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Vor ein paar Wochen habe ich mal wieder „Beetlejuice“ angesehen. Einen Film, den ich liebe, seit ich ihn mit ungefähr zehn Jahren zum ersten Mal gesehen habe. Keine Frage, Tim Burton hat 1988 mit diesem Film definitiv seinen viertbesten Film abgeliefert, hinter „Ed Wood“ und „Big Fish“ und möglicherweise „Batman Returns“. Keine Sorge, es ist in Ordnung, wenn du das anders siehst. Du liegst falsch, aber es ist okay, wenn du mir nicht zustimmst.

Als Warnung, weil das dieser Tage natürlich immer wichtig ist: Dieser Text enthält Spoiler für „Beetlejuice“, einen dreißig Jahre alten Film. Welche Überraschung. Wenn ihr also den Film noch nicht kennt und mit Spoilern für einen dreißig Jahre alten Film ein Problem habt, dann schaut ihn euch schnellstmöglich an.

Filmplakat

 

Wenn ihr mit Spoilern  kein Problem habt, aber trotzdem den Film noch nicht gesehen habt, schaut ihn euch jetzt trotzdem an. Macht euch keine Sorgen, ich kann warten. Speichert diesen Tab, geht auf Amazon und leiht ihn euch zum Streamen aus oder bestellt euch die DVD. Vielleicht gibt es den Film auch irgendwo kostenlos. Schaut ihn euch nur an. Tut euch den Gefallen. Ich warte solange.

Willkommen zurück. Was mich persönlich so an „Beetlejuice“ begeistert, ist, wie unglaublich optimistisch und sogar lebensbejahend er letztendlich ist. Klar, der Film beginnt mit dem überraschenden Unfalltod von Adam und Barbara Maitland. Letztendlich ist die Botschaft des Filmes im Grunde aber, dass der Tod dir nicht die Freude am Leben nehmen muss.

Noch kurz zum Plot

Kurz zur Handlung: „Beetlejuice“ beginnt mit dem tragischen Tod der Maitlands, dargestellt von Alec Baldwin und Geena Davis. In ihr nun leerstehendes Haus zieht alsbald die reiche Familie Deetz ein, bestehend aus Bauunternehmer Charles und seiner Frau, der Bildhauerin Delia (Jeffrey Jones und Catherine O’Hara), sowie Charles‘ Goth-Tochter aus erster Ehe, Lydia, gespielt von einer jungen Winona Ryder. Falls ihr euch je gefragt habt, was die Gute vor „Stranger Things“ gemacht hat. Die Maitlands, die von ihrer Sachbearbeiterin im Leben danach erfahren, dass sie für 125 Jahre in ihrem Haus bleiben müssen, beschließen, dass die neuen Bewohner*innen aus dem Haus verschwinden müssen. Doch ihre Spukversuche und Poltereien bleiben vergebens. In ihrer Ratlosigkeit beschließen die beiden, Hilfe bei dem selbstständigen Poltergeist Betelgeuse, dargestellt von Michael Keaton, zu suchen. Diese Entscheidung soll sich jedoch schon bald als Fehler herausstellen, denn Betelgeuse verfolgt voll und ganz seine eigenen Pläne.

 

Beetlejuice, Beetlejuice, Beetlejuice! Via Giphy

Das ist gut, aber wir machen es ganz anders!

Soviel zunächst zum Inhalt. Tim Burton hat das Drehbuch des Films deutlich verändert. Die ursprüngliche Fassung war wesentlich düsterer und mehr Horrorfilm als explizite Horrorkomödie. In Tim Burtons Film weichen die Maitlands mit ihrem Auto einem Hund aus und fahren in einen Fluss, ihr Tod ist entschärft. In der Originalfassung des Drehbuchs von Autor Michael McDowell ist der tödliche Autounfall der Maitlands explizit und brutal. Später exhumieren sie den Dämon Betelgeuse, eine wesentlich grausamere Gestalt. Betelgeuse versucht in der Urversion auch nicht, die Familie Deetz zu vertreiben, sondern zu ermorden. Lydia ist im Drehbuch zwei Töchter, eine ältere und eine neunjährige jüngere Schwester. Betelgeuse versucht die erstere nicht nur zu heiraten, sondern explizit zu vergewaltigen, letztere wird nur verstümmelt. Charmant. Ihr wisst schon. Für Kinder.

