Wie geht das mit dem Karriere machen, wie komme ich in eine höhere Position? Die Sozialwissenschaften untersuchen schon lange die Faktoren, die den Karriereweg beeinflussen – und das mit spannenden Ergebnissen. Was wir daraus lernen können und wie viel von dem Faktor – einen Horizont für die eigene Karriere zu haben – abhängt, das erfahrt ihr in diesem Artikel.
Und wieder ruft der Radiosprecher gut gelaunt durch die Lautsprecher der Republik: „durchhalten meine Lieben, noch zwei Tage und dann ist der Stress wieder vorbei und es heißt Wochenende. Yeah!“
Genau! Nur schnell noch die Mühsal der Arbeit hinter sich bringen, um wieder das tun zu können, was wirklich Freude macht. Denn Arbeiten macht ja bekanntlich keine Freude, es ist das, was man eben tun muss, um Geld zu verdienen. Richtig?
Mal ehrlich, das ist doch ein schreckliches Konzept. Möglichst schnell 5/7 der Woche hinter mich bringen, um mich dann 2/7 der Woche davon zu erholen?
Fakt ist: Einen Großteil unseres Lebens verbringen wir in der Arbeit und nach allem, was wir aus der Soziologie wissen, definieren sich die Deutschen maßgeblich über ihren Job. Der Anspruch ist groß! Wie finde ich eine Arbeit, die mir wirklich entspricht, Sinn gibt und wie komme ich langfristig in eine entsprechende Position? Junge Menschen, die jetzt die Weichen für Ihre Karriere stellen müssen, sind herausgefordert gute und richtige Entscheidungen zu treffen. Aber was beeinflusst tatsächlich meinen Karriereweg, welche Faktoren sind entscheidend?
„Glaube an dich, folge deinem Herzen und lebe deinen Traum.
Du kannst alles schaffen was du willst, wenn du es nur willst!“
Wir alle kennen diese schönen Grußkarten Sprüche. Was aber, wenn ich gar nicht weiß, was ich will?
Dilemma Orientierung – wie kann ich wissen, was ich will?
Das erste Dilemma begegnet uns beim Thema Orientierung. Nur 20 Prozent aller Schulabgänger wissen, was sie beruflich machen wollen. Der Arbeitsmarkt ist so ausdifferenziert und unübersichtlich geworden, dass den jungen Menschen die Übersicht fehlt. Viele machen ein soziales Jahr oder wollen an die Uni. Aber auch das Studium ist nicht für alle eine wirkliche Option, wie die aktuelle Berufswahlstudie des Deutschen Studentenwerks zeigt: Haben die Eltern nicht studiert, schaffen es nur 23 Prozent ihrer Kinder an die Uni oder Fachhochschule. Ist dagegen zumindest ein Elternteil Akademiker, beginnt der Nachwuchs in acht von zehn Fällen ein Studium. Besonders stark ist der Effekt bei Juristen und Ärzten. Hier haben die Eltern mit über 70 prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Universitätsabschluss und bei Ärzten ist es sogar die Regel, dass ein Elternteil selber Arzt ist. Wenn Arbeiterkinder studieren, studieren sie technische Berufe oder Sozialwissenschaften.
Ein entscheidender Faktor für die Orientierung und die Formulierung eines Berufswunsches ist somit das Elternhaus. Wo kein Aufstiegsmotiv ist, da kann auch kein Aufstiegsplan sein. Eine realistische langfristige Planung setzt Erfahrungen und Wissen voraus, über das Aufsteiger und ihre Familien nicht verfügen können und damit klar in den Nachteil geraten. Der Horizont ist somit für Karrierepläne entscheidend und der wird in Akademikerfamilien anders vermittelt als in Arbeiterfamilien.
Du kannst alles schaffen was du willst, wenn du nur willst – Aber stimmt das?
Nehmen wir mal an, das Berufsziel ist klar. Wie kann ich es dann erreichen? Die ruhmreichen Aufsteigergeschichten, die Hollywood uns immer wieder präsentiert, kennen wir. Arbeite hart, dann wirst du es schaffen, es liegt allein an dir!
Trotzdem zeigen empirische Befunde der Soziologie auf, dass es so viele klare Aufsteiger in unserer Gesellschaft nicht gibt, im Gegenteil. Und nein, es liegt nicht nur an dir!
Die Soziologen Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron haben mit ihrem Buch „Les héritiers“ (Die Erben) gezeigt, wie die Klassengesellschaft schon durch das Bildungssystem reproduziert wird. Und das auch, wenn das Schul- und Unterrichtssystem alle gleich behandelt! Auch hier ist der Horizont entscheidend. Bourdieu belegte: Je nach sozialer Herkunft bringen Schüler und Studierende sehr unterschiedliche Erfahrungen mit. Schüler, die durch ihr soziales Umfeld die gewünschte bürgerliche Kultur von klein auf kennen, haben einen Vorsprung gegenüber denen, die diese Kultur von Grund auf erst erlernen müssen. Dies ist ein klares Handicap und es besteht auf verschiedensten Ebenen. Es kommt z.B. darauf an, ob zu Hause Dialekt oder Hochsprache gesprochen wird und welche kulturellen Vorlieben in der Lebenswelt üblich sind. Allein schon die Namen sind entscheidend für Bewertungen von Aufsätzen und Klausuren. Charlotte, Sophie, Maximilian und Alexander sind klar besser dran als Chantal, Mandy oder Justin. „Kevin ist kein Name sondern eine Diagnose“! Dies ist eine Aussage, die in einer Studie der Arbeitsstelle für Kinderforschung an der Universität Oldenburg gemacht wurde.
