Für viele Menschen sind Tiere die wichtigsten Lebensbegleiter. Kein Wunder also, dass sich in den vergangenen Jahren viele Branchen und Berufe entwickelt haben, die sich nicht nur mit dem Wohlergehen unserer Vierbeiner befassen, sondern praktischerweise auch besorgte und gesundheitsbewusste Herrchen und Frauchen mit mehr oder weniger sinnvollen Produkten und Dienstleistungen ausstatten. Ich stelle fünf Berufe vor, die mir bei meiner Recherche rund um das Thema Arbeit mit Tieren begegnet sind.
1. Der Futterhersteller
Der Fotobuchhersteller Cewe hat ein neues Feld erobert: die Tiernahrungsbranche. Haustiere können sich nun über individualisiertes Futter der Marke Futalis freuen – zusammengestellt nach persönlichen Vorlieben (z.B. Geschmacksrichtung „Elch“) oder Unverträglichkeiten (z.B. Gluten). Hauptzielgruppe des deutschen Unternehmens sind jedoch nicht Hunde und Katzen, sondern überwiegend Frauen im Alter von 35 bis 45 Jahren, die menschliche Ernährungstrends auch im Tierreich etablieren wollen. Für den Hersteller des Premiumfutters macht das auch mehr Sinn, sind die Damen doch weitaus zahlungskräftiger als ihre vierbeinigen Begleiter.
„Einige Futalis-Sorten machen durchaus Sinn, wenn ein Tier eine Vorerkrankung oder Übergewicht hat”, erklärt mir Hundebesitzerin Lina Saibel. Auch, dass es Futter ohne Zucker oder Weizen gebe, sei gut, denn das sei in vielen herkömmlichen Tierfuttern enthalten und nicht besonders gesund. Tatsächlich stehen hinter Futalis sowohl Tierärzte als auch das Institut für Tierernährung an der Universität Leipzig. Schaden kann das Premiumfutter dem Premiumhaustier demnach nicht. Wer es sich finanziell erlaubt, kann sein Haustier nach einer (kostenpflichtigen) Anamnese also vorbeugend vor Krankheiten, aber auch vor Zahnstein oder allergischen Reaktionen schützen.
2. Der Psychotherapeut
Auch Psychotherapeuten und -therapeutinnen für Tiere richten sich eher an die gut Betuchten: Auf Nachfrage geben verschiedene Praxen im Stuttgarter Raum Preise zwischen 50 und 80 Euro für eine einzelne Therapiestunde an. Eine gesamte Therapie kann sich dabei über mehrere Monate hinweg ziehen. Behandelt werden vor allem Angst- und Verhaltensstörungen, beliebt sind aber auch sogenannte Bonding-Therapien, um die Beziehung zwischen Tier und Besitzer zu verbessern. „Fast jeder Mensch ist heute in einer therapeutischen Behandlung. Mit diesem Trend hat man erkannt, dass man auch seinem Tier und damit wiederum auch sich selbst helfen kann”, erklärt man mir in einer Stuttgarter Praxis.
Das Problem: Tierpsychotherapeut ist kein anerkannter Beruf. Es gibt also keine gesetzlich geregelte Ausbildung. Um die zunehmende Durchdringung des Berufsfeldes durch allzu große Scharlatane zu vermeiden, müssen sich Psychotherapeuten für Tiere zumindest seit Kurzem eine Genehmigung des Veterinäramts einholen. Sinnvoll kann die Behandlung vor allem bei traumatisierten Tieren jedoch durchaus sein. Insbesondere bei Hunden, die sich gut an Traumata erinnern können, kann es sich lohnen, einen Experten zu Rate zu ziehen.
3. Der Kommunikator
Tiere können bekanntermaßen selten selbst sprechen oder mit uns kommunizieren. Um dieses Problem zu lösen, haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche, sogenannte Tierkommunikatoren vorwiegend im Internet eingefunden. Sie nehmen Kontakt zur Seele des Haus- oder Nutztieres auf und gehen mit gezielten Fragen dem Befinden der Vierbeiner auf die Spur. Beliebt sind Fragen wie “Warum lebst du bei mir?” (Mögliche Antwort: Du hast mich gekauft.) oder “Welche Farbe magst du?” (Besonders knifflig, da die Farbwahrnehmung von Tieren sich in der Regel von unserer unterscheidet.).
Günstige Anbieter nehmen bereits ab zehn Euro pro Frage die Verbindung auf. Längere Gespräche werden schnell teurer. Die Tierkommunikatorin und -schamanin Linda Herbe bietet eine dreißigminütige Kontaktaufnahme mit meinem fiktiven Hamster Billy für 25 Euro pro 30 Minuten an. Billy gehe es gut, berichtet sie mir. Er sei etwas verwundert darüber, dass ich ihn sprechen wolle. Es sei doch alles gut zwischen uns. Die Arbeit mache ihr viel Spaß, erzählt mir Linda auf Nachfrage. „Mein Kundenstamm hat sich immer erweitert, ich komme kaum zu etwas anderem”, erklärt sie mir. Um selbst überhaupt noch einen Feierabend zu haben, biete sie seit einigen Monaten die telefonische Ferndiagnose an – auch ins Jenseits.
