Beiträge

Poltergeister treiben ihr Unwesen

Das Phänomen Poltergeist ist weltweit bekannt – aber was steckt wirklich dahinter? Wissenschaft oder Spuk? Der Diplompsychologe Eberhard Bauer des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg untersucht solche Fälle mit wissenschaftlichen Methoden.  

„Alle Glühbirnen im ganzen Haus sind durchgebrannt. Das ist doch eigentlich unmöglich!“ erzählt mir eine Freundin, als ich ihr von meinem geplanten Blogeintrag über Poltergeister berichte. Vor der Beerdigung ihres Großonkels versammelten sich Freunde und Familie im Haus des Verstorbenen. Auf einmal erloschen im ganzen Haus die Lichter. Alle Glühbirnen waren durchgebrannt. Meine Freundin beschreibt mir die gruselige Atmosphäre nach diesem Ereignis: „Wir haben alle gedacht, dass der Geist meines Großonkels uns ein Zeichen geben wollte.“ Technisch hat sich das Ereignis nicht aufklären lassen.

Das eben erwähnte Phänomen wäre typisch für einen Poltergeist. Er kann elektrische Geräte ein- und ausschalten, Möbel verschieben oder seltsame Klopfgeräusche ertönen lassen. Die Anekdote meiner Freundin erzähle ich dem Diplompsychologen Eberhard Bauer vom Freiburger IGPP. Seit 1972 arbeitet Bauer dort und beschäftigt sich mit paranormalen Erscheinungen aller Art. Was würde er meiner Freundin raten? Bei diesem Fall sei es wichtig, nach der Bedeutung der Vorfälle zu fragen, erklärt er mir. In welchem Verhältnis stand der Großonkel zu dem Haus beziehungsweise zu den Angehörigen? Gibt es noch Sachverhalte in der Familie, die unerledigt geblieben oder verdrängt worden sind? „Mitunter gibt es dann ein Verständnis der Phänomene, wie von selbst“, argumentiert Bauer. Ob es sich dabei um ein Poltergeistphänomen handelt, sei eine Standpunktfrage. Es kann sich demnach um einen ortsgebundenen Spuk und somit um eine andere Geistererscheinung als der Poltergeist handeln. Das Haus spiegele dabei den „Leib der […] Familie“ wider und das Löschen des Lichts sei ein Zeichen für das erlöschende Lebenslicht des Onkels. Ein Poltergeist ist aber personengebunden. Der Spuk wird durch eine sogenannte „Fokusperson“ ausgelöst. Auch dies könnte hier, laut Eberhard Bauer, der Fall sein. Durch verdrängte und nicht verarbeitete Emotionen hatte möglicherweise eines der Familienmitglieder das Erlöschen der Lichter selbst herbeigeführt.

In der Wissenschaft wird dieses Phänomen als „spontane Psychokinese“ bezeichnet. Demnach können Personen durch überschüssige Emotionen oder Energie Gegenstände unbewusst in Bewegung setzen, ohne sie berühren zu müssen. Die Wissenschaft schließt die Existenz eines Poltergeistes aus. Stattdessen geht sie davon aus, dass die „Fokusperson“ den Spuk selbst auslöst.

Der „Rosenheim-Spukfall“

Ein besonders eindrückliches Poltergeistphänomen ereignete sich 1967 in Rosenheim. Hierbei wurde der Spuk angeblich durch eine solche „Fokusperson“ ausgelöst. Die Telefonleitung in einer Anwaltskanzlei spielte verrückt, Leuchtstoffröhren platzten und Knalleffekte erschreckten die Mitarbeiter*innen.

Zunächst gingen die Mitarbeiter*innen der Kanzlei davon aus, dass es sich um erklärbare Vorkommnisse handelte. Sie vermuteten, dass die Stromversorgung dafür verantwortlich sei. Nachdem auch die Stadtwerke nicht mehr weiter wussten, wurde der damalige Leiter des IGPP, Hans Bender, hinzugezogen. Er und sein Team fanden heraus, dass die Phänomene mit der Schreibkraft Annemarie Schaberl zusammenhingen. Die Spukphänomene ereigneten sich immer nur dann, wenn sie anwesend war. Die Expert*innen rieten dazu, Annemarie in den Urlaub zu schicken. Danach hörten die seltsamen Vorkommnisse auf.

Die Schreibkraft wechselte daraufhin die Kanzlei. Auch an ihrem neuen Arbeitsplatz kam es zu seltsamen Geschehnissen, jedoch war es lange nicht so schlimm wie in Rosenheim. Dort kam es nie wieder zu seltsamen Ereignissen. Annemarie Schaberl wurde eingehend psychologisch untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sie instabil und reizbar sei. Ihre Wut habe sich in diesen sonderbaren Phänomenen entladen und damit die oben erwähnte „spontane Psychokinese“ ausgelöst. Nach dieser Hypothese trieb kein Poltergeist sein Unwesen in der Kanzlei. Die psychisch angeschlagene Mitarbeiterin hatte die Ereignisse selbst ausgelöst.

„Der ‚Fall Rosenheim‘ gilt bis heute in den Annalen unseres Instituts als ein außerordentlich gut dokumentierter Fall von ’spontaner Psychokinese‘.“ 

Die Dokumentation des IGPP über diesen Fall beträgt rund 2.000 Seiten. Kritische Einwände gegen ein Spukphänomen und für einen technischen Defekt wurden darin, laut Bauer, widerlegt.

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle

Manipulation und Betrug sind oft die erste Vermutung bei einem Spukphänomen. Auch Eberhard Bauer hat schon inszenierte Spukphänomene erlebt.

„Das ist, wenn man die Dynamik dieser Vorgänge kennt, nicht sonderlich überraschend. ‚Spuk‘ hat ja immer einen Appellcharakter, ist eine Art seelischer ‚SOS-Ruf‘ mit vielleicht ungewöhnlichen Mitteln, Wichtig ist das Verständnis der zugrundliegenden Motivation, einschließlich einer möglichen Inszenierung.“

Jedoch sieht sich Bauer in der Funktion des psychologischen Beraters und nicht als Kriminalist. Er versucht zu helfen und nicht einen möglichen Betrug aufzuklären. Er hat keinen Zweifel daran, dass jeder, der ein solches Spukphänomen schon erlebt hat, davon zutiefst verstört ist und ihm „keinen Bären aufbinden“ will. Es gibt aber auch noch weitere Erklärungsansätze für ein Spukphänomen. Der zweite Ansatz arbeitet mit Befunden aus der Psychologie und der Psychoanalyse. Die dritte, spiritistische Deutung erklärt den Spuk mit Geistern von Verstorbenen, die für die Vorfälle verantwortlich sind. Aber welche der Erklärungsansätze ist die wahrscheinlichste? Man könne mit allen drei Ansätzen pragmatisch arbeiten, erklärt Bauer, je nachdem wie das Erkenntnisinteresse aussehe.

Meine Freundin kann ich zunächst beruhigen. Vermutlich hat sich kein Poltergeist im Haus ihres Großonkels eingenistet. Was wirklich hinter dem plötzlichen Durchbrennen der Glühbirnen im ganzen Haus steckt, werden wir wohl trotzdem nie erfahren.

Quellen:

  • Bauer, E., Mayer, G. (2015): Spukphänomene. In Mayer, G., Schetsche, M., Schmied-Knittel, I., Vaitl, D. (Hrsg): An den Grenzen der Erkenntnis: Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik. Stuttgart: Schattauer.
  • Von Lucadou, W. (1995). Psyche und Chaos: Theorien der Parapychologie. Leipzig: Insel Verlag.

Gesellschaftstheoretiker, Ökonom, Philosoph ‒ und Hipster!? Karl Marx ist so populär wie nie, seine Theorien haben Hochkonjunktur. Doch was ist davon noch aktuell, was aus der Zeit gefallen? Und wie steht es heute um das ‚Gespenst des Kommunismus‘?

