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Wo sind sie, diese Helden? Gibt es sie überhaupt? Diese fiktive Kurzgeschichte, die nur allzu real ist, versucht, eine Antwort zu geben.

Dunkel bricht die Nacht über Los Angeles herein. Die Sterne sind durch den wolkenverhangenen Novemberhimmel kaum zu sehen und ein eisiger Wind peitscht durch die leeren Straßen. Nur ein zartes Mädchen, gerade mal 16 Jahre alt, kauert an einer Straßenecke und schlingt die dünne Decke enger um ihre schmalen Schultern. Eltern, die in einer schönen warmen Wohnung sitzen und sich fragen, wo ihr geliebtes Mädchen bleibt, hat sie keine mehr. Nur manchmal noch blitzen Erinnerungen vor ihrem inneren Auge auf. Wie sie nachts aufwacht, weil das ganze Haus in Flammen steht. Ihr kleiner Bruder, der ängstlich schreit, und dann für immer verstummt. Die Feuerwehrkräfte, die zu spät kommen, um ihren Eltern zu helfen. Nur sie hat überlebt, aber es fühlt sich nicht wie ein Wunder an. Nein, ganz und gar nicht. Viel mehr wie eine Bestrafung. Wäre sie auch gestorben, dann wäre sie jetzt vielleicht mit ihrer Familie vereint. Alles wäre besser gewesen als auf dieser gottverdammten Straße zu landen, immer Hunger zu haben und jede Nacht zu frieren. Wo sind sie, diese Helden?

In nächster Nähe ist eine ältere Dame auf dem Heimweg vom Theater. Die 70-Jährige wohnt in einem schönen Haus, das jedoch viel zu groß für sie alleine ist. Seit ihr Ehemann verstorben ist, klafft ein schwarzes Loch in ihrem Herzen. Manchmal droht es, sie zu verschlingen. Um das Loch zu füllen, geht sie viel unter Menschen. Das Theater liebt sie ganz besonders, denn dort schillert und pulsiert das Leben. Die bunten Kostüme und Fantasiewelten lassen sie ihr eigenes trostloses Dasein zumindest zeitweise vergessen. Sie läuft dieselbe Strecke wie immer, langsam, denn ihr Rollator bleibt schnell auf dem unebenen Asphalt stecken. Es ist ein Abend wie jeder andere, und dennoch scheint heute etwas anders zu sein. Vielleicht, weil die Nacht so dunkel und kalt ist, denkt sie sich, und versucht, das ungute Gefühl beiseite zu schieben. Sie ist erleichtert, als sie endlich in die schmale Gasse einbiegt, die zu ihrem Haus führt. Mit den Gedanken ist sie bereits bei einer dampfenden Tasse Grüntee, als sich plötzlich vier Gestalten aus dem dunklen Schatten der Hauswand lösen. Sie schreit gellend auf, als ihr die Handtasche entrissen wird. Eine Hand wird auf ihren Mund gedrückt und erstickt den Schrei, eine andere Hand reißt zuerst an ihrer Perlenkette und dann an dem goldenen Armband, dem letzten Geschenk ihres verstorbenen Ehemannes. So plötzlich wie die Gestalten aufgetaucht sind, verschwinden sie auch wieder in der Dunkelheit der Nacht. Die Frau bleibt zitternd zurück, einsamer als jemals zuvor. Das Herz mit dem klaffenden Loch bleibt stehen. Wo sind sie, diese Helden?

