Alle reden von Recycling. Was bedeutet das für Papier und wie funktioniert das überhaupt? Als Otto Normalverbraucher benutze ich Papier einmal, dann schmeiße ich es weg und sehe es nie wieder. Ist das wirklich so – oder sehen wir dasselbe Papier sogar sehr oft wieder?

Raus aus meinem Haus!

Man sollte es nicht glauben, aber an jedem Anfang eines Recycling-Prozesses steht die Produktion von Müll. 14,1 Millionen Tonnen Papiermüll fallen in Deutschland jedes Jahr an. Beim Lesen einer 74-seitigen Zeitung trägt man mit circa 500 Gramm immer einen kleinen Teil dazu bei. Hat man die Zeitung fertig gelesen, kommt sie auf die hauseigene Sammelstelle in der Küche oder fliegt sonstwo rum. Danach muss die Zeitung den Weg in die Tonne finden. „Den Müll rausbringen“ – wie man so schön sagt. Eine sehr beliebte Erziehungsmethode, um die Kinder des Hauses am Haushalt zu beteiligen. Die Papiertonne ist oftmals die größte von allen Tonnen und anders als Rest- und Biomüll nicht limitiert auf 60 oder 80 Liter. Klappe auf, Zeitung rein, Klappe zu und fertig. Der letzte Schritt, bevor die Zeitung endgültig das Haus verlässt, ist, die Tonne rauszustellen. So kann die Müllabfuhr die Tonne leeren. Ab jetzt muss sich der Otto Normalverbraucher um nichts mehr kümmern. Die Zeitung ist weg, die Tonne ist leer und das Papier sieht man nie wieder.

„Sag niemals nie“

Bald könnte der Otto Normalverbraucher eine sehr ähnliche Zeitung mit einem anderen Druck wieder in seinen Händen halten.

 Wer holt meinen Müll?

Hat früher oft der örtliche Fußballverein das Altpapier eingesammelt, ist es heute oft ein privater Recyclinghof, der dafür verantwortlich ist. Mit Altpapier lässt sich viel Geld verdienen. Eine Tonne Altpapier bringt um die 100 Euro. Verantwortlich für das Einsammeln sind die Kommunen, die die Rechte dafür ausschreiben und an Unternehmen verkaufen können. Altpapier wird wie ein Rohstoff gehandelt: mit steigenden und sinkenden Preisen. Das eingesammelte Papier kommt dann auf den Recyclinghof. 20.000 Tonnen jährlich verarbeitet etwa der Recyclinghof in Villingen-Schwenningen. Man kann ihn mit einem Schrottplatz vergleichen. Müllwagen werden mit dem Altpapier gewogen, laden ab und werden wieder gewogen. Ist das Altpapier abgeladen, beginnt das Sortieren der unterschiedlichen Papiersorten nach der Cepi-Liste. Cepi bedeutet Confederation of European Paper Industries und ist ein Zusammenschluss von Papier-Industrieunternehmen. Auf dieser Cepi-Liste wird das Papier in unterschiedliche Sorten und Qualitäten eingeteilt. Zudem definiert die Liste eine maximale Verunreinigung des Papiers von 1,5 Prozent. Dieser Wert darf nicht überschritten werden.

Die Cepi-Liste gibt fünf Kategorien von unterschiedlichen Papier- und Pappe-Qualitäten vor. Am Recyclinghof darf zuerst ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin per Hand große Stücke aussortieren. Danach laufen das restliche Papier und die Pappe über ein Fließband in eine Presse. In der Presse werden dann Ballen aus dem Papier gepresst. In Villingen-Schwenningen zum Beispiel ist das der letzte Schritt. Sobald die Ballen fertig sind, werden sie gestapelt, verladen und zur Papierfabrik transportiert. Der Recyclinghof liefert die Ballen unter anderem dann in eine Papierfabrik in der Nähe Freiburgs. Viele Fremdstoffe sind dabei noch nicht aussortiert.

