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Wieso träumen wir? Wie kann ich meine Träume deuten? Und wie werden wir Alpträume los? Das und mehr verrät uns Traumforscher und Psychologe Michael Schredl im Interview. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und forscht an Fragestellungen rund um das Thema Träume. Mit seinen eigenen Träumen setzt er sich seit über 30 Jahren auseinander.

Herr Schredl, können Sie beschreiben, wieso wir überhaupt träumen? Hat das Träumen eine bestimmte Funktion für den Körper?

Die Frage ist bis heute unbeantwortet. Was wir auf jeden Fall wissen ist, dass jeder Mensch jede Nacht träumt. Das Gehirn als biologische Maschine schläft nicht, es hat sogar relativ viele Aufgaben während des Schlafes. Da werden Informationen, die tagsüber aufgenommen worden sind, nochmal bearbeitet und verbessert abgespeichert. Diese Funktionen sind recht gut belegt. Allerdings ist es eben so, dass diese Funktionen auf neuronaler Ebene funktionieren. Das heißt, da ist die Frage: Muss man dazu träumen?

Es gibt inzwischen auch viele Traumforscher, die sagen, es macht schon Sinn, dass wir gerade die Sachen, die uns tagsüber beschäftigen, auch in den Träumen nochmal verarbeiten. Es ist interessanterweise auch so, dass Träume sich häufig mit sozialen Themen beschäftigen, mit sozialer Interaktion. Und dann gibt es die Idee, dass das Träumen zum Üben da ist. Dass man besser mit anderen Leuten zurechtkommt, weil das ja auch evolutionär wichtig ist, um einen Partner zu finden, sich fortzupflanzen oder sozial in einer Gruppe integriert zu sein. Es gibt eben viele Theorien, aber man weiß nicht, ob es tatsächlich stimmt, weil es eben niemanden gibt, der nicht träumt. Man kann nicht vergleichen, wie es wäre, wenn man nicht träumen würde, weil alle Menschen träumen.

Sie sind Traumforscher. Bei der Recherche zum Thema hatte ich nicht den Eindruck, dass es viele Kolleg*innen gibt, die denselben Beruf wie Sie ausüben, oder?

Michael Schredl ist Traumforscher und bietet am ZI Mannheim eine Alptraum-Sprechstunde an. © ZI Mannheim

Ja, da haben Sie recht. Wir sind eine relativ kleine Gruppe. Träume sind ja definiert als subjektives Erleben während des Schlafes – somit hat die Traumforschung auch eine starke Verbindung zur Neurowissenschaft. Wobei man schon unterscheiden muss, dass die Neurowissenschaft eher den Schlaf und die Gehirnfunktionen untersucht. Das Träumen selbst, das subjektive Erleben, ist die Domäne der Psychologen.

Was hat Sie persönlich am Thema Träumen so fasziniert, dass Sie sich für den Beruf als Traumforscher entschieden haben?

Es liegt natürlich bei mir schon lange zurück, dass ich angefangen habe, mich für psychologische Themen zu interessieren. Ich habe dann ein Traumbuch gekauft, neben das Bett gelegt und angefangen, Träume aufzuschreiben. Was mich da immer fasziniert hat war, dass Träume so kreativ sind. Es sind immer sehr interessante Geschichten gewesen am Anfang, also Abenteuergeschichten zum Beispiel, und das hat mir damals schon Spaß gemacht. Das war ein Grund, wieso ich regelmäßig Träume aufschreibe, schon seit 30 Jahren, und mich eben auch vermehrt für das Thema interessiert habe.

„Träume sind kreative Darstellungen von Themen, die einen tagsüber beschäftigen.“

Es gibt ja auch verschiedene Vorgehensweisen, um Träume zu deuten. Man kann zum Beispiel Symbole nachschlagen, die dann bestimmte Bedeutungen hätten. Wie denken Sie über diese Art von Traumdeutung?

