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Vor ein paar Wochen habe ich mal wieder „Beetlejuice“ angesehen. Einen Film, den ich liebe, seit ich ihn mit ungefähr zehn Jahren zum ersten Mal gesehen habe. Keine Frage, Tim Burton hat 1988 mit diesem Film definitiv seinen viertbesten Film abgeliefert, hinter „Ed Wood“ und „Big Fish“ und möglicherweise „Batman Returns“. Keine Sorge, es ist in Ordnung, wenn du das anders siehst. Du liegst falsch, aber es ist okay, wenn du mir nicht zustimmst.

Als Warnung, weil das dieser Tage natürlich immer wichtig ist: Dieser Text enthält Spoiler für „Beetlejuice“, einen dreißig Jahre alten Film. Welche Überraschung. Wenn ihr also den Film noch nicht kennt und mit Spoilern für einen dreißig Jahre alten Film ein Problem habt, dann schaut ihn euch schnellstmöglich an.

Filmplakat

 

Wenn ihr mit Spoilern  kein Problem habt, aber trotzdem den Film noch nicht gesehen habt, schaut ihn euch jetzt trotzdem an. Macht euch keine Sorgen, ich kann warten. Speichert diesen Tab, geht auf Amazon und leiht ihn euch zum Streamen aus oder bestellt euch die DVD. Vielleicht gibt es den Film auch irgendwo kostenlos. Schaut ihn euch nur an. Tut euch den Gefallen. Ich warte solange.

Willkommen zurück. Was mich persönlich so an „Beetlejuice“ begeistert, ist, wie unglaublich optimistisch und sogar lebensbejahend er letztendlich ist. Klar, der Film beginnt mit dem überraschenden Unfalltod von Adam und Barbara Maitland. Letztendlich ist die Botschaft des Filmes im Grunde aber, dass der Tod dir nicht die Freude am Leben nehmen muss.

Noch kurz zum Plot

Kurz zur Handlung: „Beetlejuice“ beginnt mit dem tragischen Tod der Maitlands, dargestellt von Alec Baldwin und Geena Davis. In ihr nun leerstehendes Haus zieht alsbald die reiche Familie Deetz ein, bestehend aus Bauunternehmer Charles und seiner Frau, der Bildhauerin Delia (Jeffrey Jones und Catherine O’Hara), sowie Charles‘ Goth-Tochter aus erster Ehe, Lydia, gespielt von einer jungen Winona Ryder. Falls ihr euch je gefragt habt, was die Gute vor „Stranger Things“ gemacht hat. Die Maitlands, die von ihrer Sachbearbeiterin im Leben danach erfahren, dass sie für 125 Jahre in ihrem Haus bleiben müssen, beschließen, dass die neuen Bewohner*innen aus dem Haus verschwinden müssen. Doch ihre Spukversuche und Poltereien bleiben vergebens. In ihrer Ratlosigkeit beschließen die beiden, Hilfe bei dem selbstständigen Poltergeist Betelgeuse, dargestellt von Michael Keaton, zu suchen. Diese Entscheidung soll sich jedoch schon bald als Fehler herausstellen, denn Betelgeuse verfolgt voll und ganz seine eigenen Pläne.

 

Beetlejuice, Beetlejuice, Beetlejuice! Via Giphy

Das ist gut, aber wir machen es ganz anders!

Soviel zunächst zum Inhalt. Tim Burton hat das Drehbuch des Films deutlich verändert. Die ursprüngliche Fassung war wesentlich düsterer und mehr Horrorfilm als explizite Horrorkomödie. In Tim Burtons Film weichen die Maitlands mit ihrem Auto einem Hund aus und fahren in einen Fluss, ihr Tod ist entschärft. In der Originalfassung des Drehbuchs von Autor Michael McDowell ist der tödliche Autounfall der Maitlands explizit und brutal. Später exhumieren sie den Dämon Betelgeuse, eine wesentlich grausamere Gestalt. Betelgeuse versucht in der Urversion auch nicht, die Familie Deetz zu vertreiben, sondern zu ermorden. Lydia ist im Drehbuch zwei Töchter, eine ältere und eine neunjährige jüngere Schwester. Betelgeuse versucht die erstere nicht nur zu heiraten, sondern explizit zu vergewaltigen, letztere wird nur verstümmelt. Charmant. Ihr wisst schon. Für Kinder.

Tim Burton hat wohl dieses Drehbuch gesehen und gemeint, dass man daraus bestimmt einen guten Film machen kann. ABER man muss ein paar Kleinigkeiten ändern. Aus der expliziten Gewalt des Todes der Maitlands wird ein sanfterer Tod, aus den beiden Töchtern der Familie Deetz wird Lydia. Und aus dem bösen Dämon Betelgeuse wird Michael Keatons überzogener Mix aus einem Gebrauchtwagenhändler und einem perversen Poltergeist.

Zum Besseren geändert

Die Änderungen waren wohl eine gute Entscheidung. Winona Ryders finale Version von Lydia wirkt gleichermaßen kindlich verletzlich als auch erwachsen und durch ihre Goth-Attitüde ist sehr sympathisch. Sie fühlt sich von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter missverstanden und als würde sie nicht ganz reinpassen. Somit macht es Sinn, dass sie sich Ersatzeltern in den Geistern der Maitlands sucht.

Doch die wohl beste Änderung des Filmes ist der titelgebende Geist selbst. Kein mörderischer Dämon aus den Niederhöllen, sondern der Betelgeuse, der Michael Keaton zu einem Superstar machte. Keatons Version des Charakters ist opportunistisch und fies. Er ist pervers, belästigt Barbara und hat eine abnormale Attraktion zu Lydia. Diese will er heiraten, um seinen Fluch zu brechen und in der Welt der Lebenden frei Unheil stiften zu können.

