengebäude hatte diese perfekte, gruselige alte Turnhalle samt Umkleideräumen im Untergeschoss, die wir mit blutigen Handabdrücken bedeckten. Von dort ließen wir die Besucher*innen starten und ihren Weg aufwärts durch die Kirche suchen, während jemand fortwährend gruselige Musik auf der Orgel spielte. Allerdings mussten wir jeden Samstagabend alles wieder runterreißen für den Gottesdienst am Sonntag.

Als Teil meines Theater-Studiums haben wir 2015 ein Geisterhaus für Valley Scare, einen Halloween-Vergnügungspark, neu designt. Unser Thema war „Die Insel des Dr. Moreau“, eine Geschichte von einem Arzt, der Menschen tierische Eigenschaften verleiht. Wir wandelten ein früheres Spuk-Ferienlager („Camp WeKillOu“) um. Auf diese Weise hatten wir mehrere Gebäude, mit denen wir arbeiten konnten, was eher untypisch ist. Mit jedem Gebäude konnte man einen neuen Schritt der Mensch-Tier-Verwandlung nachvollziehen. Im ersten Gebäude waren Schauspieler*innen in Doktorkitteln – es gibt nämlich Menschen, die wirklich Angst vor Ärzt*innen haben – und solche in Krankenhaus-Nachthemden, denen Hörner aus der Stirn wuchsen und dergleichen mehr. Draußen hatten wir dann Leute in Käfigen, und von da an wurde es nur noch bizarrer. Ich spielte eine Frau, die in einen Oktopus verwandelt worden war, darum saß ich in einem Wassertank und hatte Tentakel.

2016 haben wir auch ein „normales“ Theaterstück in einer historischen Villa aufgeführt, das aber auch wie ein Geisterhaus-Schauspiel wirkte. Die Zuschauer*innen folgten unserer Darbietung und wurden von ihr durch dieses beängstigende, dunkle, alte Haus geführt. Das Stück war „Blaubarts Puppenhaus“, eine Kombination aus Ibsens „Ein Puppenhaus“ und einer Legende von Blaubart dem Piraten – beides Geschichten, die von gefangengehaltenen Frauen handeln. Die Villa war das „Puppenhaus“ und wir Schauspieler*innen stellten die darin gefangenen Puppen vor.

Pladson (ganz links) in „Blaubarts Puppenhaus“; Foto: Mike Neuharth, 2016

Geisterhäuser faszinieren mich, weil sie diese seltsame Form von Theater sind, mit der alle etwas anfangen können. Es gibt so viele Leute, die von sich sagen, dass sie Theater nicht mögen oder verstehen. Geisterhäuser dagegen schauen sie sich an. Die sind aber Theater. Es sind kurze Stücke, vielleicht nur fünf Minuten lang, aber sie sind immersives Theater. Wenn Du in ein Geisterhaus gehst, weißt Du, dass Dir dort Angst eingejagt wird. Wenn Du ins Theater gehst, hast Du keine Ahnung, was passieren wird. Du weißt nicht, ob Du weinen oder lachen oder was Du sonst erleben wirst. Bei einem Geisterhaus weißt Du, woran Du bist. Es geht darum, dass Du erschreckt wirst, und dass Du schon vorher weißt, dass Du erschreckt wirst.

Geisterhaus-Schauspieler*innen müssen präsenter bleiben als Schauspieler*innen auf einer normalen Bühne. Du kannst Dich nicht so tief in Deine Rolle fallenlassen, weil Du stets Deine Zuschauer*innen im Blick behalten musst. Sie sind Dir so viel näher, es ist dunkler, vielleicht ist da Nebel, man sieht schlecht, und es ist viel intimer. Zusätzlich bist Du wahrscheinlich dabei, etwas Gefährlicheres als der*die durchschnittliche Bühnenschauspieler*in zu machen. Du musst tief genug in der Rolle sein, um ihnen Angst einzujagen, aber auch wieder nicht so tief, dass Du Dich vergisst und sie berührst oder gar verletzt. Du brauchst ein gewisses Maß Selbstbeherrschung. Denn manchmal hast Du da Typen die mit echten Motorsägen rumrennen. Sie nehmen die Kette runter, klar, aber wir machen es so realistisch wie nur irgend möglich. Auf der Bühne würde man so weit nicht gehen.