Papierballen

Man glaubt kaum, was alles im Altpapier entsorgt wird. Neben Heftklammern und CDs, die hauptsächlich durch Magazine in das Altpapier kommen, sind vor allem Fremdstoffe wie Essen oder tote Tiere ein Problem. Leider entsorgen Menschen ab und an ihre Haustiere im Papiermüll. Tote Tiere verunreinigen das Papier zwar, können aber gut aussortiert werden. Essen bzw. Essensreste hingegen sind fast unmöglich zu identifizieren und auszusortieren. Hier ist man mit der Sortieranlage und der Handarbeit an einer Grenze, die die Recyclinghöfe akzeptieren müssen. Nichtsdestotrotz darf der Anteil der Verunreinigung von 1,5 Prozent nicht überschritten werden. Zwar stehen die Recyclinghöfe mit diesem Wert vor einer Herausforderung, die viel Arbeit bedeutet, aber es ist auch nicht unmöglich, unter 1,5 Prozent Verunreinigung zu bleiben.

Wie wird aus alt wieder neu?

Ist das Altpapier in der Papierfabrik angekommen, kommt es in einen großen Mixer. Dieser sorgt dafür, dass das Zeitungspapier zerkleinert und mit Wasser gemischt wird. So entsteht ein grauer matschiger Brei aus Wasser und Papier. Heftklammern, CDs und sonstige Kleinteile sind im Brei aber weiterhin vorhanden. Um diese Fremdstoffe zu extrahieren, kommt der Papierbrei in eine Trommel.

Diese kann man sich wie eine Waschmaschinentrommel in der Größe eines Einfamilienhauses vorstellen. Die Trommel funktioniert wie ein Sieb. Fremdstoffe wie CDs fallen einfach durch das Sieb. Die kleinen Heftklammern sind da schon schwerer raus zu sieben. In einer Art rotierendem Schleudergang werden die Klämmerchen nach außen gedrückt, fallen durch ein Sieb und werden vom Papierbrei entfernt.

Jetzt gibt es aber ein weiteres Problem: Die Druckerschwärze muss vom Papier getrennt werden. Dafür wird das Papier gewaschen. Durch Luft wird ein Schaum erzeugt, in welchem die Druckerschwärze gelöst wird. Der Schaum aus Waschmittel und Farbpigmenten wird dann abgeschöpft, sodass nur noch farbloser grauer Brei übrigbleibt. Dieser hat dann die Konsistenz von flüssigem Beton. Dieser Betonbrei aus Papier wird jetzt wieder mit frischem Wasser gemischt und auf ein Sieb aufgespritzt, sodass die Fasern sich verbinden.

Papierbrei aus der Trommel

Laut dem Umweltbundesamt werden in Deutschland 75 Prozent des Papiers aus Altpapier hergestellt. Die 100 Prozent werden wahrscheinlich nicht so schnell erreicht, denn bei der Herstellung werden sehr oft auch neue Holzfasern dazu gegeben. Das dient der Stabilität. Es gibt aber auch Papier, das komplett aus Altpapier besteht. Damit das Papier seine schöne weiße Farbe bekommt, wird es oft mit Sauerstoffverbindungen wie Wasserstoffperoxid gebleicht. Das geschieht, während die Fasern auf das Sieb gespritzt werden. Man kann sich das Ganze jetzt wie eine Waschstraße vorstellen. Das Papier wird im letzten Schritt auf langen Bahnen gespannt und getrocknet. Am Ende wird das neu entstandene Recycling-Papier aufgerollt. Die Papierrollen sind bis zu neun Kilometer lang und wiegen zwischen 2,5 und 3 Tonnen.

„Sag niemals nie“

Neu entstandenes Recycling-Papier heißt also auch für uns Otto Normalverbraucher, dass wir unser Altpapier wieder in den Händen halten können. Es muss nicht zwangsläufig als Zeitung sein. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir irgendwann das Papier als Prospekt, Magazin oder doch wieder als Zeitung in die Finger bekommen. Also: Sag niemals nie.

 

 


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2 Kommentare
  1. Radwan Saad
    Radwan Saad sagte:

    Ausgesprochen informativ! Der Artikel schildert in detaillierter Art und Weise den Recycling-Prozess. Außerdem verpasst der erzählerische Stil den eher trockenen Ablauf des Recycling-Prozesses eine narrative Note, der uns wiederum die Vorgänge greifbarer sowie verständlicher macht. Des Weiteren war mir auch gar nicht bewusst, was für ein langer Weg so eine weggeschmissene Zeitung hinter sich hat und an welchen Richtlinien und Normen Papierfabriken gebunden sind. Erschreckend ist jedoch, dass es Mitmenschen unter uns gibt, die ihre Haustiere mit in den Papiermüll entsorgen und was Essensreste für gravierende Folgen im Recycling-Prozess mit sich bringen. Eine spannende Reportage!

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