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Sagenumwoben, gefürchtet und von einer unbändigen Faszination umgeben: Der Berg der Berge, der Mount Everest. Unsere Redakteurin erzählt von eigenen Erfahrungen am Fuße des höchsten Berges der Welt, welche Wirkung die Kultur auf Tourist*innen ausübt und warum der höchste Berg der Erde zugleich heilig und unheimlich ist.

Die Feengöttin Jomo Miyo Lang Sangma lebt auf dem Mount Everest. (Quelle: http://www.flars.net/centromaria/nepal.htm)

Wenn etwas das Schönste, das Schlimmste oder in diesem Fall das Höchste ist, wird darum herum ein Gespinst aus Sagen und Geschichten gesponnen, das den materiellen Wert noch einmal steigert. So ist das auch mit dem höchsten Berg der Erde, dem Mount Everest. Sagarmatha in der Sprache der Nepali (= Himmelskönig), Qomolangma in der Sprache der Tibeter (= Göttin-Mutter der Erde). Schon bevor der Nepalese Tensing Norgay und der Brite Edmund Hillary am 29. Mai 1953 als erste Menschen den Gipfel erreichten, war der Berg in Nepal und Tibet in aller Munde. In der buddhistischen Kultur der Sherpas bewohnen Geister und Dämonen die Gipfel der Berge. Demnach wohnt auf dem Mount Everest Jomo Miyo Lang Sangma, eine der fünf „Schwestern des langen Lebens“, die auf den fünf höchsten Gipfeln des Himalaya wohnen. Jomo Miyo Lang Sangma bringt den Menschen Nahrungsmittel. Sie ist die drittjüngste von fünf Feengöttinnen. Einer Sage nach lieferten sich um 1300 Padmasambhava (der Mann, der den Buddhismus nach Nepal brachte) und der Lama der Bön-Religion (im 8. Jahrhundert die vorherrschende Religion in Tibet) ein Wettrennen hinauf zu der Feengöttin auf den Berg. Der Lama wurde von seiner magischen Trommel getragen und Padmasambhava von einem Lichtstrahl. Der Lichtstrahl war schneller. Der Lama ließ deshalb enttäuscht seine Trommel am Gipfel zurück.

„Noch heute sagen die Sherpas, dass Geister die Trommel schlagen würden, wenn eine Lawine den Berg hinunterdonnert.“ – Basler Zeitung

Die Menschen in den Bergdörfern des Himalayas sind besonders gläubig, denn ihr Leben hängt von der Gnade der Berggötter ab. Das Wetter wechselt in Sekundenschnelle, Lawinen gehen ab, Erdbeben zerstören ganze Landstriche.

Ein Erfahrungsbericht aus dem Sagarmatha Nationalpark

Im Hintergrund blitzt eine winzige Spitze des Mount Everests hinter der Bergkette auf. (Quelle: L. Haas)

Als ich 2015 zum ersten Mal eine winzige Spitze des höchsten Berges der Welt erblickte, fühlte es sich an, als würde dieser runde Planet aufhören sich zu drehen. Ein winziges Stück Berg hinter dem Lhotse und dem Nuptse, den beiden Bergen, die den Berg der Berge umgeben. Eine weiße Rauchfahne scheint von der Spitze aufzusteigen. „Der Berg raucht“, erklärt mir Sune Tamang, unser Bergführer mit seinem gewohnt verschmitzten Lächeln. Von etwa 4.000 Metern Höhe kann ich nur erahnen, wie stark der Wind dort oben auf 8.848 Metern pustet und diese weiße Fahne auslöst. Einige Tage später, vom Gipfel des Aussichtsberges Kala Patthar aus blicke ich von läppischen 5.555 Metern hinauf zum noch immer unerreichbaren Dach der Welt. Ich kämpfe mit der Anstrengung des Aufstiegs. Alle paar Schritte muss ich anhalten und wegen des kaum vorhandenen Sauerstoffs schon auf dieser Höhe wie ein Walross schnaufen. Keine halbe Stunde bleiben wir dort, schon geht es wieder hinunter ins Dorf auf 5.100 Meter, um die Höhenkrankheit zu vermeiden. Ich frage mich, wie könnte ich jemals auf den Mount Everest steigen, wenn mir hier schon die Puste ausgeht?