Betelgeuse ist im finalen Film nicht wirklich böse, eher selbstsüchtig, vollständig durchgeknallt und distanzlos. Was er vorher war, ist nicht ganz klar. Er behauptet, studiert und durch die Pest gelebt zu haben. Ob es stimmt oder nicht, das bedeutet nichts. Wichtig ist sein Dasein jetzt, als wahnsinniger Poltergeist.

Erinnerungen eines Poltergeists an das Leben vor dem Tod. Via Giphy

Perfekter Poltergeist

Sein Leben vor dem Tod ist nicht von Bedeutung. Es ist impliziert, dass er Selbstmord begangen hat. In jedem Fall war er zwischenzeitlich Angestellter der Jenseitsbürokratie, wurde aber gefeuert. Nun verdingt er sich als „Bio-Exorzist”, herbeigerufen durch das dreimalige Aussprechen seines Namens. Michael Keaton spielt den Charakter in all seinem Wahnsinn, seinem Sarkasmus und seinen Gemeinheiten. Das alles unter zentimeterdickem Make-Up, ein Kunststück das nicht vielen Schauspieler*innen gelingt.

Doch Keaton geht in dieser Situation völlig auf. Er ist natürlich begabt für körperliche Comedy, seine Mimik ist selbst unter der Schminke wahnsinnig vielseitig. Warum um alles in der Welt wurde er seinerzeit nicht als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert? Dinge, die wir nie verstehen werden. Keaton begnügt sich damit, jede Szene, in der er vorkommt, zu stehlen und den Film zu seiner persönlichen Show zu machen. Überhaupt, Michael Keaton ist einer der besten Schauspieler aller Zeiten. Das ist eine simple Wissenschaft.

Und eben so einen Schauspieler braucht es in dieser Rolle. Antagonist Betelgeuse bildet immerhin das Zentrum des Filmes. Der Aspekt des Poltergeisterns ist in diesem Film zentral. Der Geist ist laut, offensiv anstrengend, furchteinflössend und dabei extrem lästig für alle anwesenden. Und er hat dabei einen Heidenspaß. Diese Freude daran, allen auf die Nerven zu gehen. Daran, dass die Maitlands schnell bereuen, ihn um Hilfe gebeten zu haben, diese Freude am Schabernack ist es, was den Film so erinnerungswürdig macht.

Die Ewigkeit in der Warteschleife

Keatons Betelgeuse ist weniger ein durchtriebenes Böses, das besiegt werden muss. Vielmehr ist er eine Lästigkeit, die die beiden Familien, tot oder lebendig, zwingt, sich zusammenzuraufen. Die Moral der Geschichte ist eine, die das Leben bejaht und den Tod nicht als etwas Grundschlechtes, sondern vielmehr als einen neuen, abenteuerlichen Abschnitt des Lebens darstellt. Somit ist es eigentlich nur logisch, dass am Ende Lydia mit ihren Eltern und ihren toten Zieheltern feiert, dass sie eine Eins in Mathe hat, und der Antagonist bekommt was er verdient. Die Ewigkeit im Wartebereich in der Bürokratie im Jenseits. Schlimmer kann die Hölle auch nicht sein.

Bildquellen: © Warner Bros. & Warner Home Video all rights reserved 

Gute Serien sind voller Geister. Die offensichtlicheren findet ihr bei eurem Streamingdienst mit dem Suchwort „Ghost“. Mehr Spaß hat aber, wer tiefer gräbt: Wir haben die ultimativen Tipps für großartiges Fernsehen mit Gespensterbeteiligung. Ganz ohne Bettlaken und Buh-Huh und stattdessen mit feinster Erzählkunst.

Drei Serien sollen hier vorgestellt werden: einmal absurde Philosophie, einmal Kult und schließlich ein ästhetisches Meisterwerk. Jede der Produktionen verdient ihren eigenen Binge-Marathon, aber unsere Tipps eignen sich auch für einen einzigen Fernsehabend. Wir haben die richtigen Episoden schon ausgesucht und machen darin eine kleine Gespensterführung: Wer sind die Geister von Netflix und Co? Und was wollen sie uns sagen?

„Believe it or not: Time’s arrow marches forward.“ (Bojack Horseman, S4 E2)

Bojack Horseman funktioniert nur ganz oder gar nicht und eine Folge genügt, um zu wissen, ob das existenzialistische Pferd mit Alkoholproblemen einem taugt. Ganz zu schweigen davon, ob man sich die linksliberale Attitüde der Zeichentrickserie geben will. Wer bis zur vierten Staffel gekommen ist, muss also Fan sein. In der zweiten Folge fahren wir mit Bojack nach Michigan, dort quartiert er sich im alten Sommerhaus seiner Familie ein. Offensichtlich spukt es dort: In Rückblenden tauchen die Großeltern und Bojacks Mutter auf und wir erfahren endlich, was Beatrice zu der schrecklichen Person gemacht hat, die sie ist. Ihr Bruder starb als Soldat im Zweiten Weltkrieg und für Trauer war kein Platz im Haus: „Time’s arrow marches forward“ kommentiert der Großvater lakonisch.

Was macht also Bojack dort? Er ist aus LA nach Michigan geflüchtet, nachdem eine Freundin an einer Überdosis gestorben war. Schuldgefühle bearbeitet er sonst mit Whiskey und Arschigkeit. Diesmal renoviert er das alte Haus, während die Zuschauer*innen parallel den Geistern der Vergangenheit dabei zusehen, wie sie an einem Familientrauma bauen. Es ist ein klassischer Bojack: Ein depressiv veranlagtes Pferd macht eine schwere Zeit durch und schrammt knapp an Hollywood-Plattitüden vorbei. An manchen Stellen möchte man weinen, aber dann ist es doch zu witzig, wie diese Tiere einfach Tiere sind. So sind die Geister in Bojack Horseman tragisch und komisch zugleich: Sie verkörpern ein allzu realistisches Familiendrama und unterhalten uns perfekt.