Die Traumdeutung, gerade Symboldeutung, hat ja schon eine lange Tradition. Aus meiner Sicht ist das aber wenig hilfreich, weil die Träume so kreativ sind, dass jeder Träumer und jede Träumerin eigene Umsetzungen von Dingen hat, die ihn oder sie tagsüber beschäftigen. Träume sind kreative Darstellungen von Themen, die einen tagsüber beschäftigen. Kreativ heißt für mich, dass es eben nicht so ist, dass eine schwarze Katze eine feste Bedeutung hat. Sondern dass jede Person ihre eigenen Symbole, ihre eigene Art hat, etwas darzustellen.

Ich mache mal ein Beispiel. Sie haben einen Verfolgungstraum, ein riesiges Monster taucht vor Ihnen auf. Nun kann man sich überlegen: Wieso habe ich von einem Monster geträumt? Aber wenn man schaut, was in dem Traum passiert ist, nämlich dass man Angst hatte und weggelaufen ist, wird es von Psychologen als Vermeidungsverhalten bezeichnet. Das heißt, der Traum hat eine kreative, dramatisierte Form von Vermeidungsverhalten beschrieben. Die Idee dahinter ist, dass der Traum ein Thema aufgreift, möglicherweise eine unangenehme Aufgabe oder ein Gespräch, die im Wachzustand vermieden wurden, und der Traum das plastisch macht.

Viele Menschen kennen auch Alpträume. Woher kommen solche negativen Träume?

Alpträume werden definiert als Träume mit so starkem negativem Affekt, dass dieser zum Erwachen führen kann. Meistens ist es Angst, es kann aber auch Wut, Ekel oder Trauer sein. Es gibt tatsächlich Personen, die eine Veranlagung dazu haben. Wir sind gerade dabei zu schauen, ob es auch mit Hochsensibilität zu tun hat. Wir vermuten, dass es einfach Menschen gibt, die sensibler, kreativer und empathischer sind und leichter an Alpträumen leiden. Der zweite Punkt ist dann der aktuelle Stress.

„Je mehr man Angst vor der Angst hat, desto größer wird sie.“

Gibt es wirklich Mittel, um die Alpträume komplett verschwinden zu lassen?

Jede Person hat im Traum ihre eigene Art und eigene Symbole, um Dinge darzustellen, erzählt Traumforscher Michael Schredl. © Unsplash

Tatsächlich gibt es eine sehr einfache und sehr wirkungsvolle Therapieform, die man sogar selbständig anwenden kann. Im englischen Sprachraum wird sie als Imagery Rehearsal Therapy bezeichnet, also eine Vorstellungsübungs-Therapie. Bei Ängsten ist es so: Je mehr man Angst vor der Angst hat, desto größer wird sie. Bei den Alpträumen ist das gleiche Prinzip wirksam. Nur ist es bei Alpträumen sogar noch einfacher, weil man sich einfach während des Tages vorstellt, wieder in der Alptraumsituation zu sein und sich dann vorstellt, was man anders machen würde. So kann man sich etwa möglichst plastisch ausmalen, sich umzudrehen anstatt wegzulaufen und vielleicht noch Helfer im Hintergrund zu haben. Und dann das Monster zu konfrontieren und aktiv die Situation zu bewältigen, anstatt durch das Aufwachen aus der Situation herauszugehen.

Bei der Therapie wird die Vorstellung über zwei Wochen tagsüber für fünf Minuten wiederholt und geübt. Das wirkt sich auf die Träume aus. Interessanterweise nicht nur auf die Träume, die man geübt hat, sondern auch auf andere Träume, weil man die Einstellung lernt: Wenn ich im Traum Angst habe, überlege ich, was ich tun kann. Und das ist tatsächlich ganz wirksam, die Therapie hilft ungefähr bei 70 Prozent der betroffenen Menschen.