Karl Marx wird 200 Jahre alt ‒ die deutschen Medien gratulieren höflich. „Karl Marx ‒ der deutsche Prophet“ lautet der Titel eines Doku-Dramas, das im ZDF gezeigt wird. Die Süddeutsche kommentiert: „Die Lektüre von Marx ist ein Schlüssel zur Welt von heute“, bezeichnet ihn als ‚Visionär‘. In seiner Geburtsstadt Trier gipfeln die Feierlichkeiten in Marx-Statue und Marx-Ampelmännchen. Manche(r) Journalist*in dürfte noch Tage nach dem Jubiläum in einer Eistonne liegen und den von Schreibkrämpfen geschüttelten Körper kurieren. Marx, der Visionär und Prophet ‒ was ist von seinen Vorhersagen heute noch übrig? Waren seine ‚Prophezeiungen‘ zutreffend oder bloße Kaffeesatzleserei?

Auch Päpste fürchten Gespenster

Karl Marx und Friedrich Engels als Statue in Berlin (Foto: Pixabay).

Die Autoren des „Manifests der Kommunistischen Partei“ als Statue in Berlin (Foto: jensjunge, Pixabay.com).

„Ein Gespenst geht um in Europa ‒ das Gespenst des Kommunismus.“ So beginnt das „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848. In dieser Zeit ist ‚Kommunismus‘ ein Kampfbegriff. Er wird verwendet, um politische Gegner*innen zu verunglimpfen. Bei den Herrschenden verursacht das Wort Albträume. Sie wollen ihren Untergebenen den bösen Geist austreiben ‒ am liebsten per Exorzismus. Selbst der Segen von Papst Pius IX. ist ihnen dabei sicher. Denn für Pius IX. ist Kommunismus eine Seuche und einer der großen Irrtümer der Epoche.

Marx selbst kämpft ebenfalls gegen das Gespenst. Allerdings will er der Welt die Angst vor der Spukgestalt nehmen und mit dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus aufräumen. Aus dieser Motivation heraus entsteht das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Was Marx darin schreibt, strotzt nur so vor gesellschaftlichem Sprengstoff. Er kritisiert, wie die Oberschicht die Fabrikarbeiter*innen, das Proletariat, ausbeutet. Sein zentrales Thema ist dabei der Klassenkampf, der zur gewaltsamen Revolution, dem Aufstand des Proletariats führt. Am Ende stehe die Umgestaltung der Gesellschaft oder ihr Untergang.

Marx‘ Warten auf die Revolution

Statue von Marx in Trier

Zumindest als Statue kam er nach Trier zurück (Foto: Leo_65, Pixabay.com).

Auf den Knall des selbst beschworenen Pulverfasses wartet Marx vergeblich. Lediglich der Pariser Juniaufstand im Jahr 1848 entzündet sich an der Sozialen Frage ‒ doch der erhoffte Flächenbrand bleibt aus. In Großbritannien, dem Vorreiter der Industrialisierung, gibt es kein Revolutionsbestreben. Es wäre ein Vorzeigebeispiel für seine Theorie gewesen. An benachteiligten Proletarier*innen hätte es nicht gemangelt. Stattdessen gewährt Großbritannien Marx Zuflucht vor den Exorzist*innen. Ausgerechnet der Staat, der wie kaum ein zweiter das symbolisiert, was der Kommunist verabscheut. Das ist wohl britischer Humor.

Im Exil rückt Marx vom Klassenkampf ab und wendet sich der Ökonomie zu. Die Wirtschaftsordnung produziere Krisen, Krisen führten zu Umstürzen, so sein neues Mantra. Er schreibt es in „Das Kapital“ nieder. Wieder beginnt das Warten auf die prognostizierte Revolution. Zumindest kann sich der Exil-Trierer damit trösten, dass er nicht alleine warten muss. Um ihn scharen sich ganze Horden von Marxist*innen. Mit unnachgiebigem Blick fixieren sie den Boden ihrer Kaffeetassen. Dort wollen seine Jünger*innen die Anzeichen für die bevorstehende Revolution erkennen, orakeln in Wirtschafts- und Börsenberichten um die Wette. Doch was sie auch im Kaffeesatz zu lesen glauben ‒ die Revolution nach Marx‘ Vorbild lässt sich nicht herbeireden.

Die Wahrheit im Kaffeesatz

Während der Begründer des Marxismus mit seinen Revolutionsprognosen irrt, soll er an anderer Stelle Recht behalten. Bei all der Kritik, mit der er sich am Wirtschaftssystem des Kapitalismus abarbeitet, so erkennt Marx dennoch dessen Potenzial. Der Kapitalismus bietet die Möglichkeit, Wohlstand zu erzeugen, wenn auch ungleich verteilt. Marx denkt über europäische Grenzen hinaus, spricht bereits im „Manifest der Kommunistischen Partei“ vom ‚Weltmarkt‘. Er sieht die Globalisierung voraus und warnt vor der Selbstbereicherung durch Manager*innen.

Porträt von Karl Marx

Voll im Trend mit Hipster-Bart, schon im Jahr 1875 (Foto: John Jabez Edwin Mayall).

Auch das Gespenst des Kommunismus hat seinen Schrecken nicht verloren. Der böse Geist soll dem Staatsapparat vielerorts ausgetrieben werden. Das zeigen diverse Kommunist*innenverfolgungen, beispielsweise in der NS-Zeit. Eine Hetzjagd, die Marx schon 1848 thematisiert. Die Plätze der Exorzist*innen haben mittlerweile andere eingenommen. So tun sich die USA auch nach Ende des Kalten Krieges damit schwer, kommunistische Staaten zu akzeptieren. Denn so viel ist klar: Kommunismus ist unamerikanisch.

Der Hipster Karl Marx

Am aktuellsten bleibt dabei aber seine Kapitalismuskritik, denn die Soziale Frage wird weiterhin diskutiert. Marx deckt die Schwächen des Systems auf: Lohn- und Leistungsdruck auf Seiten der Angestellten, Konzentration der Gewinne bei den Unternehmer*innen. Das führt zur wachsenden Ungleichheit zwischen beiden Gruppen, dazu kommen hohe Mietpreise und Wohnungsmangel in den Städten. Nein, das ist keine zeitgenössische Kritik aus Martin Schulz‘ Wunschwahlprogramm. Das ist Marx ‒ direkt aus dem 19. Jahrhundert. Der Begründer des Marxismus ist aktuell und liegt im Trend. Auch seine äußerliche Erscheinung würde heute wohl kaum aus der Reihe fallen: Die Haare zum ‚Man Bun‘ gebunden, ein anerkennendes Nicken beim Betreten gewisser Berliner Clubs und Cafés wäre ihm sicher. Das erkennt allerdings nur, wer sich von seinem an Kriegstreiberei grenzenden Klassenkampf-Gerede nicht abschrecken lässt.

Die aktuelle Lesart der Werke dürfte auch den heutigen Hype um seine Person erklären ‒ und die überschwänglichen Journalist*innen. Dennoch irrte sich Marx gerade bei seinen großen Revolutionsprognosen.  Besonders das „Manifest der Kommunistischen Partei“ sollte frei nach Mao Zedong im Kern ein Papiertiger bleiben. So findet sich beim Blick in Marx‘ Tasse nicht nur Wahres im Kaffeesatz ‒ obwohl Marx‘ Kaffee keineswegs abgestanden schmeckt.

Sie werden als Gespenster der Kriege, unsichtbare Soldat*innen oder Geister von Militärkonflikten beschrieben. Dort, wo Regierungen und internationale Konzerne nicht direkt intervenieren möchten, um ihr politisches Interesse zu schützen, werden private Soldat*innen geschickt. Die Söldner*innen bilden heute die größte Armee der Welt, von deren Aktivitäten kaum jemand weiß. Wer sind diese Gespenster der Kriege und was genau ist ihre Aufgabe? 

Gegenwärtige Söldner*innen

Lohnarbeit im Kontext Krieg wird seit jeher betrieben. Seitdem es Kriege gibt, taucht sie in der Geschichte in verschiedenen Formen auf. Heute funktionieren Söldnerunternehmen wie Blackwater nicht anders als andere wirtschaftliche Agenturen. Auf der Welt arbeiten mehr als 100 private Militärunternehmen, die zum Beispiel die sogenannte „Shadow Operations“ für verschiedene Regierungen realisieren. Der angebotene Dienstbereich ist sehr breit. Die Firma Trojan aus den USA bietet zum Beispiel die Überwachung von Containerschiffen in jeder Form an, auch in den berühmten Wassersektoren, die von Pirat*innen besetzt sind. Sehr häufig werden auch Schulungen angeboten, bei denen Professionalist*innen wie Blackwater-Soldat*innen mit Volkssoldat*innen zusammenarbeiten. Eines der berühmtesten Produkte ist der Intelligence Sector, der Aufklärungsoperationen anbietet. Da das sehr oft in den Bereichen Online und Elektronik stattfindet, sind die Daten geschützt. Inoffiziell weiß man, dass die Firmen in diesem Sektor über 20 Milliarden Dollar pro Jahr verdienen, indem sie z.B. Spionageaufgaben ausführen. Letztendlich bieten die privaten Militärunternehmen Lohn-Soldat*innen an, die in der Regel Kriege für große Regierungen führen – wie das auch im Irak der Fall war.