In gewisser Hinsicht ist Geisterhaus-Schauspielerei schwieriger als Bühnenschauspielerei, weil Du eine Vorführung in Endlosschleife zeigst. Du musst es hinbekommen, drei Minuten lang absolut präsent zu sein, und dann, wenn die Gruppe weg ist, durchzuatmen und das Gleiche nochmal darzubieten – und nochmal, und nochmal, den ganzen Abend.

Anna Pladson, Spukhaus-Schauspielerin; Foto: Anna Sibenaller 2017

Geisterhäuser haben versteckte Ausgänge und Codewörter, um Besucher*innen wieder rauszubekommen, wenn sie es nicht mehr aushalten. Wenn man zum Beispiel „chicken“ sagt, stoppt alles. Alle Schauspieler*innen halten an, das Licht geht an oder es kommt jemand mit einer Taschenlampe und führt die Person aus dem Haus.

Es gibt eine ganze Liste an Sachen, die für die Besucher*innen verboten sind, weil es sehr leicht passieren kann, dass etwas ein böses Ende nimmt: Es sind beengte Räume, Leute werden klaustrophobisch, dazu kommt dann noch der Kunstnebel, und die Leute flippen aus. Das ist ja der Sinn der Sache. Wir pushen die Leute soweit sie nur können. Wenn sie damit dann nicht mehr umgehen können, musst Du Deinerseits wiederum einen Plan B haben.

Menschen werden echt komisch in Geisterhäusern. Sie sagen furchtbare Dinge zu Dir. Ich war als ein Oktopus verkleidet, darum haben die Leute mich kaum angesprochen. Aber zu meinen Freund*innen, die Arztkittel oder Nachthemden trugen, sagten sie „You’re fucking ugly!“ und solche Sachen. Ich glaube, die Besucher spielen sich so auf, weil sie verunsichert sind und versuchen, Kontrolle zurückzugewinnen.

Pladson als Oktopus bei Valley Scare; Foto: Valley Scare, 2015

Trotz der Bezeichnung handeln unsere „Geisterhäuser“ nicht wirklich von Gespenstern und Geistern, einfach weil die so schwer darzustellen sind. Wie kreierst Du ein schwebendes Ding? Du kannst etwas auf eine Leinwand projizieren, aber es kann Dir nicht nahe kommen. Es ist zu schwierig, einen Geist physisch darzustellen. Er sollte luftig und leicht sein und durch Dich und durch Wände hindurch schweben. Wie soll man das nachbilden? Gespielte Gespenster sind schwer. An echte Gespenster glaube ich aber 100 Prozent. Es gibt ein Theater, das ich kenne, da spukt es wirklich und mehrere meiner Freund*innen haben dort die selben Geister gesehen.

Beitragsfoto, Anna Pladson in der Spukkirche; Cody Nelson, 2014

Ein Einblick in den ValleySCARE Spukhäuser 2016:

Die drei Fragezeichen

Wer kennt sie nicht, die drei Detektive, Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, aus dem fiktiven Ort Rocky Beach in Kalifornien. Die drei ??? haben ihren Ursprung in der 1968 erschienenen Jugendkrimibuchserie und feierten später als Hörpsielserie unerreichte Erfolge. Sie übernehmen jeden Fall – so steht es auf ihrer Visitenkarte. Oft haben es die drei Fragezeichen mit übernatürlichen oder mystischen Fällen zu tun. Es geht um „Poltergeister“ (Folge 73), „sprechende Totenköpfe“ (Folge 6), „Bergmonster“ (Folge 14) oder „weinende Särge“ (Folge 42). Was ist der Grund für diesen starken Fokus auf das Übernatürliche?

