Irgendwas mit Medien, als Influencer mit coolen Videos viel Geld verdienen, meine Leidenschaft zum Beruf machen. Das wollen viele, aber wie geht das? Junge Menschen, die eine Karriere im Medienbereich einschlagen, sehen sich einem riesigen Labyrinth ausgesetzt mit allen möglichen Abzweigungen, Fallen und Sackgassen. Wie finden wir unseren Weg, welche Strategie führt zum Ziel und wo fangen wir überhaupt an? Ein Interview mit Professor Hans Beller soll auf diese Fragen Antworten geben.
Da stehen wir nun. Am Eingang eines riesigen Heckenlabyrinths. Nicht wenige haben uns schon gewarnt es zu betreten. Ratschläge besorgter Eltern kennen wir Medienschaffende nur zu gut. „Medien? Such dir doch einen anständigen Beruf, einen sicheren Beruf, in dem man auch etwas verdient.“ Doch wir stehen nun schon vor der ersten großen Wand dieses Labyrinths. Naiv, motiviert, aber ohne klare Strategie. Gute Voraussetzungen, sich zu verlaufen. Wie wäre es, wenn wir jemanden hätten, der sich in diesem Mediendschungel auskennt und uns berät? Jemanden, der uns erlaubt, einen kurzen Moment auf seine Schultern zu stehen, kurz größer zu werden und so einen Blick über die ersten Mauern des Labyrinthes zu erspähen? In Professor Hans Beller könnten wir einen solchen Berater sehen. Über viele Jahrzehnte hinweg hat er erfolgreich seinen Weg in den Medien gemacht. Er ist Diplompsychologe und hat über 30 Jahre Erfahrung als Regisseur und Autor. Seit 1991 lehrt er mit Schwerpunkt Filmgeschichte, Filmmontage und Filmanalyse an verschiedenen Filmhochschulen.
Herr Beller, Sie kennen die deutsche TV- und Filmbranche seit vielen Jahren und begleiten in etlichen Lehrtätigkeiten in Filmhochschulen Ihre Studenten. Wie würden Sie die Situation oder vielleicht auch Herausforderung von jungen Medienschaffenden heute beschreiben?
Ich bin jetzt in den neuesten Onlinemedien nicht voll drin, aber klar ist: Es geht in diese Richtung. Da gibt es viele spannende neue Felder, und keiner weiß gerade, wann was wirklich erfolgreich ist. Auch der Youtube Rezo wusste nicht, wie bedeutend sein Video im Europawahlkampf werden würde. Im Moment gibt es keine Regel – wohin geht’s zum erfolgreichen Onlinemedium. Aber das gab es früher auch schon nicht. Das war ebenfalls ein Dschungel, keiner konnte sagen: „Das musst du machen und dann bist du erfolgreich im Film.“ Aber ich verstehe jeden jungen Menschen, der jetzt nicht grade in die öffentlich-rechtliche Redaktion oder in die Tätigkeitsfelder des Fernsehbereiches gehen möchte. Denn im Moment haben die nicht so gute Konditionen für junge kreative Leute, die spannende Sachen machen wollen. Also die heutigen Zeiten sind prickelnd, aber auch prekär.
„Wie eine Ratte im Labyrinth. Auf der einen Seite kriegst du Elektroschocks, auf der anderen Seite kriegst du ein Stück Speck.“
Viele Möglichkeiten, aber auch viel Unsicherheit. Was sollte man als junger Medienschaffender wissen, um sich da nicht zu verlaufen?
Die eine Strategie wäre Trial and Error, das bleibt einem in vielen Bereichen auch nicht erspart. Du gehst raus in die Welt, das Schicksal haut dir gegen das Schienbein und du merkst an manchen Stellen: Keine Sau hat auf mich gewartet. Also wie eine Ratte im Labyrinth. Auf der einen Seite kriegst du Elektroschocks, auf der anderen Seite kriegst du ein Stück Speck. Aber das ist nicht die Antwort auf alles, denn du hast ja nicht die ganze Lebenszeit, alles auszuprobieren. Man sollte sich auch mal besinnen: Was will ich eigentlich, wo liegen meine Fähigkeiten? Man muss aber auch sein eigenes Unvermögen kennenlernen. Dafür sind Filmschulen oder Ausbildungswege, die heute so in Hochschulen angeboten werden, schon ein sinnvolles Trainingsgelände. Sich auszuprobieren und nach sich selbst zu suchen. Man hat manchmal Talente und weiß gar nicht, dass man die hat. Aber das sollte man nicht nur für sich alleine machen, denn: Man kann es nicht als Einzelkämpfer in diesem Medienzirkus schaffen! Man muss sich in Gruppen zusammenfinden und Leute haben, denen man vertraut. Und darin eine Vertrauensbasis zu bekommen und sich verlassen zu können, ist eine starke Produktivkraft, denn geteiltes Leid tut nicht so weh. Und auch als Gruppe arbeitsteilig vorzugehen, halte ich für gar nicht so verkehrt. Das Netzwerken ist sehr, sehr wichtig. Auch wenn es jetzt Möglichkeiten gibt, die früher gar nicht so bestanden, dass man es auch als One-Man- oder One-Woman-Show machen kann. So wie die Influencer, die in ihrem Kinderzimmer sitzen. Also was will ich und was kann ich? Und dann brauche ich auch ein bisschen Mut – und tüchtig sein muss man auch.