Wenige Minuten zuvor kann man in der Parallelstraße beobachten, wie zwei Gangmitglieder aufeinander treffen. Der eine trägt ein rotes Bandana, der andere ein blaues. Dicht voreinander bleiben sie stehen und starren sich hasserfüllt an. Jeder Muskel ihres Körpers ist angespannt, bereit, das Messer zu zücken, falls der andere einen Angriff startet. Aus der Nebenstraße ertönt der Schrei einer alten Frau. Nur kurz zucken die Augen des einen Jungen in die Richtung der Geräuschquelle. Doch es ist lang genug, um den Angriff seines Gegenübers nicht kommen zu sehen. Hart trifft ihn eine Faust auf der Nase, die mit einem lauten Knacken bricht. Blind schlägt er zurück, bekommt seinen Angreifer zu fassen, beide gehen zu Boden. Zu wem welche Körperteile gehören, ist in dem folgenden Kampf kaum auszumachen. Dafür aber das schillernde Blut, das den sonst so trostlos grauen Asphalt rasch leuchtend rot färbt. So schnell wie der Kampf begonnen hat, ist er auch wieder vorüber. Einer der Jungen erhebt sich ächzend und taumelt die Straße hinab. Der andere liegt am Boden, regungslos. Er starrt in das helle Licht der Straßenlaterne und hofft, dass es keine Wiedergeburt oder ein Leben nach dem Tod gibt. Er wünscht sich, dass endlich alles vorbei ist und er einfach nur noch tot sein kann. Wo sind sie, diese Helden?

Nicht weit von all den schrecklichen Ereignissen strömen lachend Leute in das Kino von Los Angeles. Der neue Avengers-Film ist gerade angelaufen und jeder möchte unbedingt wissen, ob die Superhelden im Kampf gegen das Böse siegen. Sie alle wären gerne so stark wie Hulk, könnten gerne fliegen wie Iron Man und würden gerne ihrem Land dienen wie Captain America. Doch den Blick auf ihr Handy gerichtet laufen sie vorbei an dem Mädchen, das bleich und mit tauben blauen Lippen an der Straßenecke sitzt. Ihr schallendes Gelächter übertönt den Hilferuf der alten Frau aus der Seitengasse. Und von der Schlägerei machen die einen ein Video für ihre Snapchat-Story, die anderen sehen schnell weg, um bloß nicht selbst in Gefahr zu geraten.

Also gibt es sie nicht, diese Helden?

Vielleicht sollten wir öfter mit offenen Augen durch das Leben gehen und helfen, wenn jemand einen Helden braucht. Wir können keine fliegenden Superhelden sein. Aber wir können unsere menschlichen Superkräfte – Hilfsbereitschaft, Toleranz und Zivilcourage – öfter mal zum Vorschein bringen. Zeigen, dass Gutes in uns steckt. Zeigen, dass wir das Herz am rechten Fleck haben.

Denn genau da sind sie, diese Helden.

In 7 Milliarden Herzen verborgen. In jedem von uns. Auch du, lieber Leser und liebe Leserin, hast ein Heldenherz – es liegt an dir, ob du es zum Vorschein bringen willst.

 

Titelbild: Unsplash

 

Ob Film, Fernsehen oder Romane: Geister spuken mittlerweile in jedem Medium fröhlich vor sich hin. Doch wie so oft bleibt das Comic dabei etwas außen vor. Als großer Fan habe ich mir daher vorgenommen, einen Blick auf geisterhafte Erscheinungen des Mediums zu riskieren und fünf davon vorzustellen. 

Wer einmal vor die Aufgabe gestellt wird, so schnell wie möglich eine gewisse Anzahl von spezifischen Wesen aufzusagen, merkt, dass das gar nicht so leicht ist. Für diesen Artikel habe ich mir vorgenommen, fünf exemplarische Geister des Mediums vorzustellen und zu zeigen, was diese ausmacht. Praktisch jedes künstlerische Medium wird dieser Tage ausgiebig untersucht und bekommt seinen regelmäßigen Platz im Fokus der Forschung oder der Gesellschaft. Doch Comics kommen hierbei immer noch seltener zum Zug als  Filme oder Bücher. Dabei ist das Medium eine wahre Schatzkiste an Potential. Nichts, was der/die Zeichner*in sich vorstellen kann, kann im Comic nicht existieren. Seine Darstellungsmöglichkeiten sind geradezu grenzenlos. Ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten, Geister darzustellen. Ohne weitere Vorreden nun also fünf Geister, die zeigen sollen, wie vielfältig Comics sein können.

