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Der letzte Teil dieser Serie handelt vom Schloss Bronnen im schwäbischen Beuron. Die Burg hat seit jeher den Ruf, Wohnsitz vielerlei Geister zu sein. Heute wirkt der Ort geradezu idyllisch. Kaum zu glauben, dass es hier vor fast 100 Jahren zu Übergriffen von Geistern gekommen sein soll …

Auf meinem Weg zum Spukort muss ich zunächst den steil abfallenden Felsen erklimmen, auf dem das Schloss steht. Es befindet sich mittlerweile in Privatbesitz und ist für Besucher*innen bislang nicht zugänglich, daher bleibe ich kurz vor dem Gemäuer stehen. Gespannt drehe ich mich immer wieder um, um die schöne Aussicht auf das Tal zu genießen. Um mich herum ist nur Wald. Durch den abgelegenen Standort höre ich keinen Verkehrslärm, nur Vogelgezwitscher.

Das Schloss Bronnen, im Volksmund „Gespensterschlössle“ genannt, liegt im Landkreis Tuttlingen und ist im Jahr 1920 im Besitz eines Freiburger Arztes und dessen Frau. Beide vernehmen seit einigen Tagen seltsame Geräusche im Schloss, die sie sehr beunruhigen. Daraufhin lädt der Doktor den städtischen Pfarrer für ein paar Tage auf das Schloss ein, um dem Spuk ein Ende zu setzen. Am 8. September entdecken die beiden einen weißen Fleck am Boden, der sich auf einmal langsam vergrößert und zu einer Gestalt heranwächst. Sie beobachten, wie das gruselige Wesen über den Schlossfelsen schwebt und wieder zum Schloss zurückkehrt.

Als die Gestalt den beiden Männern näherkommt, erkennen sie ein weißglänzendes Phantom, dessen Gesicht von weißen Schleiern umhüllt ist. Auf des Pfarrers Frage, was es im Schloss zu suchen habe, erhält er keine Antwort. Stattdessen verschwindet der Geist im Dienstgebäude. Kurz darauf beginnen wieder die eigenartigen Poltergeräusche, die den Doktor und seine Frau so belästigt haben. Der Pfarrer beginnt in die Richtung des Gebäudes das Kreuzzeichen zu machen und siehe da: Der Krach lässt nach. Einzig ein leichtes Hämmern bleibt.

In der darauffolgenden Nacht schreckt der Pfarrer aus dem Schlaf. Aus der oberen Etage hört er rasche Schritte. Zuerst vermutet er, es seien Ratten, aber dann klingt es eher nach einem Kampf zwischen zwei Männern. Und es kommt noch besser: Kurz danach vernimmt der Geistliche Schritte die Treppe hinunter und es pocht an seiner Tür. Er hält die Luft an. Auch sein Hund ist mucksmäuschenstill. Erst als sich die Schritte wieder von der Tür entfernen, springt er auf und fängt an zu bellen.

Die Lage spitzt sich zu

Auch in der nächsten Nacht ist der Spuk im Schloss nicht zu Ende. Die wundersame Gestalt wandelt erneut unter den Fenstern des Schlosses auf und ab. Dann geschieht etwas äußerst Sonderbares. Das Phantom scheint sich zu zerteilen, sodass eine weitere nebelgraue Spukgestalt entsteht. Diese verbeugt sich mehrmals vor dem ersten weißen Wesen und beide verschwinden im Dienstgebäude. Wieder ertönen nicht identifizierbare Geräusche aus diesem Teil des Schlosses.

Auf einmal kommen vier Gestalten aus der Tür. Der Pfarrer ruft ihnen entgegen: „Gebt Zeichen, ob ihr Dämonen oder arme Seelen seid, wenn möglich ein Lichtzeichen.“ Da erscheint ein kleiner Lichtkegel auf dem Boden, der sich in Rauch verwandelt und zu einer fünften Gestalt wird. Sie schwebt zur Kapelle und ruft mit den anderen Phantomen ein starkes Blitzen hervor. Wieder versucht der Pfarrer Kontakt aufzunehmen: „Wenn ihr heilige Messen nötig habt, so tut dies kund durch Blitzen!“ Noch vier Mal blitzt es, bevor die Gestalten verschwinden. Pro Blitz solle eine Messe in Beuron stattfinden. Nach den Zeremonien hoffen der Doktor und der Pfarrer auf Ruhe.