„There’s only ghosts here in the winter.“ Bojack Horseman, S 4 E 2

„I just have this really strong feeling that…” (Friends, S4 E2)

„…this cat is my mother”. Phoebe Buffay ist die fantastischste der sechs Freund*innen aus Friends. Die wirklich absurden Dinge haben meist mit ihr zu tun, besonders wenn es um Übernatürliches geht. So auch in dieser Folge: Phoebe hat soeben ein Konzert im Stammcafé beendet, da läuft eine Katze zu ihrem Gitarrenkoffer. Als Phoebe das Tier im Arm hält, wird ihr klar, dass der Geist ihrer verstorbenen Mutter in dem Tier sein müsse. Sie meint es ganz ernst und findet direkt untrügliche Hinweise: „How about the fact that she went into my guitar case? Which is lined with orange felt? My mother’s favorite fish was Orange Roughy. Cats like fish. Hi Mommy!“ Den Rest der Folge wird sie die Katze mit sich herumtragen. Keine*r der Freund*innen traut sich, ihr zu sagen, dass das Tier eigentlich Julio heißt und vermisst wird.

Für Phoebe hat die Katze eine klassische Geister-Funktion: Die Verstorbene ist zurückgekommen, weil ihre Tochter sich seit Neuestem mit einer „neuen Mum“ beschäftigt. Gespenstertypus: Heimsuchung. Phoebe hat erst kurz zuvor ihre eigentliche biologische Mutter kennengelernt (ihre tragische Kindheit als Kriminelle ist einer der Running Gags der Show). Ross, der Rationale, „Dr. Skeptismo“, will sie schließlich zur Vernunft bringen und konfrontiert sie mit ihren Schuldgefühlen, verkörpert durch die Katzen-Projektion. Da wird deutlich, wie klar sich Phoebe tatsächlich über ihre Gefühle ist: Sie erklärt Ross, dass er gar nicht wissen könne, wie es sich anfühlt, wenn ein verlorenes Elternteil zurückkäme. Denn seine Eltern leben noch. Am Ende kann sich nicht nur Phoebe mit ihrer „Mutter“ aussprechen und ihre Gefühle ausdrücken. Auch Ross entschuldigt sich bei der Katze: „Mrs. Buffay, it was insensitive of me to say you are just a cat, when you are clearly the reincarnated spirit of my friend’s mother.”

„…this cat is my mother.“ Friends, S 4 E 2

„The moon belongs to everyone.” (Mad Men, S 7 E 7)

Geister sind in Mad Men eigentlich nichts Ungewöhnliches: Don Draper, der Protagonist, sieht sie recht häufig. Gewöhnen kann man sich daran jedoch nicht, denn die meiste Zeit ist die Serie geradezu unheimlich realistisch, da ist kein Platz für Übersinnliches. Die Szene in der Mitte der letzten Staffel lässt sich auch nicht mit Alkohol oder Drogen erklären, sonst ein naheliegender Verdacht. Erst wenige Tage zuvor ist Bert Cooper verstorben, der kauzige Gründer von Don Drapers Werbeagentur. Ausgerechnet während er die Mondlandung im Fernsehen sah (es ist das Jahr 1969), hatte er einen Herzinfarkt. Und nun, an einem nüchternen Vormittag, steht er vor Don, lächelnd. Dann fängt er auch noch an zu singen, begleitet von tanzenden Sekretärinnen: „The moon belongs to everyone. The best things in life are free.“ Es treibt Don die Tränen in die Augen, und hinterlässt beim Publikum eine unheimliche Vorahnung.

Ist das jetzt ein unterhaltsamer Hinweis auf den ikonischen Abwärtsdrang, seit sieben Staffeln vom Vorspann vorhergesagt? Ein Wink aus dem Jenseits für Don, der ohnehin noch nie so sehr am Abgrund stand wie in diesen letzten Folgen vor dem Finale? Am meisten irritiert die Fröhlichkeit des Auftritts. Die vorherigen Geistersichtungen waren angemessen düster (tragisch verstorbene Familienmitglieder, Kollegen, Liebhaberinnen). Jedes Mal rufen sie dem Publikum wieder in Erinnerung, dass die Hauptfigur eigentlich selber ein Geist ist: Donald Draper ist tot. Der schicke Werbemensch, von dem die Serie handelt, heißt eigentlich Dick Whitman, und hat im Koreakrieg die Identität eines gefallenen Kameraden angenommen. Jeder Geist weist uns wieder darauf hin: Bei Mad Men geht es genauso sehr um Werbung wie um den Tod. Von den vorgestellten Serien sind Don Drapers Geister daher die metaphysischsten. Und angenehm absurde Erscheinungen in der sonst hyperrealistischen Ästhetik der Serie.

„The best things in life are free.“ Mad Men, S 7 E 7

Ein Portrait der Chicagoer Künstlerin Ash Windbigler und der Gespenster, die durch ihr Werk spuken.

Künstlerin Ash Windbigler

„Für mich sind Gespenster nicht nur der Geist eines verstorbenen Menschen. Ich denke immer an die Person, die ich in der Vergangenheit war, als ich klein war. Diese Person ist jetzt auch eine Art Gespenst.“

Ash Windbigler zögert nicht, wenn sie von den Gespenstern ihrer Vergangenheit spricht. Was ihr aktuelles Leben angeht, ist sie sich weniger sicher.

Wenn man die aus Indiana stammende 28-Jährige fragt, welche Art von Künstlerin sie ist, spricht sie zunächst von einem Abschluss in Grafikkunst, ihre Liebe für 3D-Collagen und dem einen Mal, als sie mit einem Kugelschreiber auf ein Gemälde zeichnete. Die Bezeichnung, für die sie sich letztlich entscheidet, ist aber „selbst gelernte Malerin“. Was ihr auf jeden Fall klar ist, ist dass sie von Gespenstern „besessen“ ist.