 

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Photo by Shawn Appel on Unsplash

Berge und Vulkane faszinieren uns Menschen seit eh und je. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Art, sondern sind auch geprägt von verschiedenen Geschichten, die uns sowohl eine wissenschaftliche als auch eine religions- und kulturgeschichtliche Perspektive auf sie eröffnen. Durch diese Perspektive erfahren wir Berge und Vulkane als Entstehungsorte für Bräuche, die bis heute standhalten oder als Wohnorte von Göttern, Geistern und Ahnen. 

Heutzutage kann die Entstehung der meisten Berge und Vulkane wissenschaftlich erklärt werden. Sie sind größtenteils eine Folge der Verschiebungen von kontinentalen und ozeanischen Platten. Trotzdem sind sie nicht vollständig erforscht und bergen somit noch viele Geheimnisse.

„Der Benbow ist ein Geist.“

Die Fotojournalistin und Dokumentarfilmerin Ulla Lohmann interessiert sich besonders für die Erforschung des Vulkans Benbow auf der Insel Ambrym in Vanuatu. In ihrem Buch „Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde“ berichtet sie davon, wie sie es schafft auf die dritte Terrasse des Vulkans zu gelangen und welche Rolle neben ihren wissenschaftlichen Kenntnissen über Vulkane, die mythologischen Vorstellungen der Einheimischen spielen. So trifft sie beispielsweise auf ZakZak, den Hüter des Vulkans, der ihr erklärt: „Der Benbow ist ein Geist. Der Vulkan ist lebendig. Du musst ihn immer ehren und respektieren, wie einen Menschen.“

Gunung Agung Zentrum des Universums

Auf der Insel Bali gibt es ebenfalls Vulkane, die einen mythologischen Hintergrund haben. Laut der balinesischen Schöpfungsmythologie erschufen göttliche Wesen die Insel, indem sie die Schildkröte Bedawang in den Ozean setzten. Auf ihrem Rücken wuchsen Pflanzen, entstanden Flüsse und Seen, Berge und Täler. Die Götter verbannten Dämonen und böse Geister im tiefen Meer (Unterwelt). Sie selbst ließen sich in den Vulkanen und hohen Bergen nieder (himmlische Sphäre).

Der Vulkan Gunung Agung auf Bali in Indonesien

Der Vulkan Gunung Agung auf Bali in Indonesien, Foto: Stephanie Constantin

Der mit 3.142 Metern höchste Vulkan Balis namens Gunung Agung, übersetzt „Hoher Berg“, wird von den Einheimischen als Zentrum des Universums gesehen. Daher gilt er als besonders heilig. Am Hang des Gunung Agung befinden sich heilige Schreine und Tempel, an denen die Bewohner*innen die Götter und Geister der Ahnen verehren.

Im Jahr 1963 explodierte der Vulkan und zerstörte mit seiner austretenden Lava mehrere Dörfer. Bei der Katastrophe starben auch tausende Menschen. Dies passierte zu der Zeit als das sogenannte Eka Dasa Rudra Fest vorbereitetet wurde. Das Fest findet alle 100 Jahre statt und sorgt für die symbolische Reinigung des Universums. Viele Balines*innen vermuten, dass es falsch terminiert wurde und die Götter unzufrieden stimmte, woraufhin sie die Naturkatastrophe auslösten.

Wissenschaftler*innen hingegen sehen einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Vulkans und der Lage Balis. Die Insel befindet sich in einer geologisch instabilen Region, nämlich im Pazifischen Feuerring. Hier kollidiert die australische mit der eurasischen Kontinentalplatte und trägt damit zum aktiven Verhalten einiger Vulkane bei.

