„They say everyone’s born a hero, but if you let it, life will push you over the line until you’re the villain. Problem is: you don’t always know that you’ve crossed that line.“ Jessica Jones ist Alkoholikerin, meistens schlecht gelaunt und ruhelos. Eines der zentralen Themen, die sie quält: Wer ist ein Held und wer ist keiner? Die gleichnamige Serie setzt sich mit der unschönen Realität des Heldendaseins und der unklaren Grenze zwischen Held und Bösewicht auseinander.
„Marvel’s Jessica Jones“ ist eine Netflix-Serie, die auf der Comicbuch-Serie „Alias“ von Brian Michael Bendis und Michael Gaydos basiert. Die Serie startete im Jahr 2015 und hat bisher zwei Staffeln mit jeweils dreizehn Episoden. Die Dreharbeiten zur dritten Staffel sollen schon begonnen haben. Von den vier Serien, die jeweils die Geschichte der jeweiligen Helden der Gruppe „The Defenders“ erzählen, wird „Jessica Jones“ als erfolgreichste gefeiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Psyche der Charaktere und auf der Frage, wie sie zum Helden oder zum Bösewicht geworden sind – ganz im Gegensatz zu den Avengers-Filmen, die stärker auf Action-Szenen setzen.
Jones‘ Familie kommt bei einem Unfall ums Leben – sie ist die einzige Überlebende. Sie wird in eine Adoptivfamilie aufgenommen und verbringt mit ihnen ihre Jugendjahre. Viele Schlüsselereignisse ihrer Jugend bis zur Gegenwart werden nach und nach im Verlauf der Serie preisgegeben. Nachdem ihre Karriere als Superheldin scheitert und sie mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zurücklässt, startet sie nochmal neu – diesmal als eine Privatdetektivin mit einer eigenen Detektei namens „Alias“ in New York. Jones‘ Antagonisten sind Kilgrave, den Jones für die schlimmen Taten, die er ihr und anderen Mitmenschen angetan hat, zur Rechenschaft ziehen möchte, und die Organisation IGH (Industrial Garments & Handling), die für die außergewöhnlichen Kräfte, die Jones besitzt, verantwortlich sind.
„I’ve seen heroes. You’re not even close.“
Jones ist nicht der typische Marvel-Held – sie wird eher als Antiheld gesehen. Was ist ein „antihero“? Ein Begriff aus dem Englischen, der laut dem Cambridge Dictionary einen Protagonisten, dem es an traditionellen, heroischen Qualitäten wie Mut und Selbstlosigkeit fehlt, beschreibt. Stattdessen wird er für seine Schwächen bewundert. Andere Antihelden des Marvel Cinematic Universe sind beispielsweise Deadpool, The Punisher oder Winter Soldier. Antihelden sind deshalb so interessant, weil sie die Grenzen von Held und Bösewicht in Frage stellen. Sie handeln immer wieder in ihrem eigenen Interesse, ohne Rücksicht auf andere, mit Brutalität und Gewalt – jedes Mittel ist ihnen recht, um zum Ziel zu kommen. Obwohl sie egoistisch handeln, tragen sie in irgendeiner Weise doch zum Wohle der Gesellschaft bei. Ihre Taten setzen eine ganze Handlungskette in Gang, die dann ein größeres Problem lösen.
Es ist ein verwirrendes Spiel zwischen verschiedenen Ansichten darüber, was einen Helden ausmacht und wer kein Held ist. Vergleicht man Jones und ihre Gegenspieler, so stellt man oft fest, dass beide Seiten oft in derselben unerbittlichen und unmoralischen Weise handeln. Teilweise weisen sie dieselben Charakterzüge auf. Die Serie zeigt, dass auch Bösewichte Qualitäten, die als traditionell heroisch gesehen werden, besitzen können. Ein Antiheld zeichnet sich dadurch aus, dass er eine gute Balance zwischen guten und schlechten Eigenschaften besitzt und diese im Verlaufe der Handlung so sehr verschwimmen, dass nicht genau gesagt werden kann, ob es sich bei ihm um einen Helden handelt.
„I was never the hero you wanted me to be“
Was die Darstellung der Charaktere, und von Jones, so besonders macht, ist, dass es kein falsch oder richtig gibt. Ihr Handeln und die Gründe und Intentionen dahinter können von jedem Zuschauer anders interpretiert werden. Jones ist ein Charakter, der in vielen Momenten sehr unsympathisch wirkt. Ihren Gedankengang kann man oftmals nicht recht nachvollziehen. Jones ist eine starke, weibliche Hauptfigur und ein komplexer Charakter mit vielen Facetten, Schwächen und Stärken. Jemand, der nach dem gescheiterten Versuch Held zu sein eigentlich keiner mehr sein möchte, aber es doch wird.
Spoiler!
Jones schützt zum Beispiel ihre eigene Mutter, da sie ihr einzig verbleibendes Familienmitglied ist. Dabei verstößt sie gegen sämtliche Gesetze und geht gegen das New York Police Department) vor, nur um ihre Mutter an ihrer Seite zu behalten. Und das, obwohl sie selber weiß, dass ihre Mutter, die ebenfalls Kräfte besitzt, eine Gefährdung für die Sicherheit der Öffentlichkeit darstellt. Karl Malus, Gründer der Organisation IGH, handelt mit der Intention Leben zu retten und die DNA des Menschen so zu verändern, dass Kraft und Reflexe gesteigert werden. IGH ist jedoch eine illegale Organisation, die diese Experimente an verunglückten Menschen durchführen. Diese werden dann ohne jegliche Erinnerungen an die Geschehnisse wieder entlassen. Irgendwo ist es dann doch wieder heldenhaft, denn Malus handelt im Interesse Menschenleben zu retten – und das ist eines der Kriterien, die jemanden zum Helden macht.
„With great power comes great mental illness.“
Die Serie ist realistisch, nichts wird schöngeredet. Während die Avengers-Filme viel Entertainment bieten, behandelt Marvel’s „Jessica Jones“ trotz Aktion auch ernste Themen, wie beispielsweise verbalen und körperlichen Missbrauch, Vergewaltigung, Drogenmissbrauch, Posttraumatische Belastungsstörung und die vielen verschiedenen negativen Seiten der Metropole New York. Die Handlung ist unberechenbar, gefühlstief und trotz übernatürlicher Kräfte realistisch. Es gibt viele Einblicke in das Leben der verschiedenen Charaktere, wie sie mit ihren Problemen umgehen und wie diese sich in vielzähligen Formen offenbaren. Vor allem bei Jones wird Stück für Stück gezeigt, wie sie zu der Person, die sie nun ist, geworden ist. Nicht nur ihre, sondern auch Hintergrundgeschichten anderer Charaktere werden offenbart.
Marvel’s „Jessica Jones“ ist eine Empfehlung an alle, die sich gerne mit dem Werdegang zum Held und Fall zum Schurken beschäftigen und sich dabei nicht vor der Brutalität und der grausamen Gewalt in der Serie scheuen.
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Beitragsbild: Photo by Jon Flobrant on Unsplash
Wirklich toll, wie du du den Charakter von Jessica Jones herausstellst. Ich selbst habe die erste Staffel sehr gerne geschaut. Die Zweite konnte mich dann leider nicht mehr überzeugen. Ich bin dennoch auf ihre weitere Entwicklung gespannt!