Casper, the friendly ghost (Harvey Comics)

Cover zu „Harvey Comics Classics Vol. 1 – Casper The Friendly Ghost“. ©Dark Horse Comics All Rights Reserved

Gleich zum Anfang mogel ich ein bisschen. Casper ist ursprünglich keine Comicfigur, sondern entstammt einem Bilderbuch von 1939. Später wurde er ein populärer Cartoon-Charakter und feierte 1949 seinen Einstand als Comicfigur. Ab 1952 gehörte Casper dann zum festen Repertoire des Comicverlags Harvey Comics. Hier wurden Casper auch die meisten seiner bekannteren Nebenfiguren zur Seite gestellt, wie seine Onkels, das geisterhafte Trio oder die kleine Hexe Wendy.

Casper erfüllt die klassischen Geisterkriterien. Er kann fliegen (auch wenn er meistens läuft), durch Wände gehen und sieht so ähnlich aus, wie man sich als Kind einen Geist vorstellt. Nur spuken will er nicht so recht.

Eine Info am Rande, die meistens  unter den Tisch fällt:  Casper ist der Geist eines Kindes. Also ein Kind, das gestorben ist. Ihr wisst schon: für Kinder!

Gut, darüber wird noch gestritten, ob Casper tatsächlich ein Kind post mortem ist oder ob der Kleine immer schon am Geistern war. Dennoch, allein wegen des nostalgischen Wertes darf er in dieser Liste nicht fehlen.

The Spectre (DC Comics)

The Spectre auf dem Cover zu „Infinite Crisis Aftermath: The Spectre“ (2007) ©DC Comics All Rights Reserved

Von einem kleinen Gespenst, das nicht so recht spuken will, hin zu einem großen Gespenst, dessen Macht nahezu grenzenlos ist. Jim Corrigan war ein gewöhnlicher Polizist. Dann wurde er getötet. Doch für Jim war es nicht das Ende. Etwas hatte sich an seine Seele gebunden, und gemeinsam wurden sie zurückgeschickt auf die Erde. Jims Seele war zum Wirt eines Wesens namens Spectre geworden: die personifizierte Rache Gottes.

Seinen Anfang nahm The Spectre 1940, als Erfindung von Superman-Co-Erfinder Jerry Siegel und Zeichner Bernard Baily. Jim erfüllt die zentralen Kriterien eines Gespenstes ausgezeichnet. Ein verstorbener Mensch, dessen Seele weiter auf Erden wandelt. Nur ist zusätzlich an seine geisterhafte Seele ein nahezu allmächtiger Racheengel gebunden, der boshafte Sünder auf Erden jagt und für ihre Verbrechen grausam bestraft. Eine der mächtigsten und gleichzeitig ambivalentesten Figuren aus dem DC-Katalog und ein ganz besonderer Geist.

Izabel (Image Comics)

Izabel auf dem Cover zu „Saga #3“ (2012) ©Image Comics All Rights Reserved

Es wird Zeit für eine meiner liebsten Geisterfiguren. Izabel liebe ich als Figur so sehr, dass ich eigentlich einen ganzen Artikel nur über sie schreiben würde, wenn das nicht etwas zu sehr vom Thema weggehen würde. Izabel ist eine Teenagerin vom Planeten Cleave aus der Comicreihe „Saga“ der Künstlerin Fiona Staples und des Autors Brian K. Vaughan. Sie sieht auch aus wie eine gewöhnliche Teenagerin. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie rötlich transparent ist und in der Luft schwebt. Ach, und außerdem hängen ihre Eingeweide aus ihrem Torso in Ermangelung eines Unterkörpers. Ein Andenken an ihr Ableben, als sie auf eine Landmine trat.

