Wer auf Google nach dem Begriff „Alltagshelden“ sucht, erhält 140.000 Ergebnisse. Außerdem als ersten Vorschlag fünf Alltagshelden, die wir uns doch bitte zum Vorbild nehmen sollten.

Der Begriff „Antialltagsheld“ erzielt 65.000 Ergebnisse und die Frage, ob man nicht etwas anderes meine. Das könnte zum einen natürlich daran liegen, dass der Begriff „Antialltagsheld“ eigentlich ein eben von mir erfundener Neologismus ist, zum anderen aber auch daran, dass es die Alltagshelden sind, nach denen gesucht wird. Diese selbstlosen und aufopferungsvollen Mitmenschen, die uns den Tag versüßen. Wer interessiert sich da schon für die Antihelden des Alltags? Per Definition ist ein Antiheld eine Figur in einem Roman oder Film, dessen Schwächen gezielt verdeutlicht werden. Während der makellose Held sofort zur Tat schreitet, beeinflusst der Antiheld den Plot nur begrenzt. Er ist eine Nebenfigur, versagt öfters, ist vielleicht egoistisch oder unsympathisch und hat darüber hinaus soziale Probleme. Ihm fehlen die klassischen heroischen Eigenschaften, um zum Star der Geschichte zu werden. Seine Absichten sind oft eigennütziger Natur, anstatt dem Allgemeinwohl geltend (wie unverschämt!). In der Literaturwissenschaft hat der Antiheld die Funktion, einen Gegenpol zum Helden zu bilden. Durch ihn hebt sich dieser noch viel mehr in seiner Perfektion ab. Der Antiheld selbst dient der Geschichte eher, indem er den Zuschauer mit seinen Macken amüsiert, anstatt der konstruktiven Zielführung des Plots.

Während uns unsere Alltagshelden also das Leben erleichtern – sei es die liebevolle Mutter, der nette Mann der Müllabfuhr oder der Pizzabote des Vertrauens – polarisieren die Antialltagshelden. Das könnte beispielsweise der Nachbar sein, der ständig die Polizei ruft, weil wir nach 22 Uhr mal zwei, drei, sieben Gläser Wein in der WG trinken. Die genervte Bibliothekarin, die uns ständig hinterher zischt, um unser Geflüster zu unterbinden. Der Professor, der meiner Bitte nach einer Verlängerungsfrist  für meine Hausarbeit (trotz lang geplantem Thailandurlaub!) nicht entgegenkommen möchte. All diese Personen, über die ich mich abends bei meinen Mitbewohnern aufregen kann, um mir selbst einzureden, dass nicht ich es bin, die sich das Leben erschwert. Schließlich ist man ja selbst seine eigene Hauptperson der Geschichte und irgendeinen Antihelden braucht man da ja. Ich suche mir also lieber meine persönlichen Antihelden, über die ich mich kurz aufregen kann, um dann die ganzen Gutmenschen zu zelebrieren. Die Selbstlosen und Aufopferungsvollen. Aber dieses Mal stelle ich all diejenigen Gutmenschen in den Hintergrund. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich keine Wertschätzung für nette Mitmenschen und Gesten übrig habe. Ich bin sehr wohl für meine liebevolle Mutter, der Müllabfuhr und (natürlich) den Pizzaboten dankbar. Hiermit möchte ich aber keine Ode an die Alltagshelden schreiben. Dies ist ein Dankeschön an die Gegenpole. An diejenigen, deren gute Absichten nicht sofort zum Vorschein kommen. An die, deren heroische Eigenschaften vielleicht einfach nur nicht auf den ersten Blick erkennbar sind und an die, die nur 65.000 Googletreffer erzielen.

Danke an die genervte Bibliothekarin, die den nervigen Leuten, die es nicht schaffen, leise in einer Bibliothek zu reden, Einhalt gebietet. Danke auch an meinen Professor, durch den ich sagen kann, dass mich die Universität Selbstorganisation gelehrt hat. Bei meinen Nachbarn bedanke ich mich allerdings nur bedingt: Sie könnten sich lieber überlegen, ob sie sich nicht einfach mal mit einem Kasten Bier für alle dazusetzen möchten. Das wäre doch mal heldenhaft.

2 Kommentare
  1. Jan Doria
    Jan Doria sagte:

    In der Tat ist der Thailandurlaub Privatsache und die Hausarbeit eben das: Arbeit. Wenn man beides zeitlich nicht zusammenbekommt, sagt der Professor meiner Meinung nach zu Recht: Privatsache ist Privatvergnügen, was geht mich das an?

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