4. Der Arzt
Zugegeben, der Tierarzt hat sich schon über viele Jahrzehnte hinweg etabliert und ist nicht weniger wichtig als ein Humanmediziner. Trotz ihrer nie endenden Liebe zum eigenen Haustier sind viele Herrchen und Frauchen dennoch selten angetan von den horrenden Tierarztrechnungen, die unter Umständen ins Haus flattern können. Denn, Tierärzte sind nicht dumm und mit Sicherheit gelegentlich auch auf gutes Geld aus. Zugute kommt ihnen hier, dass es in Deutschland nicht geregelt ist, wie viel ein Tierarzt für seine Dienste verlangen darf. So sind hier lediglich eine Unter- und eine Obergrenze (dreifacher Mindestbetrag) definiert. Die Kosten variieren oftmals zwischen zweistelligen oder hohen dreistelligen Beträgen. So changieren auch die Ärzte zwischen tierliebendem Gutmenschen und unseriöser Abzocke (meist mit Verweis auf die tolle Ausstattung der Praxis). Eine vorsichtige Vorab-Recherche lohnt sich hier also meist, um ein wenig Kleingeld zu sparen.
Ein neuer Trend ist der Gang zum Tierhomöopathen. Was schon beim Mensch umstritten ist, hat nun auch vermehrt Einzug ins Tierreich gefunden. Zwar führen nicht einmal 1 Prozent aller in Deutschland praktizierenden Tierärzte die Zusatzbezeichnung Homöopath, dennoch nimmt ihre Zahl stetig zu. Sie profitieren insbesondere vom “Placebo by Proxy”-Effekt, also der psychischen Manipulation von Herrchen oder Frauchen. Auch der Homöopathie-Markt wächst immens, denn die wirkstofflosen Medikamente müssen nicht zugelassen werden. Sie können also ohne Tests direkt auf dem Markt eingeführt werden – teilweise zu horrenden Preisen. Auch hier sind also vor allem einkommensstarke und gesundheitsorientierte Menschen die Zielgruppe.
5. Der Heilpraktiker
Diesen Beruf, so erfahre ich von einer Heilpraktikerin, gibt es in zweierlei Ausrichtung: Die einen arbeiten ähnlich wie Physiotherapeuten am Menschen. Sie erhalten also die Diagnose eines Arztes oder können selbst ein Problem diagnostizieren. Mit verschiedenen Methoden kann das Tier dann behandelt werden. Dabei werden zum Beispiel schwache Muskeln langsam wieder auftrainiert oder Fehlstellungen und Schmerzen mit Akupressur angegangen. Das Wohl des Tieres, eine nebenwirkungsfreie Behandlung und eine ganzheitliche Betrachtung des Vierbeiners stehen hier im Mittelpunkt der Arbeit.
Das Problem: Auch hier gibt es keine gesetzlich geregelte Ausbildung oder Zulassung. Eine Abschlussprüfung am Ende einer ein- oder zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung genügt, um die Berufsbezeichnung Geprüfter Tierheilpraktiker und einen Eintrag in die Therapeutenliste theralupa.de zu erlangen. So mischt sich vielerlei buntes Volk unter diejenigen Heilpraktiker, die ihren Beruf ernst nehmen. Besonders beliebt sind Reiki-Therapeuten, die jegliche Leiden – an christlichen Traditionen erinnernd – durch Handauflegen heilen können. „Nach so einer Behandlung kann es sein, dass das Tier erst einmal etwas verwirrt reagiert, es kann aber mitteilen, wann es genug hat oder wann es mehr will”, verrät mir Energietherapeut Rolf Krüger. Wer Interesse daran hat, sich selbst ausbilden zu lassen, kann das notwendige Zertifikat für 120 Euro und durch die Teilnahme an einem Wochenendkurs erlangen.
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Ein sehr interessanter Artikel! Jetzt denken viele Leute darüber nach, Haustiere zu halten, und verbringen mehr Zeit mit ihren vierbeinigen Partnern. Deshalb werden die Karrieren, die diesen kleinen Tieren gut pflegen können, ziemlich wichtig. Aber es stellt sich auch die Frage: Sind Industriestandards streng genug, um unsere Haustiere vor Schaden zu schützen?
Es ist echt spannend, was es alles für Berufe rund ums Tier gibt! Ein toller Artikel, der auch mal die etwas anderen Tierberufe unter die Lupe nimmt und vorstellt.