„Ein großer Teil meiner Werke beziehen sich auf Geister, den Tod oder das Jenseits“, sagt die Künstlerin. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr besuchte Windbigler eine konservative, protestantische Kirchenschule. „Ich bin sehr religiös aufgewachsen und die Idee, dass es wirklich ein Jenseits gibt, wurde in meinen Kopf gepflanzt. Jetzt glaube ich nicht mehr, was bedeutet, dass es dann wohl auch kein Jenseits gibt. Solche Fragen haben einen großen Einfluss auf meine Werke.“

Zeichentrickfiguren und Künstlerkollektive

Bild: Ash WIndbigler

Wenn man durch Windbiglers Arbeiten blättert, stößt man auf Kaugummi-Rosa und Babyblau, Zeichentrickfiguren und Gespenster. In einem ihrer Drucke (rechts) hat sie einen Frontalzusammenstoß zweier Autos vor einem hellrosa Hintergrund dargestellt. Ein Regenbogen, ein Rehkitz und ein lächelndes Gespenst springen aus den Wracks. Diese Mischung von makabren und kindlichen Elementen ist typisch für ihren Stil.

Windbigler ist schon länger als sie denken kann künstlerisch tätig. Ihren ersten Kunstunterricht hatte sie aber erst in der Sekundarschule. Zu dieser Zeit sind einige, geliebte Menschen in ihrem Leben gestorben. Darunter auch eine junge Cousine, die bei einem Autounfall ums Leben kam.

„Meine Bilder in der Sekundarschule hatten keinerlei Zwischentöne. Sie waren immer dunkel, ohne ein helles Element. Mit Humor konnte ich nichts anfangen. Es war dieser klassische Emo-Stil: Skizzen von Gerard Way von ‚My Chemical Romance‘“, lacht Windbigler und bezieht sich auf den Sänger einer Teeny-Pop-Punk-Band der Zweitausenderjahre.

Das alles änderte sich, als sie an eine Kunsthochschule in Indianapolis ging. Dort fand sie eine Gruppe Freunde, mit denen sie später das Kunstkollektiv „The Droops“ formte. Die Gruppe war lokal bekannt für ihre witzigen Wandgemälde. Eines davon erlangte sogar nationale Bekanntheit: Eine Einheimische beantragte das Gemälde zu verdecken, weil es männliche Genitalien in einem Hot Dog-Brötchen zeigte. Sie war nicht erfolgreich.

„Auch unser Name, The Droops, hatte die gleiche Art Humor, die ich heute mag. Witzig, aber auch ein bisschen traurig.“ Man denkt an „Drops den Hund“, die amerikanische Zeichentrickfigur, die auf Englisch „Droopy“ heißt. „Meine Zeit in der Gruppe hat mir wirklich geholfen meine Ideen auf eine Weise zu präsentieren, die auf den ersten Blick nicht so dunkel ist.“

Die Geister, die sie malte

Gespenster und Geister spuken durch ihre Werke, wie durch eine Geisterbahn. Ob Caspar, das freundliche Zeichentrick-Gespenst aus den USA, oder ein klassischer Bettlaken-Geist, nie sehen ihre Figuren wirklich furchteinflößend aus.

Beispiel eines typischen Windbigler-Gespensts:

Wo sie Gespenster malt, folgen oft Regenbogen. Sie erklärt, dass sie ‒ abgesehen davon, dass sie einfach Spaß zu malen machen ‒ den Moment bedeuten, in dem ein Geist von einem Ort verdrängt wird. Über ihr Gemälde „Lady Lazarus“, sagt sie:

„Es hat eine doppelte Bedeutung. Ich sehe es an und denke, es hat definitiv mit dem Tod zu tun.‘ Aber es ist auch eine Geschichte über Identität. Ihre Seele wird von irgendetwas ausgesaugt. Der dunkle Schrank könnte eine Besessenheit verkörpern, vielleicht böse Erinnerungen oder Selbstmordgedanken.“

„Lady Lazarus“; Bild: Ash Windbigler

Der Name des Gemäldes wurde von ihrem Lieblingsgedicht der amerikanischen Poetin Sylvia Plath inspiriert; ein Gedicht, das sie wiederum an ihre liebste biblische Geschichte erinnert, die Geschichte von Lazarus:

„Ich liebe diese Geschichte, weil es da diesen Moment der Enttäuschung gibt, in dem alle auf Jesus böse sind, weil er nicht rechtzeitig gekommen ist um Lazarus zu retten. Und dann erweckt er ihn von den Toten. Mein Gemälde gründet tief in dieser Geschichte: diese Person, die als Gespenst neu geboren wird.“

Mom and Dad

Religion ist nur ein Aspekt ihrer Kindheit, der Windbigler noch heute beeinflusst. Die konservative Familie, in der sie aufgewachsen ist, mit einer strengen Mutter und Polizeichef-Vater, spielt auch eine Rolle.

Einmal hatte sie ein Buch über Poltergeister für ein Schulprojekt nach Hause gebracht („Dass ich dieses Thema ausgesucht hatte, sagt schon vieles.“) Aber ihre Mutter verbat ihr, das Buch über das Übernatürliche ins Haus zu bringen. „Und ich habe es immer geliebt, alles zu tun, von dem meine Mutter nicht wollte, dass ich es tue“, sagt sie. „Mir geht es heute noch so.“

„Ein anderes Mal, nachdem meine Cousine Felicia gestorben ist, saß ich mit meiner Mutter im Auto. Ich war sehr traurig und still und dann habe ich sie gefragt, ‚Glaubst du, dass gestorbene Menschen uns hören können?‘ Und sie hat sofort geantwortet: ‚Nein.‘ Einfach nein. Und dann habe ich es noch mehr geglaubt.“

