So bitterzart wie dunkle Schokolade ist oft auch die Wahrheit, die sich hinter dem Genuss aus der Kakaobohne verbirgt. Kinder essen nicht nur Schokolade, sie sind es oft auch, die den Kakao dafür ernten – andere Kinder, auf anderen Kontinenten. Das Problem: zu wenige wissen davon. Rund elf Kilogramm Schokolade isst jeder Deutsche pro Jahr, ohne bitteren Nachgeschmack. Das muss sich ändern, denn während die einen schlemmen, schuften die anderen. 

Was hat unser Schokoladenkonsum in Deutschland mit einem neunjährigen Mädchen aus Ghana oder einem 16-jährigen Jungen aus Mali zu tun? Eine ganze Menge: zwölf Stunden lang, sieben Tage die Woche arbeiten sie und andere Kinder bei glühender Hitze auf den Kakaoplantagen Westafrikas, dem Ursprung von rund 70 Prozent der weltweiten Kakaoimporte. Der Filmemacher und Journalist Miki Mistrati zeigt in seinem 2010 entstandenen Dokumentarfilm „Schmutzige Schokolade“ diese Zustände, die den Alltag vieler Kinder in Westafrika bestimmen.

Ein Kind bei der Verarbeitung von Kakaobohnen. Bild: ©  Romano (CC BY-ND 2.0)

Die Kinder schlagen mit Macheten die Kakaoschoten von den Bäumen. Sie schleppen die schweren Säcke ihrer Ernte zu den Sammelstellen und verarbeiten die Kakaofrüchte, indem sie die Kakaobohnen aus den Schoten pulen, sie waschen, trocknen und verladen. Die Macheten sind ihr ständiger Begleiter und das Hantieren mit gefährlichen Pestiziden keine Seltenheit. „Wenn wir langsam gearbeitet haben oder uns geweigert haben, dann haben sie uns geschlagen“, erzählt Zanga Traoré, ein Junge aus Mali in Mistratis Film, über die Situation auf den Plantagen. Viele der Kinder sind Opfer von Menschenhandel und wurden an die Plantagenbesitzer verkauft. Das alles für ein Millionengeschäft, von dem neben Nestlé, Mars und Hershey’s auch wir hier in Deutschland profitieren – sei es an Weihnachten, Ostern oder auch einfach zwischendurch.

Der Status quo

Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten heute weltweit 152 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren. Sie arbeiten in Minen und Steinbrüchen, auf Baumwollplantagen, in der Textilindustrie oder als Kindersoldaten. Berichten von UNICEF zufolge arbeiten etwa 200.000 von ihnen auf Kakaoplantagen. Vor allem in Ghana und der Elfenbeinküste ist Kinderarbeit im Kakaogewerbe noch immer gang und gäbe, obwohl es offiziell verboten ist. Das Ziel der Schokoladenindustrie, Kinderarbeit bis 2005 aus der Lieferkette zu eliminieren, wurde 2001 im sogenannten Harkin-Engel-Protokoll festgehalten und wird seitdem aufgeschoben. Die Vereinten Nationen haben sich mit den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung darauf geeinigt, Kinderarbeit bis 2025 vollständig abzuschaffen, wie aus einem Bericht von UNICEF hervorgeht.

Die Zahl der arbeitenden Kinder wird zwar Jahr für Jahr weniger, für eine Welt ohne Kinderarbeit muss die Arbeit aber vor allem woanders stattfinden: in den Köpfen der Konsumenten, durch radikales Umdenken der Konsummentalität.

Globales Lernen gegen Kinderarbeit

Ein Kind sammelt getrocknete Kakaobohnen ein. Bild: © Electrolito (CC BY-SA 3.0Wikimedia Commons)

„Als wir vor 15 Jahren mit unserer Kampagne angefangen haben, haben sich die Leute kaum für Kinderarbeit interessiert“, erzählt Christian Wanninger, der sich seit zwölf Jahren bei der NGO earthlink e.V. engagiert. Die Initiative hat mit der Kampagne „Aktiv gegen Kinderarbeit“ die umfangreichste, deutschsprachige Informationsquelle über Kinderarbeit geschaffen, um auf die Missstände in der Lieferkette vieler Güter aufmerksam zu machen.

