„Reproduzierbarkeit“ ist spätestens seit Walter Benjamin kein Fremdwort mehr. Durch den Druck, neue Technologien und spezielle Programme wird es immer einfacher, Papiere zu kopieren, manipulieren oder zu fälschen. Doch woran können Laien Fälschungen erkennen, wie werden falsche Dokumente von Experten untersucht und welche Fälschungstechniken gibt es? Rolf Fauser, LKA-Fachgruppenleiter für Dokumentenuntersuchung in Stuttgart, gibt einen Einblick in das Thema. Er ist weltweit sehr bekannt für seine Kriminaltechnikprojekte. Ich hatte die Ehre, Rolf Fauser persönlich zu befragen.

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Rolf Fauser ist ein gefragter Fälschungsexperte, der für seine hervorragenden Erfindungen bekannt ist. Er fand heraus, dass Dokumente auf bestimmte Drucker zurückzuführen sind. Bei einem Tintenstrahldruck kommen innerhalb einer Sekunde Tausende von Tropfen auf das Papier. Diese scheinbar willkürlichen Tropfen sind aber sauber berechnet und kein Zufall. Das heißt, durch die Anordnung der Tropfen, durch die Matrix, lässt sich auf den Herstellungszusammenhang und somit auf den Drucker schließen. Auch unterscheiden sich Drucker in der Tintenmenge bzw. im Durchmesser der einzelnen Tropfen, wodurch ebenfalls ein Rückschluss auf das Volumen und somit auf den Drucker möglich ist. 2016 bekam Fauser für ein weiteres Projekt im Zusammenhang mit der Tintenstrahl-Auswertung 200.000 Euro von der EU. Dabei ging es um den Aufbau von Datenbanken, die chemische, visuelle und physikalische Messdaten vereinen und durch Klassifizierung auf bestimmte Drucker zurückzuführen sind. Mittlerweile ist das Projekt international besetzt.

 

Zuerst vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Fauser!

Ja, sehr gerne.

Dann beginnen wir mal mit der ersten Frage: Wie häufig werden in Baden Württemberg Papiere oder Banknoten gefälscht?

Ich habe die Statistiken nicht im Kopf, aber es kommt bei uns täglich vor. Gefälschte Identitätsdokumente kommen weitaus öfters vor als gefälschte Banknoten. Euros abzusetzen ist hier eher schwierig. Zwar bekommt man sie immer bei irgendwelchen Festen unter, jedoch können nicht auf einmal 100.000 Euro abgesetzt werden. Bei Identitätsdokumenten ist ein Bedarf da, dort werden Millionen Euros umgesetzt. Sogar im offenen Internet werden sie angeboten – vom Darknet ganz zu schweigen.

Das Alphanis Institut für Fälschungssicherheit behauptet: „Heutzutage kann fast jeder Fälscher ein Original innerhalb weniger Stunden kopieren oder manipulieren.“ Ist es tatsächlich so einfach und schnell passiert, ein Original zu fälschen?

Vom Grundsatz her ja, weil heute Mittel wie Tintenstrahldrucker, Laserdrucker oder 3D-Drucker allgemein zur öffentlichen Verfügung stehen. Man kann nahezu alles kopieren, nachmachen, allerdings wird es bei bestimmten Sicherheitsmerkmalen problematisch. Ebenso wird es beim Druckverfahren problematisch, weil dieses mit Tintenstrahldrucker bzw. Laserdrucker nur augenscheinlich reproduziert werden kann. Das merkt natürlich aber der Ahnungslose nicht.

Worauf kann ein Laie achten?

Auf diesem Bild sieht man zum Beispiel, wie der Stichtiefdruck nachgeahmt wurde. Die Verkäuferinnen sagen immer, dass das anderes Papier ist. Aber generell kann man Zellulosepapier nicht durch Fühlen von Baumwollpapier unterscheiden. Lediglich der Druck, der auf der Oberfläche sitzt, ist fühlbar. Das ist wirklich ein Kunstwerk und kann auch ganz einfach ausgehebelt werden, indem man das im Flachdruck macht und von hinten so ein Raster reindruckt wie bei diesem Hunderter:

Auf dem Bild ist der nachgeahmte Stichtiefdruck und das reingedruckte Raster zu erkennen. Foto: Rebecca Sahin

 

Das heißt, man dürfte normalerweise nur etwas auf der Vorderseite spüren?