„Es ist ein großes Glück für jeden jungen Menschen, wenn er in diesem Bereich Mentoring erfährt. Man braucht einen Menschen, dem man vertrauen kann und der einen versteht.“
Sie sagen, man kann es als Einzelkämpfer nicht schaffen. Ist Mentoring ein Vehikel, das helfen kann?
Ich finde, es ist ein großes Glück für jeden jungen Menschen, wenn er in diesem Bereich Mentoring erfährt. Wir haben uns damals solche Leute gesucht. An allen Filmschulen gab es ältere Damen, die was konnten. Aber weil sie Frauen sind, waren sie weiter unten im System eingestuft. Aber die hatten richtig was drauf. Und die haben unsere Drehbücher gelesen. Bei mir war es die Stiefmutter vom Werner Herzog, Doris Herzog. Aber bei der saßen wirklich alle. Bei der saß Wim Wenders, bei der saß Bernd Eichinger und die hat alle unsere Drehbücher gelesen und mit uns geredet. Das war gar nicht im Studium vorgesehen, aber das waren keine institutionalisierten Programme. Man braucht einen Menschen, dem man vertrauen kann und der einen auch versteht. Ich kenne Mentoring als institutionalisiertes Angebot außerhalb des Sprechstundenrahmens im Medienbereich nicht.
Der „Medienzirkus“, wie Sie ihn genannt haben, ist kein einfaches Feld. Sie sind Diplompsychologe und haben selbst erfahren, dass einem auch Steine in den Weg gelegt werden. Was hat Ihnen über die Jahre geholfen, den Spaß an der Sache nicht zu verlieren?
Das nennt man Resilienz. Es gibt viele verbitterte Menschen – obwohl sie eine gute Karriere hatten und es ihnen gut ging. Ich hatte das Glück, dass ich den Marsch durch die Institutionen gemacht habe. Ich bin vorne in die Institution reingegangen und hinten wieder raus. Ich habe irgendwann nur noch auf Tagessatzbasis gearbeitet, ohne feste oder befristete Anstellung. Und das ist mir auch gut bekommen, deshalb kann ich auch heute noch lachen.
„Du musst eine Diversifikation deines Gestaltens erreichen. Du brauchst eine Mehrfelderwirtschaft.“
Sie sagen, eine freischaffende Tätigkeit hat Ihnen geholfen. Was sind gute Modelle, mit denen man sich im Medienbusiness aufstellen sollte? Gehe ich aufs Ganze oder brauche ich einen Plan B, mit dem man Geld verdient?
Also das ist der Konflikt, in dem man steckt. Das ist das Prinzip des „sowohl als auch“. Ich bin wie ein Ökobauer. Ich bin für die Mischfinanzierung, wenn man frei arbeitet. Du musst eine Diversifikation deines Gestaltens erreichen. Du brauchst eine Mehrfelderwirtschaft. Das heißt nicht, dass man auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzt, denn Multi-Tasking ist ungesund. Man muss sich dann schon fokussieren. Aber es kann sein, dass es dir in deiner Karriere einmal alle drei Felder verhagelt. Das ist halt so. Und das hat auch gar nichts mit dir, deinem Talent oder deiner Begabung zu tun. Das sind externe Faktoren. Die Umstrukturierung bei den Öffentlich-Rechtlichen, da kannst du nichts machen. Aber es ist so und es fällt schwer, da gerade gerne arbeiten zu wollen. Wenn Intendanten sich zusammen setzen und sich sagen: „Der Tatort darf nicht mehr so experimentell sein.“ Wenn man von oben so eine Parole ausgibt, dann fährt man dem künstlerischen Schaffen vieler Absolventen in die Parade. Aber noch gibt es Verbündete in den Anstalten, die man aber suchen muss.
„Du brauchst einen hellen Verstand. Dein Herz, deine Sinne, müssen wach sein. Jeder Film ist ein Offenbarungseid für einen Filmemacher. „
Mischfinanzierung – sollen wir BWL studieren und rechnen lernen?
Du musst Ökonomie in einer gewissen Weise beherrschen, dass du nicht naiv daherkommst. Sonst haben dich die Banken am Schlafittchen, wenn du nicht ausgerechnet hast, was das eigentlich kostet. Ich brauche Ökonomie. Also den Producer in mir muss es auch geben und es schadet überhaupt nichts, das als schwäbische Hausfrau alles durchzurechnen. Das ist das eine. Das andere: Du brauchst einen hellen Verstand. Dein Herz, deine Sinne müssen wach sein. Da müssen manche erst in ein Kloster gehen, um das hinzubekommen. Und auch deine Erotik sollte nicht verkrüppelt sein. Du bist als ganzer Mensch gefragt, und da bist du auch gefährdet. Jeder Film ist ein Offenbarungseid für einen Filmemacher. Man muss auch psychisch stark sein!
Sie haben eigene Kinder, die jetzt erwachsen sind. Haben Sie sie ermutigt, in die Medienbranche zu gehen? Welchen Tipp haben Sie ihnen mitgegeben?
Ich habe drei Kinder. Die haben das bei mir ja alles miterlebt, wie diese Medienwelt ist. Mein ältester Sohn „Ben Mono“ – ist DJ. Meine Tochter, der war das zu viel Unsicherheit und ist jetzt Ärztin geworden. Und mein jüngster Sohn ist Schauspieler. Wenn du das wirklich willst, dann gibt es einen Weg für dich. Aber werde dir wirklich klar darüber, was genau du willst!