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Träume und Traumwelten haben für die Ureinwohner*innen Amerikas eine besondere Bedeutung – etwa als Mittel, um Weisheiten und Orientierungshilfe im Leben zu erlangen. Native Americans messen Botschaften, die ihnen im Schlaf zugesandt werden, große Wertschätzung bei. Diese werden Vorfahren oder Geistern der Traumwelt zugeschrieben und haben die Funktion, die Träumer*innen vor etwas zu warnen oder bei einer schwierigen Entscheidung zu helfen.  

Den Ureinwohner*innen Amerikas nach ist es die Seele, die träumt, und nicht das Gehirn. Denn im Schlaf kommuniziert die eigene Seele mit anderen Geistern der Traumwelt, die deren Wissen an die Träumenden weitergeben. Aber warum ist es gerade die Seele, die diese Erfahrungen macht? In ihren Vorstellungen wird der menschliche Körper von verschiedenen Seelen angetrieben und gesteuert. Die Ansichten darüber, wie viele Seelen ein Körper beherbergt, gehen allerdings auseinander. So nehmen die Narrangansett, angesiedelt im US-Bundesstaat Rhode Island, beispielsweise an, dass es zwei Seelen gibt: eine, die den Körper antreibt, und eine, die den Körper verlassen und andere Welten besuchen kann. Dies kann im Schlaf, im Koma oder in Trance geschehen. Dahingegen glauben die in Idaho lebenden Shoshonen daran, dass es drei Seelen gibt. Zusätzlich zu den zwei Seelen, die für die Lebenskraft und das Träumen verantwortlich sind, bewegt die dritte Seele den Körper, wenn der Mensch bei Bewusstsein ist.  

Traumwelten offenbaren Menschen mehr Möglichkeiten, Lebensweisheiten zu erlernen oder Rat in schwierigen Lebenssituationen zu erhalten. In vielen Fällen warnen die Geister vor bevorstehenden Problemen oder ermutigen die Träumenden bei ihren Vorhaben. Als solches bilden sie eine wichtige Quelle der Unterstützung für die Menschen. 

Vom Körper zur Traumwelt

Grauer Wolf

Der Wolf im Traum – ein Zeichen des Schutzes? © Jean Beaufort

Gemäß den Native Americans verlässt die Seele den Körper im Schlaf und bewegt sich zwischen Traumwelten. Hier lernt sie und kann Kontakt mit anderen Seelen oder Geistern aufnehmen. Im weit verbreiteten Glauben des Schamanismus, den auch die Ureinwohner*innen praktizieren, sind alle Dinge mit einem Geist verbunden: Pflanzen, Tiere und auch die Naturgewalten. Vor allem Tiere sind für die Traumdeutung wichtig, denn jeder Mensch wird in seinem Leben von Totemtieren, mit denen nur in Träumen kommuniziert werden kann, begleitet. Jedes Tier hat eine Bedeutung und wird mit verschiedenen Prophezeiungen und Eigenschaften assoziiert, daher können die Begleittiere jederzeit wechseln und ersetzt werden. Man sollte allerdings die Assoziationen der Tiere genau kennen, um Warnungen zu verstehen, die manche Tiere verkörpern. 

Obwohl die Tiere nur nonverbal kommunizieren können, teilen sie ihr Wissen und lehren den Träumenden Dinge über sich selbst, die möglicherweise im Unterbewusstsein verborgen sind. Die Eigenschaften oder Fähigkeiten, die die Tiere verkörpern, sollen erlernt werden, um das eigene Leben zu bereichern. Wie man das Erscheinen der Tiere in den eigenen Träumen interpretiert, obliegt einem selbst. Die Deutung ist für jeden Menschen individuell und mit deren eigenen Erfahrungen und Auffassungen verbunden. So bedeuten Wölfe für manche Schutz und für manch anderen bedeuten Bären Stärke. Aus diesem Grund ist es schwer, allgemeingültige Deutungen auszusprechen und Ratschläge zu geben.

Kommunikation mit Verstorbenen

Neben diesen Geistern können auch Vorfahren mit den Träumenden Kontakt aufnehmen und ihnen Rat zukommen lassen. Ist man in diesen Praktiken mehr bewandert, kann man auch selbst Kontakt aufnehmen. Wie Ratschläge der Geister und Ahnen interpretiert werden, kommt ganz auf die Träumenden selbst an. Kommt man zu keiner zufriedenstellenden Interpretation oder versteht diese nicht, wird dann oft der Schamane des Stammes zu Rate gezogen.

Als Wissensträger*innen des Stammes sind sie dafür zuständig, den Mitgliedern zu helfen, da sie bewusst Traumwelten betreten können und – anders als normale Träumende – ihre Träume auch zu steuern vermögen. Sie können mit den Geistern zusammenarbeiten und weitere Weisheiten anfordern, um ihrem Stamm zu helfen. Es wird bewusst mit diesen Geistern zusammengearbeitet, da die Native Americans glauben, dass diese sie ein Leben lang begleiten und sie nicht nur bei Kräften und voller Gesundheit halten, sondern auch als Wegweiser dienen. 

Ist es an der Zeit, dass man aufwacht, werden die Seelen wieder miteinander verbunden und der Mensch kehrt zum Bewusstsein und zur Realität zurück. 

Die verlorene Seele

Manchmal findet eine Seele nach ihrer Reise nicht mehr zum Körper zurück. Das geschieht vor allem dann, wenn der/die Träumer*in zu diesem Zeitpunkt unter besonders viel Stress leidet und daher geschwächt ist. Die Seele ist in der Traumwelt gefangen und kann nicht ohne Hilfe wieder zurückkommen. Durch diesen sogenannten Seelenverlust wird der menschliche Körper daraufhin krank.

Das Gemälde George Catlins (1796–1872) zeigt einen Schamanen der Native Americans. © Wellcome Collection

Da die Seele dann Hilfe benötigt, kommen wieder Schamanen ins Spiel. Da sie eng mit den Geistern der Traumwelten zusammenarbeiten, fungieren sie auch als Heiler*innen und können neben den Medikamenten, die sie ihren Patient*innen verabreichen, sich auch selbst auf die Suche nach der verlorenen Seele begeben. Durch einen Trancezustand oder Halluzinationen können die Schamanen die Traumwelt sofort betreten. Mithilfe der Geister und ihrem eigenen Vorwissen können sie die Seele wieder mit dem Körper der erkrankten Person vereinen und sie so von ihrer Krankheit befreien. Ist eine Seele zu lange von ihrem Körper getrennt, kann es zu schwerwiegenden Krankheiten, die auch zum Tode führen können, kommen. 

Wie Träume interpretiert werden, obliegt letzten Endes den Träumenden selbst. Die Bedeutungen und Assoziationen der Tiere, die Ratschläge von Ahnen sowie die Interpretationshilfe der Schamanen sind letzten Endes eine Hilfestellung, die auf den eigenen und individuellen Erfahrungen der Personen aufbauen. Entscheidend ist: Träume helfen den Personen schwierige Entscheidungen zu treffen und Dinge in ihrem täglichen Leben zu verarbeiten. 

 

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