”Söldner sind Männer, die in den Krieg ziehen und für diejenigen kämpfen, die sie bezahlen“.

Invisible Soldiers [Unsichtbare Soldat*innen]

Nicht ohne Grund nennt man die Soldat*innen, die für Unternehmen wie Blackwater arbeiten, „Invisible Soldiers“. Ann Hagedom beschreibt das Thema sehr ausführlich in ihrem Buch „The Invisible Soldiers: How America Outsourced our Security“. Die Soldat*innen verdienen durchschnittlich 6.000 USD pro Monat und bekommen Sonderzahlungen für Operationen, bei denen alle Reise- und Übernachtungskosten von dem Unternehmen übernommen werden. Eine private Armee verursacht viel höhere Kosten als die Streitkräfte des Landes. Dennoch treffen Regierungen immer wieder die Entscheidung, die Aufgaben einer Outsourcingfirma zu übergeben.

„Insgesamt 138 Milliarden Dollar haben externe Dienstleister wie Blackwater im Irakkrieg damit verdient, das US-Militär in Sachen Sicherheit, Logistik und Wiederaufbau zu unterstützen.“

Bis heute bleibt der Status von privaten Militärunternehmen ein kontroverses Thema und ist nicht gesetzlich klar. Vor allem deshalb sind sie für uns „Gespenster des Krieges“. Da es private Unternehmen sind, kann z.B. ein Land wie die USA gesetzlich nicht zur Verantwortung für deren Aktionen gezogen werden. Unternehmen werden auch aus Sicht des Völkerrechts als private Dienstleister*innen angesehen und behandelt. Ihre Soldate*innen arbeiten bei ihren Operationen für eine Regierung nicht als nationale Soldat*innen, sondern als private Auftragnehmer*innen. Deshalb weiß man inoffiziell, dass diese auch für Regierungen und Korporationen Operationen durchführen, die an der Grenze der Legalität liegen.

Neben den juristischen und operationellen Unklarheiten gibt es noch die Perspektive der Soldat*innen. Sie bleiben „Geister des Krieges“ nicht nur wegen ihres unsichtbaren gesetzlichen Status. Vielleich ist ihr gesellschaftlicher Status hierbei wichtiger. Wenn ein Land „seine“ Soldat*innen zum Krieg schickt, löst das oft eine sehr laute soziale und mediale Diskussion aus. Regierungen entscheiden sich dafür, mehr Geld auszugeben und eine private Firma zu bezahlen, da es sie langfristig weniger kostet. Sie bekommen erfahrene Professionelle, die keine Schulung mehr brauchen und gesellschaftlich nicht als Soldat*innen betrachtet werden. Die Gesellschaft kennt sie nicht, meistens weiß niemand, dass sie für die Regierung kämpfen, und das betroffene Land weint nicht, wenn ihnen etwas passiert.

Söldner*innen haben in der Gesellschaft meist schlechtes Ansehen, da sie sich dafür entscheiden, aus finanziellen Gründen Kriege zu führen. Im Vergleich mit regulären Soldat*innen kommen einige Risikofaktoren zu ihrem Job dazu, denn sie dürfen nicht den Status von Kombattant*innen und Kriegsgefangenen haben. Wenn sie also von der anderen Seite verhaftet werden, sind sie auf sich gestellt. Sie werden nicht als „Menschen aus Fleisch und Blut“ betrachtet. Oft werden sie gar nicht berücksichtigt. Sie bleiben unsichtbare Figuren für Zivilisten, da sich die große Masse nicht mit ihnen identifiziert.

Die Gespenster-Soldaten bleiben eine bequeme Lösung für Regierungen und große Konzerne, die auf Skandale verzichten möchten und ihre Interessen leise umsetzen möchten. Blackwater und andere private Unternehmen tauchen ab und zu wegen mit Skandalen in den Medien auf, sie werden aber ziemlich schnell wieder vergessen. Das größte Problem bleibt bis jetzt, dass die Anzahl der Aufträge eigentlich nicht bekannt ist und Zivilisten keine Ahnung haben, für wie viele und für welche Operationen Söldner*innen angestellt werden. Sie gehören zum grauen Bereich des Krieges, die für die Massen unbekannte Politik bleiben. Wir wissen nicht wirklich, wo diese Gespenster sind oder was sie machen.

 

Flackernde Glühbirnen, fliegende Gegenstände und Stimmen aus dem Jenseits: Was wie ein Horrorfilm klingt, gehört für Geisterjäger*innen zum Arbeitsalltag. Aber was oder wem sind sie eigentlich auf der Spur? Alexa Waschkau hat die deutsche Szene untersucht.

Alexa Waschkau ist Autorin, Podcasterin und Europäische Ethnologin. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich bereits mit der Arbeit deutscher Geisterjäger*innen – ohne selbst an Geister zu glauben. 2013 veröffentlichte sie gemeinsam mit dem Psychologen Sebastian Bartoschek das Buch „Ghosthunting – Auf Spurensuche im Jenseits“.

Haben Sie schon einmal einen Geist gesehen?

Ich bin mir nicht sicher (lacht). Nachdem wir unser Buch veröffentlicht haben, hatte ich die Möglichkeit ein Geisterjäger-Team bei einem Einsatz zu begleiten. Das war im Fort X, einer alten Befestigungsanlage in Köln. Für kurze Zeit haben wir uns dort in einem geschlossenen, stockfinsteren Raum aufgehalten, um Tonaufnahmen zu machen. Dort habe ich ein Geräusch gehört, bei dem ich nicht einordnen konnte, woher es kam. Aber nur weil ich das nicht weiß, heißt es natürlich nicht, dass es ein Geist war.

Alexa Waschkau

Alexa Waschkau glaubt selbst nicht an Geister (Foto: privat)

Hatten Sie Angst?

Dort angekommen sind wir bei Sonnenschein, die Vögel haben gezwitschert und alles war noch in Ordnung. Als wir aber im Dunkeln durch die Anlage gelaufen sind, hat man ganz anders auf  die Umgebung reagiert. Da merkt man plötzlich, wie anfällig man selber für solche Vorstellungen ist – auch bedingt durch die Gruppendynamik.

Viele Menschen meiden Spukorte, Geisterjäger*innen suchen sie absichtlich auf. Was treibt sie dabei an?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Manche suchen nach Erklärungen, anderen geht es wohl eher um den Sportsgeist. Sie wollen als Erste den ultimativen Beweis dafür liefern, dass es Geister gibt. Dann gibt es aber auch Gruppen, die Betroffenen wirklich helfen wollen. Für mich persönlich ist das die beste Motivation, um Geisterjäger zu werden.

Angenommen, bei mir zu Hause spukt es. Ich rufe bei einem Geisterjäger*innen-Team an und bitte um Hilfe. Wie geht es weiter?

Es gibt ein Vorgespräch, bei dem der Betroffene seine Beobachtungen schildert. Manche der Teams versuchen dabei auch herauszuhören, ob der Hilfesuchende möglicherweise psychische Probleme hat und diese der Grund für den Spuk sind. In dem Fall vermitteln sie den Betroffenen an einen Psychologen weiter. Findet sich während des Telefonats kein rationaler Grund für den Spuk, machen die Geisterjäger einen Hausbesuch und führen vor Ort Untersuchungen durch. Ein sehr interessantes Phänomen in diesem Zusammenhang ist der Placebo-Effekt einer Geisterjagd. Betroffenen hilft es schon, dass jemand zu ihnen nach Hause kommt, mit ihnen über ihre Erfahrungen spricht und technische Messungen durchführt. Sie fühlen sich ernst genommen. Selbst wenn die Geisterjäger nichts Übernatürliches feststellen, geht es den Menschen danach oft besser. Das finde ich wahnsinnig spannend.