Kommerz auf dem Dach der Welt

Viele andere Bergsteiger*innen stellen sich diese Frage nicht. Der Berg übt eine Faszination aus, die ihresgleichen sucht. Einmal am höchsten Punkt der Erde sein, dem Himmel so nah wie nie zuvor. Das ist der Wunsch hunderter Bergsteiger*innen, die jedes Jahr nach Nepal oder Tibet kommen und den Aufstieg wagen wollen. Und manche von ihnen kehren nie wieder heim. Denn der höchste Berg der Welt fordert Opfer. Über 200 Menschen sind bereits oben am Berg gestorben. Viele haben nicht die Kondition oder die technische Erfahrung, die ein solcher Aufstieg erfordert. Sie haben aber das Geld und kaufen sich ihren Weg auf den Berg. Über 60.000 Dollar kostet es, auf den Mount Everest zu steigen. Für das Permit (die Aufstiegsbescheinigung) verlangen die Nepali so viel Geld, weil ihnen der Berg heilig ist. Am liebsten sollte niemand hinaufsteigen, doch so ist er immerhin eine gute Einnahmequelle. Wer den Aufstieg oder den Weg hinunter nicht überlebt, bleibt wohl für immer dort oben. Eine Bergung ist zu riskant – und so ist der Weg nach oben von Leichen gesäumt. Auch diese Geister leben vermutlich am Berg weiter und sind Teil seiner Geschichte.

Auf dem Mount Everest Basecamp-Trek: schon aus der Ferne sieht man die Spitze hervorblicken. (Quelle: L. Haas)

Der Traum eines jeden Bergsteigers

Als Bergtourist in Nepal bekommt man einiges von der Kultur mit, die durch ein friedliches Zusammenleben von Buddhismus und Hinduismus geprägt ist. Beim Aufbruch zum Bergaufstieg wird Reis ins Feuer geworfen und die Bergsteiger mit dem buddhistischen Mantra „Om mani padme hum“ verabschiedet. Mit diesem Mantra in Sanskrit wird Mitgefühl ausgedrückt. Trotzdem blieb auch für mich diese umfangreich gelebte Kultur ein bisschen hinter dem Massentourismus zurück. Als wir im Basislager des Mount Everest ankamen, wurde für mich ein Traum wahr. Einmal dort zu sein, wo die großen Bergsteiger gestartet sind. Der Berg ist einerseits so nah und doch so fern, denn von hier sind es noch immer über 3.000 Meter Aufstieg bis zum Gipfel. Dort oben warten Gefahren wie Wetterumschwünge, Sauerstoffmangel und die eigene körperliche und geistige Belastungsgrenze. In der Todeszone über 7.000 Meter darf man sich nicht lange aufhalten, denn dort beginnt man irgendwann zu halluzinieren, wenn die Höhenkrankheit eintritt. Es ist ein magischer Ort für die Einheimischen, aber auch für jeden Bergsteiger. Die buddhistischen und menschlichen Geister auf dem höchsten Berg der Welt machen ihn zu dem, was er ist: ein faszinierendes, schicksalhaftes Mysterium.

Berge sind nicht nur in Nepal Herberge für Geister. Lesen Sie hier, welche besondere Bedeutung der Ayers Rock in Australien für die Einheimischen hat.

Hier geht es zu einem Artikel über von Geistern bewohnte Vulkane und Berge zum Beispiel in Indonesien, Madagaskar und auch Deutschland.

Die buddhistische Haarrasur

Nach indischer Überlieferung tragen buddhistische Nonnen und Mönche ein gelbes und rötliches Mönchs­gewand und leben als Geistsucher von fleisch­loser Nahrung. Eines ihrer wichtigsten Er­ken­nungs­merk­male ist jedoch der kahl geschorene Schädel. Doch woher stammt die Tradition der Haarrasur? Welche Bedeutungen können Haare in der buddhistischen Weltanschauung einnehmen?

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Schlangen in Menschengestalt, blutsaugende Dämonen und tödliche Intrigen am Königshof: Die chinesische Kultur ist voller geheimnisvoller Gespenster-Geschichten. Doch hinter dem Überirdischen verbergen sich dann doch ganz irdische Motive.

Eines Tages fragte ein Schüler Konfuzius über das Wesen der Geister. Der Meister sprach: „Wenn man noch nicht den Menschen dienen kann, wie sollte man den Geistern dienen können!“ Konfuzius sprach niemals über Zauberkräfte und widernatürliche Dämonen. Dennoch haben die Mythen über Geister und Gespenster auch im Konfuzianismus zahlreiche Anhänger – selbst unter Würdenträgern und Literaten. Hier nun eine Auswahl der populärsten chinesischen Gespenster-Geschichten.