„Das Dach, unter dem unsere Arbeit steht, ist das sogenannte Globale Lernen. Im Klartext heißt das: Den Menschen hierzulande beizubringen, dass ihr Handeln und Konsumverhalten negative Konsequenzen nach sich ziehen kann – und zwar in weit entfernten Ländern“, erklärt Wanninger. Die NGO hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu informieren und globale Zusammenhänge aufzuzeigen. Und das mit Wirkung: 291 Kommunen in Deutschland verbieten mittlerweile Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit.

Aufklärung für mehr Konsumbewusstsein

Die NGO erarbeitete im Laufe ihrer Kampagne eine ausführliche Firmenliste, die darüber informiert, hinter welchen Produkten Kinderarbeit steckt und welche Maßnahmen die Firmen dagegen ergreifen. Zu Höchstzeiten habe die Website mehr als 30.000 Klicks erreicht, berichtet Wanninger. „Es freut einen, wenn man viele Anfragen bekommt und sieht, dass die Leute das Thema mehr und mehr interessiert.“ Der direkte Erfolg ihrer Arbeit spiegelt sich für earthlink vor allem in eben diesem wachsenden Interesse der Menschen wieder. Wanninger wünscht sich ein höheres Konsumbewusstsein des Verbrauchers bei Produkten, wie zum Beispiel Schokolade. „Je mehr man über das Thema weiß, desto bewusstere Entscheidungen kann man treffen. Wenn jeder täglich eine bewusste und nachhaltige Entscheidung beim Einkaufen treffen würde, wäre damit schon ziemlich viel erreicht“, sagt er.

Die Arbeit der NGO zeigt, wie wichtig es ist, an der Mentalität des Massenkonsums in Deutschland und auch in anderen Industrieländern zu arbeiten, damit sich für Kinder auf Kakaoplantagen in Westafrika etwas ändert. Blinder Boykott ist aber auch nicht immer die Lösung, sondern der aufgeklärte und bewusste Konsum fair gehandelter Produkte. Dafür setzten sich Christian Wanninger und earthlink e.V. ein.

Arbeit oder Ausbeutung?

Kinderarbeit ist nicht gleich Kinderarbeit. Die Grenze ist hauchdünn, aber es gibt sie. Generell gilt: Wenn die körperliche oder seelische Gesundheit, Sicherheit oder Schulbildung durch die Arbeit gefährdet sind, handelt es sich laut ILO-Konvention 182 um illegale Kinderarbeit.

Das Fairtrade-Siegel: Garantie für fairen Handel, ohne Kinderarbeit Bild: © Backdoor Survival (CC BY-ND 2.0)

Viele Familien in Afrika oder Mittelamerika sind auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen. Die Initiative Fairtrade unterscheidet daher zwischen Kindern, die ausgebeutet werden und Kindern, die für die Existenzsicherung ihrer Familie unter angemessenen Bedingungen arbeiten. Dabei darf die Arbeit weder dem leiblichen Wohl der Kinder noch einer Schulbildung im Weg stehen. Seit 25 Jahren setzt sich Fairtrade aber durch faire Löhne und Bildungsinitiativen für die Verbesserung der Situation von Kleinbauern in diesen Ländern ein, damit Kinderarbeit –  egal in welcher Form – in Zukunft ganz überflüssig wird.

Zurück zur Schokolade: Auch in Deutschland kann jeder durch bewussteres Genießen und ein paar Cent mehr einen Beitrag für den Kampf gegen Kinderarbeit leisten. Faire Schokolade lässt nicht nur deutsche Kinderherzen höherschlagen, sondern auch die der Kinder in Westafrika – und das ganz ohne Schokolade und ohne Arbeit aber dafür mit Schulbildung und der Möglichkeit, Kind zu sein.

 


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1 Antwort
  1. ZikunZhao
    ZikunZhao sagte:

    Ich habe einmal das Schokoladenmuseum in Köln besucht. Den hohen Schokoladenkonsum in Europa, insbesondere in Deutschland bestaunte ich. Jedoch habe ich so wenig über die Probleme der Schokoladenproduktion nachgedacht—— vor allem an die Kinderarbeit. Ein sehr aussagekräftiger Artikel, vielen Dank!

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