Der heilige Ort Ambondrombe

Etwas harmloser scheinen Berge zu sein und doch können auch sie Ehrfurcht im Menschen erwecken. Dazu gehört der Berg namens Ambondrombe, im Südosten der Insel Madagaskar liegend. Für die Einheimischen ist er ein heiliger Ort, der als Wohnstätte der Seelen königlicher Ahnen und Geister dient. Die Bewohner*innen des naheliegenden Dorfes Ambohimahamasina bezeichnen sich selbst als „Bewohner*innen der Geister“. Vor geraumer Zeit trauten sich die Madagass*innen nicht in die Nähe des Berges, da sie donnerähnliche Geräusche in seiner Umgebung wahrnahmen. G. A. Shaw, ein englischer Missionar des 19. Jahrhunderts, stellte bei der Besteigung des Berges fest, dass die Geräusche von einem Wind, der durch eine Engstelle des Berges zieht, erzeugt wird. Jedoch ist in der Nähe des Geräusches kein Luftzug spürbar. Aus diesem Grund bezeichnete Shaw den Wind als großen Geistererwecker. Für die Einheimischen sind diese Geräusche ein Zeichen dafür, dass die Ahnen und Geister nicht gestört werden möchten. Bei Tag und Nacht, so erzählen sie sich, kann man sogar Gestalten inmitten des Waldes des Ambondrombe erkennen. Wenn man sich ihnen nähert, verschwinden sie.

Der Brocken – Ort von Hexen und Brockengespenstern

Während der Glaube an mystische Gestalten auf Madagaskar oder Bali fester Bestandteil der Kultur ist, werden solche Vorstellungen in Deutschland kaum noch ernsthaft vertreten. Grund dafür könnte die Ablösung von ethnischen Religionen durch neuere religiöse Bewegungen, wie dem Christentum, sein und/oder der Einzug wissenschaftlicher Erklärungen für bestimmte Naturphänomene. Der Brocken, ein Berg im Mittelgebirge Harz in Deutschland, ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass sich Mythen verändern und trotzdem noch in dem ein oder anderen Brauch niederschlagen können.

Der Brocken im Mittelgebirge Harz in Deutschland

Der Brocken im Mittelgebirge Harz in Deutschland, Foto: Pixaline, Pixabay

Seit Jahrhunderten gilt der Brocken als Versammlungsort von Hexen und bösen Geistern. Er wird häufig auch als Blocksberg bezeichnet, was so viel wie Hexentanzplatz heißt. Auch außerhalb Deutschlands wird dieser Begriff zur Bezeichnung solcher Berge verwendet. Den mittelalterlichen Vorstellungen nach, fliegen die Hexen auf Gegenständen des alltäglichen Lebens wie Besen, Heugabeln und Hüten aber auch auf Tieren wie Ziegen, Wölfen und Katzen auf den Blocksberg. In der Walpurgisnacht ‒ heute auch „Tanz in den Mai“ genannt ‒ feiern sie ausgiebig. Der Name Walpurgisnacht lässt sich von der heiligen Walburga ableiten, die im Christentum als Schutzpatronin gesehen wird und die bösen Geister vertreiben soll. Der Brauch ist jedoch germanischen Ursprungs und geht damit weit in die vorchristliche Zeit zurück. Sie feierten in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai den Frühlingsbeginn ‒ verkleidet und um ein Feuer tanzend. Ihre Absicht war es die bösen Geister des Winters zu vertreiben.

Doch nicht nur in der Walpurgisnacht nahmen die Menschen ungewöhnliche Erscheinungen wahr. Bei aufkommendem Nebel und Sonnenuntergang, zeigte sich das Brockengespenst in Form eines riesigen Menschen am Horizont. Früher jagte es den Menschen Angst ein, nicht zuletzt, weil es sich bewegte. Heute ist es als Naturphänomen bekannt, das entsteht, wenn der Schatten des Beobachters auf eine Nebel- oder Wolkenwand trifft.

Brockengespenst

Brockengespenst, Foto: TheusiNo, Pixabay

Mythologie oder Wissenschaft?

