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Gesellschaftstheoretiker, Ökonom, Philosoph ‒ und Hipster!? Karl Marx ist so populär wie nie, seine Theorien haben Hochkonjunktur. Doch was ist davon noch aktuell, was aus der Zeit gefallen? Und wie steht es heute um das ‚Gespenst des Kommunismus‘?

Karl Marx wird 200 Jahre alt ‒ die deutschen Medien gratulieren höflich. „Karl Marx ‒ der deutsche Prophet“ lautet der Titel eines Doku-Dramas, das im ZDF gezeigt wird. Die Süddeutsche kommentiert: „Die Lektüre von Marx ist ein Schlüssel zur Welt von heute“, bezeichnet ihn als ‚Visionär‘. In seiner Geburtsstadt Trier gipfeln die Feierlichkeiten in Marx-Statue und Marx-Ampelmännchen. Manche(r) Journalist*in dürfte noch Tage nach dem Jubiläum in einer Eistonne liegen und den von Schreibkrämpfen geschüttelten Körper kurieren. Marx, der Visionär und Prophet ‒ was ist von seinen Vorhersagen heute noch übrig? Waren seine ‚Prophezeiungen‘ zutreffend oder bloße Kaffeesatzleserei?

Auch Päpste fürchten Gespenster

Karl Marx und Friedrich Engels als Statue in Berlin (Foto: Pixabay).

Die Autoren des „Manifests der Kommunistischen Partei“ als Statue in Berlin (Foto: jensjunge, Pixabay.com).

„Ein Gespenst geht um in Europa ‒ das Gespenst des Kommunismus.“ So beginnt das „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848. In dieser Zeit ist ‚Kommunismus‘ ein Kampfbegriff. Er wird verwendet, um politische Gegner*innen zu verunglimpfen. Bei den Herrschenden verursacht das Wort Albträume. Sie wollen ihren Untergebenen den bösen Geist austreiben ‒ am liebsten per Exorzismus. Selbst der Segen von Papst Pius IX. ist ihnen dabei sicher. Denn für Pius IX. ist Kommunismus eine Seuche und einer der großen Irrtümer der Epoche.

Marx selbst kämpft ebenfalls gegen das Gespenst. Allerdings will er der Welt die Angst vor der Spukgestalt nehmen und mit dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus aufräumen. Aus dieser Motivation heraus entsteht das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Was Marx darin schreibt, strotzt nur so vor gesellschaftlichem Sprengstoff. Er kritisiert, wie die Oberschicht die Fabrikarbeiter*innen, das Proletariat, ausbeutet. Sein zentrales Thema ist dabei der Klassenkampf, der zur gewaltsamen Revolution, dem Aufstand des Proletariats führt. Am Ende stehe die Umgestaltung der Gesellschaft oder ihr Untergang.

Marx‘ Warten auf die Revolution

Statue von Marx in Trier

Zumindest als Statue kam er nach Trier zurück (Foto: Leo_65, Pixabay.com).

Auf den Knall des selbst beschworenen Pulverfasses wartet Marx vergeblich. Lediglich der Pariser Juniaufstand im Jahr 1848 entzündet sich an der Sozialen Frage ‒ doch der erhoffte Flächenbrand bleibt aus. In Großbritannien, dem Vorreiter der Industrialisierung, gibt es kein Revolutionsbestreben. Es wäre ein Vorzeigebeispiel für seine Theorie gewesen. An benachteiligten Proletarier*innen hätte es nicht gemangelt. Stattdessen gewährt Großbritannien Marx Zuflucht vor den Exorzist*innen. Ausgerechnet der Staat, der wie kaum ein zweiter das symbolisiert, was der Kommunist verabscheut. Das ist wohl britischer Humor.