Die Erfolgsgeschichte der drei Detektive

Die Geschichte der drei Fragezeichen (engl. „the three Investigators“) geht auf  die gleichnamige Kinderbuchserie in den Vereinigten Staaten der 60er Jahre zurück. Obwohl Alfred Hitchcock oft mit der Serie in Verbindung gebracht wird, war er weder Erfinder noch Autor der drei Detektive. Er diente lediglich als Schirmherr für die Reihe. Das erste Buch wurde in Deutschland 1968 veröffentlicht und 1979 folgte dann die erste Folge der Hörspielreihe – „Die drei ??? und der Super – Papagei“. Obwohl die Reihe Anfang der 90er Jahre in den USA eingestellt wurde, läuft sie in Deutschland mit eigenen Geschichten weiter. Seitdem wurden über 45 Mio. Tonträger und 16,5 Mio. Bücher verkauft und die Hörspiele begeistern seitdem Generationen von Kindern und Jugendlichen. Es ist also nicht verwunderlich, dass für viele Mädchen und Jungen hier die ersten Berührungspunkte mit gespenstischen und gruseligen Geschichten entstehen.

Detektivgeschichten für Kinder und Jugendliche

Themen, wie sie in den Folgen „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ oder „Poltergeist“ behandelt werden, sind nicht Inhalte klassischer Detektivgeschichten – wie zum Beispiel bei Agatha Christies Hercule Poirot. Hier geht es häufig um Mord, Spionage oder Entführungen – alles eher Themen, die nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind. So ergibt es durchaus Sinn, Detektivgeschichten für Kinder mit realitätsferneren Themen zu bestücken. Außerdem üben das Übernatürliche und das Mystische auf Kinder eine enorme Anziehungskraft aus.

Trotzdem sind es keine Werke, die den Zuhörerinnen und Zuhörern die Interpretation und Lösung übernatürlicher Ereignisse überlassen. Die Detektive finden stets eine rationale und logische Lösung für die mystischen, übernatürlichen und oft unerklärlichen Phänomene. Das Mitraten und Miträtseln, ein grundsätzlicher Anteil der Detektivgeschichten, bleibt trotz der untypischen Fallkonstellationen erhalten. Doch wie sieht so ein Fall aus? Wie wird er aufgelöst? Fangen wir mit Folge 11 – „Die drei ??? Und das Gespensterschloss“ – an. Sie ist laut der Fanseite rocky-beach.com auf Platz 1 der beliebtesten Folgen.

„Die drei Fragezeichen und das Gespensterschloss“

Die Folge beginnt damit, dass Alfred Hitchcock die drei Fragezeichen damit beauftragt, ein Spukschloss als Location für einen seiner nächsten Filme ausfindig zu machen. In den frühen Folgen is er noch Mentor der Detektive. Nach Bobs ausführlicher Recherche finden sie das alte Anwesen des früheren Stummfilmvirtuosen Stephan Terrill. Dieser soll das Schloss vor seinem Tod verflucht haben. Es gibt Meldungen über Sichtungen eines blauen Phantoms und Orgelmusik aus unerklärlichen Quellen. Sie machen sich auf, das Gebäude zu besichtigen. Die Detektive bekommen auf unerklärliche Weise Panik und flüchten aus dem Haus. Eine anonyme Warnung per Telefon, eine persönliche Warnung einer ‚Zigeunerin‘ und die Aussage des ehemaligen Managers von Stephan Terrill, er würde für kein Geld der Welt eine Nacht dort verbringen, schrecken die Detektive nicht ab. Sie untersuchen noch einmal das Schloss. Diesmal werden sie jedoch von zwei Männern gefangen genommen. Die Detektive können sich befreien und finden während ihrer Flucht einen Geheimgang, der zum Haus Terrills ehemaligen Managers führt. Es stellt sich heraus, dass der Manager und der Filmemacher ein und dieselbe Person sind.

Die Auflösung

Die Lösung des Falls ist so einfach wie auch genial. Der Manager ist Stephan Terrill. Dieser hat nach dem Untergang des Stummfilms sein Vermögen verloren. An dem Haus lag ihm aber so viel, dass er die Geschichte inszenierte, dass es im Schloss spuke. Damit wollte er erreichen, dass zukünftige Käufer ausbleiben. Als ZuhörerIn konnte man bereits vorher den Manager als Täter identifizieren. Die Personen, die die drei Detektive gewarnt haben wurden alle von Terrill verkörpert, wiesen aber alle einen kleinen Sprachfehler auf – sie lispelten. Wolf Rahtjen, der Sprecher, hat das sehr nuanciert in die verschiedenen Rollen übernommen. Man muss sehr genau hinhören, um darauf zu stoßen.