Zur Ausrüstung fiktiver Geisterjäger*innen gehören Spiegel, Polaroidkameras oder Räucherstäbchen. Was hat ein richtiger Geisterjäger bei einem Hausbesuch dabei?

Jedenfalls keine Räucherstäbchen (lacht). Geisterjäger haben oft eine sehr technische Ausrüstung. Sie arbeiten unter anderem mit Spiegelreflexkameras, Diktiergeräten, Thermometern oder Bewegungsmeldern mit Videofunktion. Damit messen sie verschiedene Werte oder machen Aufnahmen, die sie später auswerten. Alles, was vom Normalen abweicht, könnte auf einen Geist hindeuten.

Was für Abweichungen können das sein?

Da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wenn sich an einer Stelle die Temperatur beispielsweise stark von der im übrigen Haus unterscheidet, ist das eine Kältesäule. Nach Meinung der Geisterjäger entsteht sie, wenn sich ein Geist materialisiert – also in Erscheinung tritt. Weil er dabei seiner Umgebung Energie entzieht, wird es kälter. Oder die Geisterjäger stellen elektromagnetische Felder fest, obwohl keine elektronischen Leitungen in der Nähe sind. Viele Gruppen nehmen auch Bild- und Tonmaterial auf, das sie später zu Hause auswerten. Für mich ist dabei immer die Frage, was wirklich zu sehen oder zu hören ist und was nicht.

Lassen sich viele der gesammelten Indizien nicht auch rational erklären?

Meiner Meinung nach schon und es gibt auch viele Forscher, die genau das versuchen. Relativ bekannt ist beispielsweise der Psychologe Richard Wiseman. Er hat sich mit Spukorten in Großbritannien beschäftigt – unter anderem mit dem Tower of London. Während einer seiner Untersuchungen erfasste er mithilfe einer Wärmebildkamera starke Temperaturschwankungen. Sie traten immer zur selben Zeit auf, als könnte man die Uhr danach stellen. Statt eines Geists ging dort aber nur die Putzfrau um. Weil die Abluft des Staubsaugers durch die Ritzen des Mauerwerks drang, wurde es draußen wärmer. Solche rationalen Erklärungen gefallen nicht allen Briten, für viele sind die Schauergeschichten untrennbar mit ihrer Heimat verbunden.

Also haben Geister in Großbritannien einen anderen Stellenwert als in Deutschland?

Sie gehören dort fast schon zum guten Ton. Wenn man in Großbritannien ein Hotel oder Landhaus besitzt, in dem es nicht spukt, ist das schade. Weil es keine Schauergeschichten gibt, die man seinen Gästen erzählen könnte. Die Briten gehen also auf völlig andere Art und Weise mit dem Thema Geister um. Paranormale Theorien und Untersuchungen haben dort eine lange Tradition. Während Geisterjäger bei uns oft belächelt werden, finden viele Briten deren Arbeit nicht nur interessant, sondern sehr wichtig.

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft. Warum ist der Geisterglaube in Europa dennoch so verbreitet?

Weil der Tod für Menschen immer wichtig sein wird. Jeder von uns geht anders mit dem Verlust eines Menschen oder der eigenen Endlichkeit um. Dabei nutzen manche Menschen Geister als Strategie, um Erfahrungen oder Gefühle zu bewältigen. Sie glauben dann beispielsweise, dass sich ein verstorbener Angehöriger bei ihnen durch Zeichen bemerkbar machen will. Das heißt, es geht beim Geisterglauben eigentlich mehr um die Lebenden und weniger um die Toten.

Vielen Dank Frau Waschkau für das Gespräch!

Wie werde ich Geisterjäger*in? Hier findet ihr die Antwort.

Ob Film, Fernsehen oder Romane: Geister spuken mittlerweile in jedem Medium fröhlich vor sich hin. Doch wie so oft bleibt das Comic dabei etwas außen vor. Als großer Fan habe ich mir daher vorgenommen, einen Blick auf geisterhafte Erscheinungen des Mediums zu riskieren und fünf davon vorzustellen. 

Wer einmal vor die Aufgabe gestellt wird, so schnell wie möglich eine gewisse Anzahl von spezifischen Wesen aufzusagen, merkt, dass das gar nicht so leicht ist. Für diesen Artikel habe ich mir vorgenommen, fünf exemplarische Geister des Mediums vorzustellen und zu zeigen, was diese ausmacht. Praktisch jedes künstlerische Medium wird dieser Tage ausgiebig untersucht und bekommt seinen regelmäßigen Platz im Fokus der Forschung oder der Gesellschaft. Doch Comics kommen hierbei immer noch seltener zum Zug als  Filme oder Bücher. Dabei ist das Medium eine wahre Schatzkiste an Potential. Nichts, was der/die Zeichner*in sich vorstellen kann, kann im Comic nicht existieren. Seine Darstellungsmöglichkeiten sind geradezu grenzenlos. Ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten, Geister darzustellen. Ohne weitere Vorreden nun also fünf Geister, die zeigen sollen, wie vielfältig Comics sein können.

Casper, the friendly ghost (Harvey Comics)

Cover zu „Harvey Comics Classics Vol. 1 – Casper The Friendly Ghost“. ©Dark Horse Comics All Rights Reserved

Gleich zum Anfang mogel ich ein bisschen. Casper ist ursprünglich keine Comicfigur, sondern entstammt einem Bilderbuch von 1939. Später wurde er ein populärer Cartoon-Charakter und feierte 1949 seinen Einstand als Comicfigur. Ab 1952 gehörte Casper dann zum festen Repertoire des Comicverlags Harvey Comics. Hier wurden Casper auch die meisten seiner bekannteren Nebenfiguren zur Seite gestellt, wie seine Onkels, das geisterhafte Trio oder die kleine Hexe Wendy.

Casper erfüllt die klassischen Geisterkriterien. Er kann fliegen (auch wenn er meistens läuft), durch Wände gehen und sieht so ähnlich aus, wie man sich als Kind einen Geist vorstellt. Nur spuken will er nicht so recht.

Eine Info am Rande, die meistens  unter den Tisch fällt:  Casper ist der Geist eines Kindes. Also ein Kind, das gestorben ist. Ihr wisst schon: für Kinder!

Gut, darüber wird noch gestritten, ob Casper tatsächlich ein Kind post mortem ist oder ob der Kleine immer schon am Geistern war. Dennoch, allein wegen des nostalgischen Wertes darf er in dieser Liste nicht fehlen.

The Spectre (DC Comics)

The Spectre auf dem Cover zu „Infinite Crisis Aftermath: The Spectre“ (2007) ©DC Comics All Rights Reserved

Von einem kleinen Gespenst, das nicht so recht spuken will, hin zu einem großen Gespenst, dessen Macht nahezu grenzenlos ist. Jim Corrigan war ein gewöhnlicher Polizist. Dann wurde er getötet. Doch für Jim war es nicht das Ende. Etwas hatte sich an seine Seele gebunden, und gemeinsam wurden sie zurückgeschickt auf die Erde. Jims Seele war zum Wirt eines Wesens namens Spectre geworden: die personifizierte Rache Gottes.

Seinen Anfang nahm The Spectre 1940, als Erfindung von Superman-Co-Erfinder Jerry Siegel und Zeichner Bernard Baily. Jim erfüllt die zentralen Kriterien eines Gespenstes ausgezeichnet. Ein verstorbener Mensch, dessen Seele weiter auf Erden wandelt. Nur ist zusätzlich an seine geisterhafte Seele ein nahezu allmächtiger Racheengel gebunden, der boshafte Sünder auf Erden jagt und für ihre Verbrechen grausam bestraft. Eine der mächtigsten und gleichzeitig ambivalentesten Figuren aus dem DC-Katalog und ein ganz besonderer Geist.

Izabel (Image Comics)

Izabel auf dem Cover zu „Saga #3“ (2012) ©Image Comics All Rights Reserved

Es wird Zeit für eine meiner liebsten Geisterfiguren. Izabel liebe ich als Figur so sehr, dass ich eigentlich einen ganzen Artikel nur über sie schreiben würde, wenn das nicht etwas zu sehr vom Thema weggehen würde. Izabel ist eine Teenagerin vom Planeten Cleave aus der Comicreihe „Saga“ der Künstlerin Fiona Staples und des Autors Brian K. Vaughan. Sie sieht auch aus wie eine gewöhnliche Teenagerin. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie rötlich transparent ist und in der Luft schwebt. Ach, und außerdem hängen ihre Eingeweide aus ihrem Torso in Ermangelung eines Unterkörpers. Ein Andenken an ihr Ableben, als sie auf eine Landmine trat.