Tim Burton hat wohl dieses Drehbuch gesehen und gemeint, dass man daraus bestimmt einen guten Film machen kann. ABER man muss ein paar Kleinigkeiten ändern. Aus der expliziten Gewalt des Todes der Maitlands wird ein sanfterer Tod, aus den beiden Töchtern der Familie Deetz wird Lydia. Und aus dem bösen Dämon Betelgeuse wird Michael Keatons überzogener Mix aus einem Gebrauchtwagenhändler und einem perversen Poltergeist.

Zum Besseren geändert

Die Änderungen waren wohl eine gute Entscheidung. Winona Ryders finale Version von Lydia wirkt gleichermaßen kindlich verletzlich als auch erwachsen und durch ihre Goth-Attitüde ist sehr sympathisch. Sie fühlt sich von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter missverstanden und als würde sie nicht ganz reinpassen. Somit macht es Sinn, dass sie sich Ersatzeltern in den Geistern der Maitlands sucht.

Doch die wohl beste Änderung des Filmes ist der titelgebende Geist selbst. Kein mörderischer Dämon aus den Niederhöllen, sondern der Betelgeuse, der Michael Keaton zu einem Superstar machte. Keatons Version des Charakters ist opportunistisch und fies. Er ist pervers, belästigt Barbara und hat eine abnormale Attraktion zu Lydia. Diese will er heiraten, um seinen Fluch zu brechen und in der Welt der Lebenden frei Unheil stiften zu können.

Betelgeuse ist im finalen Film nicht wirklich böse, eher selbstsüchtig, vollständig durchgeknallt und distanzlos. Was er vorher war, ist nicht ganz klar. Er behauptet, studiert und durch die Pest gelebt zu haben. Ob es stimmt oder nicht, das bedeutet nichts. Wichtig ist sein Dasein jetzt, als wahnsinniger Poltergeist.

Erinnerungen eines Poltergeists an das Leben vor dem Tod. Via Giphy

Perfekter Poltergeist

Sein Leben vor dem Tod ist nicht von Bedeutung. Es ist impliziert, dass er Selbstmord begangen hat. In jedem Fall war er zwischenzeitlich Angestellter der Jenseitsbürokratie, wurde aber gefeuert. Nun verdingt er sich als „Bio-Exorzist”, herbeigerufen durch das dreimalige Aussprechen seines Namens. Michael Keaton spielt den Charakter in all seinem Wahnsinn, seinem Sarkasmus und seinen Gemeinheiten. Das alles unter zentimeterdickem Make-Up, ein Kunststück das nicht vielen Schauspieler*innen gelingt.

Doch Keaton geht in dieser Situation völlig auf. Er ist natürlich begabt für körperliche Comedy, seine Mimik ist selbst unter der Schminke wahnsinnig vielseitig. Warum um alles in der Welt wurde er seinerzeit nicht als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert? Dinge, die wir nie verstehen werden. Keaton begnügt sich damit, jede Szene, in der er vorkommt, zu stehlen und den Film zu seiner persönlichen Show zu machen. Überhaupt, Michael Keaton ist einer der besten Schauspieler aller Zeiten. Das ist eine simple Wissenschaft.

Und eben so einen Schauspieler braucht es in dieser Rolle. Antagonist Betelgeuse bildet immerhin das Zentrum des Filmes. Der Aspekt des Poltergeisterns ist in diesem Film zentral. Der Geist ist laut, offensiv anstrengend, furchteinflössend und dabei extrem lästig für alle anwesenden. Und er hat dabei einen Heidenspaß. Diese Freude daran, allen auf die Nerven zu gehen. Daran, dass die Maitlands schnell bereuen, ihn um Hilfe gebeten zu haben, diese Freude am Schabernack ist es, was den Film so erinnerungswürdig macht.