Yao (妖) – Geister mit menschlichem Aussehen

Green Snake

Szenen aus dem Film „Green Snake“, einer Verfilmung der Geschichte der weißen Schlange aus dem Jahr 1993 (@ Shanghai Film Co., Ltd. All rights reserved).

In der Song-Dynastie (960–1279) gab es einen gut aussehenden jungen Mann namens Xu Xian. Eines Tages machte er einen Spaziergang am Westsee. Da sah er zwei schöne Frauen, die vom heftigen Regen nass geworden waren. Er hatte Mitleid und gab den beiden seinen Regenschirm, während er dem Regen ausgesetzt war. Die Frau mit weißer Kleidung, die Bai Suzhen hieß, verliebte sich auf Anhieb in ihn. Auch Xu fühlte sich von der Frau angezogen. Nach der Hochzeit machte das Ehepaar eine Apotheke am Westsee auf. Alle Menschen bewunderten die neuen Nachbarn für ihre Schönheit und Großzügigkeit. Nur ein buddhistischer Mönch warnte Xu vor seiner Frau. Er behauptete, dass Bai eine böse Hexe sei und den Menschen Unglück bringe. Dann schlug er Xu vor, am Drachenbootfest seine Frau auf einen Xionghuang-Schnaps (einen traditionellen Kräuterschnaps) einzuladen. Xu begann zu zweifeln und tat an dem Tag genau das. Kurz nachdem Bai den Schnaps getrunken hatte, erschien ihre eigentliche Figur: eine weiße Schlange. Der weißen Schlange war  es nach tausendjähriger Meditation endlich gelungen, Menschengestalt anzunehmen. Und Bais sogenannte Schwester war in Wirklichkeit eine grüne Schlange. Sie zaubert an dem Tag des ersten Treffens von Xu und Bai Suzhen einen Platzregen herbei, um ihr dabei zu helfen, Xu um den Finger zu wickeln.

Das Schriftzeichen Yao (妖) steht im Altchinesischen auch für die weibliche Schönheit. Aber in der patriarchalen Kultur wandelte sich die Bedeutung des Wortes allmählich und bezeichnete Tier- und in einigen Fällen auch Pflanzengeister, die Menschengestalt annehmen und die Menschen verführen, weil diese unrechte Begierden haben oder mutwillig Verbrechen begehen.

Guai (怪) –  Geister mit bizarrem Aussehen

Buchcover Jingwei

Der Dialog zwischen dem Vögelchen und dem Gott des Meeres. Titelblatt eines illustrierten Buch über die Legende von Jingwei (Foto: @Tomorrow Publishing House All rights reserved).

Nüwa, die jüngste Tochter von Yandi, einem Kaiser in der Vorgeschichte, führte ein naives und sorgenfreies Leben. Eines Tages spielte sie am Strand des Ostmeeres und war von der schönen Blauen angezogen. Sie schwamm fröhlich ins Meer. Nach und nach wurde das Meer stürmisch, während ihre Kräfte schwanden. Sie konnte nicht ans Ufer kommen, aber sie wollte nicht sterben. Wegen dieses starken Wunsches verwandelte sie sich in einen kleinen Vogel. Das Vögelchen hatte einen farbigen Kopf und griff sich jeden Tag Steinchen vom Westberg, die sie mit roten Klauen ins Ostmeer warf. Als der Gott des Meeres seine Rache entdeckte, lachte er es aus. Selbst eine Million Jahre reichen nicht aus, das Meer aufzufüllen. Das hartnäckige Vögelchen antwortete nun: „Ich werde nie aufhören und eines Tages, vielleicht nach zehn Millionen Jahren, werde ich es aufgefüllt haben.“ Weil es immer „Jingwei“ schrie, nannte man es auch so.

Guai (怪), ähnlich wie Yao (妖), haben menschliche Eigenschaften. Sie denken und handeln. Der größte Unterschied zwischen den beiden ist das Aussehen. Yao (妖) ähneln dem Menschen, während Guai (怪) tierische oder andere ungewöhnliche Gestalten annehmen.

Gui (鬼) – Gespenster, die Toten

Filmplakat "A Chinese Ghost Story"

Das Plakat des Film „A Chinese Ghost Story“ aus dem Jahr 1987 (@Cinema City Co., Ltd. All rights reserved).