Im Exil rückt Marx vom Klassenkampf ab und wendet sich der Ökonomie zu. Die Wirtschaftsordnung produziere Krisen, Krisen führten zu Umstürzen, so sein neues Mantra. Er schreibt es in „Das Kapital“ nieder. Wieder beginnt das Warten auf die prognostizierte Revolution. Zumindest kann sich der Exil-Trierer damit trösten, dass er nicht alleine warten muss. Um ihn scharen sich ganze Horden von Marxist*innen. Mit unnachgiebigem Blick fixieren sie den Boden ihrer Kaffeetassen. Dort wollen seine Jünger*innen die Anzeichen für die bevorstehende Revolution erkennen, orakeln in Wirtschafts- und Börsenberichten um die Wette. Doch was sie auch im Kaffeesatz zu lesen glauben ‒ die Revolution nach Marx‘ Vorbild lässt sich nicht herbeireden.

Die Wahrheit im Kaffeesatz

Während der Begründer des Marxismus mit seinen Revolutionsprognosen irrt, soll er an anderer Stelle Recht behalten. Bei all der Kritik, mit der er sich am Wirtschaftssystem des Kapitalismus abarbeitet, so erkennt Marx dennoch dessen Potenzial. Der Kapitalismus bietet die Möglichkeit, Wohlstand zu erzeugen, wenn auch ungleich verteilt. Marx denkt über europäische Grenzen hinaus, spricht bereits im „Manifest der Kommunistischen Partei“ vom ‚Weltmarkt‘. Er sieht die Globalisierung voraus und warnt vor der Selbstbereicherung durch Manager*innen.

Porträt von Karl Marx

Voll im Trend mit Hipster-Bart, schon im Jahr 1875 (Foto: John Jabez Edwin Mayall).

Auch das Gespenst des Kommunismus hat seinen Schrecken nicht verloren. Der böse Geist soll dem Staatsapparat vielerorts ausgetrieben werden. Das zeigen diverse Kommunist*innenverfolgungen, beispielsweise in der NS-Zeit. Eine Hetzjagd, die Marx schon 1848 thematisiert. Die Plätze der Exorzist*innen haben mittlerweile andere eingenommen. So tun sich die USA auch nach Ende des Kalten Krieges damit schwer, kommunistische Staaten zu akzeptieren. Denn so viel ist klar: Kommunismus ist unamerikanisch.

Der Hipster Karl Marx

Am aktuellsten bleibt dabei aber seine Kapitalismuskritik, denn die Soziale Frage wird weiterhin diskutiert. Marx deckt die Schwächen des Systems auf: Lohn- und Leistungsdruck auf Seiten der Angestellten, Konzentration der Gewinne bei den Unternehmer*innen. Das führt zur wachsenden Ungleichheit zwischen beiden Gruppen, dazu kommen hohe Mietpreise und Wohnungsmangel in den Städten. Nein, das ist keine zeitgenössische Kritik aus Martin Schulz‘ Wunschwahlprogramm. Das ist Marx ‒ direkt aus dem 19. Jahrhundert. Der Begründer des Marxismus ist aktuell und liegt im Trend. Auch seine äußerliche Erscheinung würde heute wohl kaum aus der Reihe fallen: Die Haare zum ‚Man Bun‘ gebunden, ein anerkennendes Nicken beim Betreten gewisser Berliner Clubs und Cafés wäre ihm sicher. Das erkennt allerdings nur, wer sich von seinem an Kriegstreiberei grenzenden Klassenkampf-Gerede nicht abschrecken lässt.

Die aktuelle Lesart der Werke dürfte auch den heutigen Hype um seine Person erklären ‒ und die überschwänglichen Journalist*innen. Dennoch irrte sich Marx gerade bei seinen großen Revolutionsprognosen.  Besonders das „Manifest der Kommunistischen Partei“ sollte frei nach Mao Zedong im Kern ein Papiertiger bleiben. So findet sich beim Blick in Marx‘ Tasse nicht nur Wahres im Kaffeesatz ‒ obwohl Marx‘ Kaffee keineswegs abgestanden schmeckt.

Gezwirbelt, gesteckt oder lässig zusammengebunden: Der „Man Bun“ wurde bereits 2013 in europäischen Metropolen als männliche Trendfrisur etabliert. Selbst Stars wie Leonardo DiCaprio, Harry Styles oder Jared Leto tragen die ursprünglich weibliche Frisur auf dem roten Teppich. Doch steht der männliche Dutt im Zeichen einer ‚neuen Männlichkeit‘?