Izabel ist in „Saga” die Babysitterin von Hazel, der Tochter der beiden Hauptfiguren Marco und Alana. Des Nachts, wenn Izabel in Erscheinung treten kann, passt sie auf das kleine Mädchen auf. Sie macht das auch sehr gut, schließlich war sie im Leben die älteste von sieben Geschwistern. Der Geist der toten Teenagerin wird somit ein fester Bestandteil der Familie. Es sei jedem empfohlen, Saga zu lesen. Izabel ist sympathisch, offen, hat einen bittersüßen Sinn für Humor und ist selbstlos wie kaum eine andere Figur in dieser Liste. Ihr tragischer Tod machte ihr allerdings auch klar, was sie verloren hat, wie ihre Familie und ihre große Liebe, ihre Exfreundin Windy.

Edwin Paine & Charles Rowland: The Dead Boy Detectives (Vertigo)

Edwin und Charles auf dem Cover zu „Dead Boy Detectives: Band 1“ (2014). ©DC Comics, Vertigo Comics & Panini Comics All Rights Reserved

Während Neil Gaiman in den 1990ern mit „Sandman” Comicgeschichte schrieb, entwickelte er eine Unsumme an Figuren, die oftmals nur in einzelnen Ausgaben vorkamen. Zwei davon waren die Internatsschüler Edwin Paine und Charles Rowland. Edwin starb 1916 und kam in die Hölle (unfair, irgendwie). Als jedoch im Zuge von Gaimans „Sandman”-Storyline „Seasons of Mist” Jahrzehnte später die Hölle von Luzifer geräumt wird und die Seelen der Toten zurückkehren, taucht Edwins Geist wieder in dem Internat auf. Dort freundet er sich mit dem Schüler Charles an.

Edwin hilft Charles dabei, allerlei Gefahren zu bestehen, die von den auferstandenen Toten ausgehen. Doch schließlich fällt auch Charles ihnen zum Opfer und stirbt. Nein, die Geschichte hat kein Happy End.

Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es. Charles kehrt ebenfalls als Geist zurück. Als die Hölle unter neue Schirmherrschaft gestellt wird, beschließen er und Edwin, nicht ins Jenseits zurückzukehren und stattdessen in der Welt der Lebenden zu bleiben. Gemeinsam bestreiten sie nun als Detektive Abenteuer und lösen allerlei übernatürliche Fälle.

Deadman (DC Comics)

Deadman auf dem Cover zu „Deadman #1“ (1985). ©DC Comics All Rights Reserved

Last but not least: Boston Brand, seines Zeichens Zirkusakrobat par excellence, Mordopfer und Geist. Nach seinem Tod wurde Brand von der Gottheit Rama Kushna zurückgeschickt, um seinen eigenen Mord aufzuklären. Als Geist hat Deadman eine ganze Reihe klassischer Fähigkeiten. Er kann unsichtbar bleiben, durch Wände gehen, fliegen und besitzt, als besonderes Schmankerl, das Talent, von jedem Menschen Besitz zu ergreifen und deren Körper für seine Zwecke zu nutzen.

Vor seinem Ableben war Boston Brand eine der düstersten Gestalten, arrogant und eingebildet. Sein Tod ließ ihn zwar bescheiden werden, doch düster und tragisch blieb er. Gefangen zwischen Leben und Tod nutzt er seine Kräfte, um seinen Tod aufzuklären und Erlösung zu finden, indem er sich für das Gute einsetzt. Zynisch und bitter blieb er. Aber das ist eigentlich durchaus verständlich, wenn man tot ist, oder?

Blitz bei Nacht

Es ist eine Saga, die schon Jahrtausende alt ist, es jedoch bis ins 21. Jahrhundert überstanden hat: die des Donnergott Thor. Marvel hat es geschafft, die Figur Thor an unser heutiges Verständnis von Helden anzupassen und damit kommerziell sehr erfolgreich zu sein. Aus dem alten nordischen Gott wurde ein Superheld. Weiterlesen