Was die aufgeführten Berge und Vulkane miteinander gemein haben ist, dass sie einen wichtigen Teil verschiedener Kulturen darstellen. Sie stehen oft im Zentrum religiöser Vorstellungen und spielen in den Mythen der umwohnenden Menschen eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig sind sie auch für Menschen von Interesse, die anhand der Berge und Vulkane versuchen Naturphänomene besser zu verstehen. Für Ulla Lohmann, die sich bei der Erforschung des Benbow auf seine Mythologie eingelassen hat, ohne jedoch die wissenschaftliche Perspektive auszublenden, ist klar: „Ein Vulkan ist nicht nur durch Mythologie, sondern auch durch Wissenschaft erklärbar.“

 

Quellen:

  • Dusik, Roland (2005): Bali. Java. Lombok. Ostfildern, DuMont Reiseverlag.
  • Graz, Karl (2017): Mythos Berg. Lexikon der weltweit bedeutendsten Berge. myMorawa von Moraga Lesezirkel GmbH.
  • Lohmann, Ulla (2017): Ich mach das jetzt! Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Wals bei Salzburg, Benevento Publishing.
  • http://www.vulkane.net/vulkane/agung/gunung-agung.html
  • https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/walpurgisnacht20160430/

Haare enthalten zahlreiche Informationen über dessen Besitzer. Alles was wir zu uns nehmen, allem, was wir ausgesetzt sind und selbst unsere DNA kann aus einem Haar herausgelesen werden. So können über Jahre hinweg Substanzen im Haar nachgewiesen werden, die beispielsweise auf Drogenkonsum des Haarbesitzers hinweisen. Gerade bei Verbrechen sind Haare oft der entscheidende Beweis, um den Täter zu überführen.

Das Haar als genetischer Fingerabdruck

Ein bekanntes Beispiel ist der Fall von Maria L. in Freiburg. Die 19-jährige Medizinstudentin wurde in der Nacht zum 16. Oktober 2016 vergewaltigt und ermordet. Am Tatort wurde ein halb blondiertes, halb naturfarbenes Haar gefunden. Videoaufnahmen in der Tram führten die Ermittler zu Hussein K.. Obwohl dieser nach der Tat seine Frisur geändert hatte, konnte der Verdacht gegen seine Person mittels eines DNA-Abgleichs bestätigt werden.

Weil Haare allerdings tote Zellen sind, geben sie keine Erbinformationen preis. Lediglich in den Haarwurzeln findet sich eine geringe Anzahl an Zellen, in denen die persönliche Erbsubstanz versteckt ist. Bei der DNA-Haaranalyse müssen diese Zellen zunächst vervielfältigt werden. Die gefundene DNA kann dann mit anderen Spuren vom Tatort verglichen werden. Um die Zusammensetzung der Gene und so die genauen Erbinformationen zu ermitteln, muss die DNA noch sequenziert werden. Stimmt diese mit anderen vorliegenden DNA-Sequenzen überein, ist die Person eindeutig identifiziert. Ein langwieriger Prozess.

Die Haaranalyse ist nicht nur bei einem Mordfall nützlich um den Täter zu identifizieren, auch bei Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs kann ein Haar helfen, um Informationen über den Tathergang zu bekommen. Mit einer toxikologischen Untersuchung kann beispielsweise die Aussage des Opfers überprüft werden. Der Forensiker Jörg Teske erklärt dies anhand des Beispiels eines 13-jährigen Mädchens. Sie sagte aus, ihr Vater habe sie mit einem Tee und Tablettenresten betäubt und anschließend missbraucht. Die Untersuchung von Einzelhaaren im Labor wies eine „hohe Konzentration von Doxylamin“ nach.

Unterm Mikroskop

Doch die kriminologische Erfolgsgeschichte der Haaranalyse ist auch von Rückschlägen geprägt. Lange Zeit war die mikroskopische Haaranalyse Standard unter Forensikern. Bei dieser Form der Analyse wird das Haar unter dem Mikroskop betrachtet. Gewisse Merkmale geben Aufschluss über das Alter und die Struktur des Haares. Heutzutage ist bekannt, dass gewisse Haarmerkmale nicht immer eindeutig sein müssen. Sie unterscheiden sich nicht nur von Person zu Person, sondern auch auf dem Kopf jedes Einzelnen.