Mit ihrem Vater war es anders: „Mein Papa fand Gespenster und Außerirdische und Verschwörungstheorien alle toll. Oder manchmal fand ich seine Tatort-Aufnahmen bei uns zu Hause. Meine Eltern hatten beide ihren eigenen Einfluss auf meine Obsession.“

In der Vergangenheit zu leben ist also für Windbigler ganz normal, eine Gemeinsamkeit, die sie mit Gespenstern teilt und die sie schätzt. „Ich hatte immer die Denkart, dass aktuelle Ich am alten Ich zurück zu spiegeln. Für mich ist das vergangene Ich auch ein Art Gespenst oder Geist. Die Idee eines Geist-Selbsts finde ich wirklich spannend. Die meisten Gespenster in meinen Werken sind solche Geister.“

https://www.psychologies.co.uk/events/competition-signed-her-movie-poster.html

Immer wieder treffen wir im Film auf verschiedene Vorstellungen der Zukunft. Eine von ihnen scheint immer öfter eine von Technologien beherrschte Welt zu sein. Ob apokalyptisch, positiv oder abstrakt – die Technologie scheint untrennbar mit vielen Versionen der Zukunft verwoben zu sein. Der Film „HER“ stellt den Zuschauer*innen eine neue Welt vor. Diese ist ästhetisch, modern und … voller Gespenster? Weiterlesen

Mit ihrer ausgeprägten Fantasie basteln sich Kinder ihre Welt. Helden mit Superkräften, die täglich die Welt retten, Engel mit wunderschönen weißen großen Flügeln bis hin zu dem Weihnachtsmann mit seinem dicken Bauch, der selbstverständlich trotzdem durch alle noch so engen Schornsteine passt. Doch was ist eigentlich mit Gespenstern?  Weiterlesen

Alle Deutschen kennen Geisterbahnen auf dem Rummelplatz, mit Springteufeln und Gespenstern auf dem Förderband. Amerikanische „haunted houses“ bieten mit echten Schauspieler*innen Geister aus Fleisch und Blut. Anna Pladson, amerikanische Geisterhaus-Schaupielerin in Minneapolis (und Schwester der Autorin), erzählt.

Protokolliert von Kristie Pladson

Mein erstes Geisterhaus-Projekt war eine alte Kirche, die wir 2014 in ein Spukhaus verwandelt hatten, um Spenden zu sammeln. Das Kirchengebäude hatte diese perfekte, gruselige alte Turnhalle samt Umkleideräumen im Untergeschoss, die wir mit blutigen Handabdrücken bedeckten. Von dort ließen wir die Besucher*innen starten und ihren Weg aufwärts durch die Kirche suchen, während jemand fortwährend gruselige Musik auf der Orgel spielte. Allerdings mussten wir jeden Samstagabend alles wieder runterreißen für den Gottesdienst am Sonntag.

Als Teil meines Theater-Studiums haben wir 2015 ein Geisterhaus für Valley Scare, einen Halloween-Vergnügungspark, neu designt. Unser Thema war „Die Insel des Dr. Moreau“, eine Geschichte von einem Arzt, der Menschen tierische Eigenschaften verleiht. Wir wandelten ein früheres Spuk-Ferienlager („Camp WeKillOu“) um. Auf diese Weise hatten wir mehrere Gebäude, mit denen wir arbeiten konnten, was eher untypisch ist. Mit jedem Gebäude konnte man einen neuen Schritt der Mensch-Tier-Verwandlung nachvollziehen. Im ersten Gebäude waren Schauspieler*innen in Doktorkitteln – es gibt nämlich Menschen, die wirklich Angst vor Ärzt*innen haben – und solche in Krankenhaus-Nachthemden, denen Hörner aus der Stirn wuchsen und dergleichen mehr. Draußen hatten wir dann Leute in Käfigen, und von da an wurde es nur noch bizarrer. Ich spielte eine Frau, die in einen Oktopus verwandelt worden war, darum saß ich in einem Wassertank und hatte Tentakel.

2016 haben wir auch ein „normales“ Theaterstück in einer historischen Villa aufgeführt, das aber auch wie ein Geisterhaus-Schauspiel wirkte. Die Zuschauer*innen folgten unserer Darbietung und wurden von ihr durch dieses beängstigende, dunkle, alte Haus geführt. Das Stück war „Blaubarts Puppenhaus“, eine Kombination aus Ibsens „Ein Puppenhaus“ und einer Legende von Blaubart dem Piraten – beides Geschichten, die von gefangengehaltenen Frauen handeln. Die Villa war das „Puppenhaus“ und wir Schauspieler*innen stellten die darin gefangenen Puppen vor.

Pladson (ganz links) in „Blaubarts Puppenhaus“; Foto: Mike Neuharth, 2016

Geisterhäuser faszinieren mich, weil sie diese seltsame Form von Theater sind, mit der alle etwas anfangen können. Es gibt so viele Leute, die von sich sagen, dass sie Theater nicht mögen oder verstehen. Geisterhäuser dagegen schauen sie sich an. Die sind aber Theater. Es sind kurze Stücke, vielleicht nur fünf Minuten lang, aber sie sind immersives Theater. Wenn Du in ein Geisterhaus gehst, weißt Du, dass Dir dort Angst eingejagt wird. Wenn Du ins Theater gehst, hast Du keine Ahnung, was passieren wird. Du weißt nicht, ob Du weinen oder lachen oder was Du sonst erleben wirst. Bei einem Geisterhaus weißt Du, woran Du bist. Es geht darum, dass Du erschreckt wirst, und dass Du schon vorher weißt, dass Du erschreckt wirst.