Izabel ist in „Saga” die Babysitterin von Hazel, der Tochter der beiden Hauptfiguren Marco und Alana. Des Nachts, wenn Izabel in Erscheinung treten kann, passt sie auf das kleine Mädchen auf. Sie macht das auch sehr gut, schließlich war sie im Leben die älteste von sieben Geschwistern. Der Geist der toten Teenagerin wird somit ein fester Bestandteil der Familie. Es sei jedem empfohlen, Saga zu lesen. Izabel ist sympathisch, offen, hat einen bittersüßen Sinn für Humor und ist selbstlos wie kaum eine andere Figur in dieser Liste. Ihr tragischer Tod machte ihr allerdings auch klar, was sie verloren hat, wie ihre Familie und ihre große Liebe, ihre Exfreundin Windy.

Edwin Paine & Charles Rowland: The Dead Boy Detectives (Vertigo)

Edwin und Charles auf dem Cover zu „Dead Boy Detectives: Band 1“ (2014). ©DC Comics, Vertigo Comics & Panini Comics All Rights Reserved

Während Neil Gaiman in den 1990ern mit „Sandman” Comicgeschichte schrieb, entwickelte er eine Unsumme an Figuren, die oftmals nur in einzelnen Ausgaben vorkamen. Zwei davon waren die Internatsschüler Edwin Paine und Charles Rowland. Edwin starb 1916 und kam in die Hölle (unfair, irgendwie). Als jedoch im Zuge von Gaimans „Sandman”-Storyline „Seasons of Mist” Jahrzehnte später die Hölle von Luzifer geräumt wird und die Seelen der Toten zurückkehren, taucht Edwins Geist wieder in dem Internat auf. Dort freundet er sich mit dem Schüler Charles an.

Edwin hilft Charles dabei, allerlei Gefahren zu bestehen, die von den auferstandenen Toten ausgehen. Doch schließlich fällt auch Charles ihnen zum Opfer und stirbt. Nein, die Geschichte hat kein Happy End.

Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es. Charles kehrt ebenfalls als Geist zurück. Als die Hölle unter neue Schirmherrschaft gestellt wird, beschließen er und Edwin, nicht ins Jenseits zurückzukehren und stattdessen in der Welt der Lebenden zu bleiben. Gemeinsam bestreiten sie nun als Detektive Abenteuer und lösen allerlei übernatürliche Fälle.

Deadman (DC Comics)

Deadman auf dem Cover zu „Deadman #1“ (1985). ©DC Comics All Rights Reserved

Last but not least: Boston Brand, seines Zeichens Zirkusakrobat par excellence, Mordopfer und Geist. Nach seinem Tod wurde Brand von der Gottheit Rama Kushna zurückgeschickt, um seinen eigenen Mord aufzuklären. Als Geist hat Deadman eine ganze Reihe klassischer Fähigkeiten. Er kann unsichtbar bleiben, durch Wände gehen, fliegen und besitzt, als besonderes Schmankerl, das Talent, von jedem Menschen Besitz zu ergreifen und deren Körper für seine Zwecke zu nutzen.

Vor seinem Ableben war Boston Brand eine der düstersten Gestalten, arrogant und eingebildet. Sein Tod ließ ihn zwar bescheiden werden, doch düster und tragisch blieb er. Gefangen zwischen Leben und Tod nutzt er seine Kräfte, um seinen Tod aufzuklären und Erlösung zu finden, indem er sich für das Gute einsetzt. Zynisch und bitter blieb er. Aber das ist eigentlich durchaus verständlich, wenn man tot ist, oder?

Tübingen, die schöne Kleinstadt im Herzen Baden-Württembergs, begeistert viele Besucher*innen und Bewohner*innen mit ihrer historischen Altstadt, dem hochgelegenen Schloss und zahlreichen Universitätsgebäuden. Doch auch im idyllisch und friedlich scheinenden Städtchen verbergen sich geisterhafte Geschichten, die dank des Stadtführers Oliver Rödiger nicht in Vergessenheit geraten.

In der Bursagasse, am Alten Waschhaus, treffen meine Kommiliton*innen und ich Oliver Rödiger alias Oli Kahn, den wohl bekanntesten Stadtführer und Stocherkahnfahrer Tübingens. Er ist der Einzige, der neben den normalen Stadtführungen auch Nachtwächter- und Geisterführungen anbietet. Nicht nur deshalb fällt er in Tübingen besonders auf: „Der Oli Kahn, das ist der, der mit dem Hawaiihemd rumläuft, oder der Verrückte, der in der Nacht als Nachtwächter verkleidet rumrennt. So wird man dann natürlich irgendwann zur Marke,“ sagt er stolz.

Der geniale Geist des Hölderlin und der Spuk im „Aquarius Haus“

Mit seinem bunten Hawaiihemd nimmt er uns an einem milden Sommerabend in Empfang. Was eher den Eindruck erweckt, gleich einen Ausflug an einen Strand zu machen und Cocktails zu trinken, ist in Wirklichkeit der Beginn einer Geisterführung. Wir sind gespannt, wo es in Tübingen spukt, und folgen dem riesigen Mann mit seiner lauten Stimme und dem schwäbischen Dialekt zum Denkmal für Lotte Zimmer. Sie soll den weltbekannten Dichter Friedrich Hölderlin in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tode im Jahr 1843 gepflegt haben. Das Denkmal sieht aus wie ein längliches Gefäß mit einer Antenne, die gen Himmel gerichtet ist. Sie zapfe die kosmische Energie an und stelle so auch eine Verbindung zu Hölderlin her. Oliver Rödiger, der seit 1988 in Tübingen lebt und von Anfang an die magische Atmosphäre der Stadt spürt, sagt überzeugt: „Wenn ich in der Nähe von diesem Denkmal bin, dann durchläuft mich ein Schauer, weil ich merke, dass dieser geniale Geist des Hölderlin immer noch da ist.“

Geisterführer Oliver Rödiger und im Hintergrund das mit Efeu überwachsene „Aquarius Haus“. Foto: Stephanie Constantin.  

In der Gasse namens Klosterberg, nicht weit vom Denkmal entfernt, bekommen wir die nächste Geistergeschichte erzählt. Gleich auf der rechten Seite befindet sich ein mit Efeu bewachsenes Haus, das von der letzten Eigentümerin „Aquarius Haus“ getauft wurde. Hier soll ein Professor gewohnt und einen Geist in seinem Haus vermutet haben, weil seine Lebensmittel immer wieder auf unerklärliche Weise verschwanden. Nach einigen Jahren fand man die Leiche eines ehemaligen Studenten in seinem Schrank. Dieser wurde von dem Professor aus dem Studium geschmissen, da er es nicht ernst genug genommen hatte. Der Student versteckte sich daraufhin in dessen Schrank und kam nur in der Nacht oder wenn der Professor nicht zu Hause war heraus, um sich etwas zu Essen zu holen. Er hatte eine solche Angst vor der Reaktion seiner Familie, dass er lieber den Rest seines Lebens im Schrank des Professors verbrachte.

Ob der Geist des Studenten noch immer dort herumspukt? „In dem Haus gibt es immer noch seltsame Töne. Die ursprüngliche Eigentümerin hat mir das so berichtet“, erzählt Rödiger. Er selbst glaubt an Dinge, die nicht erklärt werden können, und daran, dass es mehr gibt, als viele Menschen tatsächlich wahrnehmen: „Ich habe schon eine Nahtoterfahrung gemacht, als ich klinisch tot war. Meine Seele war außerhalb des Körpers, und dadurch konnte ich mich auf dem OP-Tisch liegen sehen. Ich habe also eine außerkörperliche Erfahrung gemacht und glaube daran, dass es eine Seele gibt“, sagt er mit ernstem Blick. 

