Kaum ein anderes Thema wird so häufig und vielseitig in den Charts besungen wie Arbeit. Körperliche Arbeit; emotionale Arbeit; die Arbeit, die einem andere machen; die Arbeit, die man für andere macht; aber vor allen Dingen: die Arbeit an sich selbst. Doch ebenso regelmäßig, wie darüber gesungen wird, kommt Musik auch bei der Verrichtung aller Arten von Arbeit zum Einsatz. Schon lange ist Musik nicht mehr nur auf der Tanzfläche von Bedeutung. Sie ist zum festen Bestandteil unseres alltäglichen (Arbeits-) Lebens geworden.
Am Ende dieses Beitrags befindet sich übrigens eine passende Playlist mit 20 Songs aus unterschiedlichen Musikrichtungen, die sich inhaltlich mit verschiedenen Formen von Arbeit auseinandersetzen.
Musik als leistungssteigerndes Mittel
Sei es im Auto auf dem Weg zur Arbeit, an der Tankstelle, im Parkhaus oder im Fahrstuhl zum Büro – rund um die Uhr scheinen wir in irgendeiner Form musikalisch beschallt zu werden. In nahezu jedem Geschäft wird über Lautsprecher Musik gespielt, was nachweislich sogar das Kaufverhalten beeinflusst. Selbst nachts lassen wir beruhigende Melodien und Sleep Sounds in unser Schlafverhalten eingreifen. Musik erreicht mit ihrer enormen Vielfalt ganze Menschenmassen, kann zur Verbesserung der Stimmung beitragen oder uns bestimmte Gefühle und Erinnerungen wiedererleben lassen. Auf Spotify scheint es für jede denkbare Situation eine passende Playlist zu geben. Neben „Songs to Sing in the Car“, „Songs to Sing in the Shower“ und „Workout Hits“ genießen nun auch Lo-Fi Beats große Beliebtheit bei zahlreichen Musikkonsument*innen. Die instrumentellen, häufig jazzigen Melodien sollen dabei helfen, sich zu entspannen oder zu konzentrieren. Die unaufdringlichen Klänge des Nischen-Genres können als Hintergrundmusik bei der Ausführung gedanklicher Arbeit die Kreativität und Leistung fördern. Arbeit und Musik stehen offenbar in einer Art Wechselwirkung zueinander. Frei nach dem Motto Was du alleine nicht schaffst, schaffst du mit Musik auf den Ohren sind nicht nur Noise-Cancelling-Kopfhörer mittlerweile unabdingbar. Auch der Zugang zu einem Musikstreamingdienst ist – neben der täglichen Dosis Kaffee und Redbull – in Universitäts-Bibliotheken und an vielen Arbeitsplätzen nun ebenso wenig wegzudenken wie Leistungsdruck und Schweißausbrüche.
Arbeit in Musik
Nicht nur die leistungssteigernde Wirkung von Musik ist ein häufig auftretendes Phänomen, sondern auch die musikalische Verarbeitung von Arbeit in Songs. Bereits zu Zeiten des Amerikanischen Bürgerkriegs dienten Lieder als Ventil für die erlebte psychische und physische Last. Swing Low, Sweet Chariot zählt zu den bekanntesten Beispielen hierfür. Darin beschreibt der dunkelhäutige Sklave Wallace Willis als Arbeiter auf einer Baumwollplantage seine große Erschöpfung und die Sehnsucht nach Freiheit. Auch in Michael Row the Boat Ashore werden die Erlebnisse eines ehemaligen Sklaven geschildert. 2015 erschien Kendrick Lamars Song King Kunta, in welchem der Rapper erklärt:
„Now I run the game got the whole world talkin‘, King Kunta
Everybody wanna cut the legs off him, Kunta
Black man taking no losses.“
Kunta Kinte ist Hauptcharakter des fiktionalen Romans „Roots“ von Alex Haley. Der afrikanische Sklave widersetzte sich der menschenunwürdigen Zwangsarbeit und verlor seinen rechten Fuß bei dem Versuch, seinen Herren zu entkommen. Neben dem historischen Bezug verwendet Lamar den Freiheitskämpfer Kunta Kinte und dessen Auflehnung gegen Autoritäten außerdem als Allegorie für persönlichen Wachstum.
