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Ein Schriftsteller, der keiner ist. Das Phänomen des Ghostwritings ist keine Erscheinung der Neuzeit. Auch in der Vergangenheit verfassten Ghostwriter berühmte Werke. Manche konnten aufgedeckt werden, andere bleiben für immer ein Mysterium.

Geistern wird nachgesagt, sie seien irgendwo zwischen Existenz und Transzendenz ‒ also hier und doch nicht hier. Das ist ebenso gültig für einen Ghostwriter. Einen Autor, der kein Autor ist. Ein Schriftsteller, dessen Name nicht auf dem Buchrücken erscheint. Jemand, der da ist und dann wieder nicht hier ist. Schon in der griechischen und römischen Antike existierte die Praxis, dass Auftragsschreiber Reden für andere schrieben. Dafür verlangten die sogenannten Logographen sogar ein Honorar. Dieses Phänomen zieht sich durch die Jahrhunderte und ist dem heutigen Ghostwriting im akademischen Bereich sehr ähnlich. Heute verfassen Agenturen Hausarbeiten für Studierende, die zu hohen Preisen erstanden werden können. Ein wichtiger Unterschied besteht hier aber: Das Redenschreiben für andere ist weit verbreitet und wird als legitim betrachtet, Hausarbeiten von einer Agentur schreiben zu lassen ist illegal.

Besonders beliebt ist das Ghostwriting außerdem in der Literaturform der Autobiografie. Berühmte Persönlichkeiten schreiben über ihr Leben ‒ obwohl sie das schriftstellerische Handwerk nicht gelernt haben. Es kommen ihnen dann Schreiberlinge zu Hilfe, die diesen Job für sie erledigen. So verfassten Ghostwriter bekannte Biografien wie zum Beispiel von Heidi Klum, Dieter Bohlen oder Helmut Kohl. Barack Obama und sicherlich viele andere Politiker ließen und lassen ihre Reden von anderen schreiben.

Der Geist des Buches ‒ ist es der Schriftsteller auf dem Buchrücken oder der Ghostwriter? (Quelle: NoName_13, pixabay.com)

Wer also seine Bücher oder seine Hausarbeiten von einem Ghostwriter schreiben lässt, steht mit seinem Namen auf dem Buchrücken. Gleichzeitig ist er aber nur eine leere Hülle. Deshalb stellt sich hier die Frage: Sind nicht eigentlich die inhaltslosen Namen auf dem Buchrücken die Geister? Sie stehen zwar da, aber eigentlich sind sie nicht existent, nicht im Werk.

Wer war William Shakespeare?

William Shakespeare (Quelle: Wikilmages, pixabay.com)

Wenn wir heute auf die großen Werke aus der Literatur blicken, können wir nur aus dem schließen, was auch überliefert ist. Die wahren Umstände, wie ein Werk entstand und wer schlussendlich die Schreibfeder in der Hand hielt, können wir nicht wissen. Um einen berühmten Schriftsteller ranken sich besonders viele kontroverse Diskussionen. William Shakespeare, der „Romeo und Julia“, den „Sommernachtstraum“ und „Kaufmann von Venedig“ verfasst hat. Er soll einen Ghostwriter gehabt haben? Nun, auch daran scheiden sich die Geister.

In der Literaturwissenschaft hat sich die Auffassung etabliert, dass William Shakespeare der Urheber vieler der Werke ist, die unter seinem Namen veröffentlicht wurden. Kritiker zweifeln allerdings an, dass Shakespeare überhaupt Schriftsteller gewesen ist. Seine soziale Herkunft und seine Schulausbildung könnten nicht den erheblichen Wortschatz in seinen Werken ermöglicht haben. Außerdem bestehen erhebliche Lücken in Shakespeares Lebenslauf. Von Literaturwissenschaftlern wird jedoch fest angenommen, dass Shakespeare Schriftsteller war. Auf seinem Grabstein wurde außerdem eine Darstellung mit einer Schreibfeder gefunden.

Die einen sagen so, die anderen sagen so

Falls jedoch tatsächlich ein Ghostwriter existiert haben soll, ist auch die Frage nach dem Namen desselben nicht geklärt. Auch hier bestehen verschiedene Auffassungen und Möglichkeiten. So gelten unter anderem Francis Bacon, Christopher Marlowe oder Edward de Vere (Earl of Oxford) als mögliche Kandidaten für den wahren Schriftsteller hinter William Shakespeare. Alle sind sie Zeitgenossen von Shakespeare und es gibt Argumente, die für oder auch gegen sie sprechen. Edward de Vere (Earl of Oxford) starb zum Beispiel bereits 1604, während einige Werke von Shakespeare erst nach diesem Zeitpunkt verfasst worden sind. Zwischen dem Schreibstil von Sir Francis Bacon (Wissenschaftler und Philosoph) und Shakespeare soll es gewisse Ähnlichkeiten geben, und Bacon selbst behauptete einmal von sich, ein versteckter Dichter zu sein. Der Dramatiker und Dichter Christopher Marlowe soll sogar seinen eigenen Tod vorgetäuscht haben, um in der Verborgenheit die Werke Shakespeares zu schreiben.

Letztlich geklärt worden sind diese Theorien bis heute nicht. Bisher bleibt die Frage ob, und wenn ja, welchen Ghostwriter es gegeben hat, also ein Mysterium. Für dieses Phänomen gibt es noch andere Beispiele. Auch um Homer ranken sich viele Spekulationen. Der Verfasser der „Ilias“ und der „Odysee“ soll gar nicht existiert haben, behaupten die einen. Die anderen behaupten, die Werke wurden von mehreren Dichtern verfasst und diese unter dem Namen „Homer“ zusammengefasst. Bei diesem Phänomen handelt es sich nicht um die typischen Ghostwriter, wie wir sie heute kennen. Trotzdem gilt für diese Schriftsteller ebenfalls, dass sie unter einem anderen Namen schreiben. Ob es die Person mit diesem Namen gab oder nicht, ist eine andere Frage.

Früher war ein versteckter Autor vielleicht noch an der Handschrift erkennbar, heute in der digitalen Welt gibt auch die Schrift darauf keinen Hinweis mehr (Quelle: nile, pixabay.com)

Während also niemand sicher weiß, wer der Urheber der Texte von Shakespeare oder Homer war, die Debatte darüber, ob es einen Ghostwriter gab, macht den Schriftsteller zu einer zweifelhaften Person. Die Debatte hinterfragt das Genie, das Leistungsvermögen des Dichters und macht ihn so zu einer Person ohne Inhalt. Der Ghostwriter ist eine Figur ohne Hülle, existiert aber in dem Text, den er verfasst hat. Er ist also allgegenwärtig, obwohl sein Name nicht erscheint. Der Schriftsteller, der auf dem Buch steht, ist ein Name ohne Inhalt und abwesend im Text. Wer ist hier eigentlich der Geist?

Einen lesenswerten, weiterführenden Artikel zum Thema Shakespeare-Urheberschaft (aus Zeit online) finden Sie hier.

Beitragsbild: Quelle pixabay