Im Nacken sind die Haare beispielsweise etwas dünner als auf dem Rest der Kopfhaut. Sogar die Farbe der Haare kann innerhalb eines einzelnen Haares variieren, denn ein Haar enthält verschiedene Farbpigmente. Damit lässt sich von einem einzelnen Haar nicht auf die Haarfarbe einer Person schließen. Zudem verändert sich die Struktur mit dem Alter der Haare. Haare haben in der Wachstumsphase eine andere Textur, als wenn diese das Wachstum bereits beendet haben. Wenn an Tatorten Ermittler abgestorbene Haare finden, die im Alltag von alleine oder beim Bürsten ausfallen, haben diese weniger Merkmale als Haare, die sich noch in der Wachstumsphase befinden. So kann der Besitzer nicht über eine mikroskopische Haaranalyse zurückverfolgt werden. Die Indizien sind nicht ausreichend, um eine Person einer Straftat zu beschuldigen.

Fehlerhafte Gerichtsurteile und schwerwiegende Folgen

Im Jahr 2014 deckten Reporter der Washington Post zahlreiche Fehlurteile aufgrund von Haaranalysen des FBI auf. Von insgesamt 268 Urteilen waren 257 fehlerhaft, darunter auch 32 Todesurteile. Als Gründe für die falschen Analysen wurden der Erfolgsdruck des FBI und der damalige Forschungsstand genannt.

In den frühen Morgenstunden des 26. Juli 1978 wurde der 63-jährige Taxifahrer McCormick in Washington D.C. vor seinem Haus ausgeraubt und erschossen. Am Tatort fanden Ermittler eine Strumpfmaske mit Haarspuren, die zur Analyse ins FBI-Labor gegeben wurde. Durch Informanten wurde die Polizei auf den damals 17-jährigen Santae Tribble aufmerksam, der kurz vor der Tat eine Waffe gekauft haben soll, wie sie beim Verbrechen verwendet wurde. Die Ermittler schickten Haarproben von Tribble ins Labor. Forensiker kamen zu dem Ergebnis, dass die Haare auf der Stumpfmaske mit den Haaren von Tribble übereinstimmten.

Da es keine anderen Beweise, wie Fingerabdrücke oder Zeugen gab, wurde Tribble nur auf Grund der mikroskopischen Haaranalyse im Vergleich mit den Haaren auf der Strumpfmaske verurteilt. Tribble saß 27 Jahre in Haft. Zu Unrecht, wie sich im Jahr 2012 herausstellte. Eine DNA-Haaranalyse, wie sie seit 1987 vor Gericht zugelassen ist, konnte die Ergebnisse der mikroskopischen Haaranalyse widerlegen. Seit diesem Fall ist die mikroskopische Haaranalyse nicht mehr als Beweis oder als Indiz zulässig.

Forschungen für die Zukunft

In Zukunft wollen Ermittler aus Haarproben das Essverhalten und den Lebensstil der Verdächtigen mit Hilfe von Isotopenanalysen bestimmen. So soll auch bei einem Fall, bei dem eineiige Zwillinge unter Verdacht geraten, der Täter eindeutig ermittelt werden können. Glen Jackson, Professor für Forensische Wissenschaften, und seinem Team der West Virginia University ist es gelungen „aus Haarproben von 20 Frauen mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Body-Mass-Index der Haarbesitzerin richtig zu bestimmen“. Forscher der Universität Heidelberg halten die Ansätze ihrer US-Kollegen für interessant, bleiben aber skeptisch.

Heutzutage gilt die DNA-Haaranalyse als sicheres Indiz bei Verbrechen und hilft Ermittlern, Täter zu überführen. Im Gegensatz zur mikroskopischen Haaranalyse liefert die DNA-Haaranalyse die individuelle Erbinformation der Person und die Identifizierung ist eindeutig.