Auf der Oberfläche, ja. Und der Farbauftrag, der wie bei einer echten Banknote auf dem Papier sitzen müsste, ist hier nur der Offset-Druck. Das Papier ist praktisch von hinten nach vorne gedrückt worden. Es ist nicht schlecht gemacht, sondern farbmäßig identisch zum Original. Und so etwas kann man für sechs bis acht Euro kaufen. Die Kosten für die Herstellung liegen etwa im Cent-Bereich.

Schwieriger nachzuahmen ist das Wasserzeichen. Die Voraussetzung für die Einbringung von UV-reaktiven Sicherheitsmerkmalen ist, dass das Papier dunkel ist – und genau das stellt eine große Hürde dar. Je mehr Papierfasern im Durchlicht zu sehen sind, desto dunkler ist es. Heutzutage gibt es aber nahezu kein Papier mehr ohne optischen Aufheller. Wenn man möchte, dass das Papier unter dem UV-Licht tatsächlich dunkel bleibt, muss man mehr Farben aufbringen. Wenn man aber die Farben einfach auf das Papier drucken würde, würden sie auf der Vorderseite auffallen. Deswegen gibt es eine bessere als die aufgedruckte Variante: Man nimmt zweilagiges Papier und druckt es dazwischen. Dadurch kann mehr Farbe aufgebracht werden und fällt auch nicht mehr auf der Vorderseite auf, da die Farben sich zwischen dem zweilagigen Papier befinden. Außerdem können bei zweilagigem Papier auch der Sicherheitsfaden-Aufdruck oder Metallfaden eingebracht werden. Wird das Papier aber oben eingerissen, sticht unter dem UV-Licht wieder der optische Aufheller an den Kanten hervor.

Fälschung vs. echtes Geld: Der 50 Euro-Schein bleibt dunkel im UV-Durchlicht. Bei gefälschten 100-Euro-Scheinen ist noch das Wasserzeichen zu erkennen, was unter dem UV-Durchlicht nicht mehr der Fall sein dürfte. Foto: Rebecca Sahin

Mit welchen Gerätschaften untersuchen Sie als Experte die Ränder einer Banknote?

Es gibt bei den Banken und bei der Polizei allgemein verfügbare Prüfgeräte. In der Labortechnik aber haben wir ganz spezielle Gerätschaften, womit in sämtlichen Lichtarten, von Infrarot bis Ultraviolett, nicht nur in 365 Nanometern, sondern in 313 und 254 Nanometern gearbeitet werden kann. Anhand einer Datenbank kann durch bestimmte festgesetzte Schwellwerte (Helligkeitswerte) erkannt werden, ob der Geldschein echt oder falsch ist. Ist das Papier zu hell, ist es auffällig. Liegt der Wert unter dem Schwellwert, ist alles in Ordnung. Diese Helligkeit kann aber auch bei Banknoten bzw. bei Falschgeld verdächtigem Geld durch Waschmittel entstehen. Es reicht aus, wenn man die echte Banknote in die Jeanshose klemmt: Jede Hose hat so viel Rest-Waschmittel, dass sich das Waschmittel bei Feuchtigkeit sofort auf die Banknote überträgt. Und das reicht schon aus, dass der Schwellwert ein bisschen höher kommt und der Geld- oder Parkautomat die Banknote als unecht abstempelt und sie deswegen wieder ausspuckt, obwohl es echtes Geld ist. Die Fälscher haben inzwischen Tricks, indem sie beispielsweise mit bestimmten Haarsprays das Papier einsprühen, wodurch die Banknote dunkel wird. Reißt man aber die Seite der Banknote ein, scheint das Weiß an den Kanten wieder hervor.

Fälschung mit Rissen in der Banknote – hier ist der optische Aufheller erkennbar. Foto: Rebecca Sahin

Hier kann man durch Risse am oberen Rand der Banknote den optischen Aufheller nochmal genauer erkennen. Foto: Rebecca Sahin

Nun gibt es ja verschiedene Papierarten, Zellulose-Papier, synthetisches und Baumwollpapier… Gibt es Unterschiede in der Einfachheit beim Fälschen von verschiedenen Papierarten?

