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„Träum weiter“ – mit diesem dumpfen Gefühl, uns etwas Unrealistisches und Irreales in den Kopf gesetzt zu haben, bleiben wir oft zurück und verwerfen unsere Ideen. Dagegen wendet sich Regisseur Valentin Thurn mit seinem Dokumentarfilm Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung, der im September 2021 in die deutschen Kinos kommt. Er gibt der Redewendung eine ganz neue Bedeutung und ermutigt die Zuschauer*innen, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Ein One-way-Ticket auf den Mars – diese Idee halten die meisten wahrscheinlich für eine skurrile Spinnerei. Günther Golob nicht. Er träumt davon, bei der ersten Mars-Kolonialisierung dabei zu sein und hat dafür sogar die Leitung einer Kulturagentur in Graz aufgegeben. Seither konzentriert er sich ausschließlich auf seine Bewerbung für die sogenannte Mars-One-Mission und erklärt: „Sicherheit, das war mit 40-Stunden-Job, Familie – ja alles gut, recht und schön, aber nur für mich war es zu wenig, ich musste ausbrechen aus meinem Leben.“ Und tatsächlich, die erste Prüfung hat er bestanden: Von über 200 000 Bewerber*innen wurde er mit 99 anderen für die letzte Runde ausgewählt. Der Marsflug ohne Rückkehr ist von einer privaten Investoren-Gruppe für 2026 geplant. Im Anschluss sollen weitere Flüge weitere Menschen zu dem fernen Planeten bringen.

„Das ist für mich ein riesengroßes Abenteuer. Wahrscheinlich das größte in meinem Leben und als einer der Ersten da zu sein, der sowas erleben darf, sprengt eigentlich jegliche Vorstellungskraft, aber das ist genau das, was ich will“, so Golob.

Fünf unterschiedliche Lebensträume

Van Bo Le-Mentzel in einem seiner Tiny-Häuser. © AlmodeFilm

Neben ihm sind es noch vier weitere Protagonist*innen, die der 58-jährige Regisseur Valentin Thurn über drei Jahre lang auf ihrem Weg, ihre ganz individuellen Träume zu verwirklichen, begleitet hat. Van Bo Le-Mentzel, der früher Planer eindrucksvoller Shoppingmalls und Museen war, hat seinen gut bezahlten Job während der Schwangerschaft seiner Frau an den Nagel gehängt. „Ich habe viele Dinge gemacht, die eigentlich nichts bedeuten“, sagt der Architekt. „Ich wusste, ich muss irgendwas tun, was anderen Menschen auch hilft.“ Jetzt entwirft und baut er Tiny-Häuser, schafft dadurch öffentliche Begegnungsstätten, und träumt von Wohnraum für alle und mietfreiem Wohnen – mitten in Berlin.

Carl-Heinrich von Gablenz träumt von nachhaltigen Luftschiffen. © AlmodeFilm

Auch Carl-Heinrich von Gablenz hat sein Job als erfolgreicher Manager in einem Maschinenbau-Konzern nicht mehr erfüllt. Stattdessen hat er die Idee entwickelt, Schwerlasten mit Ballons schweben und transportieren zu lassen. Hierfür kämpft er immer weiter. Obwohl er während der Finanzkrise schon einmal mit seiner Erfindung Pleite gegangen ist, hält er daran fest und gibt die umweltfreundliche Alternative zum Flugzeug nicht auf.

Ein Symbol gegen den Klimawandel setzt auch der Designer Joy Lohmann. Er träumt davon, schwimmende Recycling-Inseln aus Müll zu bauen, um so beispielsweise Menschen vor der Überschwemmung zu retten und aufzunehmen. In eine ganz andere Richtung geht der Wunsch von Line Fuks: Sie und ihre Partnerin Katja wandern gemeinsam mit den Kindern nach Portugal aus, damit diese nie mehr in die Schule müssen und ihnen das Freilernen in Eigenregie ermöglicht werden kann.

Joy Lohmanns Recycling-Inseln mit Symbolkraft. © AlmodeFilm

Line Fuks‘ Kinder lernen auf einem Bauernhof in Portugal in Eigenregie – ganz ohne Schulpflicht. © AlmodeFilm

„Nur wer träumt, kann auch wirklich Zukunft erfinden“

Dokumentarregisseur Valentin Thurn ©ThurnFilm

„Wir haben hinter den Filmtitel bewusst ein Ausrufezeichen gesetzt“, erklärt Valentin Thurn im Interview mit Zwischenbetrachtung. „Wohlwissend, dass es diese negative Konnotation gibt, denn da kann man natürlich nicht dran vorbeigehen, dass Träumer oder Visionäre in dieser Gesellschaft oft nicht ernst genommen werden. Wir meinen das aber affirmativ, denn nur wer träumt, kann auch wirklich Zukunft erfinden.“ Bei Kino-Diskussionen um seine beiden mehrfach ausgezeichneten Filme Taste the Waste und 10 Milliarden – wie werden wir alle satt?, in denen er sich mit den Themen Welternährung und Lebensmittelverschwendung beschäftigt hat, habe er beobachtet, dass vor allem die jüngere Generation nach grundlegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft strebe und auf der Suche nach echten Alternativen sei. In einer Zeit des andauernden Produzierens und Konsumierens, der fehlenden Ruhe und Überreiztheit der Sinne bleibe häufig keine Zeit zum Reflektieren und Träumen. Die Folge: keine Zukunftsentwürfe und -visionen, keine Alternativen zum Bestehenden.

„Ich will dazu beitragen, diese Lähmung zu überwinden, indem ich zeige, wie Menschen neue Visionen und Utopien entwerfen und auch versuchen, diese zu realisieren. Manches davon ist handfest, anderes vielleicht eher unrealistisch. Aber das ist nicht entscheidend: Wichtig ist, dass wir uns wieder darauf fokussieren, das eigene Potential zu erkunden und etwas zu wagen“, so Thurn.

Momente des Nichtstuns und sinnfreien Auswohnens

Auch er selbst habe sich lange Zeit in einem Hamsterrad befunden, in dem ihm die Momente gefehlt hätten, die er im Sinne seines Films als Träume definiert: „Ich meine damit nicht das Träumen in der Nacht, sondern ich meine die schöpferischen Momente, die Momente sinnfreien Auswohnens. Gedanken, die manchmal aus dem Nichtstun oder bei Routinetätigkeiten, sei es beim Fahrradfahren, Laufen, Aus-dem-Fenster-Starren oder Duschen jenseits der Arbeit entstehen. Wenn man das zulässt, entsteht Neues. Das sind die Träume, die ich meine.“ Dabei gehe es zunächst einmal nicht um gewinnbringende Projekte, betont Thurn. Sie seien oftmals vielmehr jenseits des Geldverdienens angesiedelt – „man macht etwas, weil man es für richtig erachtet.“ Und zwei Eigenschaften dürfen dabei nicht fehlen, weiß der Regisseur nach den drei Jahren: Selbstliebe und eine Portion Größenwahn.

Der Film läuft ab dem 30. September 2021 in den deutschen Kinos. © AlmodeFilm

Titelbild: © AlmodeFilm

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