In der Ming-Dynastie (1368–1644) gab es einen großzügigen Mann aus der Provinz Zhejiang namens Ning Caichen. Auf dem Weg in die Stadt Jinhua ruhte er sich in einem Tempel aus. Die imposante Halle war menschenleer. In der ersten Nacht konnte er nicht einschlafen. Plötzlich hörte er Flüstern. Er stand auf und ging zum Fenster. Dort sah er eine schöne Frau, die ihn fragte, ob sie bei ihm übernachten dürfte. Er wollte nicht. Die Frau versuchte ihn zu überreden. So beschimpfte Ning sie so laut, bis sie schließlich wegging. Am nächsten Tag kam ein Gelehrter mit seinem Diener vorbei. Sie übernachteten in einem Zimmer auf der östlichen Seite des Tempels. In der Nacht starben der Gelehrte und sein Diener plötzlich. Man fand ein kleines Loch in der Mitte ihrer Fußsohlen, aus dem noch ein bisschen Blut floß. In dieser Nacht kehrte die ominöse Frau zurück und bat Ning, sie zu retten. Sie gab zu, dass sie, Nie Xiaoqian, im Alter von achtzehn Jahren starb und neben dem Tempel begraben wurde. Danach wurde sie von einem mächtigen Yao (妖) gezwungen, Männer zu verführen. Der tötete die Männer, indem er ihnen das Blut aussaugte. Weil Ning sie abgelehnt hatte, wurde der Gelehrte umgebracht. Sie schlug vor, den Ort so früh wie möglich zu verlassen. Sie bat ihn, ihre Urne mitzunehmen und an einem sicheren Ort zu begraben. Ning glaubte ihr und kehrte sofort in seine Heimat zurück. Nie half ihm von nun an beim Haushalt und passte auf seine Familie auf.

Gui (鬼), anders als Guai (怪) und Yao (妖), steht nur für die Geister der toten Menschen. In den chinesischen Mythen gingen alle Gespenster in die Unterwelt, die Yingjian (阴间) oder Difu (地府) heißt. Nie, die Hauptfigur in der Geschichte, konnte in der jenseitigen Welt keinen Frieden finden, weil ihr Körper an einem falschen Ort begraben wurde und dann unter die Kontrolle des bösen Geistes geriet.

Mo (魔) – mächtige Geister, die Dämonen

„Die Reise nach Westen“ ist einer der vier klassischen Romane der chinesischen Literatur. Es geht in diesem Werk um die Reise des Mönchs Xuanzang und drei seiner Anhänger nach „Westlicher Himmel“, dem heiligen Ort. Von dort soll er die Heiligen Schriften Buddhas in das antike China bringen. Unterwegs lagen insgesamt 81 Hindernisse vor ihnen, die von zahlreichen bösen Geistern verursacht wurden. Hier stelle ich nur ein Hindernis davon vor. Eines Tages kamen die vier in ein Land, das Biqiuguo heißt. Der König dort litt an starken Schmerzen. Sein Schwiegervater machte den grausamen Vorschlag, eintausend Kinder zu verhaften, damit der Schwiegervater Medikamente aus ihren Herzen und Lebern machen könnte.  Die Vier wollten die Kinder retten. Sie fanden schließlich heraus, dass der sogenannte Schwiegervater ein Hirsch und seine Tochter, die Königin, ein Fuchs war. Sie berichteten dem König davon. Dieser beschloss, dass die vier Mönche die bösen Geister töten dürfen.

Anders als die drei anderen Begriffe ist Mo (魔) ein Fremdwort. Am Anfang wurden mit Mo (魔) unrechte Gedanken beim Prozess der Meditation bezeichnet. Allmählich hielt man alle bösen Geister für Mo (魔), die die mächtigeren Gui (鬼), Guai (怪) oder Yao (妖) sein können.

In den zahlreichen Mythen zeigt sich, dass Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus verschiedene Vorstellungen über Tote und Spukwesen haben. Yao (妖), Mo (魔), Gui (鬼), Guai (怪), die Geister und Gespenster und die antiken Mythen über sie spiegeln auch die damaligen gesellschaftlichen Ideen wider. Sie behandeln die großen Menschheits-Motive wie Liebe und Hass, Tugend und Untat, Ehre und Betrug – und zeigen zugleich, wie vielfältig die chinesische Kultur ist.