Auch bei anderen Hörspielen ist die Auflösung unerklärlicher, übernatürlicher oder mystischer Ereignisse sehr kreativ. So werden bei der Folge „Poltergeist“ die Spukereignisse von der Besitzerin des Spukhauses selbst verursacht. Bei diesem Fall sollten die drei ??? davon abgehalten werden, einen Kunstdieb zu verfolgen. Als Rocky Beach von einem Geisterschiff heimgesucht wird, soll dies dafür sorgen, dass ein Verbrecher ungestört nach einem Piratenschatz suchen kann.

Grundsätzlich gibt es eine logische und rationale Erklärung, wenn es bei den drei ??? um Mysteriöse, Übernatürliche und Unerklärliche Ereignisse geht. Die Methoden, mit denen diese Phänomene plastisch dargestellt werden, sind sehr überzeugend. Auch heute noch, als Erwachsener, ertappe ich mich, wie mir ein leichter, kalter Schauer über den Rücken läuft. Es ist also nicht verwunderlich, dass die drei Fragezeichen so lange so viele Generationen erfolgreich unterhalten haben.

Ritual zum Herbeirufen von Erscheinungen - Eine Frau hält einen skelletierten Rehkopf zwischen Kürbissen.

Für die einen sind sie nur Fabelwesen und Hirngespinste, andere glauben fest an ihre Existenz: Gespenster, Geister und Erscheinungen prägen seit Menschengedenken unsere Kultur. Doch wie lassen sie sich unterscheiden und worin liegen ihre Gemeinsamkeiten? Ein Blick in die Welt einer nebulösen Wissenschaft.

Schlagende Fenster, ein Rumpeln im Nebenraum oder Schritte auf der Treppe ‒ die Mehrzahl solcher Vorkommnisse lässt sich rational erklären. Manchen wird aber ein übernatürlicher Ursprung nachgesagt, gerade wenn der oder die Betroffene zum Aberglauben neigt. Gespenster, Geister oder Erscheinungen sind die Begriffe, die in diesem Zusammenhang dann fallen. Dabei werden sie häufig als Synonyme verwendet. Was den Anschein erweckt, identisch zu sein, ist in Wahrheit deutlich komplexer. Denn der Kosmos der Geister und Gespenster ist uralt und in zahlreichen Kulturen verwurzelt.

Germanische Urahnen

Im deutschen Sprachraum lässt sich das Wort „Geist“ auf einige germanische Begriffe zurückführen. Zum Beispiel bedeutet „gheis“ laut Gerhard Köblers „Indogermanischem Wörterbuch“ so viel wie „schaudern“ oder „erschrecken“.  Das westgermanische „gaista“ stehe wiederum für „überirdisches Wesen“. Damit zielt die Bedeutung von „Geist“ auf das Aussehen des beschriebenen Körpers ab. Im Gegensatz dazu zeigt „Gespenst“ laut dem Grimm’schen Wörterbuch eine Verwandtschaft mit Wörtern wie „Verführung“ oder „Täuschung“. Der Begriff lasse sich auf das mittelhochdeutsche „gespanst“, was „Trugbild“ bedeute und das althochdeutsche „gispensti“ („Verlockung“) zurückführen. Dennoch ist eine exakte Trennung zwischen Gespenstern und Geistern nicht immer zweifelsfrei möglich. Daher wird in der Fachliteratur meist von sogenannten Erscheinungen gesprochen. Gerhard Mayer vom Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene definiert Erscheinungen wie folgt:

 „Eine Erscheinung gleicht […] einer Person, einem Tier oder einem unbelebten Objekt, wobei der entsprechende Gegenstand […] physikalisch nicht präsent ist und physikalische Mittel der Kommunikation ausgeschlossen werden können.“

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trieb die Society for Psychical Research (SPR) in Großbritannien die Forschung zu Erscheinungen voran. Schließlich gelang einer Gruppe um den englischen Philosophen Henry Sidgwick die Erfassung historischer Berichte über Begegnungen mit Erscheinungen. Sidgwick, der SPR-Mitbegründer und erste Präsident des Vereins, veröffentlichte die Sammlung im Jahr 1894 unter dem Titel „Census of Hallucinations“. Seitdem führt der Verein diese Arbeit fort ‒ auch nach Sidgwicks Tod.