Kreuzritter im Nebel und das Schlossgespenst

In der selben Gasse befindet sich das Evangelische Stift. Vor dem verschlossenen Tor versammeln wir uns im Halbkreis und lauschen der nächsten Geschichte. Es wurde 1536 von Herzog Ulrich von Württemberg gegründet. Auch heute noch erhalten Studierende der Theologie Stipendien in Form einer Wohnmöglichkeit. Von hier aus sind früher die Ritter zu den heiligen Kreuzzügen aufgebrochen. Diese sind auch heute noch spürbar, meint unser Stadtführer: „Wenn es richtig düster ist und Nebelschwaden aufziehen, sieht es manchmal so aus, als ob die Kreuzritter auf ihren Pferden entlangreiten, und das ist dann wirklich etwas, das durch die Gassen schleicht.“ Mittlerweile ist es schon fast dunkel und der Himmel wird von dichten Wolken bedeckt. Ich bin froh, dass nicht auch noch Nebel aufkommt…

Vor dem Evangelischen Stift. Foto: Stephanie Constantin

Gemeinsam begeben wir uns zum Johannisbrotbaum, der sich oberhalb des Evangelischen Stifts befindet. Dann ziehen wir durch die schmalste Gasse Tübingens bis zum Schloss Hohentübingen, in dem das Schlossgespenst bereits die Franzosen verjagt haben soll, die versuchten, das Schloss zu besetzen. Auch eine Jugendherberge konnte sich dort nicht lange halten, „weil unser Schlossgespenst da wohnt und die Kinder keinen ruhigen Schlaf gefunden haben“, klärt Rödiger auf.

„Hier kotzte Goethe“

„Hier kotzte Goethe“- Tafel in der Münzgasse. Foto: Stephanie Constantin

Schließlich folgen wir ihm auf den Marktplatz. Hier erfahren wir mehr über das Rathaus, das Brotfenster und den Neptunbrunnen. Unsere letzte Station der etwa zweistündigen Geisterführung befindet sich an einem Studentenwohnheim in der Münzgasse, an dem eine Tafel mit der Aufschrift „Hier kotzte Goethe“ angebracht ist. Dieser hat im September 1797 seinen Verleger Johann Friedrich Cotta für ein paar Tage besucht, und „Goethe hat tatsächlich in das Eck da hinten gekotzt, weil er zu viel von dem Tübinger Wein getrunken hat,“ sagt Rödiger lachend. Was das nun mit Geistern zu tun hat, frage ich mich und bekomme schon bald eine Antwort von unserem Stadtführer: „Die Leute, die da wohnen, haben öfter mal festgestellt, dass sich wieder hat einer übergeben müssen. Das passiert dort ungewöhnlich häufig. Der Geist von Goethe ist halt auch noch irgendwo in Tübingen.“

Kaum ist die Führung zu Ende, fängt es an zu regnen. Oliver Rödiger ist davon überzeugt, dass wir dank seiner besonderen Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen, einem starken Regenschauer entkommen sind. „Ich mache das Wetter hier in Tübingen. Ich habe indianische Vorfahren, weil mein Ururururgroßvater nach Amerika ausgewandert ist und die Tochter eines Medizinmannes geheiratet hat. Aber ich tanze nicht für Regen, sondern singe für Sonne“, sagt er bestimmt. Auch für seine Gäste auf dem Stocherkahn singt Rödiger des Öfteren. Ein vielseitiger Mann also. Es wundert nicht, dass er vor vier Jahren begann, Geisterführungen in Tübingen anzubieten. Diese gestaltet er humorvoll und mit viel Freude. Auf die Idee kam er durch Gespräche mit Einwohner*innen Tübingens. „Da erfährst du Geschichten, auf die du sonst nicht kommst“, meint er. Und auch durch gründliche Recherche in alten Zeitschriften, Büchern und Zeitungen, die unter anderem im Stadtarchiv zu finden sind, kommt er zu seinen Geistergeschichten. Es ist ihm jedoch wichtig, dass die Menschen bei der Geisterführung auch etwas über Tübingen erfahren, und das gelingt ihm durchaus. Sogar ich als eingesessene Tübingerin konnte neben den Geistergeschichten auch etwas „Greifbares“ über die Stadt erfahren.

Bis 2050 wollen Wissenschaftler*innen das menschliche Gehirn digitalisiert haben. Kann ich dann, physisch längst tot, meine Ururenkel*in am Computer begrüßen? Und bin ich dann ein Gespenst?

Schon lange geistert die Idee der künstlichen Intelligenz durch die menschliche Kultur und inzwischen auch durch den Alltag. Die Vorstellung, den menschlichen Verstand selbst zu digitalisieren, ist hingegen ein gewagterer Gedanke. Er stößt an die Grenzen der Vorstellungskraft und fordert tiefe religiöse und moralische Überzeugungen heraus. Ist der Verstand zu klonen? Bin ich dann zwei Personen oder überträgt sich mein „Ich“? Kann ich meine Neuronen und Synapsen Stück für Stück digitalisieren und so mein Bewusstsein übertragen? Gibt es eine Seele? Ist der Mensch etwas anderes als eine biologische Maschine? Kann ich mir endlich morgens ein externes Hirn anschließen, aufstehen und im „Standby“ weiter schlummern? Aber allem voran, erreichen wir Unsterblichkeit?

Ein digitales „Du“, ok. Aber ein digitales „Ich“?

Anfangs war das noch eine bizarre Idee in Science-Fiction-Romanen wie Stanislav Lems „Sternentagebüchern“. Dort konnten Menschen im Todesfall auf eine digitale Backup-Kopie des eigenen „Ichs“ zurückgreifen und sich in einem Ersatzkörper wiederbeleben. Spätestens mit dem Manga „Ghost in a Shell“ oder, noch populärer, dem Film „The Matrix“ kam der Gedanke, das menschliche Bewusstsein zu digitalisieren, in der Popkultur an. Aber inzwischen forschen Wissenschaftler*innen bereits in der Realität daran.

wissenschaftler mit gehirn

BRAAAIIIIINS!

Auch das von der Europäischen Kommission finanzierte Human Brain Project versucht, das menschliche Gehirn nachzubauen und funktionsfähig zu machen. Dies bedeutet, alle Vorgänge im Gehirn werden digital imitiert. Mehr als 80 Milliarden Neuronen-Interaktionszuweisungen müssen in einen Computer übertragen werden. Am Ende soll dann ein digitales Bewusstsein entstehen.

Die Nachbildung des Gehirns soll den Forscher*innen neue therapeutische Möglichkeiten für die Behandlung von Gehirnkrankheiten bieten. So will man durch den Nachbau eines betroffenen Gehirns Krankheiten wie Alzheimer oder Schizophrenie besser verstehen und schlussendlich heilen können. Auch würde die Technik viele Tierversuche obsolet machen. Ein am Human Brain Project beteiligter Wissenschaftler ist sich sicher: „Das Human Brain Project [wird] als Wendepunkt in die Geschichte eingehen.“

Na und?

Abgesehen von ungefähr unendlich vielen psychologischen und philosophischen Fragen stellt sich heutzutage natürlich die Frage: Digitales „Ich“, Unsterblichkeit, kollektive Vernetzung schön und gut, aber wie kann man damit Geld verdienen?

Sony bietet direkt eine Antwort auf die Frage. Sie haben bereits das Patent für ein Gerät angemeldet, welches, durch gezielte Hirnstimulation, einen Film und die Vorstellungen des Regisseurs einem direkt ins Hirn projizieren soll. Inklusive Gerüchen, Temperatur und in bestimmt nicht allzu langer Zeit ‒ Emotionen. Man stelle sich nur Jurassic Park 17 Redux direkt zwischen Neocortex und den Erinnerungen an die tote Oma vor. Um die Qualität müssen wir uns nicht sorgen, was wir fühlen, wird ja direkt mitgeliefert.

Vielleicht ja doch gar nicht so schlecht?

Aber nicht nur die mentale Manipulation wird durch die Erforschung des Gehirns möglich. Auch verstehen wir mehr und mehr über dessen physischen Aufbau. So will der russische Medienunternehmer Dmitri Itzkow mit seinem Konzern New Media Stars bis 2025 die ersten künstlichen Avatare herstellen, in welche wir unser Gehirn manuell verpflanzen können. Künstliche Körper sollen dann in die Massenproduktion gehen und beliebter sein als Autos. Für Itzkow handelt es sich aber nicht nur um eine Art der Fortbewegung oder die Etablierung einer neuen Technik. Für ihn ist es „eine neue Strategie des Menschseins.“ Auch für führende Neuroforscher*innen ist diese Technologie nicht aus der Luft gegriffen. „Nichts ist unmöglich“, kommentiert Mohamed Oubbati von der Forschungsgruppe NeuroBotik an der Universität Ulm. 2025 erscheint ihm aber zu optimistisch. Aktuell würden wir nicht genug über das menschliche Gehirn wissen, um es vollständig imitieren und am Leben halten zu können.