Geisterhaus-Schauspieler*innen müssen präsenter bleiben als Schauspieler*innen auf einer normalen Bühne. Du kannst Dich nicht so tief in Deine Rolle fallenlassen, weil Du stets Deine Zuschauer*innen im Blick behalten musst. Sie sind Dir so viel näher, es ist dunkler, vielleicht ist da Nebel, man sieht schlecht, und es ist viel intimer. Zusätzlich bist Du wahrscheinlich dabei, etwas Gefährlicheres als der*die durchschnittliche Bühnenschauspieler*in zu machen. Du musst tief genug in der Rolle sein, um ihnen Angst einzujagen, aber auch wieder nicht so tief, dass Du Dich vergisst und sie berührst oder gar verletzt. Du brauchst ein gewisses Maß Selbstbeherrschung. Denn manchmal hast Du da Typen die mit echten Motorsägen rumrennen. Sie nehmen die Kette runter, klar, aber wir machen es so realistisch wie nur irgend möglich. Auf der Bühne würde man so weit nicht gehen.

In gewisser Hinsicht ist Geisterhaus-Schauspielerei schwieriger als Bühnenschauspielerei, weil Du eine Vorführung in Endlosschleife zeigst. Du musst es hinbekommen, drei Minuten lang absolut präsent zu sein, und dann, wenn die Gruppe weg ist, durchzuatmen und das Gleiche nochmal darzubieten – und nochmal, und nochmal, den ganzen Abend.

Anna Pladson, Spukhaus-Schauspielerin; Foto: Anna Sibenaller 2017

Geisterhäuser haben versteckte Ausgänge und Codewörter, um Besucher*innen wieder rauszubekommen, wenn sie es nicht mehr aushalten. Wenn man zum Beispiel „chicken“ sagt, stoppt alles. Alle Schauspieler*innen halten an, das Licht geht an oder es kommt jemand mit einer Taschenlampe und führt die Person aus dem Haus.

Es gibt eine ganze Liste an Sachen, die für die Besucher*innen verboten sind, weil es sehr leicht passieren kann, dass etwas ein böses Ende nimmt: Es sind beengte Räume, Leute werden klaustrophobisch, dazu kommt dann noch der Kunstnebel, und die Leute flippen aus. Das ist ja der Sinn der Sache. Wir pushen die Leute soweit sie nur können. Wenn sie damit dann nicht mehr umgehen können, musst Du Deinerseits wiederum einen Plan B haben.

Menschen werden echt komisch in Geisterhäusern. Sie sagen furchtbare Dinge zu Dir. Ich war als ein Oktopus verkleidet, darum haben die Leute mich kaum angesprochen. Aber zu meinen Freund*innen, die Arztkittel oder Nachthemden trugen, sagten sie „You’re fucking ugly!“ und solche Sachen. Ich glaube, die Besucher spielen sich so auf, weil sie verunsichert sind und versuchen, Kontrolle zurückzugewinnen.

Pladson als Oktopus bei Valley Scare; Foto: Valley Scare, 2015

Trotz der Bezeichnung handeln unsere „Geisterhäuser“ nicht wirklich von Gespenstern und Geistern, einfach weil die so schwer darzustellen sind. Wie kreierst Du ein schwebendes Ding? Du kannst etwas auf eine Leinwand projizieren, aber es kann Dir nicht nahe kommen. Es ist zu schwierig, einen Geist physisch darzustellen. Er sollte luftig und leicht sein und durch Dich und durch Wände hindurch schweben. Wie soll man das nachbilden? Gespielte Gespenster sind schwer. An echte Gespenster glaube ich aber 100 Prozent. Es gibt ein Theater, das ich kenne, da spukt es wirklich und mehrere meiner Freund*innen haben dort die selben Geister gesehen.

Beitragsfoto, Anna Pladson in der Spukkirche; Cody Nelson, 2014

Ein Einblick in den ValleySCARE Spukhäuser 2016:

Die drei Fragezeichen

Wer kennt sie nicht, die drei Detektive, Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, aus dem fiktiven Ort Rocky Beach in Kalifornien. Die drei ??? haben ihren Ursprung in der 1968 erschienenen Jugendkrimibuchserie und feierten später als Hörpsielserie unerreichte Erfolge. Sie übernehmen jeden Fall – so steht es auf ihrer Visitenkarte. Oft haben es die drei Fragezeichen mit übernatürlichen oder mystischen Fällen zu tun. Es geht um „Poltergeister“ (Folge 73), „sprechende Totenköpfe“ (Folge 6), „Bergmonster“ (Folge 14) oder „weinende Särge“ (Folge 42). Was ist der Grund für diesen starken Fokus auf das Übernatürliche?

Die Erfolgsgeschichte der drei Detektive

Die Geschichte der drei Fragezeichen (engl. „the three Investigators“) geht auf  die gleichnamige Kinderbuchserie in den Vereinigten Staaten der 60er Jahre zurück. Obwohl Alfred Hitchcock oft mit der Serie in Verbindung gebracht wird, war er weder Erfinder noch Autor der drei Detektive. Er diente lediglich als Schirmherr für die Reihe. Das erste Buch wurde in Deutschland 1968 veröffentlicht und 1979 folgte dann die erste Folge der Hörspielreihe – „Die drei ??? und der Super – Papagei“. Obwohl die Reihe Anfang der 90er Jahre in den USA eingestellt wurde, läuft sie in Deutschland mit eigenen Geschichten weiter. Seitdem wurden über 45 Mio. Tonträger und 16,5 Mio. Bücher verkauft und die Hörspiele begeistern seitdem Generationen von Kindern und Jugendlichen. Es ist also nicht verwunderlich, dass für viele Mädchen und Jungen hier die ersten Berührungspunkte mit gespenstischen und gruseligen Geschichten entstehen.

Detektivgeschichten für Kinder und Jugendliche

Themen, wie sie in den Folgen „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ oder „Poltergeist“ behandelt werden, sind nicht Inhalte klassischer Detektivgeschichten – wie zum Beispiel bei Agatha Christies Hercule Poirot. Hier geht es häufig um Mord, Spionage oder Entführungen – alles eher Themen, die nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind. So ergibt es durchaus Sinn, Detektivgeschichten für Kinder mit realitätsferneren Themen zu bestücken. Außerdem üben das Übernatürliche und das Mystische auf Kinder eine enorme Anziehungskraft aus.