Die Ewigkeit in der Warteschleife

Keatons Betelgeuse ist weniger ein durchtriebenes Böses, das besiegt werden muss. Vielmehr ist er eine Lästigkeit, die die beiden Familien, tot oder lebendig, zwingt, sich zusammenzuraufen. Die Moral der Geschichte ist eine, die das Leben bejaht und den Tod nicht als etwas Grundschlechtes, sondern vielmehr als einen neuen, abenteuerlichen Abschnitt des Lebens darstellt. Somit ist es eigentlich nur logisch, dass am Ende Lydia mit ihren Eltern und ihren toten Zieheltern feiert, dass sie eine Eins in Mathe hat, und der Antagonist bekommt was er verdient. Die Ewigkeit im Wartebereich in der Bürokratie im Jenseits. Schlimmer kann die Hölle auch nicht sein.

Bildquellen: © Warner Bros. & Warner Home Video all rights reserved 

Die Geschichte über den kopflosen Reiter, der das Dorf Sleepy Hollow in Angst und Schrecken versetzt, kennen die meisten vor allem durch die Verfilmung von Tim Burtons „Sleepy Hollow“ aus dem Jahre 1999. Nur ein Jahr später gewann der Film den Oscar für das „Beste Szenenbild“. Der Gruselstreifen ist dabei nicht nur einer der bislang besten Inszenierungen des Regisseurs, die ursprüngliche Handlung stammt auch noch von einer deutschen Legende aus den früheren Jahrhunderten. Doch was genau steckt hinter der Spukgeschichte wirklich? Wer war der kopflose Reiter? Und wo beginnt der Ursprung der Sage?

Die moderne Adaption von „Sleepy Hollow“

Schauen wir uns zunächst einmal die moderne Umsetzung der Geschichte des kopflosen Reiters an. In Burtons „Sleepy Hollow“ geht es um den Polizisten Ichabod Crane aus New York, der 1799 in das Dorf Sleepy Hollow kommt. Dort soll er geheimnisvolle Morde aufklären, bei denen ein geisterhafter Mann ohne Kopf sein Unwesen treibt und die Bewohner*innen des Ortes umbringt, indem er ihnen die Köpfe abschlägt. Ein Gerücht besagt, dass es sich bei dem Serienkiller um einen getöteten und enthaupteten hessischen Söldner handelt, der nun wieder zum Leben erwacht sei. Crane jedoch weigert sich, an das Übernatürliche zu glauben und sucht – gemeinsam mit der schönen Katrina van Tassel und dem jungen Masbath – nach einer logischen Erklärung für die seltsamen Vorfälle. Als er jedoch selbst Zeuge dieser abscheulichen Taten wird und den geisterhaften Reiter in Aktion erlebt, verschwindet sein Widerstand des Leugnens und er akzeptiert das Unausweichliche: Der Geist existiert wirklich. Um ihn aufzuhalten, begibt sich Crane auf die Suche nach dem Grab des Söldners. Er ist überzeugt, dass derjenige, der den Schädel besitzt, auch die Macht über den kopflosen Reiter hat. Dieser, so vermutet Crane, wird dagegen solange weitermorden, bis er seinen Kopf wieder in seinem Besitz hat.

Burtons Adaption basiert auf der Novelle „The Legend of Sleepy Hollow“ (dt.: „Die Sage von der schläfrigen Schlucht“) des Schriftstellers Washington Irving von 1820. Die Erzählung über den geisterhaften Reiter ohne Kopf ist als eine der ersten und populärsten Kurzgeschichten in der amerikanischen Literatur bekannt. Allerdings gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten zum Film. Zwar herrscht auch hier das Gerücht von dem Kopflosen, der als Geist eines

Washington Irving

Washington Irving. Quelle: Wikimedia Commons, CC, PD-US

verstorbenen hessischen Soldaten sein Unwesen treibt und beim Kampf seinen Kopf durch eine Kanonenkugel verlor. Ebenso soll er sich – wie in der Filmversion – jede Nacht aus seinem Grabe heraus bemühen und sich auf die Suche nach seinem verlorenen Kopf machen. Doch da hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Die Figur des Ichabod Cranes, im Film dargestellt von Johnny Depp, spielt in Irvings Geschichte ebenfalls eine zentrale Rolle. Allerdings ist Cranes hier kein Polizist, sondern ein Schulmeister, der die Kinder aus dem Dorf unterrichtet und sich in die schöne Tochter des reichen Geschäftsmanns van Tassel verliebt, wenn auch mehr des Geldes als der Liebe wegen. Nach einer Abfuhr seitens der jungen Frau wird Crane auf dem Heimweg von einem unbekannten Reiter verfolgt, der scheinbar seinen Kopf vor sich auf dem Schoß transportiert. Der Geist packt den Kopf und wirft ihn auf Crane. Am nächsten Tag scheint Crane verschwunden und wurde nicht mehr gesehen. Lediglich ein Kürbis blieb am Ort des Geschehens zurück.