Ich spuke, also bin ich

Wenn der Mensch es schaffen würde, das „Ich“ zu digitalisieren, sollte das uns als Gespensterjäger aber besonders interessieren. Denn wenn das „Ich“ nur aus Synapsenfeuer besteht, wie konnte dann jemals jemand ohne lebendiges Gehirn als Gespenst wiederkommen sein? Es gibt die Theorie, dass lediglich eine begrenzte Menge Energie im Universum existiert und wir als Teil dieser Energie weiterleben ‒ nur in gänzlich anderer Form. Das könnte zum Beispiel erklären, warum sich der Geist in Horror-Filmen oft zunächst mit plötzlichem Gegenstände-Rücken zu erkennen gibt. Vielleicht kann ich also nicht in meiner persönlichen Form als Gespenst spuken, sondern beispielsweise als … Stuhl.

hat nix mit gehirn zu tun

Vielleicht ist es auch der Teddy. (Foto: Alexas_Fotos, Pixabay.com)

Digitale Untote

Auch stellt sich noch die Frage, ob wir in Zeiten digitaler Menschen und digitaler, nun ja, Untoter, den Begriff „Gespenst“ nicht neu definieren müssen. Schaut man bei Google nach der Definition von Gespenst, liest man:

Aha! Und ein Geist?

 

Bevor wir uns jetzt in die Untiefen der Definitionen von „spuken“ begeben und uns fragen, ob „furchterregend sein“ nur temporär erfüllt sein muss, um als Gespenst zu gelten, oder ob es für diesen Zustand eine Mindestanzahl an Erschreckten braucht, ziehen wir doch lieber den altbewährten Duden heran:

Definition Gespenst: „Furchterregendes spukendes Wesen.“

Etwas überrascht müssen wir also feststellen: Die Welt ist voller Gespenster. Aber, wie wir hier in unserem Blog schon des Öfteren gezeigt haben, ist „Gespenst“ ohnehin ein sehr dehnbarer Begriff. Wir wissen zwar noch nicht, ob sich ein Bewusstsein, vergleichbar mit dem Unseren, digital reproduzieren lässt oder ob man sein „Selbst“ in der Zukunft digitalisieren kann. Aber sollte dies der Fall sein, dann spuken wir in der Zukunft ja vielleicht als „Gespenster“ durch die Sozialen Netzwerke so wie das heute „Trolle“ machen.

Die Menschheit wird sich den „Gespenster“-Begriff bestimmt passend zurechtbiegen. Auch werden Gespenster in Zukunft vermutlich ihren metaphorischen Charakter behalten und weiterhin der Schuld, der Verantwortung und dem Gewissen ein heimsuchendes Gesicht verleihen. Notfalls kann man sich die Frage nach Gespenstern einfach religiös zusammenkonstruieren, und vielleicht wird ja alles, was wir denken, sagen und fühlen, auf irgendeiner transzendentalen Cloud gespeichert. In dem Fall bleibt einem selbst dann nur zu hoffen, durch die himmlische Firewall zu kommen.

gehirngeist gen himmel

Ab ins Quarantäne-Feuer

Gespenstersagen und Gruselgeschichten lauern überall, auch das „Ländle“ hält einiges für Geisterfans bereit. Im ersten Teil dieser Serie waren wir in Großerlach. Von dort aus sind es gerade mal 35 km bis Waiblingen. Auch hier gibt es gleich mehrere schaurige Geschichten.

Die Sage der Totenmesse im Nonnenkirchlein

Waiblingen, 17. Jahrhundert – seit langem ist es Brauch, im Nonnenkirchlein am letzten Tag des Jahres den verstorbenen Bürgern Waiblingens zu gedenken. So will auch eine namentlich unbekannte Witwe auf diese Weise ihren toten Mann ehren. Sie nimmt sich vor, am nächsten Morgen den Gottesdienst zu besuchen. Um ausgeschlafen zu sein, geht sie früh zu Bett. Doch mitten in der Nacht wird sie aus ihrem Schlaf gerissen. Aus dem Nonnenkirchlein dringen Stimmen und Orgelmusik. Als die Witwe aus dem Fenster sieht, entdeckt sie am Fenster der Kirche den flackernden Schein einer Kerze. Aufgewühlt wirft sie sich rasch ihre Sonntagskleider über. Sie rechnet damit, dass die Totenmesse bereits begonnen hat. Die Witwe eilt zur Kirche: Sie liegt richtig.

Allerdings erkennt die Frau weder den Pfarrer wieder noch eine*n der Anwesenden. Zwar wundert sie sich, lauscht aber trotzdem gespannt der Messe. Als am Ende des Gottesdienstes die Opfergaben eingesammelt werden, erschrickt die Witwe. Sie hat ihren Geldbeutel vergessen. So streift sie sich einen Ring als Pfand vom Finger, um diesen später gegen Geld wieder einzutauschen. Sie geht nach Hause und will nach der langen Nacht noch ein paar Stunden schlafen. Gegen Mittag des nächsten Tages wird die Witwe auf der Straße angesprochen, wo sie denn beim morgendlichen Gottesdienst für die verstorbenen Seelen gewesen sei.

Wo ist der Ring?

Verwundert über die Reaktionen der Mitbürger*innen sucht sie den örtlichen Pfarrer auf. Und siehe da: Ihr Ring befindet sich nicht im Beutel mit den Opfergaben. Gemeinsam begeben sie sich im Nonnenkirchlein auf die Suche nach dem Ring. Dieser ist jedoch nicht aufzufinden. Umso mehr erschrecken die Bewohner*innen Waiblingens, als sie den Ring finden: eingemeißelt in einen alten Grabstein. Mit viel Mühe und Not brechen alle gemeinsam das Schmuckstück aus dem Stein heraus. Erleichtert geht die Witwe nach Hause. Ein ähnliches Ereignis ist seither nicht überliefert.

Von Teufeln, Trollen und Totenköpfen

Die Geschichte der Totenmesse im Waiblinger Nonnenkirchlein kann man heute noch in einem Buch über Waiblinger Stadtgeschichten nachlesen. Der Vorsitzender des Heimatvereins, Wolfgang Wiedenhöfer, hat in „Teufel, Trolle und Totenköpfe“ 24 geheimnisvolle Geschichten zusammengefasst, die sich in Waiblingen zugetragen haben sollen. Als Quelle diente ihm dabei die Chronik des Vogts Wolfgang Zacher aus dem Jahr 1666. In seiner Niederschrift stehen zahlreiche Geschichten und Sagen, die ihm damals von Bürger*innen zugetragen wurden. Vieles wurde dem Vorsitzenden des Heimatvereins aber auch von noch lebenden Bewohner*innen Waiblingens erzählt, so Wiedenhöfer in der Stuttgarter Zeitung.

Neben der Sage der Totenmesse besteht das Gerücht, es gebe einen bisher unentdeckten Verbindungsgang vom Kirchenhügel zum heutigen Rathaus. Außerdem sollen eine alte Quellhexe und ein Totenkopf ihr Unwesen in der Stadt getrieben haben. Letzterer spuke im Turm der Stadtmauer und gehöre einem alten Leichnam an, den Tübinger Medizinstudenten im 15. Jahrhundert aufgrund anatomischer Studien entführt haben sollen. Der Schädel des Waiblingers erscheine seitdem in manchen Nächten im Karzer und sei am nächsten Morgen sofort wieder verschwunden.

Wieviel Wahrheit steckt in den Geschichten?