Trotzdem sind es keine Werke, die den Zuhörerinnen und Zuhörern die Interpretation und Lösung übernatürlicher Ereignisse überlassen. Die Detektive finden stets eine rationale und logische Lösung für die mystischen, übernatürlichen und oft unerklärlichen Phänomene. Das Mitraten und Miträtseln, ein grundsätzlicher Anteil der Detektivgeschichten, bleibt trotz der untypischen Fallkonstellationen erhalten. Doch wie sieht so ein Fall aus? Wie wird er aufgelöst? Fangen wir mit Folge 11 – „Die drei ??? Und das Gespensterschloss“ – an. Sie ist laut der Fanseite rocky-beach.com auf Platz 1 der beliebtesten Folgen.

„Die drei Fragezeichen und das Gespensterschloss“

Die Folge beginnt damit, dass Alfred Hitchcock die drei Fragezeichen damit beauftragt, ein Spukschloss als Location für einen seiner nächsten Filme ausfindig zu machen. In den frühen Folgen is er noch Mentor der Detektive. Nach Bobs ausführlicher Recherche finden sie das alte Anwesen des früheren Stummfilmvirtuosen Stephan Terrill. Dieser soll das Schloss vor seinem Tod verflucht haben. Es gibt Meldungen über Sichtungen eines blauen Phantoms und Orgelmusik aus unerklärlichen Quellen. Sie machen sich auf, das Gebäude zu besichtigen. Die Detektive bekommen auf unerklärliche Weise Panik und flüchten aus dem Haus. Eine anonyme Warnung per Telefon, eine persönliche Warnung einer ‚Zigeunerin‘ und die Aussage des ehemaligen Managers von Stephan Terrill, er würde für kein Geld der Welt eine Nacht dort verbringen, schrecken die Detektive nicht ab. Sie untersuchen noch einmal das Schloss. Diesmal werden sie jedoch von zwei Männern gefangen genommen. Die Detektive können sich befreien und finden während ihrer Flucht einen Geheimgang, der zum Haus Terrills ehemaligen Managers führt. Es stellt sich heraus, dass der Manager und der Filmemacher ein und dieselbe Person sind.

Die Auflösung

Die Lösung des Falls ist so einfach wie auch genial. Der Manager ist Stephan Terrill. Dieser hat nach dem Untergang des Stummfilms sein Vermögen verloren. An dem Haus lag ihm aber so viel, dass er die Geschichte inszenierte, dass es im Schloss spuke. Damit wollte er erreichen, dass zukünftige Käufer ausbleiben. Als ZuhörerIn konnte man bereits vorher den Manager als Täter identifizieren. Die Personen, die die drei Detektive gewarnt haben wurden alle von Terrill verkörpert, wiesen aber alle einen kleinen Sprachfehler auf – sie lispelten. Wolf Rahtjen, der Sprecher, hat das sehr nuanciert in die verschiedenen Rollen übernommen. Man muss sehr genau hinhören, um darauf zu stoßen.

Auch bei anderen Hörspielen ist die Auflösung unerklärlicher, übernatürlicher oder mystischer Ereignisse sehr kreativ. So werden bei der Folge „Poltergeist“ die Spukereignisse von der Besitzerin des Spukhauses selbst verursacht. Bei diesem Fall sollten die drei ??? davon abgehalten werden, einen Kunstdieb zu verfolgen. Als Rocky Beach von einem Geisterschiff heimgesucht wird, soll dies dafür sorgen, dass ein Verbrecher ungestört nach einem Piratenschatz suchen kann.

Grundsätzlich gibt es eine logische und rationale Erklärung, wenn es bei den drei ??? um Mysteriöse, Übernatürliche und Unerklärliche Ereignisse geht. Die Methoden, mit denen diese Phänomene plastisch dargestellt werden, sind sehr überzeugend. Auch heute noch, als Erwachsener, ertappe ich mich, wie mir ein leichter, kalter Schauer über den Rücken läuft. Es ist also nicht verwunderlich, dass die drei Fragezeichen so lange so viele Generationen erfolgreich unterhalten haben.

Ritual zum Herbeirufen von Erscheinungen - Eine Frau hält einen skelletierten Rehkopf zwischen Kürbissen.

Für die einen sind sie nur Fabelwesen und Hirngespinste, andere glauben fest an ihre Existenz: Gespenster, Geister und Erscheinungen prägen seit Menschengedenken unsere Kultur. Doch wie lassen sie sich unterscheiden und worin liegen ihre Gemeinsamkeiten? Ein Blick in die Welt einer nebulösen Wissenschaft.

Schlagende Fenster, ein Rumpeln im Nebenraum oder Schritte auf der Treppe ‒ die Mehrzahl solcher Vorkommnisse lässt sich rational erklären. Manchen wird aber ein übernatürlicher Ursprung nachgesagt, gerade wenn der oder die Betroffene zum Aberglauben neigt. Gespenster, Geister oder Erscheinungen sind die Begriffe, die in diesem Zusammenhang dann fallen. Dabei werden sie häufig als Synonyme verwendet. Was den Anschein erweckt, identisch zu sein, ist in Wahrheit deutlich komplexer. Denn der Kosmos der Geister und Gespenster ist uralt und in zahlreichen Kulturen verwurzelt.