„Der Professor bevorzugt instinktiv die Studierenden, die in ihrer Vollendung die privilegierten Werte der Bourgeoisie ausdrücken, zu der er selbst gehört oder zu der er sich mit seiner Ausbildung zählt.“ So der Soziologe Pierre Bourdieu. Durch eine unglaubliche Fülle von Eindrücken während unserer Sozialisation hat sich ein Verhalten („Habitus“) gebildet, das wiederum unseren Lebensstil mitbestimmt. Dieser Lebensstil scheint durch uns hindurch und öffnet uns die Türen auf unserem Karriereweg oder schließt sie zu – wie Ergebnisse aus der Elitenforschung zeigen.
Gleiche Karrierechancen – Fehlanzeige!
„Das eindeutigste Merkmal deutscher Eliten heute wie vor Jahrzehnten ist, dass diese sich zum größeren Teil selbst aus einer schmalen Oberschicht und zum geringeren Teil aus den Kadern der nichtakademischen Beamtenschaft rekrutieren.“ So der Befund des Soziologen Ralf Dahrendorf, den er bereits 1962 formulierte und der bis heute in seinem Kern Bestand hat.
Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Leistungen, dem erreichten Bildungsgrad, sowie den damit verbundenen Chancen junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist international unbestritten, sowohl in der bildungspolitischen, wie auch in der bildungswissenschaftlichen Diskussion.
Die Karriereverläufe von 6.500 promovierten Ingenieuren, Juristen, sowie Wirtschaftswissenschaftlern zeigen sehr klar, dass sich das extreme Übergewicht der gut situierten Bürgerkinder nicht nur auf deren Leistung zurückführen lässt. In Großkonzernen waren die Aussichten auf eine Vorstandsposition für die Söhne des Großbürgertums dreimal, bei denen des Bürgertums doppelt so gut wie bei ihren Kommilitonen aus der restlichen Bevölkerung.
Die Unterschiede sind noch sehr viel klarer, wenn man einzelne Berufsgruppen betrachtet. Wer aus dem Haushalt eines leitenden Angestellten kam, hatte bereits eine zehnmal so große Chance in die erste Führungsebene eines Großkonzerns zu gelangen, wie seine fachlich gleich guten Kommilitonen aus einer ArbeiterInnenfamilie. Wer einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied zum Vater hatte, dessen Aussichten waren sogar siebzehnmal besser. Seit Jahrzehnten stammt ungefähr jeder zweite Spitzenmanager aus dem Großbürgertum, den oberen fünf Promille der Bevölkerung, ein weiteres gutes Drittel aus dem übrigen Bürgertum, gerade einmal 15 Prozent aus der Arbeiterschaft und den Mittelschichten. Wenn man als Frau diese Karriere erfolgreich bestehen will, gelten die gleichen Voraussetzungen, aber noch viel stärker als bei Männern.
Was nun und vor allem, was tun?
Wir können uns jetzt gerne darüber aufregen wie ungleich die Chancen im Punkt Karrierewege verteilt sind. Das wäre eine verständliche Reaktion, ist aber nicht Ziel dieses Artikels. Ich glaube, dass wir aus diesen Befunden etwas lernen können. Etwas, das uns hilft näher an unseren Traumjob zu kommen und unsere Chancen zu verbessern.
Und zwar: Es liegt nicht unbedingt an dir. Vielleicht fehlt es am Horizont und dagegen kann man etwas tun. Man kann sich eine andere Aussicht suchen!
Wer vermittelt mir eine Aussicht, die für meine Orientierung wichtig ist? Wer vermittelt mir die Skills und Gepflogenheiten, die notwendig sind um Türen zu höheren Positionen zu öffnen? Ich glaube, dass das Einzelkämpferkonzept – ich schaffe das schon selbst – hier zu kurz greift und wir strategisch schlaue Entscheidungen treffen können: Von wem werden wir fortan geprägt und von wem lernen wir? Das können wir beeinflussen, es sind unsere Entscheidungen.
Wer sind meine Berater, Mentoren, Freunde und Unterstützer? In welchen Kreisen bewege ich mich, sind dort die Menschen, die schon erreicht haben, was ich selbst gerne erreichen möchte? Haben sie den Horizont und die Erfahrung voraus die ich brauche, um die Positionen zu bekommen, die ich mir wünsche? Also ist ein Schullehrer der beste Karriereberater, wenn er selbst außer Schule und Uni nichts gesehen hat?
Vielleicht fangen wir an Golf zu spielen, suchen uns einen Geschäftsmann als Coach oder Mentor. Vereine wie die Senioren der Wirtschaft oder die Wirtschaftsjunioren können hier Lösungen und Räume anbieten. Ebenso wie Businessfrühstücke zahlreicher Städte. Hier treffen sich die Chefs und Führungskräfte verschiedener Unternehmen um sich auszutauschen. In vielen Fällen sind diese Frühstückstreffen kostenlos und jungen Interessenten zugänglich. Alles Chancen, die wir nutzen können. Oder wir fangen an uns mit Freunden zu umgeben, die größere Ziele haben, als nur die Woche zu überstehen und das Feierabendbier zu genießen.
Beginnen wir die Welt durch die Augen derer zu sehen, die bereits das erblickt haben, was wir uns zu sehen wünschen. Viel Erfolg!