Aber zu schön um wahr zu sein. Das Hinaufgehen an der Treppe und das Pochen an des Pfarrers Tür hört nicht auf. In der dritten Nacht erreicht das Gepolter und Beben seinen Höhepunkt, sodass alle Gegenstände im Zimmer wackeln und die Wände zu zittern beginnen. Zudem schweben zwei der Gestalten auf der Schlossbrücke und nähern sich der Burg. Wie Burgwächter schweben sie am Eingang. Der Doktor überlegt, zu schießen, doch er kann sich nicht überwinden. 

Ereignisse bleiben rätselhaft

Schloss Bronnen

Brücke zum Schloss (Foto: Kathrin Breuning)

Ein Happy End für den damaligen Besitzer des Schlosses und seine Frau ist leider nicht eingetreten. Sie sollen noch bis zu ihrem Tode vom Spuk im Schloss heimgesucht worden sein. 

Aus mündlichen Überlieferungen ist bekannt, dass der Pfarrer die Begegnung mit den Phantomen als eigenartiges Gefühl beschreibt. Eine Mischung aus Ehrfurcht und Angst. Er habe es außerdem zu Lebzeiten bedauert, kein Foto von den Gestalten geschossen zu haben. Außer den fünf Phantomen sollen auch Dämonen ihr Unwesen im Schloss Bronnen treiben. Zahlreiche Foren, die sich mit dem Übernatürlichen beschäftigen, berichten von einem „eigenartigen Gefühl“ und „seltsamen Begegnungen“ beim Besuch des Schlosses.

Auch ich habe mich auf meiner Reise nicht ganz wohl gefühlt. Das Schloss umgibt eine geheimnisvolle Aura – nicht zuletzt aus dem Grund, dass einem sein Innenleben gänzlich vorenthalten wird. Das große Holztor des Schlosses versperrt den Weg. Ich erkenne lediglich die Türme Bronnens. Was sich aber tatsächlich hinter der Fassade befindet, kann ich nur erahnen.

Der Bauernhof in Großerlach, das Nonnenkirchlein in Waiblingen und das Schloss Bronnen in Beuron. Diese Reihe hat drei verschiedene schwäbische Spukgeschichten vorgestellt und hoffentlich den ein oder anderen Leser dazu animiert, einen Ausflug an die verschiedenen Spukorte zu unternehmen. 

 

 

Gespenstersagen und Gruselgeschichten lauern überall, auch das „Ländle“ hält einiges für Geisterfans bereit. Im ersten Teil dieser Serie waren wir in Großerlach. Von dort aus sind es gerade mal 35 km bis Waiblingen. Auch hier gibt es gleich mehrere schaurige Geschichten.

Die Sage der Totenmesse im Nonnenkirchlein

Waiblingen, 17. Jahrhundert – seit langem ist es Brauch, im Nonnenkirchlein am letzten Tag des Jahres den verstorbenen Bürgern Waiblingens zu gedenken. So will auch eine namentlich unbekannte Witwe auf diese Weise ihren toten Mann ehren. Sie nimmt sich vor, am nächsten Morgen den Gottesdienst zu besuchen. Um ausgeschlafen zu sein, geht sie früh zu Bett. Doch mitten in der Nacht wird sie aus ihrem Schlaf gerissen. Aus dem Nonnenkirchlein dringen Stimmen und Orgelmusik. Als die Witwe aus dem Fenster sieht, entdeckt sie am Fenster der Kirche den flackernden Schein einer Kerze. Aufgewühlt wirft sie sich rasch ihre Sonntagskleider über. Sie rechnet damit, dass die Totenmesse bereits begonnen hat. Die Witwe eilt zur Kirche: Sie liegt richtig.