Germanische Urahnen

Im deutschen Sprachraum lässt sich das Wort „Geist“ auf einige germanische Begriffe zurückführen. Zum Beispiel bedeutet „gheis“ laut Gerhard Köblers „Indogermanischem Wörterbuch“ so viel wie „schaudern“ oder „erschrecken“.  Das westgermanische „gaista“ stehe wiederum für „überirdisches Wesen“. Damit zielt die Bedeutung von „Geist“ auf das Aussehen des beschriebenen Körpers ab. Im Gegensatz dazu zeigt „Gespenst“ laut dem Grimm’schen Wörterbuch eine Verwandtschaft mit Wörtern wie „Verführung“ oder „Täuschung“. Der Begriff lasse sich auf das mittelhochdeutsche „gespanst“, was „Trugbild“ bedeute und das althochdeutsche „gispensti“ („Verlockung“) zurückführen. Dennoch ist eine exakte Trennung zwischen Gespenstern und Geistern nicht immer zweifelsfrei möglich. Daher wird in der Fachliteratur meist von sogenannten Erscheinungen gesprochen. Gerhard Mayer vom Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene definiert Erscheinungen wie folgt:

 „Eine Erscheinung gleicht […] einer Person, einem Tier oder einem unbelebten Objekt, wobei der entsprechende Gegenstand […] physikalisch nicht präsent ist und physikalische Mittel der Kommunikation ausgeschlossen werden können.“

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trieb die Society for Psychical Research (SPR) in Großbritannien die Forschung zu Erscheinungen voran. Schließlich gelang einer Gruppe um den englischen Philosophen Henry Sidgwick die Erfassung historischer Berichte über Begegnungen mit Erscheinungen. Sidgwick, der SPR-Mitbegründer und erste Präsident des Vereins, veröffentlichte die Sammlung im Jahr 1894 unter dem Titel „Census of Hallucinations“. Seitdem führt der Verein diese Arbeit fort ‒ auch nach Sidgwicks Tod.

Die Mitglieder der Gespensterfamilie

Ein anderes Projekt der SPR war die Analyse paranormaler Geschehnisse und die Typologisierung von Erscheinungen. Dies gelang dem SPR-Mitglied George Nugent Merle Tyrrell. Der britische Mathematiker und Physiker identifizierte in seinem 1942 erschienenen Werk „Apparitions“ vier Hauptkategorien:

  • experimentelle Fälle,
  • Krisen-Erscheinungen,
  • Post-mortem-Fälle,
  • ortsgebundene Erscheinungen.

Auf Deutsch erschien Tyrrells Text im Jahr 1979 unter dem Titel „Erscheinungen und Visionen im PSI-Feld“. Die jüngere Forschung fügte den Kategorien Tyrrells eine fünfte Gruppe hinzu, die Erscheinung von lebenden Personen.

Absicht oder Zufall?

Führen eine oder mehrere Personen willentlich eine Erscheinung herbei, spricht man nach Tyrrell von experimentellen Fällen. Dies schließe auch esoterische, schamanische oder okkulte Rituale mit ein. Die Gemeinsamkeit dieser Kategorie besteht laut Tyrrell im experimentellen Charakter und der Absicht der Teilnehmer*innen, eine Erscheinungserfahrung zu machen. Diese recht breite, wenig homogene Kategorie trifft somit keine Aussage über die Art der Erscheinung. Einen solchen Fall beschrieb Tyrrell wie folgt: Ein Mann versuchte, sich mittels seiner Vorstellungskraft in ein Haus zu projizieren. Währendessen befanden sich Bekannte im Haus und wussten nichts vom Versuch des Mannes. Die Bekannten sahen den Mann angeblich am selben Abend in dem Haus ‒ das Experiment glückte. Der Mann erlebte das Experiment nach eigener Aussage als sehr intensiv.

Bei dieser Kategorie kann es jedoch eine Überschneidung mit der Gruppe der Erscheinungen von lebenden Personen geben. Schließlich ist die erscheinende Person in beiden Fällen noch am Leben, dennoch lassen sich die beiden Gruppen unterscheiden. Demnach geschehen Erscheinungen von lebenden Personen gegen deren Willen oder auch ohne ihr Wissen, im Gegensatz zu den experimentellen Fällen. Zudem befinden sich die Erscheinung und die zugehörige Person bei den experimentellen Fällen meist nicht am selben Ort.

Der eintretende Tod als Indikator für Erscheinungen

Präziser gefasst ist hingegen die Gruppe der Krisen-Erscheinungen. Dabei erscheint eine Person, die gerade eine existenzielle Krise durchlebt. Die Ursache kann laut Tyrrell ein traumatisches Erlebnis, eine schwere Krankheit oder auch der eintretende Tod sein. Dieser ist bei sogenannten Post-mortem-Fällen schon seit längerer Zeit eingetreten. Hier handle es sich um die Erscheinung einer meist seit Jahren verstorbenen Person. Sie könne dem*r Betrachter*in vertraut oder auch völlig unbekannt sein. Eine solche Begegnung ist verstörend und beängstigend, so Tyrrell.

Ortsgebundene Erscheinungen stellen zwar eine eigene Gruppe dar, können aber dennoch in Kombination mit einer anderen Kategorie auftreten. Nach Tyrrell trägt eine solche Erscheinung häufig historische Kleidung und taucht mehrfach an einem festen, teils historisch bedeutenden Ort auf. Zudem werde sie meist von mehreren Personen in gewissen zeitlichen Abständen gesehen. Um solche Erscheinungen ranken sich diverse Mythen und Legenden, die ihren Weg in die Literatur fanden.

Abgesehen von Tyrrells Kategorien gehören noch einige weniger anerkannte Gruppen zur Gespensterfamilie. Demnach zählen beispielsweise zur weitläufigeren Verwandtschaft der Erscheinungen auch Dämonen und Engel. Dämonen gelten im Allgemeinen als böse Geister und bilden somit ein Pendant zu den Engeln. Darüber hinaus gibt es noch die Gattung der Elementare oder Naturgeister. Diese Erscheinungen werden den vier Elementen zugeordnet und spielten in der Kultur der German*innen eine große Rolle.