Das Streben nach dem eigenen Erfolg – entgegen aller Kritiker und Widersacher – sowie den steinigen Pfad dorthin besingt auch Drake retrospektiv mit „Started from the bottom, now we’re here“. Big Sean benennt die Opfer [Sacrifices], die häufig auf dem Weg nach oben gebracht werden müssen: „To get ahead man you gotta make sacrifices“. Und Rihanna verrät den Schlüssel zum ersehnten Durchbruch: „Work, work, work, work, work, work“. Eine Deadline nach der Anderen, unendliche To-do-Listen und Abgaben, die sich auf dem Schreibtisch stapeln, lassen uns nahezu verzweifeln: „Work is a bitch and me and her don’t get along“ (Leftboy). Der hohe Anspruch, sich kontinuierlich selbst zu optimieren und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt mit einem überdurchschnittlichen set of skills auszustechen, weckt den starken Antrieb, zu einer Art menschlicher Maschine zu werden und „harder, better, faster, stronger“ (Daft Punk) zu arbeiten. Der Konsens zahlreicher Interpreten, welche sich in ihren Songs mit dem Thema Arbeit beschäftigen, besteht in der Überzeugung, dass harte Arbeit sich jedoch sprichwörtlich auszahlt: „I got one, two, three, four, five, six, seven, eight M[illion]‘s in my bank account“ (21 Savage).
Doch – so lautet der Appell einiger dieser Lieder – das sture Verrichten von Arbeit alleine reicht nicht aus, um auf lange Sicht erfolgreich und vor allem glücklich zu sein. Es gilt, einen Ausgleich zwischen Beruf und Freizeit zu finden: „Work hard, play hard“ (Wiz Khalifa). Denn am Ende einer jeden langen Arbeitswoche steht fest: „Everything will be good by the weekend […] ’[c]ause Fridays are always the start of the time of my life” (Mac Miller).
Wir führen uns heute tagtäglich verschiedenste Lyrics zu Gemüte, teilweise gänzlich unreflektiert und benebelt von eingängigen Melodien, schnellen Takten und dem großzügigen Einsatz von Autotune. Mögen manche dieser Textzeilen auch noch so trivial und platitüdenhaft klingen – selbst dahinter steckt Arbeit.
Vielen Dank für diese musikalische Reise! Die Arbeit spielt in unserem Leben eine große Rolle und es war interessant zu lesen, wie sich das auch in unterschiedlichsten Weisen in der Musik widerspiegelt. Ich selbst höre sehr gerne Musik bei körperlicher Arbeit oder beim Auto fahren. Bei geistigen Anstrengung führte Musik bisher leider immer dazu, dass ich mich nicht richtig konzentrieren kann. Vielleicht probiere ich es demnächst mal mit den von dir empfohlenen Lo-Fi Beats!
Körperliche Arbeit oder Autofahrten ohne Musik sind für mich kaum mehr vorstellbar. Besonders bei körperlicher Arbeit steigt die Motivation mit dem richtigen Beat doch deutlich. Das Problem mit der geistigen Arbeit kenne ich auch zu gut. Ich höre hier sehr gerne Filmmusik, hast du das mal versucht? Wenn nicht, probier’s mal mit dem Aquaman Soundtrack!
Thank you for the interesting overview of the different thematic manifestations of work in popular music! As you included Johnny Cash and Dolly Parton in your playlist, I thought it might be worth noting that work is often one of the central themes of the country music genre in general – both in terms of employment and in terms of time off. I think one of the reasons that the genre is so popular in the US is that this theme is inherently relatable to a lot of listeners.
Zu zeigst gut, dass Musik bei der Arbeit motivieren kann aber auch, dass die Arbeit ein wichtiges Motiv in der Musik ist. Musik kann einen motivieren, aufwecken, produktiver machen. Manchmal hindert aber die ganze Beschallung einem am Arbeiten und kann Stille vielleicht sogar ganz gut sein. Auch ein Workout ohne Musik mag auf den ersten Blick demotivierend sein aber hat auch irgendwie seinen Reiz, um mal abzuschalten.
Richtig cool, dass du „Work“ von Rihanna und Drake erinnert hast. Als das Lied vor ein paar Jahren im rauskam, hatte ich einen ätzenden Ferienjob in einem Lager und immer, wenn „Work“ im Radio lief haben alle Mitarbeiter laut mitgesungen, während wir selbst am „worken“ waren. Arbeit und Musik stehen also in engem Verhältnis zu einander. Danke für den schönen Beitrag.
Wirklich ein schöner Beitrag. Musik ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Aber wie eng Arbeit und Musik heutzutage eigentlich miteinander verknüpft sind, ist mir erst durch deinen Artikel wieder bewusst geworden. Dabei denkt man immer Liebe und Sex sind die primären Themen in der Musik. Doch Arbeit kann da sehr gut mithalten.