Egal ob glatte Mähne oder lockige Haarpracht - Mann trägt "Bun". Photo by Marlies Althöfer.

Egal ob glatte Mähne oder lockige Haarpracht – Mann trägt „Bun“. Photo by Marlies Althöfer.

Der englische Begriff „bun“ bedeutet ins Deutsche übersetzt Haarknoten oder Dutt und wird üblicherweise mit einer Frauenfrisur in Verbindung gebracht. Ein Dutt ist schnell gemacht: dazu müssen die Haare einfach am Hinter- bzw. Oberkopf zu einem Knoten zusammengebunden oder gezwirbelt werden. Jedoch gibt es nicht den einen Dutt, sondern unzählige Varianten und Frisiermöglichkeiten – vom klassischen Ballerinadutt bis hin zum lässig verspielten „Messy Bun“ gehört er zu einer der vielfältigsten Frisurentrends.

Mittlerweile ist auch der „Man Bun“, übersetzt als „Männerdutt“, „Männerknoten“ oder auch „Herrenknoten“, auf dem männlichen Kopf keine Seltenheit mehr. Erstmals entdeckte die New York Times den Männerdutt 2012 in New Yorks Künstlervierteln Williamsburg und Bushwick, bevor der Haartrend nach Europa kam. Der Haarknoten des Mannes hat dabei nichts mit dem akkurat drapierten Chignon (dem französischen Begriff für einen fein zusammengesteckten Dutt) zu tun, sondern sitzt locker auf dem Hinterkopf auf. Außerdem ist der Frauen- wie Männerdutt eine äußerst praktische Frisur, da er unkompliziert zu frisieren ist und alle Haare zusammenhält. Eine Frisur, die Ästhetik und Pragmatismus vereint. Doch nicht nur der moderne Mann des 21. Jahrhunderts trägt „bun“. Der männliche Haarknoten blickt auf eine lange Geschichte bis vor über 2.200 Jahren zurück.

Die Geschichte des „Man Buns“

In China wurde der Haarknoten bereits im dritten Jahrhundert vor Christus getragen. Dies beweisen die Terrakotta-Soldaten des ersten Kaiser Chinas Qin Shi Huang Di. Die Armee aus mehr als 7000 lebensgroßen Tonsoldaten ließ Qin Shi Huang Di zum Schutze seiner Grabstätte bauen. Auf vielen Bildern der Terrakotta-Armee ist zu sehen, dass die Soldaten den Haarknoten tendenziell seitlich am Oberkopf und streng zusammengebunden tragen.

"Bun" mit Geschichte: Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. trugen die Terrakotta-Soldaten der Grabstätte von Kaiser Qin Shi Huang Di den Männerdutt. Photo by Denis Pan on Unsplash.

„Bun“ mit Geschichte: Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. trugen die Terrakotta-Soldaten der Grabstätte von Kaiser Qin Shi Huang Di den Männerdutt. Photo by Denis Pan on Unsplash.

Auch Buddha (ca. 623-543 v. Chr. nach buddhistischer Zeitrechnung) machte Gebrauch von der praktischen Knotenfrisur. Das, was auf seinem Kopf wie eine Krone anmutet, ist in Wirklichkeit sein Haar, das er zu einem Dutt geformt hat.

Ein großer Zeitsprung ins 16. und 17. Jahrhundert zeigt: auch japanische Samurai und Rikishi, also professionelle Sumo-Kämpfer, trugen einen kleinen Haarknoten auf dem Ober- bzw. Hinterkopf. Die Frisur sollte den Samurai-Kriegern dabei helfen, den Helm zu fixieren, da er bei offenem Haar schnell ins Rutschen geriet. Japanische Sumoringer tragen den „Topknot“ auch heutzutage noch im Ringkampf. Der Knoten ist dabei relativ locker, teilweise etwas hängend am Hinterkopf angebracht.

Keine Krone, sondern "Man Bun". Schon Buddha trug ihn. Photo by Sabine Schulte on Unsplash.

Keine Krone, sondern „Man Bun“. Schon Buddha trug ihn. Photo by Sabine Schulte on Unsplash.