Keine der Gruselsagen lässt sich bisher historisch belegen. „Ein Funken Wahrheit steckt in vielen der Geschichten“, so Wolfgang Wiedenhöfer. Der Totenschädel gehöre sogar irgendwie zur Stadtgeschichte. Ebenso wie die abgeschlagene Ecke an der alten Steinplatte bei der Michaelskirche nahe dem Nonnenkirchlein, in der der Ring der alten Witwe gesteckt haben soll. Wiedenhöfer selbst bietet auch Stadtführungen an, die an das Interesse der Teilnehmenden angepasst werden können. Wer sich jedoch besonders für das Nonnenkirchlein oder die Michaelskirche begeistert, muss sich noch bis zum kommenden November gedulden. Die beiden Gebäude werden momentan saniert und sind nicht für Besucher*innen zugänglich, so die Waiblinger Kreiszeitung. Und trotzdem – Waiblingen lädt mit seinen zahlreichen Anekdoten auf jeden Fall zu einem Besuch ein. Egal ob das Nonnenkirchlein, der städtische Karzer oder auch der Kirchenhügel. Gruselfans haben hier die Gelegenheit, an den vielen Punkten Waiblingens den geheimnisvollen Geschichten auf den Grund zu gehen.

 

 

In „Herr der Ringe“ wird Frodo von Nazgul verfolgt, Harry Potter badet in Gesellschaft der Maulenden Myrte, der Geist von Aslan wacht über Narnia und Mina heiratet dem Vampir Dracula. Fantastische Literatur stellt unbegrenzte Möglichkeiten nicht lebende Kreaturen zu bilden, die noch immer in der „realen“ Welt existieren. Aber was für eine Realität konstruieren die Autor*innen und was für eine Rolle spielen ihre Gespenster in dem Ganzen?

Weiterlesen

Ist ein Medium jemand, der mit Geistern in Verbindung tritt? Jemand, der Energien aus unterschiedlichen Dimensionen wahrnimmt? Wie wird man ein Medium? Wie funktioniert Channeln? Wir gehen diesen Fragen auf den Grund.

Eine junge Frau sitzt mit Tränen in den Augen mit Theresa Caputo am Tisch. Die junge Frau heißt Kearstan und hat ihren Freund bei einem Asthmaanfall verloren. Sie erlebt diesen Moment immer und immer wieder. Sie kann nicht loslassen und sagt, sie habe ihr Glück, ihre Liebe verloren. In der Serie „Long Island Medium“ will das beliebte Medium ihr nun helfen, diesen tragischen Verlust hinter sich zu lassen. Sie nimmt Kontakt zu Kearstan’s Freund auf: „Er möchte dir danken, weil du ihn so geliebt hast, wie er es verdient hat.“

In der Medienwissenschaft ist ein Medium ein Mittel zur Wahrnehmung, der Verständigung, der Verbreitung sowie eine Form von Kommunikation. Doch auf spiritueller Ebene ist ein Medium ein Mensch, der Verbindung zur Geisterwelt bzw. zu einer anderen Dimension aufnimmt und Botschaften empfängt. Anders ausgedrückt ist ein Medium eine Art Übersetzer zwischen der realen und der unsichtbaren Dimension. Deshalb wird ein Medium auch oft Channel genannt.

Wie wird man ein Medium?

Eine Infowebseite über mediale Ausbildungen sagt, die Grundvoraussetzung um ein Medium zu werden sei zu akzeptieren, dass der menschliche Körper nur eine Hülle der Seele ist, die den physischen Tod überlebt und irgendwo weiter existiert.

Laut Susanne, die sich selbst als Medium bezeichnet, ist die sogenannte Medialität keine Gabe, die nur Auserwählte besitzen. Es gibt Theorien die besagen, dass grundsätzlich jeder Mensch dazu in der Lage sei, mit anderen Dimensionen zu kommunizieren. Denn jeder Mensch besitzt eine mehr oder weniger ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit. Doch jedem Menschen ist es selbst überlassen, ob er diese bereits vorhandene Fähigkeit weiterentwickelt oder nicht.

Ein Medium muss lernen sich mit der Geisterwelt zu verbinden, das Wahrgenommene richtig einzuordnen und lernen zu unterscheiden, mit wem es in Verbindung steht. Einige Menschen besitzen seit ihrer Geburt oder frühen Kindheit diese Fähigkeiten, andere müssen die Fähigkeiten trainieren und weiterentwickeln. Auch eine Nahtoderfahrungen oder die Trauer um einen geliebten Menschen kann diese Fähigkeiten auslösen.

Channeling? Wie arbeitet ein Medium?

Übersetzt bedeutet Channeling „Etwas durch einen Kanal empfangen“. Der Kanal ist dabei das Medium. Somit ist das Channling die Anwendung der medialen Fähigkeiten, also das Herstellen der Verbindung zur Geisterwelt und das Übersetzen von Botschaften.

Ein Medium spricht weniger von der Geisterwelt sondern von einer anderen Dimension. Diese Geisterdimension umgibt uns und ist nicht von der menschlichen Welt getrennt. Dimensionen sind unterschiedliche Bewusstseinsebenen. Um dies besser zu verstehen, vergleicht „Mediumausbildung“die Dimension mit einem Radio. Jeder Kanal bzw. Dimension hat eine andere Frequenz als die des menschlichen Körpers. Erst wenn die Abstimmung stimmt, kommt eine klare und deutliche Verbindung zustande. Ein Medium lernt sich auf diese Frequenz einzustimmen. Allerdings entscheidet letztendlich der Geist, ob diese Verbindung entsteht.

Kommt eine Verbindung zustande, muss sich das Medium zuerst sicher sein, um wen es sich handelt. Vor allem bei Verstorbenen ist es wichtig zu wissen, wie er gestorben ist, wie er aussah oder ob er Eigenheiten hatte. Ist das Medium sich sicher, beschreibt es was er sieht, hört und fühlt. Das „Wesen“ in einer anderen Dimension teilt alles mit was er zu sagen hat, warnt vor Gefahren oder beantwortet offene Fragen. Die Aufgabe eines Medium ist es dem Kunden mit Hilfe des Geistes Fragen zu beantworten und Klarheit zu schaffen. Oft wird dadurch ein neuer Blickwinkel eröffnet.

Allerdings kommt nicht immer eine Verbindung zustande. Laut dem Onlinemagazin Viversium- Sprituelle Lebensberatungist dies unter anderem von folgenden Faktoren abhängig:

  • Der Geist will nicht in Kontakt treten.
  • Dem Medium fehlt die Erfahrung, fühlt sich nicht gut oder ihm fehlt die Energie.
  • Der Kunde glaubt nicht daran, dass die Verbindung zustande kommen kann.
  • Der Kunde muss offen und bereit für die Botschaften sein und darf keine Angst vor Negativem haben.

Kritik

Channeling findet heutzutage auf viele Arten statt:

  • Auf Esoterikmessen
  • Kostenpflichten Telefonhotlines
  • Einzelsitzungen
  • Gruppensitzungen

Kunden suchen Rat und zahlen dafür, laut Zeit-Online, bis zu 180 Euro pro Stunde. Einige Medien machen Vorschläge, was der Kunde zu tun hat. Beispielsweiße einem Missbrauchstäter zu verzeihen oder den Beruf wechseln. Die Gefahr der Abhängigkeit besteht, da der Kunde sich nicht mehr zutraut Entscheidungen alleine zu treffen und immer und immer wieder das Medium aufsucht. Das Medium Susanne betont ausdrücklich auf ihrer Webseite, dass sie keine Entscheidungen für den Kunden trifft oder ihm sagt, was er zu tun hat. 

Auch Theresa Caputo muss mit Kritik und Betrugsvorwürfen leben. Laut Focus-Online gibt es Vorwürfe von Ron Tebo, Gründer der Webseite SciFake.com. Caputo würde die sogennate „Cold Reading“ Technik anwenden. Aufgrund der Kleidung und Körpersprache schließt man auf hier auf Probleme der Person, stellt allgemeine Fragen und erhöht somit die Chance auf einen Treffer. Des Weiteren würden die Kunden bzw. Klienten vor dem Treffen mit Caputo genau durchleuchtet und analysiert werden.

Vieles ist nicht wissenschaftlich erklärbar – dazu gehört wohl auch die Kommunikation mit Verstorbenen. Doch muss immer alles rational erfasst werden? Ob wir nun an die Fähigkeiten eines Medium glauben, bleibt jedem selbst überlassen. Aber unsere Lieben sind immer bei uns. Wenn wir sie brauchen, geben wir uns Kraft.

„Jeder, der schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat, wünscht sich einen letzten Augenblick, um noch etwas zu sagen, was er unbedingt sagen wollte.“ 

Jennifer Love Hewitt