Die Mitglieder der Gespensterfamilie

Ein anderes Projekt der SPR war die Analyse paranormaler Geschehnisse und die Typologisierung von Erscheinungen. Dies gelang dem SPR-Mitglied George Nugent Merle Tyrrell. Der britische Mathematiker und Physiker identifizierte in seinem 1942 erschienenen Werk „Apparitions“ vier Hauptkategorien:

  • experimentelle Fälle,
  • Krisen-Erscheinungen,
  • Post-mortem-Fälle,
  • ortsgebundene Erscheinungen.

Auf Deutsch erschien Tyrrells Text im Jahr 1979 unter dem Titel „Erscheinungen und Visionen im PSI-Feld“. Die jüngere Forschung fügte den Kategorien Tyrrells eine fünfte Gruppe hinzu, die Erscheinung von lebenden Personen.

Absicht oder Zufall?

Führen eine oder mehrere Personen willentlich eine Erscheinung herbei, spricht man nach Tyrrell von experimentellen Fällen. Dies schließe auch esoterische, schamanische oder okkulte Rituale mit ein. Die Gemeinsamkeit dieser Kategorie besteht laut Tyrrell im experimentellen Charakter und der Absicht der Teilnehmer*innen, eine Erscheinungserfahrung zu machen. Diese recht breite, wenig homogene Kategorie trifft somit keine Aussage über die Art der Erscheinung. Einen solchen Fall beschrieb Tyrrell wie folgt: Ein Mann versuchte, sich mittels seiner Vorstellungskraft in ein Haus zu projizieren. Währendessen befanden sich Bekannte im Haus und wussten nichts vom Versuch des Mannes. Die Bekannten sahen den Mann angeblich am selben Abend in dem Haus ‒ das Experiment glückte. Der Mann erlebte das Experiment nach eigener Aussage als sehr intensiv.

Bei dieser Kategorie kann es jedoch eine Überschneidung mit der Gruppe der Erscheinungen von lebenden Personen geben. Schließlich ist die erscheinende Person in beiden Fällen noch am Leben, dennoch lassen sich die beiden Gruppen unterscheiden. Demnach geschehen Erscheinungen von lebenden Personen gegen deren Willen oder auch ohne ihr Wissen, im Gegensatz zu den experimentellen Fällen. Zudem befinden sich die Erscheinung und die zugehörige Person bei den experimentellen Fällen meist nicht am selben Ort.

Der eintretende Tod als Indikator für Erscheinungen

Präziser gefasst ist hingegen die Gruppe der Krisen-Erscheinungen. Dabei erscheint eine Person, die gerade eine existenzielle Krise durchlebt. Die Ursache kann laut Tyrrell ein traumatisches Erlebnis, eine schwere Krankheit oder auch der eintretende Tod sein. Dieser ist bei sogenannten Post-mortem-Fällen schon seit längerer Zeit eingetreten. Hier handle es sich um die Erscheinung einer meist seit Jahren verstorbenen Person. Sie könne dem*r Betrachter*in vertraut oder auch völlig unbekannt sein. Eine solche Begegnung ist verstörend und beängstigend, so Tyrrell.

Ortsgebundene Erscheinungen stellen zwar eine eigene Gruppe dar, können aber dennoch in Kombination mit einer anderen Kategorie auftreten. Nach Tyrrell trägt eine solche Erscheinung häufig historische Kleidung und taucht mehrfach an einem festen, teils historisch bedeutenden Ort auf. Zudem werde sie meist von mehreren Personen in gewissen zeitlichen Abständen gesehen. Um solche Erscheinungen ranken sich diverse Mythen und Legenden, die ihren Weg in die Literatur fanden.

Abgesehen von Tyrrells Kategorien gehören noch einige weniger anerkannte Gruppen zur Gespensterfamilie. Demnach zählen beispielsweise zur weitläufigeren Verwandtschaft der Erscheinungen auch Dämonen und Engel. Dämonen gelten im Allgemeinen als böse Geister und bilden somit ein Pendant zu den Engeln. Darüber hinaus gibt es noch die Gattung der Elementare oder Naturgeister. Diese Erscheinungen werden den vier Elementen zugeordnet und spielten in der Kultur der German*innen eine große Rolle.