Nachgeahmte Melierfasern. Foto: Rebecca Sahin

Das Papier muss der Fälscher fertig kaufen. Er wird auf dem Markt vielleicht Baumwollpapier finden, was aber für den Zweck, Falschgeld zu machen, zu teuer ist. Für ihn reicht also Zellulosepapier aus, weil er das Wasserzeichen und die Melierfasern sowieso in irgendeiner Form nachahmen, also etwa aufdrucken muss, und es ihm dann nicht viel bringt, viel Wert auf Haltbarkeit zu legen. Die Scheine vercheckt man natürlich im neuwertigen Zustand. Sobald sie gebraucht sind, sieht man relativ deutlich, dass es sich nicht um das gebrauchsfähige Baumwollpapier handelt. Während sich entsprechende Falzen im Baumwollpapier wieder automatisch glätten, bleiben sie im Zellulosepapier erhalten.

Und gibt es Unterschiede in der Einfachheit des Fälschens von Ausweispapieren?

Also alles ist machbar, was aber noch besser ist: Verfälschungen. Bei Verfälschungen spaltet man Papierseiten. Ein Teil der Papierseite, dort wo sich Personalien und das Lichtbild befinden, wird ersetzt und mit einem banalen Tintenstrahldruck nachgeahmt, danach kommt die Folie wieder drauf und fertig ist es. Das funktioniert mit jedem Reisepass, egal ob er aus Norwegen, aus dem Irak, aus Syrien oder Deutschland kommt. Diese Technik der Papierspaltung kann im Anschluss auf Plastik-Karten übertragen werden. Tolle Technik, schwer zu erkennen, ohne Hilfsmittel teilweise überhaupt nicht.

Sind Verfälschungen teurer als Totalfälschungen, wenn mehr Arbeit und niedrigeres Entdeckungsrisiko dahinter steckt?

Ja, Totalfälschungen sind schlechter und somit auch billiger als Verfälschungen. Bei Verfälschungen ist ja nur ein ganz geringer Teil, was Personalien oder das Lichtbild betrifft, verfälscht. Der Rest ist echt. Und das ist natürlich viel schwieriger, da steckt wirklich Kunst dahinter, wie der Fälscher die Bindung aufmacht und die Seite wieder frisch einnäht.

Was war für Sie die bisher schlechteste Fälschung?

Richtig schlecht ist eigentlich keine Fälschung, sie muss ja gebrauchsfähig sein. Das, was schlecht ist, ist für einen Laien kaum erkennbar. Was im Moment aber richtig schlecht ist, sind die Pseudo-Ausweise von den Reichsbürgern. Aber so etwas Schlechtes nutzt nichts, weil es an der Führerscheinstelle oder im Bürgerbüro niemals angenommen wird.

 

 


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5 Kommentare
  1. Robert Galiard
    Robert Galiard sagte:

    Ich hab das Papiergeld gegen das Licht gehalten, den Stichtiefdruck ertastet, es an der Kante eingerissen (völlig grundlos eigentlich, da ich keine UV-Licht Lampe besitze) und mir dann ganz lange die Hände gewaschen. Dürfte echt sein!

    Würde es eigentlich helfen einen Geldschein mit Haarspray einzusprühen, wenn man ihn zu lange in der Hosentasche hatte und der Parkautomat ihn deswegen ausspuckt? 😀

  2. Costanza Terino
    Costanza Terino sagte:

    Ich wusste nicht, dass es auch „Verfälschungen“ gibt. Diese sind ja noch eine Spur raffinierter. Vielen Dank für diesen Einblick!

  3. Larissa Dahner
    Larissa Dahner sagte:

    richtig spannendes Thema, und vor allem ein richtig klasse Interviewpartner! Wirklich interessant wie Fälschungen erkannt werden können und welche technischen Hilfsmittel dafür gebraucht werden. Mich hat überrascht, dass es täglich Fälle von Fälschungen gibt.

  4. Kibrom Zereyohannes
    Kibrom Zereyohannes sagte:

    Super interessantes Interview! Seitdem ich denken kann, habe ich eine große irrationale Angst! Mal im Supermarkt versuchen bar zu bezahlen und unwissentlich mit Falschgeld erwischt zu werden, das irgendwie in meinem Geldbeutel gelandet ist. Jetzt kenne wenigstens ein paar Tricks, um meinen Gewissen zu beruhigen. Danke dafür!

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