Im 21. Jahrhundert war der Fußballer David Beckham einer der ersten Männer, der den „Man Bun“ populär und gleichzeitig zu seinem Markenzeichen machte. Daraufhin folgten ihm viele andere Sportler wie Zlatan Ibrahimović oder Tennisspieler Xavier Malisse bis die Trendwelle dann auch nach Hollywood überschwappte und viele Schauspieler, wie beispielsweise Chris Hemsworth, Orlando Bloom oder Kit Harrington den Frauenstil übernahmen.

Der „Man-Bun“-Trend im Internet  

Vom „how to get“ bis zum „how to tie“ ist alles dabei. Das Internet bietet eine unerschöpfliche Quelle rund um den Themenkomplex Männerknoten. Wie sehr der Haartrend im Netz angekommen ist, zeigt neben den unzähligen „How-to“-Tutorials auf Youtube auch die äußerst gesteigerte Anzahl an Suchanfragen, die in dem von Google veröffentlichten „Beauty Trends 2015“-Report (einer Datensammlung und Auswertung der Suchanfragen zum Thema Beauty mit dem Schwerpunkt Haartrends) zum Tragen kommt. Im Jahr 2015 wurde bei Google erstmals häufiger nach Männerhaar als nach Frauenfrisuren gesucht – ganze sechs Prozent mehr Suchanfragen, was bis dato einmalig in der Geschichte war.

Der fulminante Aufstieg des "Man Bun" im Vergleich zum "Cromb Over". Ausschnitt aus dem "Beauty Trends 2015"-Report von Google.

Der fulminante Aufstieg des „Man Bun“ im Vergleich zum „Comb Over“. Ausschnitt aus dem „Beauty Trends 2015“-Report von Google.

 

Aus Googles Report resultiert, dass der „Man Bun“ als „top rising look“ im Jahr 2015 einen enormen Hype im Netz auslöste. Während andere Männerfrisuren, wie etwa der „Comb Over“, über die Jahre hinweg immer mal wieder gesucht wurden, gingen die Suchanfragen beim Männerknoten 2015 fulminant nach oben. Generell, so die Zusammenfassung des Reports, setzen Männer sich mittlerweile vielmehr mit den Macharten von Frisuren auseinander, indem sie sich online Erklärvideos anschauen und gezielt mit bestimmten Produkten auseinandersetzen, die dem gewünschten Hairstyle zu seiner Perfektion verhelfen sollen. Nicht zu unterschätzen ist dabei der große Einfluss von prominenten Personen, die Frisurentrends dominieren.

Ob der „Man Bun“ als Zeichen einer neuen Männlichkeit zu deuten ist? Diese Entscheidung bleibt jedem selbst überlassen. Gewissermaßen ist die Trendfrisur im Zuge der Unisexisierung gängiger Modeprinzipien zu verstehen. Im Gegensatz zu einigen sehr ordentlich zurechtgemachten Dutt-Varianten der Frauen ist der Look des „Man Buns“ gewollt wild, gewollt ungewollt, gewollt zwanglos. „Undone Look“ eben. Er steht trotz des weiblichen Einschlags für eine lässige Männlichkeit, die Uneitelkeit suggerieren soll. Ganz grundsätzlich stellt der „Man Bun“ sich gegen den geschniegelt und gestriegelten „Dandy-Look“. Führt man sich das Bild des japanischen Samurai-Kriegers oder des Sumoringers vor Augen, so unterstreicht der Haarknoten die archaische Stärke des Mannes. Der „Man Bun“ ist also weder feminin noch eitel, sondern haariges Statement für die neue Lässigkeit des Mannes.

 

Weitere Links zum Thema:

https://www.desired.de/frisuren/haarstyling/man-bun/

https://www.theodysseyonline.com/the-man-bun-history

http://www.fashionbeanhttp://twistedsifter.com/2015/11/if-politicians-had-man-buns/s.com/article/man-bun-guide/

https://www.welt.de/icon/article148393535/Die-kuriose-Welt-der-Man-Bun-Erklaervideos.html

Zur Belustigung – Politiker mit „Man Bun“

If Politicians Had Man Buns (27 Photos)