Allerdings erkennt die Frau weder den Pfarrer wieder noch eine*n der Anwesenden. Zwar wundert sie sich, lauscht aber trotzdem gespannt der Messe. Als am Ende des Gottesdienstes die Opfergaben eingesammelt werden, erschrickt die Witwe. Sie hat ihren Geldbeutel vergessen. So streift sie sich einen Ring als Pfand vom Finger, um diesen später gegen Geld wieder einzutauschen. Sie geht nach Hause und will nach der langen Nacht noch ein paar Stunden schlafen. Gegen Mittag des nächsten Tages wird die Witwe auf der Straße angesprochen, wo sie denn beim morgendlichen Gottesdienst für die verstorbenen Seelen gewesen sei.

Wo ist der Ring?

Verwundert über die Reaktionen der Mitbürger*innen sucht sie den örtlichen Pfarrer auf. Und siehe da: Ihr Ring befindet sich nicht im Beutel mit den Opfergaben. Gemeinsam begeben sie sich im Nonnenkirchlein auf die Suche nach dem Ring. Dieser ist jedoch nicht aufzufinden. Umso mehr erschrecken die Bewohner*innen Waiblingens, als sie den Ring finden: eingemeißelt in einen alten Grabstein. Mit viel Mühe und Not brechen alle gemeinsam das Schmuckstück aus dem Stein heraus. Erleichtert geht die Witwe nach Hause. Ein ähnliches Ereignis ist seither nicht überliefert.

Von Teufeln, Trollen und Totenköpfen

Die Geschichte der Totenmesse im Waiblinger Nonnenkirchlein kann man heute noch in einem Buch über Waiblinger Stadtgeschichten nachlesen. Der Vorsitzender des Heimatvereins, Wolfgang Wiedenhöfer, hat in „Teufel, Trolle und Totenköpfe“ 24 geheimnisvolle Geschichten zusammengefasst, die sich in Waiblingen zugetragen haben sollen. Als Quelle diente ihm dabei die Chronik des Vogts Wolfgang Zacher aus dem Jahr 1666. In seiner Niederschrift stehen zahlreiche Geschichten und Sagen, die ihm damals von Bürger*innen zugetragen wurden. Vieles wurde dem Vorsitzenden des Heimatvereins aber auch von noch lebenden Bewohner*innen Waiblingens erzählt, so Wiedenhöfer in der Stuttgarter Zeitung.

Neben der Sage der Totenmesse besteht das Gerücht, es gebe einen bisher unentdeckten Verbindungsgang vom Kirchenhügel zum heutigen Rathaus. Außerdem sollen eine alte Quellhexe und ein Totenkopf ihr Unwesen in der Stadt getrieben haben. Letzterer spuke im Turm der Stadtmauer und gehöre einem alten Leichnam an, den Tübinger Medizinstudenten im 15. Jahrhundert aufgrund anatomischer Studien entführt haben sollen. Der Schädel des Waiblingers erscheine seitdem in manchen Nächten im Karzer und sei am nächsten Morgen sofort wieder verschwunden.

Wieviel Wahrheit steckt in den Geschichten?

Keine der Gruselsagen lässt sich bisher historisch belegen. „Ein Funken Wahrheit steckt in vielen der Geschichten“, so Wolfgang Wiedenhöfer. Der Totenschädel gehöre sogar irgendwie zur Stadtgeschichte. Ebenso wie die abgeschlagene Ecke an der alten Steinplatte bei der Michaelskirche nahe dem Nonnenkirchlein, in der der Ring der alten Witwe gesteckt haben soll. Wiedenhöfer selbst bietet auch Stadtführungen an, die an das Interesse der Teilnehmenden angepasst werden können. Wer sich jedoch besonders für das Nonnenkirchlein oder die Michaelskirche begeistert, muss sich noch bis zum kommenden November gedulden. Die beiden Gebäude werden momentan saniert und sind nicht für Besucher*innen zugänglich, so die Waiblinger Kreiszeitung. Und trotzdem – Waiblingen lädt mit seinen zahlreichen Anekdoten auf jeden Fall zu einem Besuch ein. Egal ob das Nonnenkirchlein, der städtische Karzer oder auch der Kirchenhügel. Gruselfans haben hier die Gelegenheit, an den vielen Punkten Waiblingens den geheimnisvollen Geschichten auf den Grund zu gehen.