Wo liegt der Ursprung der Sage begraben?

Die Erzählung über den kopflosen Reiter ist jedoch nicht erst seit Irvings Novelle bekannt. Bereits der deutsche Schriftsteller und Literaturkritiker Johann Karl August Musäus behandelte in seiner Sammlung „Volksmärchen der Deutschen“ (1782-1786) die Geschichte einer Gestalt, die ihren Kopf nicht wie üblich auf den Schultern, sondern vor sich auf dem Schoß trägt.

Man nimmt an, dass Irving die Geschichte des geisterhaften Reiters ohne Kopf auf seiner Reise an den Rhein 1806 bis 1809 zu hören bekam. Somit stammt der Ursprung der Sage tatsächlich aus Deutschland – genauer genommen aus dem Rheingebiet in Westdeutschland. Damals erzählte man sich, dass die kopflosen Reiter zur nächtlichen Stunde erscheinen und Menschen mit ihrer bloßen Berührung töten können. Die Geister sind demnach keine materiallosen Gestalten, sondern besitzen eine vollständige Körperlichkeit. Außerdem töten sie mit ihrer bloßen Berührung, und nicht, wie im Film, durch das Enthaupten.

Sünder als untote Wiedergänger

Im Rheinland ging man damals davon aus, dass es sich bei den kopflosen Geisterreitern um Menschen handelte, die zu ihren Lebzeiten eine Sünde begangen hätten und nun für ihre Taten büßen müssten. So waren sie entweder Selbstmörder, deren Leichen geköpft wurden und deren Köpfe an einem ungeweihten Ort wie beispielsweise einer Wegkreuzung vergraben wurden. Oder sie machten sich des Grenzsteinversetzens schuldig. Dabei versetzte man den Grenzstein in das benachbarte Grundstück hinein, um sein eigenes Land zu vergrößern. Als Strafe durften die Geschädigten die Schuldigen jeweils bis zum Hals vergraben und mit dem Pflug solange über deren Köpfe fahren, bis von diesen nichts mehr übrig blieb.

Aufgrund der Auffassung, der untote Wiedergänger sei ein Sünder, konnte dieser auch wieder erlöst werden. Dafür musste ein Gebet gesprochen werden, bei dem Gott oder Christus namentlich genannt wurde. Der kopflose Reiter soll sich daraufhin verwandeln, sich in einem weißen Leichentuch wiederfinden und sich bei seinen Erlöser*innen bedanken.

Der kopflose Reiter als Warnung

In vielen Erzählungen, in denen der kopflose Reiter erscheint, fungiert er als Warnfigur. In den meisten Fällen greift er nicht an, sondern erschreckt lediglich die armen Betrachter*innen, denen er sich zu erkennen gibt. So taucht er beispielsweise dann auf, wenn Menschen gerade etwas Unrühmliches planen wie in etwa das Versetzen des Grenzsteines ihrer Nachbar*innen. Der geisterhafte Reiter tritt dabei als warnendes Beispiel auf und hält die Personen davon ab, die Straftat zu vollziehen. Oft gilt die Geistergestalt auch als Todes-Omen und kündigt den Tod derjenigen an, denen er erscheint.

Auch in Burtons Horrorfilm dient das Erscheinen des kopflosen Reiters als Indiz für einen baldigen Todes- bzw. Mordfall, weshalb sich die Bewohner *innen von Sleepy Hollow kaum noch vor ihre Häuser trauen. Das Motiv, das hinter diesen ganzen Anschlägen steckt, ist jedoch weitaus verzwickter, als es sich Irving oder Musäus womöglich je ausgedacht hätten.